Alle paar Jahre entstehen Filme, die weder für ihre
Handlung, noch für ihre Schauspieler, noch sonst etwas in Erinnerung bleiben, das
auf der Leinwand zu sehen ist.
An sie erinnert man sich, weil die
Katastrophen am Set, in der Produktion oder im Budget deutlich spektakulärer
waren als der Film selbst.
Ihnen geraten die Filmarbeiten vollkommen außer Kontrolle, wie etwa bei CLEOPATRA. Sie werden von menschlichen Tragödien überschattet wie bei THE CROW. Oder sie machen durch offene Streitereien der Beteiligten von sich reden wie VERTRAUTER FEIND oder THREE KINGS.
Ihnen geraten die Filmarbeiten vollkommen außer Kontrolle, wie etwa bei CLEOPATRA. Sie werden von menschlichen Tragödien überschattet wie bei THE CROW. Oder sie machen durch offene Streitereien der Beteiligten von sich reden wie VERTRAUTER FEIND oder THREE KINGS.
Aber vermutlich wurde kein Film der Geschichte jemals von derart
vielen Problemen gebeutelt wie WATERWORLD.
Marcos Blick:
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Wie dünn diese Story ist, wird umso erschreckender, wenn man
bedenkt, dass bereits die Entstehung des Drehbuchs ein Desaster war, das
mehrere Autoren und Scriptdoktoren verschliss. Aufgrund mangelnder Dramatik(!) wurde das Originalscript (man mag kaum raten, wie es ausgesehen haben muss) zunächst von David Twohy weiterentwickelt (Der später mit der Erfindung der Figur Riddick einigen Erfolg erzielen sollte) und schließlich sogar von Nerd-Gott Joss Whedon. (Der neben all seinen Erfolgen eben auch
Fehlgriffe wie WATERWORLD und ALIEN 4 mit zu verantworten hat.) Whedon
beschrieb seine Zeit an dem Projekt später als „sieben Wochen in der Hölle“ –
und war damit noch gut davongekommen.
Der Reiz der Apocalypse
Es ist nicht ganz klar, was genau Kevin Costner sich von dem
Projekt versprach.
Zu jener Zeit brannten nur wenige Sterne am Hollywoodhimmel
heller als der des Kaliforniers. In den 80ern hatte er sich mit einer Vielzahl
von Kassenschlagern an die Spitze gearbeitet, darunter Klassiker wie NO WAY OUT, DIE
UNBESTECHLICHEN oder FELD DER TRÄUME. Endgültig zum Megastar
machten ihn aber die frühen 90er.
Nachdem er, auch als Regisseur, in DER MIT DEM WOLF TANZT
den Western und die Darstellung der Ureinwohner revolutioniert hatte, führte er
mit JFK, ROBIN HOOD und vor allem BODYGUARD einige der erfolgreichsten
Filme seiner Zeit an.
Was also trieb diesen Mann, auf dem Höhepunkt jeder
möglichen Schauspielkarriere, dazu unbedingt einen Endzeitfilm zu drehen?
„Endzeit“ bedeutete in den 90ern etwas anderes als heute.
Während aktuelle Endzeitszenarien in der Regel versuchen, etwas über das Leben
des Individuums zu ergründen, galten Endzeitfilme der 80er und 90er Jahre
stets als kritischer Kommentar der politischen Verhältnisse, die zur Apokalypse geführt hatten. (Der letzte größere Endzeitfilm,
der sich derart interpretieren lässt, war THE BOOK OF ELI.)
Und mit WATERWORLD traf man einen sozialpolitischen Nerv: Das befürchtete Schmelzen der Polkappen. Damals waren jedoch nicht globale
Erwärmung oder CO2 der Übeltäter, sondern FCKW, ein Stoff in Schaumstoffen und
Sprühdosen, der riesige Löcher in die Ozonschicht fraß und dadurch die
Zivilisation gefährdete und Schlagzeilen füllte.
Vielleicht war das die Motivation des als durchaus politisch
bekannten Costners. In jedem Fall gewährten ihm die Universal Studios ein großzügiges Budget
von 100 Millionen Dollar – das Costner nur akzeptierte, wenn dafür sein langjähriger
Freund Kevin Reynolds auf den Regiestuhl durfte.
Der perfekte Katastrophenfilm
Spätestens ab diesem Punkt lief quasi nichts mehr glatt.
Die Produktion entschied sich tatsächlich, auf dem offenen
Meer zu drehen. In der Nähe einer abgelegenen Inselgruppe, irgendwo in den Weiten des Pazifiks: Hawaii. Die Weisheit, dass Drehs mit Kindern, Hunden und auf dem Meer die
schlimmsten seien, mag keiner bedacht haben (schon Steven Spielberg musste das in DER WEIßE HAI die Folgen eines Hochsee-Drehs kennenlernen). Auch machte sich niemand die Mühe,
die örtlichen Wetterverhältnisse zu überprüfen. So herrschten in der Gegend
starke Winde, die das Hauptset immer wieder davontrieben. Auch wurde nicht
daran gedacht, was es bedeutete, wenn eine große Filmcrew den
ganzen Tag auf dem Ozean verbrachte. Keines der vorhandenen Schiffe verfügte
über eine Toilette, weshalb die Dreharbeiten immer wieder unterbrochen werden
mussten, um die Crewmitglieder auf ein im Hafen ankerndes „Toilettenschiff“ zu
bringen.
