22.03.14

Waterworld (USA 1995)

Alle paar Jahre entstehen Filme, die weder für ihre Handlung, noch für ihre Schauspieler, noch sonst etwas in Erinnerung bleiben, das auf der Leinwand zu sehen ist.
An sie erinnert man sich, weil die Katastrophen am Set, in der Produktion oder im Budget deutlich spektakulärer waren als der Film selbst.
Ihnen geraten die Filmarbeiten vollkommen außer Kontrolle, wie etwa bei CLEOPATRA. Sie werden von menschlichen Tragödien überschattet wie bei THE CROW. Oder sie machen durch offene Streitereien der Beteiligten von sich reden wie VERTRAUTER FEIND oder THREE KINGS.
Aber vermutlich wurde kein Film der Geschichte jemals von derart vielen Problemen gebeutelt wie WATERWORLD.

Marcos Blick:

Erhältlich als DVD und Blu Ray
Die Handlung des - an sich ganz unterhaltsamen - Films ist so simpel, dass er nicht einmal eine Synopsis benötigt. In einer nicht näher bezifferten Zukunft (Die Filmemacher deuten das 26. Jahrhundert an) sind die Polkappen geschmolzen und sämtliche Kontinente mit Wasser bedeckt. Ein einsamer „Mariner“ findet ein kleines Mädchen, auf dessen Rücken die Karte zum sagenumwobenen „Dryland“ tätowiert ist, dem letzten Stück trockener Erde. Er liefert sich mit einer bösen Bande von „Smokern“ (einer offen von MAD MAX inspirierten Wasserwüsten-Jet-Ski-Bande) einen Kampf um das Mädchen, die Karte und ein Rennen nach „Dryland“.

Wie dünn diese Story ist, wird umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass bereits die Entstehung des Drehbuchs ein Desaster war, das mehrere Autoren und Scriptdoktoren verschliss. Aufgrund mangelnder Dramatik(!) wurde das Originalscript (man mag kaum raten, wie es ausgesehen haben muss) zunächst von David Twohy weiterentwickelt (Der später mit der Erfindung der Figur Riddick einigen Erfolg erzielen sollte) und schließlich sogar von Nerd-Gott Joss Whedon. (Der neben all seinen Erfolgen eben auch Fehlgriffe wie WATERWORLD und ALIEN 4 mit zu verantworten hat.) Whedon beschrieb seine Zeit an dem Projekt später als „sieben Wochen in der Hölle“ – und war damit noch gut davongekommen.

Der Reiz der Apocalypse


Es ist nicht ganz klar, was genau Kevin Costner sich von dem Projekt versprach.
Zu jener Zeit brannten nur wenige Sterne am Hollywoodhimmel heller als der des Kaliforniers. In den 80ern hatte er sich mit einer Vielzahl von Kassenschlagern an die Spitze gearbeitet, darunter Klassiker wie NO WAY OUT, DIE UNBESTECHLICHEN oder FELD DER TRÄUME. Endgültig zum Megastar machten ihn aber die frühen 90er.

Nachdem er, auch als Regisseur, in DER MIT DEM WOLF TANZT den Western und die Darstellung der Ureinwohner revolutioniert hatte, führte er mit JFK, ROBIN HOOD und vor allem BODYGUARD einige der erfolgreichsten Filme seiner Zeit an.
Was also trieb diesen Mann, auf dem Höhepunkt jeder möglichen Schauspielkarriere, dazu unbedingt einen Endzeitfilm zu drehen?

„Endzeit“ bedeutete in den 90ern etwas anderes als heute. Während aktuelle Endzeitszenarien in der Regel versuchen, etwas über das Leben des Individuums zu ergründen, galten Endzeitfilme der 80er und 90er Jahre stets als kritischer Kommentar der politischen Verhältnisse, die zur Apokalypse geführt hatten. (Der letzte größere Endzeitfilm, der sich derart interpretieren lässt, war THE BOOK OF ELI.)
Und mit WATERWORLD traf man einen sozialpolitischen Nerv: Das befürchtete Schmelzen der Polkappen. Damals waren jedoch nicht globale Erwärmung oder CO2 der Übeltäter, sondern FCKW, ein Stoff in Schaumstoffen und Sprühdosen, der riesige Löcher in die Ozonschicht fraß und dadurch die Zivilisation gefährdete und Schlagzeilen füllte.

Vielleicht war das die Motivation des als durchaus politisch bekannten Costners. In jedem Fall gewährten ihm die Universal Studios ein großzügiges Budget von 100 Millionen Dollar – das Costner nur akzeptierte, wenn dafür sein langjähriger Freund Kevin Reynolds auf den Regiestuhl durfte.

