Im 19. Jahrhundert wurde der Westen gezähmt, in den 1960er Jahren der
Mond erobert und in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren reizte die
digitale Computerwelt die Abenteurerlust.
Bis heute gibt kein Film dieser digitalen Wildnis ein besseres Gesicht
als TRON. Der Hybridfilm aus dem Hause Disney wird dabei in vielerlei Hinsicht auf
ewig ein absolutes Novum in der Filmlandschaft bleiben.
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Marcos Blick:
Jetzt auf DVD: Tron |
TRON ist vor allem die Vision eines Mannes: Steven
Lisberger. Der recht unbekannte Filmemacher, der seit 1989 an so gut wie keinem
Film mehr gearbeitet hat, zieht seine Inspiration 1976 aus „Pong“, einem der
ersten Computerspiele überhaupt.
Die Idee, wie es sich als Spiel innerhalb des Computers
lebt, lässt ihn nicht mehr los.
Die Disney Studios versuchen zu jener Zeit vergeblich, ihre
Erfolge im Kinderfilmbereich zu erweitern. Sie wollen erwachsenere Filme
produzieren und einen Fuß ins aufkommende Blockbustergeschäft kriegen. Nachdem
1979 DAS SCHWARZE LOCH mit Maximilian Schell grandios scheitert, soll nun TRON
diese Last stemmen. Lisberger darf seine Vision produzieren.
Der Aufstieg des Cyberspace
Das Ergebnis ist ein Film, dessen Story aus heutiger Sicht
extrem simpel und naiv anmutet, jedoch seinen Zeitgeist atmet wie wenig andere.
Die frühen 80er erleben den literarischen Aufstieg von
Begriffen wie „Cyberspace“ und „Cyberpunk“. Seinen endgültigen Durchbruch
feiert das Genre mit dem 1984 erscheinenden Roman „Neuromancer“ von William
Gibson. Da hat die Vorstellung, sich mit Hilfe eines „Avatars“, also eines
Abbildes von einem selbst, durch die Welt verlinkter Computer zur reisen aber
längst eine Optik gefunden. Und dafür ist TRON maßgeblich mitverantwortlich.
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Der allgemeine „Look“ des Cyberspace‘ ist eng verzahnt mit
der zeitgleich unglaublich populären Optik von Neonlichtern. Alles was nach Neon
aussieht, ist jung, hip, modern, technisch und elektronisch. (Ein junger
französischer Filmemacher namens Luc Besson soll das 1985 nahezu absurd ausnutzen
– sein Film SUBWAY wirkt schon allein dadurch cool, dass sein Darsteller
Christophe Lambert mit einer leuchtenden Neonröhre in der Hand herumläuft!)
Einzigartige Technik
Lisbergers Vision sieht vor, echte Menschen vor
Trickhintergründen darzustellen. Für das Design selbst zeichnet vor allem der
Künstler Syd Mead verantwortlich, der im selben Jahr auch den unverwechselbaren
Look von BLADE RUNNER gestaltet.
Am Ende wird die Effektjagd ein technischer Alptraum werden.
Die Filmemacher müssen derart tief in die Trickkiste greifen, dass die
Geschichte der Effekte hinter TRON eigene Bücher füllt.
Die krude Mischung aus Schwarzweiß-Aufnahmen,
Rotoskoptechnik, Nachkolorierung, Zeichentrick und Kontrasttechniken im
Filmmaterial war so aufwendig, dass niemals wieder ein Film in dieser Art
gestaltet wird. Der typische Look des Films wird also tatsächlich für immer
einzigartig bleiben.
Alle leuchtenden Linien und Flächen sind per Hand Bild für Bild aufgemalt! Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Einzigartig ist für zeitgenössische Verhältnisse auch die erstmalige
Verwendung von Computergrafiken. Vor allem die Jagdszene mit den Motorrädern
und die Außenaufnahmen der Panzer sind computergeneriert. Dabei haben die
Techniker deutlich mehr Arbeit als etwa ein Zeichentrickkünstler. Zwar können
die damaligen Computer selbstständig Bilder erstellen, sie können sie jedoch
nicht animieren. Dafür müssen die Bilder einzeln erstellt werden. Dem Rechner müssen
allerdings die Koordinaten für die veränderlichen Bildteile einprogrammiert
werden. Bei der berühmtesten Sequenz, dem Mototrradrennen, sind bis zu 600 handgetippte
Koordinaten für 4 Sekunden Film notwendig.
Der Film wird später von einer Nominierung für den Special
Effects Oscar ausgeschlossen – Die Acadamy wertet die Verwendung von Computern als
„Schummeln“!!
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Langzeiterfolg
TRON bringt zu seiner Zeit kaum jemandem Freude. An den
Kinokassen fällt er durch – dem erwachsenen Publikum ist er zu trickreich für
einen Realfilm und den Kindern zu erwachsen für einen Animationsfilm. Vielleicht
ist es auch ein Fehler, den Film nicht wie geplant zu Weihnachten in die Kinos
zu bringen, sondern im Sommer, wo er gegen Großkaliber wie E.T. – DER
AUSSERIRDISCHE, STAR TREK II: DER ZORN DES KHAN, BLADE RUNNER oder DAS DING AUS
EINER ANDEREN WELT antreten muss.
