29.03.14

Tron (USA 1982)

Die USA wurden in ihrer Geschichte des Öfteren von einem unbändigen Pioniergeist erfasst – dem Willen, neue Gebiete zu erforschen und, wenn möglich, zu erobern.
Im 19. Jahrhundert wurde der Westen gezähmt, in den 1960er Jahren der Mond erobert und in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren reizte die digitale Computerwelt die Abenteurerlust.
Bis heute gibt kein Film dieser digitalen Wildnis ein besseres Gesicht als TRON. Der Hybridfilm aus dem Hause Disney wird dabei in vielerlei Hinsicht auf ewig ein absolutes Novum in der Filmlandschaft bleiben.

Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video

Marcos Blick:


Jetzt auf DVD: Tron
TRON ist vor allem die Vision eines Mannes: Steven Lisberger. Der recht unbekannte Filmemacher, der seit 1989 an so gut wie keinem Film mehr gearbeitet hat, zieht seine Inspiration 1976 aus „Pong“, einem der ersten Computerspiele überhaupt.

Die Idee, wie es sich als Spiel innerhalb des Computers lebt, lässt ihn nicht mehr los.

Die Disney Studios versuchen zu jener Zeit vergeblich, ihre Erfolge im Kinderfilmbereich zu erweitern. Sie wollen erwachsenere Filme produzieren und einen Fuß ins aufkommende Blockbustergeschäft kriegen. Nachdem 1979 DAS SCHWARZE LOCH mit Maximilian Schell grandios scheitert, soll nun TRON diese Last stemmen. Lisberger darf seine Vision produzieren.



Der Aufstieg des Cyberspace




Das Ergebnis ist ein Film, dessen Story aus heutiger Sicht extrem simpel und naiv anmutet, jedoch seinen Zeitgeist atmet wie wenig andere.

Die frühen 80er erleben den literarischen Aufstieg von Begriffen wie „Cyberspace“ und „Cyberpunk“. Seinen endgültigen Durchbruch feiert das Genre mit dem 1984 erscheinenden Roman „Neuromancer“ von William Gibson. Da hat die Vorstellung, sich mit Hilfe eines „Avatars“, also eines Abbildes von einem selbst, durch die Welt verlinkter Computer zur reisen aber längst eine Optik gefunden. Und dafür ist TRON maßgeblich mitverantwortlich.


Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video
Der allgemeine „Look“ des Cyberspace‘ ist eng verzahnt mit der zeitgleich unglaublich populären Optik von Neonlichtern. Alles was nach Neon aussieht, ist jung, hip, modern, technisch und elektronisch. (Ein junger französischer Filmemacher namens Luc Besson soll das 1985 nahezu absurd ausnutzen – sein Film SUBWAY wirkt schon allein dadurch cool, dass sein Darsteller Christophe Lambert mit einer leuchtenden Neonröhre in der Hand herumläuft!)



Einzigartige Technik




Lisbergers Vision sieht vor, echte Menschen vor Trickhintergründen darzustellen. Für das Design selbst zeichnet vor allem der Künstler Syd Mead verantwortlich, der im selben Jahr auch den unverwechselbaren Look von BLADE RUNNER gestaltet.

Am Ende wird die Effektjagd ein technischer Alptraum werden. Die Filmemacher müssen derart tief in die Trickkiste greifen, dass die Geschichte der Effekte hinter TRON eigene Bücher füllt.

Die krude Mischung aus Schwarzweiß-Aufnahmen, Rotoskoptechnik, Nachkolorierung, Zeichentrick und Kontrasttechniken im Filmmaterial war so aufwendig, dass niemals wieder ein Film in dieser Art gestaltet wird. Der typische Look des Films wird also tatsächlich für immer einzigartig bleiben.


Alle leuchtenden Linien und Flächen sind per Hand Bild für Bild aufgemalt!

Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video
Einzigartig ist für zeitgenössische Verhältnisse auch die erstmalige Verwendung von Computergrafiken. Vor allem die Jagdszene mit den Motorrädern und die Außenaufnahmen der Panzer sind computergeneriert. Dabei haben die Techniker deutlich mehr Arbeit als etwa ein Zeichentrickkünstler. Zwar können die damaligen Computer selbstständig Bilder erstellen, sie können sie jedoch nicht animieren. Dafür müssen die Bilder einzeln erstellt werden. Dem Rechner müssen allerdings die Koordinaten für die veränderlichen Bildteile einprogrammiert werden. Bei der berühmtesten Sequenz, dem Mototrradrennen, sind bis zu 600 handgetippte Koordinaten für 4 Sekunden Film notwendig.



Der Film wird später von einer Nominierung für den Special Effects Oscar ausgeschlossen – Die Acadamy wertet die Verwendung von Computern als „Schummeln“!!


Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video

Langzeiterfolg




TRON bringt zu seiner Zeit kaum jemandem Freude. An den Kinokassen fällt er durch – dem erwachsenen Publikum ist er zu trickreich für einen Realfilm und den Kindern zu erwachsen für einen Animationsfilm. Vielleicht ist es auch ein Fehler, den Film nicht wie geplant zu Weihnachten in die Kinos zu bringen, sondern im Sommer, wo er gegen Großkaliber wie E.T. – DER AUSSERIRDISCHE, STAR TREK II: DER ZORN DES KHAN, BLADE RUNNER oder DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT antreten muss.