Der perfekte Katastrophenfilm


Spätestens ab diesem Punkt lief quasi nichts mehr glatt.
Die Produktion entschied sich tatsächlich, auf dem offenen Meer zu drehen. In der Nähe einer abgelegenen Inselgruppe, irgendwo in den Weiten des Pazifiks: Hawaii. Die Weisheit, dass Drehs mit Kindern, Hunden und auf dem Meer die schlimmsten seien, mag keiner bedacht haben (schon Steven Spielberg musste das in DER WEIßE HAI die Folgen eines Hochsee-Drehs kennenlernen). Auch machte sich niemand die Mühe, die örtlichen Wetterverhältnisse zu überprüfen. So herrschten in der Gegend starke Winde, die das Hauptset immer wieder davontrieben. Auch wurde nicht daran gedacht, was es bedeutete, wenn eine große Filmcrew den ganzen Tag auf dem Ozean verbrachte. Keines der vorhandenen Schiffe verfügte über eine Toilette, weshalb die Dreharbeiten immer wieder unterbrochen werden mussten, um die Crewmitglieder auf ein im Hafen ankerndes „Toilettenschiff“ zu bringen.

Das Hauptset des Films war ein schwimmendes Atoll, 1.000 Tonnen schwer, und für 22 Millionen Dollar errichtet. Der Bau verschlang sämtliche Stahlvorräte Hawaiis. Als das Set kurz darauf in einem Tropensturm sank, musste der Stahl für den Neubau teuer aus Kalifornien eingeflogen werden. Und durchgehend machten immer wieder Sturmwarnungen dem Drehplan einen Strich durch die Rechnung.

Auch menschlich jagte eine Katastrophe die nächste. Die beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen ertranken in einer Szene fast und wurden wiederholt von Quallen gestochen. Ein Stuntman erkrankte an der Taucherkrankheit und starb beinahe. Costner selbst schluckte in einer Szene so viel Wasser, dass er das Bewusstsein verlor. Später erklärte er, eine Nahtoderfahrung gehabt zu haben.

Das war immerhin etwas, das er dazugewonnen hatte. Sonst war Costners Zeit gespickt mit Verlusten. So reichte seine Frau die Scheidung ein, als sie nach 16 Ehejahren seine Affären satt hatte. Sie bekam 75 Millionen Dollar zugesprochen. Außerdem pumpte Costner schließlich persönlich noch einmal 22 Millionen Dollar in die Dreharbeiten. Dennoch wurde er schnell zum meistgehassten Mann am Set. Während die anderen Crewmitglieder in schlecht isolierten Wohnblocks den Temperaturstürzen ausgesetzt waren, ließ der Star es sich in einer Villa mit Mehrblick, Butler, Privatkoch und, ironischerweise, einem Swimming Pool gutgehen – für 4.500 Dollar die Nacht.

Zwei Wochen vor Drehende verließ Regisseur Reynolds das Set. Zitiert wird er mit dem Spruch: „Kevin Costner sollte nur noch Filme drehen, in denen er selbst Regie führt. Dann können sein Lieblingsschauspieler und sein Lieblingsregisseur gemeinsam arbeiten.“

Dennoch kam es vermutlich eher wegen der Lauflänge zum Bruch. Reynolds hatte eine 3 Stunden Version des Films geschnitten. Damit war jedoch pro Abend nur eine Vorstellung in den Kinos möglich – bei den völlig explodierten Kosten sowohl für das Studio und Costner absolut indiskutabel.  Costner übernahm selbst die Regie für die letzten Wochen und später auch den Schnitt. Er kürzte Reynolds Fassung um 40 Minuten – womit die Freundschaft der Zwei endgültig zerbrach.

Am Ende hatte das Desaster 175 Millionen Dollar verschlungen. Der bis dato teuerste Film überhaupt, geplagt von einer Kette von Katastrophen und mit einer Story, so dünn wie Costners Haare: Gerüchteweise ließ er mit ausgedehnten Nachdrehs und digitalen Tricks seine wachsende Platte verdecken.

Die Angst des Studios, der Film, der als Prestigeobjekt gestartet war, könne auch zu einem finanziellen Desaster werden, war derart offensichtlich, dass nicht zuletzt das für Hohn und Spot sorgte. Die für ihre scharfzüngigen Gegenwartskommentare bekannte Serie THE SIMPSONS würdigte dies mit einem eigenen Gag.
Erst mit dem Videoverleih schaffte es der Film schließlich wenigstens geringfügig in die Gewinnzone.

Das Ende einer Ära


Erstaunlich war aber vor allem eines: Trotz aller Fehl- und Rückschläge und allem, was Costner persönlich in dem Film verloren hatte, überstand seine Karriere das Debakel verhältnismäßig unbeschadet.
Wo andere Schauspieler vermutlich über Jahre hinweg nur noch Nebenrollen und Fernsehauftritte absolviert hätten, spielte Costner schon im nächsten Jahr wieder in der romantischen Komödie TIN CUP die Hauptrolle.
Offenbar hatte er allerdings etwas zu beweisen. Oder aus dem Desaster nichts gelernt. Denn 1997 gab er seiner Karriere gezielt den Todesstoß. THE POSTMAN wurde ein weiterer Endzeitfilm, dessen Crew ihm aufgrund der inhaltlichen Parallelen zu WATERWORLD den Spitznamen „Dirtworld“ gab. Diesmal wurde es sowohl ein 3-stündiges, als auch ein finanzielles Fiasko.


Zwar spielt Costner seither weiterhin in Filmen mit und errang 2003 mit dem großartigen Independent-Western OPEN RANGE einen Achtungserfolg. An seine ehemaligen Erfolge konnte er bis heute aber nicht ansatzweise wieder anknüpfen.

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