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Eine in Armut lebende Frau legt ihr Baby in einem Rolls Royce
ab, der von zwei Dieben gestohlen wird. Als sie das Baby entdecken,
entsorgen sie es kurzerhand in einer Mülltonne. Dort findet es schließlich der Tramp. Er nimmt sich des Kindes an. Vier Jahre später ist aus der
einst verarmten Mutter ein großer Opernstar geworden, der es sich zur Aufgabe
gemacht hat, sich um die Kinder der Armutsviertel zu kümmern. Sie findet den
kleinen John, als er gerade krank ist und sie zum Tramp führt. Sie lässt einen Arzt kommen, dem der Tramp gestehen muss,
nicht der Vater zu sein. So veranlasst der Arzt, dass das Kind von Mitarbeitern des
örtlichen Waisenhauses abgeholt wird. Ein herzzerreißender Kampf um das Glück
des Kindes beginnt.
Charlie Chaplin befindet sich zu dieser Zeit auf dem Zenit
seines Erfolges.
Er ist Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller seiner
Filme, ihm gehört ein großes Studiogelände und er ist (neben Mary Pickford und
Douglas Fairbanks, mit denen er 1919 die United
Artists gegründet hat) der größte Star Hollywoods, verdient etwa 1 Million
Dollar im Jahr.
Von Kinderstars und Lieblingsschauspielern
Während der Vorproduktion, Ende 1918, ist Chaplin
frisch mit Mildred Harris verheiratet. Was genau diese beiden Menschen zusammengeführt
hat, weiß Chaplin später auch nicht mehr, vielleicht einfach die Tatsache, dass Mildred gerade erst sechzehn Jahre alt ist und Chaplin schon immer ein Faible für besonders junge Frauen hatte, das er auch behalten wird. Möglicherweise treibt ihn aber auch eine (vorgetäuschte) Schwangerschaft in die übereilte Ehe. Das angebliche Kind wird zumindest nie ausgetragen.
Wie dem auch sei, gemeinsame Interessen oder andere Gemeinsamkeiten sind es nicht.
Die Ehe stürzt Chaplin in eine künstlerische Blockade. Es ist seine erste und schmerzvollste Schaffenskrise.
1919 bekommen Mildred und Chaplin wirklich einen kleinen Sohn, der jedoch mit schweren Missbildungen zur Welt kommt und nur drei Tage alt wird.
Ein Trauma, das Chaplin nie überwindet.
Wie dem auch sei, gemeinsame Interessen oder andere Gemeinsamkeiten sind es nicht.
Die Ehe stürzt Chaplin in eine künstlerische Blockade. Es ist seine erste und schmerzvollste Schaffenskrise.
1919 bekommen Mildred und Chaplin wirklich einen kleinen Sohn, der jedoch mit schweren Missbildungen zur Welt kommt und nur drei Tage alt wird.
Ein Trauma, das Chaplin nie überwindet.
Aus diesem
Verlust heraus entscheidet Chaplin, der Tramp, sein Alter Ego, solle Vater
werden und Chaplins kreative Brillanz kehrt zurück.
Chaplin ist in seinem Schaffenswahn kaum noch zu stoppen.
Chaplin ist in seinem Schaffenswahn kaum noch zu stoppen.
Er beginnt ein aufwendiges Kinder-Casting, zehn Tage nach der
Beerdigung seines Sohnes, und findet seinen kleinen Hauptdarsteller dann doch
eher zufällig, als dieser mit seinem Vater auf einer amerikanischen Bühne steht und singt. Ihm fällt das große Talent des sechsjährigen Jackie Coogan auf,
Gefühle perfekt zu übernehmen und mimisch auszudrücken. Er castet das Kind
sofort.
