16.05.14

Godzilla (USA 2014)

Eine Feuerwalze rast vom Himmel, stürzt tosend in ein stehendes Flugzeug, das ebenfalls in einem Feuerball aufgeht und die Maschine neben sich mitreißt. Panisch rennen die Menschen im Terminal zusammen und starren empor zu dem gigantischen, insektenhaften Muto-Monster, das den Flughafen zu überrollen droht.
Da bebt die Erde. Direkt vor ihnen kracht ein Fuß auf den Asphalt, breit wie ein Haus. Im flackernden Schein des Feuers tritt er zum ersten Mal aus der Dunkelheit: Godzilla. Er stößt dem Muto seinen markerschütternden Schrei entgegen.
Der Kinosaal bebt und man weiß, alles beim Alten: Der König der Monster ist zurück! Bis etwas geschieht, womit keiner rechnet und man merkt: Alles beim Alten ist diesmal alles ein bisschen anders ...
© 2014 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. & LEGENDARY PICTURES PRODUCTIONS LLC
Spoilerwarnung
Dieser Beitrag enthält Hinweise zu Handlung!!
Biancas Blick:

GODZILLA  ist eigentlich kein Film, über den ich hier schreiben würde. Am Ende ist er allenfalls unterhaltsames Mittelmaß. Dennoch hat er auch Pfunde, mit denen er wuchern kann: Überraschende Wendungen, einen grandiosen Einstieg, einen krachenden Höhepunkt und einen Cast, der beeindrucken könnte. Darüber hinaus versucht dieser GODZILLA, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Ur-GODZILLA aus Japan und dem Emmerich-GODZILLA von 1998, und vervollständigt damit unsere Sammlung.
Aber der Reihe nach...
Die Story ist schnell zusammengefasst: Ein Monsterinsekt greift ein japanisches Kernkraftwerk an, dessen Strahlung ihm als Nahrungsquelle dient, und verpuppt sich dort. 15 Jahre später schlüpft es aus seinem Kokon und flieht in den Pazifik. Verfolgt von den Menschen nähert es sich der amerikanischen Küste. Die Lage spitzt sich zu, als Dr. Serizawa erkennt, dass der MUTO mit jemandem – oder etwas – zu kommunizieren scheint. Je näher der Gigant der Westküste kommt, desto klarer wird, dass ihnen nur einer helfen kann: Godzilla! Sie entwickeln einen abenteuerlichen Plan.

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Und, Leute, seid ihr stolz?


Mit Bryan Cranston castet Regisseur Gareth Edwards einen der angesagtesten und zurzeit besten Charakterschauspieler. Cranston spielt den Atomkraftwerksleiter Brody, der in der ersten Monsterattacke seine Frau verliert. Sein Wunsch nach Aufklärung bringt 15 Jahre später die Handlung ins Rollen und führt seinen mittlerweile erwachsenen Sohn ein, der den Giganten ins rotglühende Auge blicken darf.
Cranston sagt im Interview auf die Frage, warum er in einem Monsterfilm mitspiele, er habe die Rolle zunächst abgelehnt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das Sujet zu ihm passen könnte. Da habe ihn Edwards zur Seite genommen und ihm das Drama um die Vater-Sohn-Konstellation erklärt. Das reizt und überzeugt Cranston, der seinen Ruf als unterhaltsamer Interviewpartner bestätigt: „Und wer spielt meinen Vater?", gibt er seine Gegenfrage an.
Darüber hinaus biete der Film wichtige aktuelle Bezüge zu Fragen der Energiegewinnung, Gefahren der Atomkraft, der Restmüllentsorgung und thematisiert den Missbrauch der Natur durch die Menschen. Cranston hatte viel Wert darauf gelegt, sich mit seiner ersten Rolle nach dem Ende der Erfolgsserie BREAKING BAD deutlich von der Figur des Walter White abzugrenzen, für die er mit Lob und Auszeichnungen überschüttet wurde. Da hätte sich dieses Projekt angeboten.
Als Kind sieht Cranston GODZILLA, allerdings die amerikanisierte Fassung mit Raymond Burr, und findet das Monster besser als King Kong, den anderen König der Monster. Godzilla erschien ihm als „der gößere Held“ und „cooler“. Seitdem ist er ein Fan der Reihe und findet die Effekte als kleiner Junge beeindruckend.
Als er schließlich Edwards' fertigen GODZILLA sieht, ist er begeistert. Er habe nie gedacht, was CGI und eine tolle Regieleistung aus einem Monsterfilm herausholen können.
Dass Japan den Film harsch kritisiert und den Godzilla als „fett“ bezeichnet, lässt Cranston im Interview schmunzeln. Er versucht, sich möglichst jeglicher Popkultur und der Kommentare zu entziehen, so auch diesmal. Er ist stolz auf den Film und glaubt, dass Amerika mit diesem Monster noch viele Filme drehen wird. Denn: „Nicht die Filmemacher kreieren einen Klassiker, sondern die Fans lassen einen Film zum Klassiker werden.“

