"Wir wollten etwas
zusammentragen, das sich aus Shakespeares Arbeit am Globe-Theater entnehmen
läßt. Und es ist Fakt, ein absoluter Fakt, daß das Theater der
Elizabethanischen Zeit nichts mit den mucksmäuschenstillen Räumen zu tun hat,
in denen alle nur sitzen und schweigen. So etwas gab es damals nicht. Der
moderne, visuelle Stil ergab sich dann erst aus der zweiten Überlegung: Wie hat
Shakespeare seine Stücke inszeniert, wie sahen die Bühnen zu der Zeit aus? Und
dann übersetzten wir das in eine filmkünstlerische Sprache."
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- Spoilerwarnung -
Ehrlich, wer nicht weiß, wie ROMEO UND JULIA endet, muss mit Spoilern leben!
Biancas Blick:
1996 kommt ein Sturm ins Kino, den keiner in dieser Form
erwartet hätte.
Baz Luhrmann, ein noch recht unbekannter
australischer Regisseur, wagt sich an die sechste Verfilmung des
Shakespeare-Stoffes ROMEO UND JULIA. Sein bis dahin einziger Film, STRICTLY
BALLROOM, war allenfalls ein kleiner Achtungserfolg: bunt, schrill, schräg.
Die bis dato populärste Verfilmung des Dramas um die beiden
rivalisierenden Familien Montague und Capulet, deren Kinder Romeo und Julia sich
ineinander verlieben, ist Zeffirellis ROMEO UND JULIA von 1968. Allerdings sind
selbst die berühmtesten Szenen (darunter die Balkonszene) deutlich verkürzt oder
gestrichen, was Luhrmann der Verfilmung gegenüber kritisch anmerkt. Er selbst
hält sich textgetreu ans Werk, kürzt allerdings die Gesamtlänge auf zwei
Drittel.
Jeder will dabei sein
Trotz des wenig bekannten und als schrill und extravagant geltenden Regisseurs will
jeder, der in Hollywood Rang und Namen hat, mitwirken, es ist immerhin die
Verfilmung eines der bekanntesten Stücke im Werk des britischen Dichters. Ewan
McGregor, Christian Bale, Benicio Del Toro, Natalie Portman, Kate Winslet,
Sarah Michelle Gellar, Reese Witherspoon, Jennifer Love Hewitt oder Christina
Ricci, sie alle sprechen für die Rollen des Romeo und der Julia vor.
An dieser Stelle ein kleines Casting-Schmankerl: Baz Luhrmann
sagt über DiCaprio: „Er kann den Romeo spielen als wäre er 21 oder aber als
wäre er 18.“
Als Natalie Portman vorspricht, ist Luhrmann zwar sehr angetan,
aber sie wirkt zu jung, zu zart in der Rolle als Julia (Portman ist 15). Als
die Kussszene geprobt wird, ist das Casting dann für Portman beendet. Luhrmann
sagt heute dazu: „Sie sah aus wie zwölf und ließ Leo wie 21 aussehen. Wir
hätten das Publikum gegen uns aufgebracht.“
Portman
selbst ist noch heute
traurig, die Rolle nicht bekommen zu haben. Aber sie wird entschädigt:
Sie
spielt am Broadway Anne Frank und wird vom Publikum frenetisch bejubelt
(Für diese Rolle sagt sie ein Angebot für DER PFERDEFLÜSTERER ab, der
Film, der Scarlett Johansson berühmt machen wird). Als Anne Frank
kommt ihr ihr junges Aussehen wieder entgegen, das Stück wird mehrfach
Tony-nominiert (renommierterster Theaterpreis Amerikas).
Leonardo DiCaprio (Unser Porträt) steht als Hauptdarsteller für Baz Luhrmann
schon ziemlich früh fest. Er sieht ihn als Arnie in GILBERT GRAPE und ist
begeistert. DiCaprio sagt unter der Prämisse zu, nicht in Strumpfhosen zu
spielen, andererseits würde er die Rolle ablehnen. DiCaprio kennt nur die Zeffirelli-Version und hat Bedenken,
das Drama aus dem 16. Jahrhundert könne das heutige Publikum nicht
begeistern. Außerdem empfindet er den Romeo als naiven Unsympath. Auch diese Zweifel kann Luhrmann in wenigen
Gesprächen schnell ausräumen.
Claire Danes, die für das Vorsprechen (wie viele
der oben genannten) auf eigene Kosten nach Australien fliegt, bekommt den
Zuschlag als Julia.
