Aus dem aktuellen Blockbusterkino sind sie nicht mehr
wegzudenken: Superhelden! Wenigstens zwei Mal pro Sommer wirbeln die
Spandexmodels über die Leinwand und hinterlassen Trümmer und lockere Sprüche.
Was heute an Übersättigung grenzt, war vor fünfzehn Jahren noch reines Wunschdenken. Verfilmte Comichelden waren seit ihren peinlichen Fernseh-Auftritten der 80er quasi nicht existent. Und der beliebteste aller Comic-Helden hing seit fünfzehn Jahren in der Produktionshölle.
Bis er sich 2002 wie ein Erlösungsschrei tatsächlich auf die Leinwand schwang. Begleitet von Freudentränen und Jubelfanfaren der Fans leitete er die Erfolgsstory des Superheldenfilms ein: Spidey, der freundliche Netzschwinger aus der Nachbarschaft!
Marcos Blick:Was heute an Übersättigung grenzt, war vor fünfzehn Jahren noch reines Wunschdenken. Verfilmte Comichelden waren seit ihren peinlichen Fernseh-Auftritten der 80er quasi nicht existent. Und der beliebteste aller Comic-Helden hing seit fünfzehn Jahren in der Produktionshölle.
Bis er sich 2002 wie ein Erlösungsschrei tatsächlich auf die Leinwand schwang. Begleitet von Freudentränen und Jubelfanfaren der Fans leitete er die Erfolgsstory des Superheldenfilms ein: Spidey, der freundliche Netzschwinger aus der Nachbarschaft!
Natürlich stimmt das nicht ganz! Schon zwei Jahre zuvor
haben die X-MEN erfolgreich ihren Einstand bewiesen. Und mit BLADE wird
1998 ein eher unbekannter Marvel-Held sehr erfolgreich auf die Leinwand
gebracht. Nicht zu vergessen Tim Burtons BATMAN, der bereits 1989 einen Hype
auslöst, der die Beatles und SUPERMAN (1978) erblassen lässt.
Nein, Superhelden sind schon lange fester Bestandteil der Kinolandschaft. Trotzdem ist der Boom, den das Genre in den 2000er Jahren erlebt, eben vor allem zwei Filmen zu verdanken: X-MEN, die Comic-Aufarbeitung der Rassenbewegung der 60er Jahre, beweist im Jahr 2000, dass auch Superheldenfilme smart sein und ernste Themen ansprechen können. Und SPIDER-MAN, der zeigt, dass die Tricktechnik endlich so weit ist, selbst die verrücktesten Superkräfte darzustellen und welche Masse an Fans, und damit welche Gewinnmargen, in dem Genre stecken!
Nein, Superhelden sind schon lange fester Bestandteil der Kinolandschaft. Trotzdem ist der Boom, den das Genre in den 2000er Jahren erlebt, eben vor allem zwei Filmen zu verdanken: X-MEN, die Comic-Aufarbeitung der Rassenbewegung der 60er Jahre, beweist im Jahr 2000, dass auch Superheldenfilme smart sein und ernste Themen ansprechen können. Und SPIDER-MAN, der zeigt, dass die Tricktechnik endlich so weit ist, selbst die verrücktesten Superkräfte darzustellen und welche Masse an Fans, und damit welche Gewinnmargen, in dem Genre stecken!
Was lange währt ...
Dabei hatte Spidey einen langen Weg hinter sich. SPIDER-MAN
ist einer jener Filme, die so lange im Produktionszyklus festhingen (Insgesamt
fast 17 Jahre!), dass irgendwann fast jeder in Hollywood mal für das Projekt
eingeplant war.
Hollywood, die 1980er Jahre: Die Marvel Superhelden haben das Fernsehen erobert. Einige Jahre zuvor schwang Spidey sich bereits in einer (großzügig von der Vorlage entfernten) Fernsehserie über die Bildschirme, und Hulk hatte (in einer ebenso freizügig neuinterpretierten Version) große Erfolge gefeiert. Mitte der 90er kursiert unter Kennern eine extrem trashige Roger Corman Verfilmung der Fantastischen Vier (Nur gedreht, um das Franchise zu halten, das eine Verfilmung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fordert). Und irgendwie hat es auch Captain America schon auf den Fernseher geschafft.
Im Kino aber hat Konkurrent DC Comics das Sagen. Dank SUPERMAN und einer geplanten BATMAN Verfilmung. Das soll sich endlich ändern.