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Ken Watanabe, ein sehr populärer japanischer Charaktermime, ist ebenso stolz auf den Film und kann die Kritik aus Japan nicht nachvollziehen. Der Film „nehme Anleihen auf den Urgodzilla und spinnt die Geschichte modern und gut inszeniert weiter.“ Er hofft, dass den Film viele Menschen sehen und er viele begeistert. Zwar hat er nur eine kleine Rolle in dem Film, dennoch ist er stolz darauf und empfand das Skript als zu gut, um nicht daran beteiligt zu sein.

Regisseur Gareth Edwards liefert mit GODZILLA erst seinen zweiten Spielfilm ab. Aufmerksamkeit erregt er mit seinem vielbeachteten Erstling, dem kleinen Independenthorrorfilm MONSTERS. Der neuen Situation ist er sich bewusst, auch dem Budget, das um zwei Nullstellen gewachsen ist: "Ich würde gern sagen, dass es keinen Druck gab und alles ein Riesenspaß war. Aber der Druck vom Studio oder von Seiten der Fans ist nichts im Vergleich zu dem Druck, den ich mir selbst gemacht habe. Einen ersten Erfolg konnte ich schon verbuchen: Du weißt, du hast gute Arbeit geleistet, wenn deine Mutter beim Trailer auf Facebook 'Gefällt mir' anklickt", erklärt er.
Auch er ist zufrieden mit dem Endergebnis. Es ist sein Kindheitstraum, einmal einen solch großen Film zu drehen, er dachte aber, es brauche mindestens zehn Filme zuvor. Doch nachdem Produzent Jon Jashni  MONSTERS sieht, spricht er Edwards an, und sie beginnen augenblicklich mit der Pre-Production für GODZILLA.

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Auch die enorme Größe der Echse ist nicht zufällig gewählt. Immerhin ist dieser Godzilla mehr als doppelt so groß wie das Original aus den Fünfzigern. Das Team experimentiert mit diversen Modellen in einer Minitaurnachbildung der Stadt, positioniert Kameras auf den Dächern und wechselt die unterschiedlich großen Modellechsen aus. Sie wollen herauszufinden, wie groß Godzilla sein muss, um einerseits gut sichtbar zu sein, andererseits aber weiterhin von den Gebäuden verdeckt werden zu können. Schließlich kommen sie auf die 107 Meter, die Godzilla im Film misst.
Und auch dem markerschütternden Schrei widmen sie viel Zeit. Der ikonische Originalschrei der Fünfziger wurde erreicht, indem ein alter Lederhandschuh über die Saiten eines Bass‘ oder Cellos streicht. Der neue Schrei soll sich deutlich davon emanzipieren und doch tierisch und gefährlich wirken. Dank modernster Technik ist ein Schrei gelungen, der für sich steht, ohne seinen Urpsprung zu verleugnen.

Was bietet der neue Godzilla?


Zunächst einmal mit Bryan Cranston, Ken Watanabe, Sally Hawkins, Juliette Binoche und David Strathairn fünf Top-Charakterschauspieler, von denen nur Cranston seine Rolle ausfüllen und den Film adeln kann. Der Rest vermag das leider nicht, was vor allem dem Drehbuch anzulasten ist, das ihnen einfach nichts zu tun gibt. Ken Watanbe muss Kritik einstecken dafür, dass seine Rolle zwar viele dunkle und schlimme Dinge sagt, er sonst aber darauf beschränkt bleibt, „mit wildem Blick in alle Himmelsrichtungen nach CGI-Monstern zu schauen“.

GODZILLA bietet drei hervorragend getrickste Monster. Die etwa 80 Meter großen Rieseninsekten erinnern an die Kreaturen aus CLOVERFIELD und STARSHIP TROOPERS. Godzilla geht deutlich von Emmerichs Kreation weg und zurück zum aufrecht watschelnden Ur-Godzilla.