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Die Textabsurdität findet in der Waffenbezeichnung ihren
Höhepunkt, wenn statt Schwerter und Dolche Revolver gezogen werden. Um dem
Missverhältnis auszuweichen (denn die Lacher im Publikum sind programmiert), fügt Luhrmann
dem Revolver noch die Bezeichnung des Schwerts hinzu. So heißen die Pistolen etwa
„Sword 9mm Series S“ oder "Dagger", was als Schriftzug gut sichtbar auf den Waffen prangt.
Die anitquierte Sprache funktioniert, man kann sich schnell
darauf einlassen, weil sie so „normal“ gesprochen wird. Das liegt auch daran, dass
keiner der Schauspieler, außer Pete Postlethwaite, das alte Versmaß der Jamben einhält.
Visuell wirkt der Film wie ein abendfüllendes Musikvideo.
Luhrmann selbst
bittet Radiohead, das Lied Exit Music
beizusteuern, was die Band gerne tut. Witzigerweise ist ihr Lied nicht auf dem Soundtrackalbum, sondern
nur auf ihrem Album OK Computer! Mit
dem Vermerk for a film zu finden.
Viele
andere Stars steuern ebenso Songs bei, darunter Garbage oder The Cardigans und
alle springen in die Top Ten. Der Soundtrack landet auf Platz zwei der meist verkauften
Alben des Jahres 1997 und die Songs dominieren monatelang das Radioprogramm.
Nur gespielte Harmonie
Leonardo DiCaprio und Claire Danes harmonisieren wunderbar
vor der Kamera, doch hinter den Kulissen fliegen die Fetzen. So ist DiCaprio
bekennender Fleischesser und macht sich immer einen Spaß daraus, kurz vor einer
Szene mit Danes ein Wurstbrot zu vertilgen. Danes ist bekennende Vegetarierin
und findet das alles andere als angenehm, zumal DiCaprio sich nicht zwingend
die Zähne putzt. (Dieselbe Anekdote
berichtet Kate Winslet ein Jahr später vom TITANIC-Dreh, nimmt es aber eher
humorvoll.) Auch John Leguizamo hat seine Probleme mit dem Shootingstar. Er nimmt
ihn als arrogant wahr, denn während er und andere Kollegen sich in den
Drehpausen zurückziehen und sich auf die nächste Szene vorbereiten, springt DiCaprio
lieber in den Set-Pool und dreht ein paar Runden. Auch zwischen den Takes macht
er lieber Scherze und Witze, als in seiner Rolle zu bleiben und lenkt viele
seiner Kollegen ab. Das kommt nicht überall gut an. Auch Danes ist genervt von
diesem Verhalten.
Leguizamo sagt an anderer Stelle etwas differenzierter, dass es ihn gestört habe, dass Leo trotz der ständigen Quatschereien und Albernheiten eine einzigartige Performance beim jeweiligen Take abgeliefert habe, während andere Schauspieler wie er selbst sich akribisch und konzentriert vorbereiten mussten, um den Ton der Szene zu treffen.
Leguizamo sagt an anderer Stelle etwas differenzierter, dass es ihn gestört habe, dass Leo trotz der ständigen Quatschereien und Albernheiten eine einzigartige Performance beim jeweiligen Take abgeliefert habe, während andere Schauspieler wie er selbst sich akribisch und konzentriert vorbereiten mussten, um den Ton der Szene zu treffen.
Trotz
dieser Querelen respektieren die Schauspieler ihr Können untereinander
jedoch und betonen stets, wie feinsinnig der jeweils andere agiere.
Von Wasser und anderen Elementen
Das Element Wasser ist in Luhrmanns Film allgegenwärtig:
Julia taucht das erste Mal auf, als sie ihr Gesicht ins Wasser taucht. Romeo
und sie werfen die ersten Blicke durch ein riesiges Aquarium aufeinander. Die Szene war übrigens für den Kameramann die Hölle, weil die Spiegelung durch das
Glas des Aquariums kaum ausgeleuchtet werden konnte.
Die berühmte Balkonszene
wird in den Pool verlegt. Das erinnert an Hitchcock, der ebenfalls in seinen
Filmen wiederkehrende Motive verwendet.
In ROMEO UND JULIA ist Wasser zu Beginn
ein Element der Reinheit und wandelt sich im Verlauf der Handlung zu einem
zerstörerischen Element des Sturms. So stirbt Mercutio am Strand, während ein
gewaltiger Sturm aufzieht und Regenstürme mit sich führt. Tybalt endet
erschossen in einem Brunnen, während es Bäche regnet.