Das Studio Cannon Films besitzt die Rechte an Spider-Man und hat Großes vor! Kein anderes Studio verkörpert den Geist der Reagan- und Bush Sr.-Ära stärker als die Cannon Films, die vor allem Sylvester Stallone (CITY COBRA), Charles Bronson (DEATH WISH II-IV), Chuck Norris (DELTA FORCE, MISSING IN ACTION I-III), Jean-Claude van Damme (BLOODSPORT) und Michael Dudikoff (AMERICAN FIGHTER) zu Actionikonen aufgebaut haben. Dass sie auch etwas weniger brachial können, zeigen 80er Hits wie MANNEQUIN, BARFLY, EXPRESS IN DIE HÖLLE oder MASTERS OF THE UNIVERSE, dem ersten He-Man Film!
Zwar schafft es Cannons Spider-Man in die Vorproduktion, doch
schließlich kann das Studio aus Geldnot nicht daran festhalten. 1990 wechseln
die Rechte an die Carolco Studios, unter dem Drängen eines Mannes, der seit der
9. Klasse davon träumt, Spider-Man zu verfilmen und der für Carolco mit
TERMINATOR 2 ohnehin gerade einen der Blockbuster des Jahrzehnts vorbereitet: James
Cameron!
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Camerons Spider-Man bleibt ein Wunschkind der 90er
Insgesamt bleibt der Schöpfer von TERMINATOR und ALIENS fast
das gesamte Jahrzehnt über im Gespräch für den Film, und mit ihm einige seiner klassischen
Trademarks. So existiert ein fertiges Drehbuch, das seinen Kumpel Arnold
Schwarzenegger als Dr. Octopus vorsieht und Camerons Leibdarsteller Michael
Biehn als Peter Parker. Wie sicher Cameron sich war, dass er Spider-Man mit
Michael Biehn verfilmen würde, zeigt sich darin, dass er bereits in den 80ern einen
Running Gag etabliert hat: In sämtlichen gemeinsamen Filmen von TERMINTOR über
ALIENS bis zu THE ABYSS wird Michael Biehns Figur in die Hand gebissen – ein
geplantes Foreshadowing auf den tragischen Spinnenbiss, der Peter Parker zu
Spider-Man werden lassen soll. Nach Abschluss von TRUE LIES beginnt Cameron ernsthaft
mit der Vorproduktion.
Doch auch die Carolco Studios können sich, trotz aller Hits
wie TOTAL RECALL, TERMINATOR 2 oder BASIC INSTINCT, nicht halten und geraten
1993 ins Schwimmen. Hinzu kommt, dass sie möglicherweise gar nicht die Rechte
besitzen. Mit einem Mal landet die Angelegenheit zwischen Carolco, Sony, MGM und Marvel vor Gericht – ein Kampf, den das wankende Studio nicht führen will
und aufgibt. (Auch das bewahrt die Carolco nicht vor ihrem Konkurs 1996.)
Am Ende des Jahrzehnts einigen sich MGM und Sony in ihrem Rechtsstreit: Beide wollen ein funktionierendes Franchise etablieren oder halten. Sony hat noch keins, MGM besitzt die Rechte an den JAMES BOND Filmen. Genau hier will Sony aber eine neue Reihe etablieren, die auf einer Rechtelücke fußt. Schließlich einigen sie sich: Sony verzichtet auf eine parallele James Bond Reihe, wofür MGM ihnen Spider-Man überlässt.
Am Ende des Jahrzehnts einigen sich MGM und Sony in ihrem Rechtsstreit: Beide wollen ein funktionierendes Franchise etablieren oder halten. Sony hat noch keins, MGM besitzt die Rechte an den JAMES BOND Filmen. Genau hier will Sony aber eine neue Reihe etablieren, die auf einer Rechtelücke fußt. Schließlich einigen sie sich: Sony verzichtet auf eine parallele James Bond Reihe, wofür MGM ihnen Spider-Man überlässt.
Zu dem Zeitpunkt hat selbst Cameron erkannt, dass Michael
Biehn (Mittlerweile 40!) zu alt für die Rolle des Peter Parker ist. Seit er mit
der Produktion von TITANIC begonnen hat, gibt es für ihn aber nur noch eine
mögliche Besetzung: Leonardo DiCaprio.
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Endlich: Der Dreh beginnt - mit unerwarteten Helden
Sony steht unter Druck: Sie müssen innerhalb bestimmter
Zeitrahmen die Spider-Man Lizenz nutzen, andernfalls verfällt sie. (Was das
recht schnelle Reboot von 2012 erklärt, das nur 5 Jahre nach dem Ende der
Vorgänger-Trilogie gestartet wurde.) Kurz wird David Fincher als Regisseur
gehandelt, doch sein Pitch ist dem Studio zu dunkel. Schließlich findet sich
ein Regisseur, der auf den ersten Blick eine seltsame Wahl abgibt: Sam Raimi!