© STUDIOCANAL Home Entertainment |
THE KID soll Coogans größter Erfolg bleiben. Zwar spielt er
vorher und nachher noch in Filmen (TOM SAWYER, HUCKLEBERRY FINN), aber in der
Zeit, als er einer der ersten und bedeutendsten Kinderstars der Welt ist, verdient er etwa 4 Millionen
Dollar, so viel, wie niemals wieder.
Da seine Eltern jedoch Misskredit mit seinem Geld treiben und in Scheidung leben, ist bei seiner Volljährigkeit (er muss das Geld 1935 sogar einklagen) nicht mehr viel übrig.
Nach diesem Vorfall wird das Coogan-Gesetz erlassen, um das Geld von Kinderstars besser schützen zu können.
Da seine Eltern jedoch Misskredit mit seinem Geld treiben und in Scheidung leben, ist bei seiner Volljährigkeit (er muss das Geld 1935 sogar einklagen) nicht mehr viel übrig.
Nach diesem Vorfall wird das Coogan-Gesetz erlassen, um das Geld von Kinderstars besser schützen zu können.
Coogan heiratet 1937 Betty Grable, den weiblichen Star Hollywoods, doch die Ehe hält nur drei Jahre. Er verlässt Amerika und geht an die Front des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg setzt er sich für die Opfer
des Krieges ein und wird humanitär dafür mehrfach ausgezeichnet.
An seine Filmerfolge kann er nicht mehr anknüpfen. 1964 spielt er Onkel Fester in der US-Serie THE ADDAMS FAMILY.
Chaplin und er bleiben im lockeren Kontakt und sehen sich
1972 das letzte Mal, als Chaplin den Oscar für sein Lebenswerk entgegennimmt.
Coogan stirbt 1984 nach einem Herzinfarkt.
Edna Purviance, Chaplins damalige Lieblingsdarstellerin (die
eigentlich Sekretärin ist und von ihm zufällig in einem Restaurant entdeckt wird),
spielt die Mutter des Kindes.
Edna spielt in über 35 frühen Filmen Chaplins mit. Als es
zur künstlerischen Trennung kommt, versucht Chaplin, sie zum Star zu machen und inszeniert ihren
Film NÄCHTE EINER SCHÖNEN FRAU, Chaplins erstes Drama und Ednas erste Hauptrolle (ohne Chaplin im Cast). Die Kritik feiert diesen neuen
Darstellungs-Stil, verklärt ihn sogar. Dennoch ist es Chaplins erster großer Flop an den Kinokassen und Edna zieht sich aus dem Filmbusiness zurück. Gerüchte um Alkoholismus machen die Runde. Chaplin unterstützt sie bis zu
ihrem Tod 1958 finanziell.
Edna hat in Chaplins Frühwerken am meisten unter seinem
Perfektionismus zu leiden. Chaplin sucht stets die perfekte Aufnahme und lässt
Szenen nicht selten 40 oder 50 Mal wiederholen. Als Edna in einem Film gierig einen Teller Linsensuppe essen soll und die Szene zum 48. Mal wiederholt
wird, schmeisst sie Chaplin den Teller entgegen und beschimpft ihn wüst.
Nichtsdestotrotz zeigt sie in seinen Filmen berührende und erstklassige
Gefühlswelten und sie bleiben bis zu ihrem Tod freundschaftlich verbunden.
Die damals 14-jährige Lita Grey, die den Engel der Versuchung im Traum des Tramps
spielt, wird 1924, kurz nach ihrer Hauptrolle in Chaplins GOLDRAUSCH, Chaplins
zweite Frau. Gezwungenerweise, denn Lita ist schwanger und sexueller Kontakt zu
Minderjährigen ist nach kalifornischem Gesetz strafbar (wie auch schon der Heiratsumstand bei Mildred Harris). Das Geburtsdatum des
Sohnes wird nach hinten verlegt um der Öffentlichkeit eine Zeugung als verheiratetes Paar vorzugaukeln.
Insgesamt gehen zwei Kinder aus der Ehe hervor, die 1927 geschieden wird.