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Der erste Drehtag wird für Danes zu einer Zitterpartie, denn
die Szene, in der sie oben ohne vor Romeo steht, wird als erstes gedreht.
Luhrmann begründet das damit, dass Danes vor dieser Szene die meiste
Scham hat. Um zu verhindern, dass sie diese Angst wochenlang mit sich herumschleppt
und dadurch im Spiel blockiert wird, bringt er die Szene schnell zum Abschluss. Und mit Erfolg:
Der große Druck fällt ab und Danes agiert im Anschluß frei und ungeniert.
Sie geht so sehr in ihrer Rolle auf, dass einige Szenen
abgebrochen werden müssen, da Danes weint und sich erst wieder beruhigen muss. Etwa
die Szene, in der sie Pater Lorenzo beichtet, dass sie sich töten wolle und nach
dem Tode sehnt oder, natürlich auch die Endszene, in der Romeo sich das Leben
nimmt, weil er denkt, Julia sei tot.
Und danach?
Aus den beiden Hauptdarstellern werden Topstars:
DiCaprio spielt im folgenden Jahr in TITANIC und wird zu
einem der begehrtesten Hollywoodstars. Er selbst allerdings nimmt sich eine Auszeit
und kehrt erst drei Jahre später mit THE BEACH auf die Leinwand zurück. Von da
an nimmt seine Karriere als ernsthafter Schauspieler mächtig Fahrt auf. Er wird
zu Scorseses neuer Muse und dreht fünf Filme mit ihm, zuletzt den umstrittenden
THE WOLF OF WALL STREET. Er arbeitet als Produzent, ist Umweltaktivist und einer der
einflussreichsten Leute Hollywoods. Mehrfach oscarnominiert und Golden Globe
gekürt.
Vor ROMEO UND JULIA agierte er bereits in großen
Achtungserfolgen wie THE BASKETBALL DIARIES, THIS BOY'S LIFE und natürlich als Arnie in GILBERT
GRAPE, wo ihn viele für tatsächlich behindert hielten und für den er zurecht seine erste Oscarnominierung erhält.
Claire Danes ist dem Publikum vor ROMEO UND JULIA aus der Serie WILLKOMMEN IM LEBEN an der Seite von Jared Leto bekannt, fiel
aber auch durch ihre Rolle als Betty in BETTY UND IHRE SCHWESTERN mit Susan Sarandon,
Christian Bale und Winona Ryder auf.
Nach ROMEO UND JULIA spielt sie in vielen
Kinofilmen mit. Darunter DER REGENMACHER, U-TURN, LES MISÉRABLES und
TERMINATOR 3.
Ihre Kinokarriere flacht allerdings zu Beginn der 2000er ab. Ein
großes Comeback gelingt ihr 2010 im Fernsehen mit der Serie HOMELAND. Für die Rolle der
Carrie Matheson wird sie zu recht mehrfach ausgezeichnet.
Baz Luhrmann krönt seine Karriere mit seinem wohl besten Film
MOULIN ROUGE, den er 2001 mit Nicole Kidman und Ewan McGregor in den
Hauptrollen dreht. Es wird ein buntes Musical voller Magie. Man kann MOULIN
ROUGE als Höhepunkt und Abschluss seiner sogenannten "red Curtain"-Trilogie nach STRICTLY BALLROOM und ROMEO UND JULIA
verstehen. Der Film wird mehrfach oscarnominiert und gilt als Grundstein für
Kidmans steile Karriere zu einer der besten Schauspielerinnen Hollywoods - bis
sie zu Botox greift und dem ein jähes Ende setzt.
Leider greift Luhrmann mit dem entsetzlichen AUSTRALIA
komplett daneben. Trotz der Stars Nicole Kidman (mit ihrer ersten auffälligen
Botox-Performance) und dem smarten Hugh Jackman floppt der Film in Gänze: Die
Chemie stimmt nicht, die Story ist zu überladen und die Extravaganz, die
Luhrmanns Filme immer auszeichnete, fehlt.
Erst 2013 kann er diese Scharte zumindest teilweise auswetzen und mit DER GROßE GATSBY – wieder mit DiCaprio in der Hauptrolle – wenigstens teilweise an seine alte Klasse anknüpfen. Der Film krankt zwar an
der nicht funktionierenden Liebesgeschichte, gewinnt aber durch seine Luhrmann-übliche
reichhaltige Ausstattung und dem freudigen Spiel der Hauptprotagonisten.
Die Handlung wird vom italienischen Verona nach Verona Beach in Mexico
City verlegt, flittrig, bunt, exstatisch, punkig, großstädtisch.