Außerdem werden Computer als Rechenmaschinen wahrgenommen. Videospiele gelten, wie Comics, als skurriles Kinderhobby – eine Ansicht, die auch 32 Jahre später noch vorherrscht.

Und vielleicht am schlimmsten: Auch wenn der Film sehr unterhaltsam ist, krankt er an einer nach jedem gültigen Standard äußerst dünnen Story und einer Welt im Computer, die schlicht nicht fesseln kann – zu Gladiatorenspiele verdammte Rechenprogramme und die Idee, statt an Götter an den allmächtigen „User“ zu glauben, von denen plötzlich einer unter ihnen wandelt, ist selbst für damalige Verhältnisse albern.


Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video

Tatsächlich verkaufen sich die Spiele, die auf Basis des Films entstehen, deutlich besser und erzielen einen höheren Umsatz als der Film. Das Motorradrennen ist in der ein oder anderen Form auch heute noch ein populäres Videospiel.



Vor allem aber gibt der Film ein Startsignal an die Branche. So inspiriert er unter anderem John Lasseter, der unglaubliches Potential in der Kombination aus Computereffekten und Kinofilmen sieht. Dreizehn Jahre später wird er mit seinem PIXAR Studio und dem Film TOY STORY den Animationsfilm grundlegend verändern.



Auch die französische Elektronik-Kombo Daft Punk gibt TRON als wegweisende Inspiration an, wofür sie in der 2010 erscheinenden Fortsetzung neben dem Soundtrack sogar einen Gastauftritt abliefern darf. Spätestens die Fortsetzung offenbart jedoch, wie wenig aus dem Grundkonzept der Geschichte herauszuholen ist, und wie wenig Halt der Film hat, wenn er nicht gerade die Effektgeschichte revolutioniert.



Aus Arch Stanton's Grab




The Good:

Der von Bruce Boxleitner gespielte Tron wird zu Beginn der Geschichte von einem anderen Programm namens Crom unterstützt, das von Peter Jurasik gespielt wurde. 14 Jahre später sollten sich beide Schauspieler in der populären Science-Fiction Serie BABYLON 5 wiedertreffen und sich vier Staffeln lang gegenseitig das Leben schwer machen.



The Bad:

Der überaus vielseitige Jeff Bridges spielt den „User“ Flynn, der in die Computerwelt gesogen wird. Bridges, der damals vor allem als Schönling und Rebell gecastet wurde, und erst in den 90er Jahren zum Charakterdarsteller reifen sollte, genoss die zur Einstimmung am Set aufgestellten Videospiele ganz besonders. Stellenweise hatten die Filmemacher ordentlich Mühe, ihn davon loszureißen und vor die Kamera zu kriegen.


Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video

Ebenfalls für immer einzigartig wird das Set bleiben, an dem viele Szenen in der „Realwelt“ gedreht werden: Das Lawrence Livermore Laboratory bei San Francisco erforscht unter anderem radioaktive Stoffe. Während der Dreharbeiten trat Schauspielerin Cindy Morgan (am ehesten bekannt aus CADDYSHACK) in eine radioaktiv verseuchte Pfütze und musste dekontaminiert werden.



The Ugly:

Seinerzeit weigerten sich eine Menge Disney-Mitarbeiter, an TRON zu arbeiten. Sie fürchteten, dass die neue Computertechnik sie als Zeichner irgendwann überflüssig machen würde.

Zwar setzte Disney noch lange auf rein handgemachte Animationsfilme – erst 1991 wurde mit DIE SCHÖNE UND DAS BIEST der erste Disneyfilm produziert, der die meisten Hintergründe mit Computertechnik berechnen ließ.

Doch 2004 schloss das Studio große Bereiche, in denen noch handgezeichnet wurde. Seit 2013 werden nicht einmal mehr 2D-Filme produziert – angeblich, so das Studio, möchte das Publikum nur noch 3D animierte Filme sehen.

Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video

2 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Perfekt auf den Punkt gebracht.

    Nebenbei erwähnt, Der Film stammt aus meinem Geburtsjahr.
    Ich habe ihn erstmals im Alter von vier Jahren gesehen und (auch wenn sich mir viele Inhalte noch verschlossen) SOFORT GELIEBT!
    Mit meiner Begeisterung für Tron stand ich allerdings ziemlich allein da.

    Gleichaltrige waren ebenso irritiert wie meine Eltern :) .
    Ich mochte die Idee selbständig denkende und lernender Programme, sowie ihren "religiösen" Glaubens, an die User.

    Inzwischen schreibe ich eigene Funktionscodes für Videospiele.
    Es ist sehr interessant, wie greifbar einem eine solche, simulierte Welt erscheinen kann, wenn man selbst ihre grundlegenden physikalischen Gesetze, von Null definiert hat.

    LG

    Ravenburgh

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