Der Regisseur, der am Set stets im schwarzen Anzug
erscheint, ist vor allem für seine TANZ DER TEUFEL Reihe bekannt. Dabei hat er
gerade mit EIN EINFACHER PLAN und AUS LIEBE ZUM SPIEL zwei interessante Dramen gedreht und sich vor allem als Produzent der Hit-Serien HERCULES und XENA als
fähig erwiesen, Superhelden in Szene zu setzen. Zudem ist er riesiger Fan der
Comics, was ihm den Job schließlich einbringt.
Ebenso überraschend ist die Besetzung von DiCaprios
Busenkumpel Tobey Maguire als Peter Parker! Maguire ist ehemaliger Kinderstar
und für ruhige Dramen wie DER EISSTURM, GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG oder
THE WONDER BOYS bekannt, nicht als Actionheld! Auch das Studio ist wenig
begeistert. Erst als der schmächtige Maguire Muskeln aufbaut und einige
Probeaufnahmen absolviert, lässt Sony sich überzeugen.
Als die Dreharbeiten endlich beginnen, sind die Fans nicht
mehr zu halten! Öffentliche Sets, besonders in New York, werden belagert, und
kurz nach Drehbeginn werden vier der vorhandenen Spider-Man Anzüge gestohlen.
Und schließlich geschieht noch etwas, das die Produktion von
SPIDER-MAN enorm durcheinanderwirft!
Die volle Wucht von 9/11
Vermutlich verkörpert kein Superheld die Seele New Yorks
mehr als Spider-Man, der Lokalheld! Und deshalb wird kaum ein Film so schwer
von den Angriffen auf das World Trade Center im September 2001 getroffen und
beeinflusst wie SPIDER-MAN, der sich gerade in der Post-Production befindet und
am 3. Mai 2002 anlaufen soll.
Die markanten Zwillingstürme werden digital aus dem Film
entfernt, Poster zurückgerufen, in denen sich die Skyline in Spider-Mans Maske
spiegelt, und ein Trailer, in dem Spider-Man ein Netz zwischen den Türmen
spannt um einen Hubschrauber zu fangen, eilig zurückgezogen. Ganze Sequenzen
werden neu gefilmt, und die New Yorker Stimmung eingebaut: Die Szene, in
welcher die Bürger gemeinsam den Grünen Kobold mit Müll bewerfen, und auch die
erdrückende Masse amerikanischer Flaggen im Film werden erst im Zuge der
Angriffe eingefügt.
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Ende Gut, Kasse gut
Und die Fans sind begeistert! Raimi und Maguire
haben den Geist der Comics so gut eingefangen, dass sich die Kritik an
Detailfragen entzündet. Als härtester Bruch des Kanons fallen Spideys Netzdüsen auf! Raimi hielt es für unglaubwürdig, dass ein High-School Schüler so etwas Hochtechnisches mal eben entwickelt, also ließ er
Peter Parker natürliche Netzdüsen wachsen. Ironischerweise sind die natürlichen Netzdüsen das letzte
Überbleibsel von Camerons Script, das als Grundlage für den Film diente, aber
bis zur Unkenntlichkeit umgeschrieben wurde.
Auch, dass Peter Parker direkt mit Mary Jane Watson (deren "Mädchen von Nebenan"-Version hier
aus einem der diversen Paralleluniversen entliehen ist, in die Spider-Mans Comicreihen sich
mittlerweile aufteilen – kompliziertes Comiczeug!) statt mit Gwen Stacy
zusammenkommen lässt, stößt vielen Fans auf.
Im Großen und Ganzen hält Raimi sich aber an die originale
Grundgeschichte der ursprünglichen „Golden Age“ Spider-Man Hefte aus den 60ern.
Spidey wird seinem 15 Jahre langen Hype gerecht und bricht alle Rekorde: SPIDER-MAN wird der erste Film,
der am Startwochenende über 100 Mio. US$ einspielt: insgesamt 114 Mio., bei einem
Budget von 139 Mio. Ein Rekord, den erst die Nachfolger einstellen. SPIDER-MAN
wird der erfolgreichste Film des Jahres – mit deutlichem Abstand. (Insgesamt werden HARRY POTTER UND DIE KAMMER DES SCHRECKENS und HERR DER RINGE: DIE ZWEI TÜRME mehr einspielen, starten aber zu spät im Jahr um Spider-Man noch einzuholen).