Wie die Realität das
Drehbuch schreibt
THE KID ist Chaplins erster Langfilm, was zeigt, wie viel der Künstler hier zu erzählen hat.
Der Film ist die erste Verschmelzung von Drama und Komödie in der Geschichte (Chaplins genialer DER GROßE DIKTATOR wird das 1938 auf die
Spitze treiben) und ein sensationeller Erfolg.
Wie so oft in seinen Filmen nutzt Chaplin seine Figur des
Tramps, eines armen aber herzensguten Vagabunden, um die Missstände in den unteren
Gesellschaftsschichten aufzuzeigen.
Chaplin selbst wächst völlig verarmt in London auf, muss schon früh
auf den Vaudeville-Bühnen Geld mit Sketchen und Gesangseinlagen verdienen, da
seine Mutter Harriett, psychisch labil, dies nicht mehr vermag. Sein Vater verlässt
die Familie kurz nach Chaplins Geburt und drückt sich erfolgreich um jegliche
Unterhaltszahlung, was die Familie in schwerste Armut stürzt. 1901 stirbt er
als Alkoholiker in den Straßen von London. Chaplin wohnt zusammen mit seinem Bruder Sydney
und seiner Mutter in heruntergekommenen Wohnungen, oft hungernd
und in den Armutshäusern Londons Zuflucht suchend.
© STUDIOCANAL Home Entertainment |
Mit sechs Jahren landet Chaplin das erste Mal kurzzeitig in
einem Waisenhaus, da seine Mutter weder für ihn noch für Sydney sorgen kann.
Dieses Prozedere soll sich noch mehrfach wiederholen und tiefe Wunden in
Chaplins Seele schneiden. Das Auseinanderreißen der Familie traumatisiert ihn
tief - den zeitweise schwer gefühlskalten Umgang der Mitarbeiter des Waisenhauses zu
den Waisen verarbeitet er in THE KID.
Chaplin selbst sagt bei Fragen zu seiner Vergangenheit:
„Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen, sehen Sie sich meine Filme an.“ Es
fällt ihm bis zuletzt schwer, sich emotional über seine Kindheit zu äußern. In
seiner Autobiografie finden sich hier große Sprünge und Lücken.
Oft treibt sich Chaplin zu Beginn des 20. Jahrhunderts in
London in untersten sozialen Millieus herum, welche er dann genau studiert und
in seinen Sketchen und Filmen später brillant porträtiert. Es sind stets liebevolle
Darstellungen, nie macht er sich über die Armut lustig.
Nicht selten werfen ihm
die Kritiker eine antiamerikanische Haltung vor, da die „Reichen“ im Gegensatz
zu den „Armen“ negativ dargestellt werden. Auch Sydney, sein Bruder und engster Berater, ärgert diese Art der Sozialkritik. Er befürchtet, sein Bruder könne mit
einem Arbeitsverbot belegt werden. Chaplin sagt dazu: „Ich bin Künstler. Ich
muss das zeigen. Mehr kann ich für diese Leute nicht tun.“
Chaplins Mutter wird 1905 offiziell für geisteskrank
erklärt und in ein Irrenhaus eingewiesen. Charles und Sydney sind von nun an
auf sich allein gestellt. Da ist Charlie fünfzehn Jahre alt.
Chaplin schafft es in THE KID, alle Gefühlsfärbungen zu
zeichnen und konterkariert sie in sich ein ums andere Mal. Oft bleibt dem
Zuschauer das Lachen im Halse stecken, da einem überzeichneten Milieu eine emotional starke Szene gegenübergestellt wird.
Die Trennungsszene zwischen dem Kind und dem Tramp bleibt
dem Zuschauer umso mehr im Gedächtnis, je mehr er um den biografischen
Hintergrund weiß.
Hier verarbeitet Chaplin all seine Trauer, seine Angst und seinen Schmerz, die er in wiederholten Trennungen von seiner Mutter erleben musste.
