Dann und wann
erscheint ein Film, der ein Erdbeben in der Fangemeinde auslöst, weil er nicht
liefert, was sich die Fans erhofft haben. In der Regel sind das
Fortsetzungen: INDIANA JONES 4 etwa, oder die MATRIX-Fortsetzungen, oder J.J.
Abrams STAR TREK Reboot.
Dass ein Originalfilm den Hass der Fans auf sich zieht, ist außerordentlich selten. Dem
amerikanischen Start von GODZILLA gelang das auf Anhieb.
Dabei kommt die Frage
auf, wie ein Film, der sich so eng an der Vorlage bewegt, so weit davon entfernt sein
kann.
-Spoilerwarnung-
Der Beitrag kann Hinweise zur Handlung enthalten.
Marcos Blick:
Es ist nicht zu verhehlen: Godzilla ist Kult! Als Roland Emmerich
ihn 1998 auf den amerikanischen Markt loslässt, hat er immerhin schon 44 Jahre
und 22 japanische Verfilmungen auf dem Buckel.
Ebenfalls nicht zu verhehlen ist die Tatsache, dass Roland Emmerich die
alten Godzilla Filme nicht mag und die Produktion nur unter der Bedingung
übernimmt, dass er völlig freie Hand bei der Filmgestaltung hat. Möglicherweise
ist das kein geschickter Schachzug. (Interessanterweise wird mit J.J. Abrams
später erneut ein Regisseur für ein Reboot beauftragt, der mit dem
Ursprungsmaterial nichts anfangen kann: STAR TREK!) Come with me
Problematisch ist vermutlich, dass Godzilla Mitte der 90er Jahre
bereits eine starke Wandlung durchlaufen hat. Er ist nicht nur eine Kultfigur,
sondern hat Charakter! In über einem Dutzend Filme hat er die Menschheit vor
anderen "Kaiju" beschützt, hat einen Sohn aufgezogen, und ist ein mehr
oder weniger freundlicher Kumpel geworden. Jemand, den Generationen von
Kinogängern seit ihrer Kindheit auf dem Nachttisch stehen haben.
Trotzdem ist der Film nicht zwangsläufig schlecht. Und
möglicherweise näher am Originalstoff, als man zunächst vermuten mag.
Für ihre Atomtests zieht die Menschheit den Zorn der Natur auf
sich. Mit einem Mal zieht sich eine Spur der Verwüstung durch den Ozean, einer
riesigen Küstenmetropole entgegen. Als schließlich eine gigantische Echse an
Land kommt, bricht Panik aus! Verzweifelt versucht das Militär, dem Monster
Herr zu werden, kann es jedoch nicht besiegen. Erst einem Wissenschaftler
gelingt es, mit seiner Freundin und einem Partner, das Monster zu besiegen und
die Menschheit zu retten.
Diese Synopsis ist vollkommen Deckungsgleich mit dem japanischen
Ur-GODZILLA von 1954 (Mit der kleinen Ausnahme, dass dort keine Atomtests,
sondern die Abwürfe von Nagasaki und Hiroshima verantwortlich waren).
Weshalb also erregt der Film die Gemüter so sehr, dass die Fans sich
Dutzende Spitznamen ausdenken, nur um den Film nicht mit "Godzilla"
verbinden zu müssen? Dass das japanische Produktionsstudio, das die Rechte auch
an dem amerikansichen Film hält, das Monster 2005 schließlich offiziell in
"Zilla" umbenennt, mit dem Hinweis: "The movie took the 'God'
out of 'Godzilla'"?© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved. |
Vermutlich liegt es tatsächlich an der Amerikanisierung der
Geschichte und des Monsters!
Einer der größten Kritikpunkte liegt darin, dass das Monster zu
anders aussähe. Statt des zweibeinigen Godzillas, der gut erkennbar ein Mann im
Gummianzug ist, lässt Emmerich von seinem Stammdesigner Patrick Tatopoulos
(Dessen Tochter als Namensgeber für den Filmhelden Niko Tatopoulos herhält) ein
CGI-Monster erschaffen, das von einem Leguan inspiriert ist. (Unbewusst blieb
er auch hier deutlich näher am Ursprungsgodzilla als gedacht! Der war nämlich von
dem eidechsenähnlichen Dinosaurier aus PANIK IN NEW YORK inspiriert, musste
aber aus Kostengründen von einem Mann im Kostüm dargestellt werden!)
Emmerich versucht, der Story mehr Schwung zu geben und will statt
des stampfenden Monsters einen schnellen Jäger inszenieren, der sich wilde
Verfolgungsjagden durch New Yorks Straßenschluchten liefert.
Damit nimmt er dem Monster allerdings viel von dessen Identität.
Vermutlich meint Kenchapiro Satsuma, der von 1984 bis 1995 im Kostüm des
Monsters gestanden hatte, das, als er die Premiere verlässt und meint:
"Das ist nicht Godzilla."
Der japanische Godzilla war immer eine Naturkatastrophe gewesen,
kein Actionheld! Ein monströses Wesen, das unaufhaltsam die Stadt niedermacht.
