26.04.14

Godzilla (USA 1998)

Dann und wann erscheint ein Film, der ein Erdbeben in der Fangemeinde auslöst, weil er nicht liefert, was sich die Fans erhofft haben. In der Regel sind das Fortsetzungen: INDIANA JONES 4 etwa, oder die MATRIX-Fortsetzungen, oder J.J. Abrams STAR TREK Reboot.
Dass ein Originalfilm den Hass der Fans auf sich zieht, ist außerordentlich selten. Dem amerikanischen Start von GODZILLA gelang das auf Anhieb.
Dabei kommt die Frage auf, wie ein Film, der sich so eng an der Vorlage bewegt, so weit davon entfernt sein kann.

 
© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved.

-Spoilerwarnung-
Der Beitrag kann Hinweise zur Handlung enthalten.


Marcos Blick:

Es ist nicht zu verhehlen: Godzilla ist Kult! Als Roland Emmerich ihn 1998 auf den amerikanischen Markt loslässt, hat er immerhin schon 44 Jahre und 22 japanische Verfilmungen auf dem Buckel.
Ebenfalls nicht zu verhehlen ist die Tatsache, dass Roland Emmerich die alten Godzilla Filme nicht mag und die Produktion nur unter der Bedingung übernimmt, dass er völlig freie Hand bei der Filmgestaltung hat. Möglicherweise ist das kein geschickter Schachzug. (Interessanterweise wird mit J.J. Abrams später erneut ein Regisseur für ein Reboot beauftragt, der mit dem Ursprungsmaterial nichts anfangen kann: STAR TREK!) 

Come with me 

 
Problematisch ist vermutlich, dass Godzilla Mitte der 90er Jahre bereits eine starke Wandlung durchlaufen hat. Er ist nicht nur eine Kultfigur, sondern hat Charakter! In über einem Dutzend Filme hat er die Menschheit vor anderen "Kaiju" beschützt, hat einen Sohn aufgezogen, und ist ein mehr oder weniger freundlicher Kumpel geworden. Jemand, den Generationen von Kinogängern seit ihrer Kindheit auf dem Nachttisch stehen haben.

Trotzdem ist der Film nicht zwangsläufig schlecht. Und möglicherweise näher am Originalstoff, als man zunächst vermuten mag.

Für ihre Atomtests zieht die Menschheit den Zorn der Natur auf sich. Mit einem Mal zieht sich eine Spur der Verwüstung durch den Ozean, einer riesigen Küstenmetropole entgegen. Als schließlich eine gigantische Echse an Land kommt, bricht Panik aus! Verzweifelt versucht das Militär, dem Monster Herr zu werden, kann es jedoch nicht besiegen. Erst einem Wissenschaftler gelingt es, mit seiner Freundin und einem Partner, das Monster zu besiegen und die Menschheit zu retten.

Diese Synopsis ist vollkommen Deckungsgleich mit dem japanischen Ur-GODZILLA von 1954 (Mit der kleinen Ausnahme, dass dort keine Atomtests, sondern die Abwürfe von Nagasaki und Hiroshima verantwortlich waren).
Weshalb also erregt der Film die Gemüter so sehr, dass die Fans sich Dutzende Spitznamen ausdenken, nur um den Film nicht mit "Godzilla" verbinden zu müssen? Dass das japanische Produktionsstudio, das die Rechte auch an dem amerikansichen Film hält, das Monster 2005 schließlich offiziell in "Zilla" umbenennt, mit dem Hinweis: "The movie took the 'God' out of 'Godzilla'"?


© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved.

Vermutlich liegt es tatsächlich an der Amerikanisierung der Geschichte und des Monsters!

Einer der größten Kritikpunkte liegt darin, dass das Monster zu anders aussähe. Statt des zweibeinigen Godzillas, der gut erkennbar ein Mann im Gummianzug ist, lässt Emmerich von seinem Stammdesigner Patrick Tatopoulos (Dessen Tochter als Namensgeber für den Filmhelden Niko Tatopoulos herhält) ein CGI-Monster erschaffen, das von einem Leguan inspiriert ist. (Unbewusst blieb er auch hier deutlich näher am Ursprungsgodzilla als gedacht! Der war nämlich von dem eidechsenähnlichen Dinosaurier aus PANIK IN NEW YORK inspiriert, musste aber aus Kostengründen von einem Mann im Kostüm dargestellt werden!)
Emmerich versucht, der Story mehr Schwung zu geben und will statt des stampfenden Monsters einen schnellen Jäger inszenieren, der sich wilde Verfolgungsjagden durch New Yorks Straßenschluchten liefert.

Damit nimmt er dem Monster allerdings viel von dessen Identität. Vermutlich meint Kenchapiro Satsuma, der von 1984 bis 1995 im Kostüm des Monsters gestanden hatte, das, als er die Premiere verlässt und meint: "Das ist nicht Godzilla."
Der japanische Godzilla war immer eine Naturkatastrophe gewesen, kein Actionheld! Ein monströses Wesen, das unaufhaltsam die Stadt niedermacht. Auch sein Markenzeichen, der atomare Atem, wird von Emmerich entfernt und schließlich nachträglich aufgrund massiver Fanproteste immerhin notdürftig angedeutet. Kurz: Zilla ist eine große, schnelle Actionfilm-Echse, die am Ende von einem Kampfjäger getötet wird.

Dabei hält sich Emmerich nur an die Sehgewohnheiten, die in den Blockbustern der 90er herrschen: Starke Gegner, die schließlich, halb militärisch, halb durch den Helden, doch noch niedergerungen werden.