Alle Darsteller sind hervorragend besetzt und agieren
überzeugend, es ist ein gewaltiges Pop-Märchen auf klassischem Fundament. Die
metrische Sprache konterkariert wunderbar die visuellen Eindrücke.
Die Liebesszenen sind unerträglich romantisch ohne kitschig
zu sein.
Etwa Romeos und Julias erste Begegnung im Hause der
Capulets durch die Scheiben eines gewaltigen Aquariums oder aber die
Balkonszene, die Szene der ersten gemeinsamen Nacht und die heimliche Hochzeit.
Mit nur wenig Mimik oder zurückhaltendem Augenaufschlag wird deutlich, dass
diese beiden Menschen sich lieben und füreinander geschaffen sind.
Die dramatischen Sequenzen, untermalt mit schneller und lauter
Musik, wissen ebenso zu fesseln und den Zuschauer in den Bann zu ziehen.
Die Kritiken sind gemischt. Viele wissen das
Experiment, das Luhrmann mit seiner Interpretation wagt, zu schätzen. Einige werfen
ihm die Modernität vor und verweisen darauf, dass nicht jeder Zuschauer den
Schnitten und Handlungssprüngen folgen kann, geschweige denn mit dem Kontrast
zwischen Sprache und Bildern umzugehen weiß.
In Deutschland hat der Film auf der Berlinale 1997 Premiere
und Leonardo DiCaprio wird zu recht mit dem Silbernen Bären als bester
Hauptdarsteller ausgezeichnet.
Trotz der Textmengen dauern die Stücke Shapespeares selten
sehr lange – die Schauspieler sprechen sehr schnell, wohl auch, um die
Zuschauer zum Zuhören zu animieren, aber eben auch, weil Shakespeares Sprache
bei aller Lyrik derbe und einfach war – jedenfalls für seine Zeit.
Marcos Blick:
Der
„Geniestreich“, der Luhrmann mit ROMEO UND JULIA gelingt, kann gar nicht
hoch genug geschätzt werden. Immerhin schafft er es als eine
der wenigsten Verfilmungen, den Geist des Shakespearschen Theaters
einzufangen.
Al Pacinos Semi-Doku LOOKING FOR RICHARD beschäftigt sich
sehr schön mit der Frage, was Shakespeare heute, über 400 Jahre später, für
die Menschen bedeutet. Und in der Regel ist die Meinung einhellig: Kultur,
Staubigkeit, Unverständlichkeit, etwas für Alte und Intellektuelle.
Möget Ihr dies Unterschichtengedöns genießen, edler Herr!
Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil Shakespeare
quasi das „Unterschichtenfernsehen“ seiner Zeit geschrieben hat. Shakespeare im
16. Jahrhundert, das war nicht kulturell, gebildet oder edel. Das Theater jener
Zeit ist eine Massendurchlaufstation wie heutzutage das Multiplexkino am
Samstagabend in einem Arnold Schwarzenegger Film: Angetrunkene, wenig
aufmerksame Zuschauer, die, vermutlich, grölend und quatschend vor der Theaterbühne
herumlungern und Tratsch austauschen.
Shakespeare hat die Aufgabe, ein äußerst niederes und
vergnügungssüchtiges Publikum nicht nur zu erheitern, sondern auch zu fesseln.
Das erklärt, weshalb seine Stücke sich im Vorwegnehmen der Katastrophen ebenso
ergötzen wie in der Berechenbarkeit der komödiantischen Verwechslungen. Shakespeares
Werke erklären dem Zuschauer stets, welche Boshaftigkeit als nächstes die Bühne
heimsuchen wird. Auftretende Personen werden, vermutlich um die langen Wege zum
vorderen Ende der Bühne zu überbrücken, lang und breit vorgestellt.
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Und natürlich kracht und bummt es ordentlich! Die Klingen
tanzen so regelmäßig über die Bühne wie Verrat, Ehebruch, Mord und Totschlag.
Kurz: Shakespeare inszeniert Krawallkino! Schnell, aufgeregt, und
im Versuch, den Zuschauern möglichst keine Pause zu gönnen. Die Aufmerksamkeit
soll idealerweise nicht mal einen Moment abreißen.
Heute ist nicht ganz klar, wie gut ihm das gelang, oder ob
auch seine Stücke von jener Atmosphäre heimgesucht wurden, die wir heute
aus einem Fussballstadion nach dem Siegtreffer kennen. Aber in jedem Fall ist
der ehrfürchtig aufgenommene, der ruhige, der sinnlich und besonnen
vorgetragene Shakespeare mit Akteuren in Strumpfhosen,
nicht der echte Shakespeare. Das haben erst 400 Jahre Anbetung aus ihm gemacht.