Der Plot wird dem typischen Aufbau eines Monsterfilms gerecht: überhebliche Wissenschaftler, die sich über- und die Natur unterschätzen, vorausschauende Wissenschaftler,  die alles verhindern könnten, wenn ihnen bloß jemand zuhören würde, einen jungen Helden,  der seine Familie nur retten kann, wenn er die Welt rettet, böse Monster und den, seit den 60er Jahren menschenfreundlichen, Godzilla als Retter in der Not.

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GODZILLA schafft eine Verbindung zwischen Japan und Amerika. Diese Würdigung des Ursprungslandes ist gewollt. Wie das Franchise wandert Godzilla auch hier von Japan an die amerikanische Westküste.
Auch im Design verneigt Edwards sich vor dem japanischen Original: ausladendes Becken, aufrechter Gang. Und tatsächlich wird die Kreatur diesmal per Motion Capturing von einem Menschen gespielt. Das ist zwar nicht Andy Serkis, der steht  allerdings als Berater zur Verfügung, um den Akteuren der Monster zu zeigen, wie man auch einer Motion Capturing Figur Seele einhauchen kann.
Die Verbindung von Atomkraft und Monster ist ebenfalls dem Original entnommen, allerdings dient die Atomkraft den Monstern hier als Nahrung. Die Gefahr der Atomenergie wird nicht so explizit wie im Original aufgeführt, schwingt aber mit. Zum einen durch die an Fukushima erinnernden Bilder des einstürzenden Atomkraftwerks, aber auch durch Dr. Serizawas Anspielung auf Hiroshima und seinen Wunsch, keine Atombombe in San Francisco hochgehen zu lassen.

Anleihen zur Emmerich-Version nimmt der Film weniger inhaltlich als vielmehr bildlich. So entsteigt der Godzilla dem Meer, Rückenhörner voran. Statt auf einer Brücke gefangen und getötet zu werden, bricht dieser Godzilla einfach hindurch, als wolle er Emmerichs Godzilla einmal zeigen wie das geht.
Die Brut der Monster wird zerstört, bevor eine Reihe von Pseudo-Raptoren herumlaufen können, was zu einem kurzen Augenblick führt, in dem das Monster und der Held sich Auge in Auge gegenüberstehen. Auch das wiederkehrende Element der triumphierenden Monster mit ihrem jeweiligen Schrei erinnert an den Emmerich-Film.

Der Plot von 2014 ist neben dem Plot von 1954 der mit Abstand beste der ganzen Reihe! Dass nicht alles wissenschaftlich nachvollziehbar ist und dem kritischen Hinterfragen standhalten kann, liegt in der Natur des Monsterfilms. Dass die Schauspieler ihre Rollen nicht füllen können ebenso, denn nicht sie, sondern die Monster und deren Inszenierung stehen im Mittelpunkt des Films. Und dennoch schafft es dieser Monsterfilm, die Monster und deren Kämpfe mit einem Geniestreich zu inszenieren.

Ja, wo laufen sie denn?


Denn Edwards lässt die Monster stets in der Nacht, im Nebel oder  aus dem  Wasser auftauchen. Meistens erleben wir sie und ihre Kämpfe mit den Augen der jeweiligen Protagonisten: durch Atemmasken, Flugbrillen, hinter Köpfen fliehender Menschen, verwackelt, auf der Flucht, unruhig.
Die wahre Größe der Giganten erahnt man teilweisel nur: Ein Fuß hier, ein Bein dort, ein zuckender Schwanz in der Staubwolke. Gerade diese Stiltechnik lässt den Film und seine Bedrohung echt und fast schon dokumentarisch wirken. Die Monster verschmelzen nicht selten mit den Hintergründen, werden zu Bergen oder Bäumen, und treten im Angriff aus ihnen hervor. Eine beeindruckende und beängstigende Wirkung und in dieser Form, mit dieser Konsequenz, noch nie umgesetzt.
Hier arbeitet Edwards stilistisch angelehnt an seinen MONSTERS, bei dem die Monster auch selten zu sehen, aber stark zu spüren sind.