Das Hauptset des Films war ein schwimmendes Atoll, 1.000 Tonnen
schwer, und für 22 Millionen Dollar errichtet. Der Bau verschlang sämtliche Stahlvorräte
Hawaiis. Als das Set kurz darauf in einem Tropensturm sank, musste der Stahl
für den Neubau teuer aus Kalifornien eingeflogen werden. Und durchgehend machten
immer wieder Sturmwarnungen dem Drehplan einen Strich durch die Rechnung.
Auch menschlich jagte eine Katastrophe die nächste. Die
beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen ertranken in einer Szene fast und
wurden wiederholt von Quallen gestochen. Ein Stuntman erkrankte an der
Taucherkrankheit und starb beinahe. Costner selbst schluckte in einer Szene so viel Wasser, dass er das Bewusstsein verlor. Später erklärte er, eine Nahtoderfahrung gehabt zu haben.
Das war immerhin etwas, das er dazugewonnen hatte. Sonst war Costners Zeit gespickt mit Verlusten. So reichte seine Frau die Scheidung ein, als sie nach 16 Ehejahren
seine Affären satt hatte. Sie bekam 75 Millionen Dollar zugesprochen. Außerdem pumpte Costner schließlich persönlich noch einmal 22 Millionen Dollar in die Dreharbeiten. Dennoch wurde er schnell zum meistgehassten Mann am Set. Während die
anderen Crewmitglieder in schlecht isolierten Wohnblocks den Temperaturstürzen
ausgesetzt waren, ließ der Star es sich in einer Villa mit Mehrblick, Butler,
Privatkoch und, ironischerweise, einem Swimming Pool gutgehen – für 4.500
Dollar die Nacht.
Zwei Wochen vor Drehende verließ Regisseur Reynolds das Set. Zitiert wird er mit dem Spruch: „Kevin Costner sollte nur
noch Filme drehen, in denen er selbst Regie führt. Dann können sein
Lieblingsschauspieler und sein Lieblingsregisseur gemeinsam arbeiten.“
Dennoch kam es vermutlich eher wegen der Lauflänge zum
Bruch. Reynolds hatte eine 3 Stunden Version des Films geschnitten. Damit war jedoch pro
Abend nur eine Vorstellung in den Kinos möglich – bei den völlig explodierten
Kosten sowohl für das Studio und Costner absolut indiskutabel. Costner übernahm
selbst die Regie für die letzten Wochen und später auch den Schnitt. Er
kürzte Reynolds Fassung um 40 Minuten – womit die Freundschaft der Zwei
endgültig zerbrach.
Am Ende hatte das Desaster 175 Millionen Dollar verschlungen.
Der bis dato teuerste Film überhaupt, geplagt von einer Kette von Katastrophen
und mit einer Story, so dünn wie Costners Haare: Gerüchteweise ließ er mit ausgedehnten Nachdrehs und digitalen Tricks seine wachsende Platte verdecken.
Die Angst des Studios, der Film, der als Prestigeobjekt gestartet war, könne auch zu einem finanziellen
Desaster werden, war derart offensichtlich, dass nicht zuletzt das für
Hohn und Spot sorgte. Die für ihre scharfzüngigen Gegenwartskommentare bekannte
Serie THE SIMPSONS würdigte dies mit einem eigenen Gag.
Erst mit dem Videoverleih schaffte es der Film schließlich wenigstens geringfügig in die Gewinnzone.
Das Ende einer Ära
Erstaunlich war aber vor allem eines: Trotz aller Fehl- und
Rückschläge und allem, was Costner persönlich in dem Film verloren hatte,
überstand seine Karriere das Debakel verhältnismäßig unbeschadet.
Wo andere
Schauspieler vermutlich über Jahre hinweg nur noch Nebenrollen und
Fernsehauftritte absolviert hätten, spielte Costner schon im nächsten Jahr
wieder in der romantischen Komödie TIN CUP die Hauptrolle.
Offenbar hatte er allerdings etwas zu beweisen. Oder aus dem
Desaster nichts gelernt. Denn 1997 gab er seiner Karriere gezielt den Todesstoß. THE POSTMAN wurde ein weiterer Endzeitfilm, dessen Crew ihm aufgrund
der inhaltlichen Parallelen zu WATERWORLD den Spitznamen „Dirtworld“ gab.
Diesmal wurde es sowohl ein 3-stündiges, als auch ein finanzielles Fiasko.
Zwar spielt Costner seither weiterhin in Filmen mit und errang 2003
mit dem großartigen Independent-Western OPEN RANGE einen Achtungserfolg. An seine
ehemaligen Erfolge konnte er bis heute aber nicht ansatzweise wieder
anknüpfen.
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