Außerdem werden Computer als Rechenmaschinen wahrgenommen.
Videospiele gelten, wie Comics, als skurriles Kinderhobby – eine Ansicht, die
auch 32 Jahre später noch vorherrscht.
Und vielleicht am schlimmsten: Auch wenn der Film sehr
unterhaltsam ist, krankt er an einer nach jedem gültigen Standard äußerst dünnen
Story und einer Welt im Computer, die schlicht nicht fesseln kann – zu
Gladiatorenspiele verdammte Rechenprogramme und die Idee, statt an Götter an
den allmächtigen „User“ zu glauben, von denen plötzlich einer unter ihnen
wandelt, ist selbst für damalige Verhältnisse albern.
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Tatsächlich verkaufen sich die Spiele, die auf Basis des
Films entstehen, deutlich besser und erzielen einen höheren Umsatz als der
Film. Das Motorradrennen ist in der ein oder anderen Form auch heute noch ein
populäres Videospiel.
Vor allem aber gibt der Film ein Startsignal an die Branche.
So inspiriert er unter anderem John Lasseter, der unglaubliches Potential in
der Kombination aus Computereffekten und Kinofilmen sieht. Dreizehn Jahre
später wird er mit seinem PIXAR Studio und dem Film TOY STORY den
Animationsfilm grundlegend verändern.
Auch die französische Elektronik-Kombo Daft Punk gibt TRON
als wegweisende Inspiration an, wofür sie in der 2010 erscheinenden Fortsetzung
neben dem Soundtrack sogar einen Gastauftritt abliefern darf. Spätestens die
Fortsetzung offenbart jedoch, wie wenig aus dem Grundkonzept der Geschichte
herauszuholen ist, und wie wenig Halt der Film hat, wenn er nicht gerade die
Effektgeschichte revolutioniert.
Aus Arch Stanton's Grab
The
Good:
Der von Bruce Boxleitner gespielte Tron wird zu Beginn der
Geschichte von einem anderen Programm namens Crom unterstützt, das von Peter
Jurasik gespielt wurde. 14 Jahre später sollten sich beide Schauspieler in der
populären Science-Fiction Serie BABYLON 5 wiedertreffen und sich vier Staffeln
lang gegenseitig das Leben schwer machen.
The Bad:
Der überaus vielseitige Jeff Bridges spielt den „User“
Flynn, der in die Computerwelt gesogen wird. Bridges, der damals vor allem als
Schönling und Rebell gecastet wurde, und erst in den 90er Jahren zum
Charakterdarsteller reifen sollte, genoss die zur Einstimmung am Set
aufgestellten Videospiele ganz besonders. Stellenweise hatten die Filmemacher
ordentlich Mühe, ihn davon loszureißen und vor die Kamera zu kriegen.
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Ebenfalls für immer einzigartig wird das Set bleiben, an dem
viele Szenen in der „Realwelt“ gedreht werden: Das Lawrence Livermore
Laboratory bei San Francisco erforscht unter anderem radioaktive Stoffe.
Während der Dreharbeiten trat Schauspielerin Cindy Morgan (am ehesten bekannt
aus CADDYSHACK) in eine radioaktiv verseuchte Pfütze und musste dekontaminiert
werden.
The Ugly:
Seinerzeit weigerten sich eine Menge Disney-Mitarbeiter, an TRON
zu arbeiten. Sie fürchteten, dass die neue Computertechnik sie als Zeichner
irgendwann überflüssig machen würde.
Zwar setzte Disney noch lange auf rein handgemachte
Animationsfilme – erst 1991 wurde mit DIE SCHÖNE UND DAS BIEST der erste
Disneyfilm produziert, der die meisten Hintergründe mit Computertechnik
berechnen ließ.
Doch 2004 schloss das Studio große Bereiche, in denen noch
handgezeichnet wurde. Seit 2013 werden nicht einmal mehr 2D-Filme produziert –
angeblich, so das Studio, möchte das Publikum nur noch 3D animierte Filme
sehen.
Quelle: DVD Tron: Das Original, 2002 © Touchstone Home Video |
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenPerfekt auf den Punkt gebracht.
AntwortenLöschenNebenbei erwähnt, Der Film stammt aus meinem Geburtsjahr.
Ich habe ihn erstmals im Alter von vier Jahren gesehen und (auch wenn sich mir viele Inhalte noch verschlossen) SOFORT GELIEBT!
Mit meiner Begeisterung für Tron stand ich allerdings ziemlich allein da.
Gleichaltrige waren ebenso irritiert wie meine Eltern :) .
Ich mochte die Idee selbständig denkende und lernender Programme, sowie ihren "religiösen" Glaubens, an die User.
Inzwischen schreibe ich eigene Funktionscodes für Videospiele.
Es ist sehr interessant, wie greifbar einem eine solche, simulierte Welt erscheinen kann, wenn man selbst ihre grundlegenden physikalischen Gesetze, von Null definiert hat.
LG
Ravenburgh