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Marcos Blick:

Einen Film über Godzilla zu drehen, birgt immer Risiken! Zu bekannt, zu ikonisch, zu beliebt ist die Figur, zu individuell sind die Erfahrungen jedes Zuschauers und Kritikers, sich mit der Riesenechse auseinanderzusetzen, und, das darf nicht vergessen werden, zu wechselhaft sind seine Geschichte und seine Figur.
Zum 60. Jubiläum des Ur-GODZILLA erscheint ein Remake, an dessen Kritik sich gut ablesen lässt, dass in unserer Kultur vor allem eine Verwirrung herrscht: Was zum Henker ist Godzilla denn nun überhaupt? Ist es ein Städtezertrampelndes Monster? Oder ist es eine tiefgehende Metapher auf die Gefahren des Atomzeitalters?

Das Problem ist: Godzilla war und ist immer beides! Sinnloses Actionspektakel in Atom-kritischem Anstrich. Dementsprechend schwer tun sich die Kritiker damit, einen GODZILLA Film zu bewerten. Denn wie bewertet man einen Film, der einerseits fantastisches Spektakel, andererseits politischer Zeitkommentar sein will?

Klar ist, dass die Kritik im Allgemeinen GODZILLA nicht fassen kann. In irgendeine Ecke muss man sich ja stellen mit seiner Kritik. Das Feuilleton verbarrikadiert sich in der Ansicht: „GODZILLA muss etwas bedeuten“. Da wird fröhlich auf das 60 Jahre alte Original verwiesen, als hätte es die 29 Filme dazwischen nie gegeben und auf Biegen und Brechen versucht, dem Film eine politische Notation abzuringen.
Andere Kritiker beharren auf: „GODZILLA muss Städte zerlegen“, und bewerten das Spektakel, das selbst mit CGI und 3D nicht unbedingt gefallen muss.
Und ein paar besonders pfiffige Kritiker versuchen, sich dem Dilemma zu entziehen und die Qualitäten von Drehbuch und Charakterzeichnung zu bewerten, ohne dem Rest allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Genügend Godzilla für alle


Nun liegt genau hier eine der Stärken GODZILLAs: Er bietet allen Kritikern auf allen Ebenen etwas. Ob dem Kritiker das Dargebotene gefällt oder nicht, sei dahingestellt.
Dabei macht Regisseur Gareth Edwards es weder sich selbst, noch den Fans und eben auch den Kritikern besonders leicht. Denn er bricht in GODZILLA mit einigen Regeln des Monsterfilmgenres – und wertet es damit enorm auf!
Schon sein Debütfilm MONSTERS beweist, dass der Engländer es versteht, Genrekonventionen zu brechen und ihnen gleichzeitig treu zu bleiben. Auch dank ihm etabliert sich im Genre des Monsterfilms in den 2000er Jahren eine neue Konvention, die vermutlich noch nicht mal einen Namen hat, die allerdings perfekt mit dem Begriff des „tangierten Monsters“ beschrieben werden kann.

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So steht in früheren Monsterfilmen, besonders den GODZILLA-Streifen, stets und unbestreitbar das Monster im Mittelpunkt, nichts anderes. Wer, vermutlich als Kind, die Godzillafilme gesehen hat, wird sich wohl nur noch an eines erinnern: Monster, die sich an die Gurgel gehen, Monster die fliegen, Monster die Städte platt trampeln! Und wirklich sind die Geschichten, die Handlungen, die Figuren dieser Filme komplett irrelevant. Meist bestehen sie aus einem Mann und einer Frau, die auf einer Hügelkuppe liegen und den Monstern zusehen. Die Figuren gelten lediglich als Rechtfertigung dafür, den Schauwert der Monster darzustellen.

Der neue große Monster Film


Genau hier findet, wie immer, wenn ein Genre ermüdet, in den 2000er Jahren der Konventionswechsel statt: Mit einem Mal werden Monsterfilme schick, die den Blick fest auf die Figuren geheftet halten, unerheblich davon, welche Verwüstung und Zerstörung um sie herum stattfindet. Kein Film bringt das so elegant und smart auf die Leinwand wie CLOVERFIELD, aber schon Stephen Spielbergs KRIEG DER WELTEN und eben auch Gareth Edwards Erstling MONSTERS beweisen: Ein Monsterfilm aus der Perspektive der Figuren kann funktionieren, ist erfrischend und ermöglicht die Identifikation mit der Situation – auch wenn man von den Monstern am Ende nicht viel sieht. Es vermittelt das Gefühl, dass man als Mensch gegen diese Giganten ohnehin machtlos ist, ihnen ausgeliefert ist.
Auch GODZILLA vermittelt dieses Gefühl, dass die Schauwerte „nebenbei“ ablaufen, und es ist beinahe bedauerlich, dass Edwards hier nicht konsequent bleibt. Fast durchgehend legt er die Perspektive stur auf seine Figuren und ihre Geschichte, degradiert seine Kaiju zu Randerscheinungen der Handlung, nur um dann doch wieder auszubrechen und minutenlang draufzuhalten, wenn die Großen es unter sich ausmachen. Der Spagat, moderne Konventionen mit klassischen, Godzilla verpflichteten, Schauwerten zu kombinieren ist mutig, gelingt allerdings nicht ganz.