Weltweit spielt SPIDER-MAN über 820 Mio $ ein und ist die bis dato erfolgreichste Comicverfilmung überhaupt! (Bis heute schafften es nur fünf Comicfilme, mehr einzuspielen: SPIDER-MAN 3, die beiden DARK KNIGHT Filme, IRON MAN 3 und THE AVENGERS.)
Weltweit spielt SPIDER-MAN über 820 Mio $ ein und ist die bis dato erfolgreichste Comicverfilmung überhaupt! (Bis heute schafften es nur fünf Comicfilme, mehr einzuspielen: SPIDER-MAN 3, die beiden DARK KNIGHT Filme, IRON MAN 3 und THE AVENGERS.)
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Aktuell sind Superheldenfilme, wie erwähnt, eher die
Regel als Grund zum Ausrasten, und auch das Spider-Man Reboot THE AMAZING
SPIDER-MAN kann nicht an den Erfolg der Raimi-Filme anschließen. Trotzdem
zeigen das Interesse und der Erfolg, den SPIDER-MAN hingelegt hat (Und auch
der spätere Mega-Erfolg von THE AVENGERS), wie groß die Lust des Kinopublikums
auf Superheldenfilme ist, und dass „wir“ Fans, die wir womöglich das „Golden
Age“ der Comicreihen nicht erlebt haben, im Augenblick das „Golden Age“ der
Kino-Comics erleben. In einer Zeit, in der Technik und Dramturgie uns stilvolle und würdige Comicverfilmungen überhaupt erst ermöglichen. Und dass das
ziemlich gut ist!
‘nuff said!
Aus Arch Stanton's Grab
The Good:
Vermutlich hat niemand mehr Spaß an den Dreharbeiten als Willem Dafoe, der Norman Osborn perfekt und mit äußerst viel Herzblut spielt. Dafoe besteht darauf, so gut wie sämtliche Stunts selbst zu machen und ändert dafür mit den Designern zusammen das Kostüm des Kobolds fundamental um. Bei den Kampfszenen am Ende des Films erwischt er Tobey Maguire sogar einmal richtig und legt ihn mit einem Kinnhaken flach.
Tatsächlich hat Dafoe soviel Spaß, dass er Raimi anfleht, in den Fortsetzungen irgendwie mitmischen zu dürfen. So kommt er für einen Tag ans Set von Spider-Man 2, wo er nicht nur die Spiegelszene dreht, sondern auch für einen kleinen Scherz zur Verfügung steht, in dem er Raimi hilft, dem "Doc Ock" Darsteller Alfred Molina zu zeigen, wie ein Bösewicht zu spielen hat.
The Bad:
Ursprünglich war in dem Film ein Crossover des damals noch kleinen Superheldenkosmos' geplant: Hugh Jackman wurde für eine kurze Szene eingeladen, in welcher Spider-Man und Wolverine aufeinandertreffen. Leider scheiterte das Ganze daran, dass das Team keinen Zugang zu Jackmans Wolverine-Kostüm erhielt. Da aber die rechtliche Lage noch äußerst unklar war (Die X-MEN Rechte liegen bei der 20th Century Fox) ist ohnehin fraglich, ob die Szene im Film geblieben wäre. Da die Fans sich immer wieder Crossovers wünschen, und Spider-Man sowohl bei den X-Men als auch bei den Avengers (Die rechtlich bei den Marvel Studios liegen) und sogar bei den Fantastischen Vier (ebenfalls 20th Century Fox) mitgemischt hat, versuchen die Studios weiter sich zu einigen, um den Netzschwinger in den Nachbaruniversen auftreten zu lassen. Man darf gespannt bleiben.
The Ugly:
Leider verliert Raimi immer mehr die Kontrolle über seine Filme. Zwar wird der zweite Teil bei den Fans beliebter, spielt jedoch weniger ein als der erste Teil. Im dritten Teil will er die Geschichte mit dem Sandmann und Harry Osborn zu einem runden Ende führen, doch das Studio fürchtet, dass den Zuschauern das Ganze zu elegisch wird. Sie fordern, den beliebtesten Spider-Man Schurken einzuführen: Venom. Raimi, der kein Fan des relativ neuen Schurken ist, versucht vergeblich, an seiner Version festzuhalten, muss schließlich aber einen Kompromiss eingehen. Das Ergebnis ist eine künstlerische Katastrophe!
Zwar wird der dritte Teil der erfolgreichste der Reihe, und gerade wegen Venom auch heiß erwartet, inhaltlich verhebt sich der Film aber an der Mischung aus elegischem Abschluss des Parker/Osborn Konflikts, der lieblosen Abhandlung Venoms und der Überfrachtung mit drei Bösewichtern und gilt als glanzloser Tiefpunkt der Reihe!
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