Hier verarbeitet Chaplin all seine Trauer, seine Angst und seinen Schmerz, die er in wiederholten Trennungen von seiner Mutter erleben musste.
Ein eigenwilliger Regiestil
Chaplin leitet seine Schauspieler an, indem er ihnen die
Emotion direkt vorspielt. Er verlangt eine genaue Übernahme der Emotion, der Gestik
und Mimik. Den Schauspielern der Stummfilmära ist dies eine große Hilfe, später
wird Chaplin mit diesem Regiestil auf Gegner stoßen. Etwa auf Marlon
Brando, ein berüchtigter Method Actor, mit dem Chaplin 1966 seinen letzten Film, DIE GRÄFIN VON
HONG KONG, dreht.
Brando will unbedingt mit Chaplin drehen, nimmt die Rolle sofort an, obwohl ihm das Drehbuch nicht zusagt: "Mit ihm als Regisseur würde ich sogar das Telefonbuch verfilmen." erklärt Brando. Nur wenige Tage später sagt er, dass es zu keiner erneuten Zusammenarbeit kommen wird: "Wir sind die Puppen, die der Regisseur bewegt."
Anders als viele Schauspieler in Chaplins frühen Filmen darf Brando allerdings im Cast bleiben. Früher hingegen sucht sich Chaplin sofort Ersatz, kann oder will ein Schauspieler seinen Anweisungen nicht folgen. Er sagt dazu, dass, wenn die Schauspieler in der Lage sind, die von ihm verlangten Emotionen zu zeigen, sie alles spielen können. Wenn nicht, dann nicht.
Anders als viele Schauspieler in Chaplins frühen Filmen darf Brando allerdings im Cast bleiben. Früher hingegen sucht sich Chaplin sofort Ersatz, kann oder will ein Schauspieler seinen Anweisungen nicht folgen. Er sagt dazu, dass, wenn die Schauspieler in der Lage sind, die von ihm verlangten Emotionen zu zeigen, sie alles spielen können. Wenn nicht, dann nicht.
Purviance und Coogan saugen diese Anweisungen auf. Sie
verstehen es, sie umzusetzen, und dem Film doch ihren eigenen Stempel aufzudrücken.
Der Dreh dauert neun Monate, da Chaplin parallel noch die
Komödie A DAYS PLEASURE drehen muss, um Geldgeber, die enttäuscht sind über das
langsame Fortschreiten des Films, zu beruhigen.
Nach angstvollen Zeiten folgt der Triumph
Freunde und Kollegen sagen Chaplin einen Misserfolg voraus,
da er, wie noch oft in seiner Karriere, Grenzen überschreitet. Aber genau das
Gegenteil ist der Fall. THE KID wird zu Chaplins größtem Erfolg und zu einem
seiner besten Filme. Es ist das erste Drama, das gezielt humorvolle Szenen
aufweist.
Chaplin ist 1919 so in seine Arbeit vertieft, dass ihn die Scheidungsklage seiner ersten Ehefrau, Mildred Harris, völlig unvorbereitet trifft. Sie verlangt eine Abfindung von 100.000 Dollar, die Chaplin zu dieser Zeit nicht aufbringen kann oder will. Sie droht ihm mit der Beschlagnahmung der Filmrollen von THE KID, wodurch Mildred hofft, ihre Forderungen erstattet zu bekommen. In einer Nacht und Nebel Aktion schaffen Chaplin und seine Crew sämtliche Negative des Films nach Salt Lake City, wo Chaplin den ersten Rohschnitt fertigstellt. Die Veröffentlichung des Films wird verschoben.
Der Scheidungsprozess endet 1920 gütlich, so dass einer Filmpremiere im Januar 1921 nichts mehr im Wege steht.
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Der Scheidungsprozess endet 1920 gütlich, so dass einer Filmpremiere im Januar 1921 nichts mehr im Wege steht.
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