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Auch ist es ein Genrebruch, einen Monsterfilm als Drama einzuleiten. Dieser Balanceakt gelingt dem Film deutlich besser, was, das muss man klarstellen, hauptsächlich Bryan Cranstons Fähigkeiten geschuldet ist, der jede Klischeehaftigkeit im Drehbuch wegspielt, als würde er in einem Oscardrama auflaufen. Die Idee, einen Monsterfilm mit prämierten Dramadarstellern aufzupolstern ist großartig. Leider weiß das Genre den fähigen Künstlern nichts in die Hand zu geben. Einer Schauspielerin wie Sally Hawkins eine Figur zu geben, deren Text am Ende aus einem „Sensei“ besteht, grenzt an Verschwendung!
Auch hier fehlt dem Film wieder die letzte Konsequenz. Denn kaum endet der erste Akt, verlässt der Film seinen neuen, erfrischenden Ansatz und ordnet sich wieder gänzlich dem Monsterfilm unter - mit allem, was das Gutes oder Schlechtes bringt.

Godzilla, das zeigt GODZILLA deutlich, bleibt ein Phänomen, das eben mit Schauwerten arbeitet. Das erkennt man auch daran, dass grundsätzlich jede Kritik von Fans im Vorfeld der Veröffentlichung des Films, wie schon bei Emmerichs Version, erst einmal mit dem Kritikpunkt eröffnet, das Monster sähe „falsch“ aus.
Und hier beginnt das Problem von Edwards Remake: GODZILLA will sich dem Original mit Respekt und Treue nähern – was  ihm gelingt –, will  dem Genre aber auch neue Impulse geben – und an dem Versuch, Tradition und Moderne gekonnt zu vereinen, sind schon ganz andere gescheitert.

Verneigen, und endlich etwas Kloppe


Als Hommage funktioniert der Film dabei großartig! Der Konflikt zwischen Militär und Forschung ist seit jeher der Subplot der Godzilla-Filme. Ken Watanabes Figur des Wissenschaftlers ebenfalls Dr. Serizawa zu nennen, wie den heroischen Wissenschaftler des Originals, ist dabei eine ebenso würdige Verneigung wie die kurze, aber geschickte Referenz auf Mothra. Und selbst die wissenschaftlichen Erklärungen und Lösungen der Geschichte stehen in ihrer Einfachheit und Infantilität dem Original in nichts nach.
Als gelungener Kniff funktioniert auch die neuausgerichtete Funktion von Radioaktivität: War diese in den Vorgängerfilmen eher versehentlicher Auslöser für die Monsterangriffe, dient sie jetzt sogar als deren Nahrung – die Verbindung der Atomkraft zum Monster, und das Verschulden der Menschen an dieser Katastrophe, wird sogar noch deutlich verstärkt.

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Als respektvoll erweist sich auch der Brückenschlag zwischen Japan und Amerika, den Emmerichs GODZILLA beispielsweise nur hauchdünn anspricht. Diesmal spielt Japan eine fundamentale Rolle, wenngleich, was auffällig ist, die japanische Seite die besonnene, die wissenschaftliche Seite darstellt, die Amerikaner hingegen die millitärische, mit der Brechstange agierende. (Was einige Kritiker dem Film als pro-amerikanischen Anti-Asiatismus auslegen.)

Edwards GODZILLA ist sich sowohl seiner Herkunft als auch seiner Fans als auch der Gegenwart bewusst. Er vermeidet nahezu alles, was Emmerichs GODZILLA vorgeworfen wird, teilweise zum Leidwesen des Films. Emmerich hatte einen leichten Sommerblockbuster entworfen, dem besonders sein Humor vorgeworfen wurde – als wären die japanischen GODZILLAs nicht selbst immer humorvoller geworden. Edwards inszeniert daraufhin einen vollkommen ironiefreien, humorfreien GODZILLA – und muss prompt mit dem Vorwurf leben, der Filme nehme sich selbst zu ernst.
Edwards setzt auch erfreulicherweise beim gewandelten Godzilla ein, der ein Freund und Retter der Menschen ist, nicht ihr Gegner. Und doch schafft er es, aktuelle Probleme wie Fukushima anzusprechen, zu bewerten und einzusetzen.