So sei dies unoriginelle Werk in aller Pracht dargeboten
Luhrmanns
Version von Shakespeares Liebestragödie überträgt den
Original-Shakespeare damit nahezu perfekt in unsere Zeit. Die schnellen
Schnitte, die schnelle Sprache, die Fahrten, Zooms, Close-Ups und die
fast
ununterbrochene Action, garniert mit wenigen ruhigen Szenen, die der
Film
abliefert, entsprechen exakt dem, was Shakespeare seinerzeit mit dem
Stück umzusetzen versucht. Auch Luhrmann will dem Zuschauer keine
Zeit zum Atmen lassen, will ihn unentwegt beschäftigen und mit neuen,
schnellen Bildern hypnotisieren.
Dass die Geschichte zeitlos ist, zeigt sich daran, dass sie
schon zu Shakespeares Zeit wenig originell ist. Denn auch Shakespeare bedient sich
meist an bekannten Geschichten oder Volksmärchen.
Die Liebe über befeindete Grenzen
hinweg ist dabei ein Topos, das es vermutlich seit Anbeginn der Erzähltradition
gibt und mit Hero und Leander bereits in der Antike zu finden ist, ebenso wie mit
Tristan und Isolde im Mittelalter. Darüber hinaus ist schon etwa 1530 der Text
„Giuletta e Romeo“ des Italieners Luigi da Porto entstanden und in den
folgenden dreißig Jahren wenigstens vier Mal umgeschrieben worden, bevor
Shakespeare das 1562 entstandene Epos „The tragical history of Romeus and
Juliet“ in die Finger bekommt, das ihm 1597 als Vorlage für sein Stück dient.
Also bleibt am Ende tatsächlich nur die Sprache, die in
unserer Zeit ungewohnt klingt. Allerdings, und das zeigt Al Pacinos LOOKING FOR
RICHARD ebenfalls deutlich, ist es hier vor allem das Vorurteil, das abschreckt. Schon
der Name „Shakespeare“ flößt häufig so viel Erwartung von Kultur und Bildung ein, dass
viele, gerade Jugendliche, sich automatisch abwenden und mit der Einstellung:
„Das verstehe ich eh nicht!“ das Handtuch werfen, bevor auch nur eine Jambe
gefallen ist.
Natürlich ist Shakespeares Sprache lyrisch, rhythmisch und
gestelzt; sind seine Wörter veraltet und stellenweise die Bedeutung nicht
mehr bekannt. Aber Shakespeare war immer ein Dichter, der seine Stücke
sehr bildhaft erzählte. Und wer sich darauf einlassen mag, einen Shakespeare so zu
erleben, wie der Dichter es einst geplant hat, wer also ein kurzweiliges,
wildes Stück über eine verdammte Liebe sehen will, der wird dem Film schon
anhand der Bilder folgen können. Und die Sprache, die man ohnehin leichter
versteht als man ahnen mag, geht zumindest leicht ins Ohr – und macht die
Geschichte nicht weniger simpel und schön.
Ein kleines Bonmot zum Schluss: Luhrmanns Version gelingt es, dem ohnehin tragischen Ende der Geschichte eine noch besonders perfide Note zu geben. Denn während im Stück die aus ihrem Schlaf erwachende Julia nur den bereits toten Romeo neben sich findet, erwacht sie im Film bereits, von Romeo unbemerkt, als dieser sich daran macht, das Gift zu trinken. So bleibt beiden, und dem Zuschauer, noch ein kurzer, schmerzvoller Augenblick, um sich bewusst zu werden, was hätte werden können, bevor Romeo tatsächlich stirbt. Ein grandioser Kniff, der zeigt: Auch Shakespeare lässt sich immer noch verbessern!
Ein kleines Bonmot zum Schluss: Luhrmanns Version gelingt es, dem ohnehin tragischen Ende der Geschichte eine noch besonders perfide Note zu geben. Denn während im Stück die aus ihrem Schlaf erwachende Julia nur den bereits toten Romeo neben sich findet, erwacht sie im Film bereits, von Romeo unbemerkt, als dieser sich daran macht, das Gift zu trinken. So bleibt beiden, und dem Zuschauer, noch ein kurzer, schmerzvoller Augenblick, um sich bewusst zu werden, was hätte werden können, bevor Romeo tatsächlich stirbt. Ein grandioser Kniff, der zeigt: Auch Shakespeare lässt sich immer noch verbessern!
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