Auch sein Markenzeichen, der atomare Atem, wird von Emmerich entfernt und
schließlich nachträglich aufgrund massiver Fanproteste immerhin notdürftig
angedeutet. Kurz: Zilla ist eine große, schnelle Actionfilm-Echse, die am Ende
von einem Kampfjäger getötet wird.
Dabei hält sich Emmerich nur an die Sehgewohnheiten, die in den
Blockbustern der 90er herrschen: Starke Gegner, die schließlich, halb
militärisch, halb durch den Helden, doch noch niedergerungen werden.
We're going deeper Underground
Kurz gesagt: GODZILLA ist ein Kind seiner Zeit! Und möglicherweise ist das das eigentliche Problem. Denn die japanischen Godzilla-Filme sind vor allem zeitlos. Sie changieren fröhlich zwischen Katastrophenfilm, Fantasy, Science Fiction, Kinderfilm und erhobenem Zeigefinger herum und bemühen sich eher um Aussage als um Dramaturgie. Subtilität ist nicht ihre Stärke. Schon im Ur-GODZILLA 1954 ist die moralische Keule das einzige, das größer durch den Film pflügt als Godzilla selbst.
© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved. |
Emmerichs GODZILLA lässt davon wenig übrig. So subtil wie sein
Monster (das sich einen großen Teil des Films in Manhattan versteckt!) ist auch
seine Aussage. Vielleicht war die Zeit 1998 nicht mehr reif für Anti-Atom
Warnungen. Vielleicht ist der Teil auch einfach nur schlecht im Drehbuch
untergebracht.
Auf jeden Fall bleibt am Ende zwar ein guter und durchaus
unterhaltsamer Sommerblockbuster zurück, nur gelingt es ihm eben nicht, den
Geist des Godzilla-Franchises einzufangen.
Die zwei geplanten Fortsetzungen, die im Film auch angedeutet
werden, werden nach den Fanreaktionen kommentarlos fallengelassen.
Dabei ist der Film überaus erfolgreich! Er spielt fast 400 Mio.
Dollar ein, was ihn zum bis heute zum erfolgreichsten amerikanischen Film
macht, der auf einem ausländischen Franchise basiert. Die Produktionskosten von
130 Mio. Dollar erinnern allerdings auch daran, dass Jan de Bont, der zwei
Jahre vorher einen deutlich originalgetreueren Godzilla verfilmen will,
abgelehnt wird, weil sein Budget von 100 Mio. als übertrieben gilt!
No Shelter
Mittlerweile hat Emmerichs Monster übrigens ein wenig mehr Anerkennung gewonnen. Nachdem eine äußerst positiv aufgenommene Zeichentrickserie folgte, hat er es mittlerweile in den offiziellen Godzilla-Kanon der Tōhō Company geschafft: Als Zilla ist er, neben Superstars wie Mothra, King Ghidorah oder Rodan, einer von Godzillas Gegnern und kriegt vom Platzhirsch anständig auf dieMütze!
© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved. |
Jetzt, wo wir zum Ende kommen, eine kleine persönliche Anekdote:
Der Film lief in Deutschland in einer Zeit, in der sich das Multiplex-Kino mehr
und mehr durchsetzte und versuchte, den Kinobesuch als "Erlebnis" zu
inszenieren. Ich persönlich wurde Opfer eines Godzilla Erlebnis-Screenings, bei
welchem im Kinosaal Stroboskoplampen installiert waren, die immer dann gezündet
wurden, wenn es auf der Leinwand blitzte. In einem Film, der zur Hälfte während
eines Gewittersturms spielt, eine wirklich blendende Idee!
Und das Beste zum Schluss!
Eines der auffälligsten Werbeplakate für GODZILLA war ein
schwarzer Grund, auf dem giftgrün umrahmt die Tagline "SIZE DOES
MATTER" ("Es kommt auf die Größe an") prangte.
Das Plakat brachte George Lucas in ernste Bedrängnis, der gerade
daran arbeitete, für Mai 1999 den am heißesten erwarteten Film des
Jahrzehnts fertigzustellen: STAR WARS: EPISODE 1!
Ein übereifriger Mitarbeiter, der offenbar von der Handlung in
GODZILLA enttäuscht war, mischte sich ein, und gestaltete das Plakat ein wenig
um. Auf der Startseite von Starwars.com prangte für kurze Zeit im selben
Schriftzug die Nachricht "PLOT DOES MATTER" ("Es kommt auf die
Handlung an"), wofür Lucas schließlich angefeindet wurde, auch wenn die
Aussage die breite Zustimmung der Fans fand.
Dennoch sollte STAR WARS: EPISODE 1 im darauffolgenden Jahr alles
überbieten, was jemals von enttäuschten Filmfans aufgebracht wurde. Bis heute
gilt die STAR WARS Fortsetzung als größte Enttäuschung der Filmgeschichte.
Gegen manche Schwergewichte kommt selbst GODZILLA nicht an!
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