Vor allem aber erkennt er Godzillas innerste Werte endlich an!
Zum einen: Godzillas natürliche, nahezu göttliche Funktion! Im Ur-GODZILLA war die Echse bereits eine Personifizierung der Natur, in Emmerichs GODZILLA war sie „nur noch“ ein durch Radioaktivität absurd gewachsener Leguan. Edwards GODZILLA hebt sie nun zurück auf den Sockel! Nicht als Rache der Natur, sondern als ausgleichendes Element. Als (zum Glück nicht sehr nachtragender) Beschützer der Menscheit wirkt Godzilla hier als Naturgewalt, die eine ins Ungleichgewicht geratene Atomkatastrophe wieder gerade rückt!
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Zum Anderen: Godzilla muss kämpfen! Sicherlich begann der Mythos „Godzilla" damit, dass er nur einzeln auftrat und nur mit den extremen Mitteln einer Massenvernichtungswaffe zerstört werden konnte. Doch das ist 60 Jahre her. Mittlerweile hat sich das Genre damit abgefunden: Menschen sind Gott-Monstern wie Godzilla nicht gewachsen. Auch nicht mit Massenvernichtungswaffen. Allein andere Kaiju sind eine wirksame Waffe!
Das Genre hat sich gewandelt, weg vom trampelnden Riesenmonster hin zum kämpfenden. Ein Umstand, den auch Emmerich übersieht. Edwards hingegen schafft es, beide Versionen gegeneinander zu stellen. In einem der stärksten Momente des Films, wenn der amerikanische General, getreu dem Ur-GODZILLA, die Monster mit einer Massenvernichtungswaffe ausschalten will, und Dr. Serizawa schlicht sagt: „Let them fight!“, bekennt er sich zu Godzillas innerstem Wesen: Was nützt ein 100 Meter Monster in einem Film, wenn es nicht gegen ein anderes 100 Meter Monster kämpft? Wie schaltet man es aus?
Ein Jahr zuvor hatte PACIFIC RIM diesen Kern des Kaiju Films bereits erkannt und bis zur Perfektion getrieben. Keine Atomwaffen, keine Sauerstoffzerstörer, nein, gigantische Roboter braucht es, um einem Kaiju Einhalt zu gebieten. Nicht weil es logisch ist – was ist in solchen Filmen schon logisch? – sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, einem 100 Meter Monster in einem Film auch einen Sinn zu geben!

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GODZILLA zu bewerten oder in eine Rezension zu zwängen, bleibt schwierig. Zu sehr ist er für jeden Rezipienten etwas anderes. Und doch wagt Edwards mit seinem Film etwas! Den Versuch, den alten, den traditionellen GODZILLA aufleben zu lassen, ihn mit modernen Problemen und Strukturen anzureichern, die Fehler aus Emmerichs GODZILLA zu vermeiden und all das mit den modernen Erzählmethoden des modernen Monsterfilms zu realisieren, ohne die Wurzeln des von GODZILLA geschaffenen Monsterfilms zu vernachlässigen.

Es ist eine gigantische Aufgabe, die nicht immer gelingt. Der Bruch des Experiments wirkt zu stark. Ein realistisches, zwischenmenschliches Drama, das sich zu einem (zurecht!) hanebüchenen Film wandelt, in dem sich 100 Meter Monster zwischen Hochhäusern die Platte polieren? Das will erst einmal gedreht werden. Aber es funktioniert oft genug.
Dass der Film damit für die Fans ebenso schwer zu greifen ist wie für die Kritiker, zeigt sich an den Reaktionen.

Edwards erschafft den interessantesten GODZILLA. Einen, der sich was traut. Der keinen Mythos schafft, aber die Regeln bricht, der kein leichter Blockbuster ist, aber auch kein alberner Monsterclash-Movie. Es ist ein Experiment, das nicht völlig gelingt, aber auch nicht misslingt.
Im Augenblick wünsche ich mir, dass es eine Fortsetzung gibt, die den Weg fortsetzt, die sich etwas traut, Neues mit Altem vermischt, und dabei ein rundes, vollends gelungenes Ergebnis abliefert. Es bleibt spannend, wann Godzilla wieder aus den Fluten auftaucht …

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