Ebenso im Zeichen seiner Zeit liegt die Sequenz mit Godzillas Kindern, die allerdings schon damals merkwürdig bekannt anmutet. Mir kam der Gedanke, dass hier derart plump die gesamte Velociraptor-Sequenz aus JURASSIC PARK kopiert wurde, dass es erstaunlich ist, dass kein Plagiatsvorwurf erhoben wurde. 

We're going deeper Underground 


Kurz gesagt: GODZILLA ist ein Kind seiner Zeit!  Und möglicherweise ist das das eigentliche Problem. Denn die japanischen Godzilla-Filme sind vor allem zeitlos. Sie changieren fröhlich zwischen Katastrophenfilm, Fantasy, Science Fiction, Kinderfilm und erhobenem Zeigefinger herum und bemühen sich eher um Aussage als um Dramaturgie. Subtilität ist nicht ihre Stärke. Schon im Ur-GODZILLA 1954 ist die moralische Keule das einzige, das größer durch den Film pflügt als Godzilla selbst.


© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved.

Emmerichs GODZILLA lässt davon wenig übrig. So subtil wie sein Monster (das sich einen großen Teil des Films in Manhattan versteckt!) ist auch seine Aussage. Vielleicht war die Zeit 1998 nicht mehr reif für Anti-Atom Warnungen. Vielleicht ist der Teil auch einfach nur schlecht im Drehbuch untergebracht.
Auf jeden Fall bleibt am Ende zwar ein guter und durchaus unterhaltsamer Sommerblockbuster zurück, nur gelingt es ihm eben nicht, den Geist des Godzilla-Franchises einzufangen.
Die zwei geplanten Fortsetzungen, die im Film auch angedeutet werden, werden nach den Fanreaktionen kommentarlos fallengelassen.

Dabei ist der Film überaus erfolgreich! Er spielt fast 400 Mio. Dollar ein, was ihn zum bis heute zum erfolgreichsten amerikanischen Film macht, der auf einem ausländischen Franchise basiert. Die Produktionskosten von 130 Mio. Dollar erinnern allerdings auch daran, dass Jan de Bont, der zwei Jahre vorher einen deutlich originalgetreueren Godzilla verfilmen will, abgelehnt wird, weil sein Budget von 100 Mio. als übertrieben gilt!

Die Tōhō Company gibt dem 2014er Remake nur unter der Bedingung grünes Licht, dass der Geist Godzillas besser eingefangen wird. Dabei ist die Bewertung des 1998er Remakes ein wenig unfair, wenn sie sich allein auf das Äußere beschränkt. Oder Godzillas Atem. Oder seinen urtypischen Schrei. Am Ende war es nicht so sehr das Design, das Zilla schlecht dastehen ließ, es war vor allem das Drehbuch, dem es nicht gelang, Godzilla als das darzustellen, was er ist: Eine Urkraft der Natur! Gaias Rache am Menschen für seine Sünden wider die Natur: unaufhaltsam, gigantisch, ehrfurchtsfordernd! Wie immer Godzilla auch inszeniert oder designt wird, das ist sein Wesen, das es einzufangen gilt! Und der einzige Vorwurf, den sich Emmerichs Zilla gefallen lassen muss! 

No Shelter 


Mittlerweile hat Emmerichs  Monster übrigens ein wenig mehr Anerkennung gewonnen. Nachdem eine äußerst positiv aufgenommene Zeichentrickserie folgte, hat er es mittlerweile in den offiziellen Godzilla-Kanon der Tōhō Company geschafft: Als Zilla ist er, neben Superstars wie Mothra, King Ghidorah oder Rodan, einer von Godzillas Gegnern und kriegt vom Platzhirsch anständig auf dieMütze!



© 1998 TriStar Pictures, Inc. All Rights Reserved.

Jetzt, wo wir zum Ende kommen, eine kleine persönliche Anekdote: Der Film lief in Deutschland in einer Zeit, in der sich das Multiplex-Kino mehr und mehr durchsetzte und versuchte, den Kinobesuch als "Erlebnis" zu inszenieren. Ich persönlich wurde Opfer eines Godzilla Erlebnis-Screenings, bei welchem im Kinosaal Stroboskoplampen installiert waren, die immer dann gezündet wurden, wenn es auf der Leinwand blitzte. In einem Film, der zur Hälfte während eines Gewittersturms spielt, eine wirklich blendende Idee!

Und das Beste zum Schluss!
Eines der auffälligsten Werbeplakate für GODZILLA war ein schwarzer Grund, auf dem giftgrün umrahmt die Tagline "SIZE DOES MATTER" ("Es kommt auf die Größe an") prangte.
Das Plakat brachte George Lucas in ernste Bedrängnis, der gerade daran arbeitete, für Mai 1999 den am heißesten erwarteten Film des Jahrzehnts fertigzustellen: STAR WARS: EPISODE 1!
Ein übereifriger Mitarbeiter, der offenbar von der Handlung in GODZILLA enttäuscht war, mischte sich ein, und gestaltete das Plakat ein wenig um. Auf der Startseite von Starwars.com prangte für kurze Zeit im selben Schriftzug die Nachricht "PLOT DOES MATTER" ("Es kommt auf die Handlung an"), wofür Lucas schließlich angefeindet wurde, auch wenn die Aussage die breite Zustimmung der Fans fand.

Dennoch sollte STAR WARS: EPISODE 1 im darauffolgenden Jahr alles überbieten, was jemals von enttäuschten Filmfans aufgebracht wurde. Bis heute gilt die STAR WARS Fortsetzung als größte Enttäuschung der Filmgeschichte.
Gegen manche Schwergewichte kommt selbst GODZILLA nicht an!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ihr seid unserer Meinung? Ihr seht was anders? Wir freuen uns über eure Ansichten, über Lob und Kritik! Aber bitte seid nett zu uns. Und zueinander!