25.03.14

Die Nacht der lebenden Toten (USA 1968)

Eine Menge alltäglicher Dinge bestimmen unser Leben und reizen zu der Frage: Wie fing das alles an? Wie wurde das Internet angeschlossen? Welches war das erste Wort aus einem Handy? Wie ging Facebook ans Netz?
Aktuell sind Zombies nicht mehr aus unserer Popkultur wegzudenken. Nie waren die dauerhungrigen Torkelfritzen beliebter als heute - außer vielleicht morgen! Filme, Comics, Serien, Computerspiele, Kostümpartys, Zombie-Walks und Zombie-Runs – das Phänomen scheint allgegenwärtig. Und dieses Mal kann tatsächlich jeder zuschauen, wie der Virus in die Welt kam. Mit einem Film, der schockierte – und dessen Ideen bis heute begeistern.


© Power Station
- Spoilerwarnung -
Dieser Beitrag enthält Hinweise zur Handlung

Marcos Blick:


Von Vampirromanen und Kinderfilmen


Witzigerweise entstand das Zombiegenre aus der Interpretation eines Vampirromans.

Die Hauptinspirationsquelle für George A. Romeros Film war Richard Mathesons berühmter, oft verfilmter Roman „I am Legend“, in welchem sich der letzte lebende Mensch auf einer Welt voller Vampire behaupten muss.
Romero gefiel das Sujet der Revolution, des sozialen Umsturzes, um den es in Mathesons Roman geht. Allerdings wollte er nichts von Vampiren erzählen, das hatte Matheson ja schon getan. Also überlegte er sich eine andere Prämisse: Was wäre die grundlegendste Änderung, die unserer Gesellschaft widerfahren könnte? Die Antwort: dass die Toten nicht länger tot blieben!

Damit legte er den Kern all dessen, was die meisten (guten) Zombiegeschichten bis heute ausmacht: Es sind Geschichten von Menschen, in einer komplett veränderten Welt. Wie gehen sie mit der Veränderung um? Wie passen sie sich an? Wie verändert sich das Leben unter den neuen Bedingungen?

Dramatisch war, dass die amerikanische Kinowelt 1968 für einen solchen Film schlicht nicht vorbereitet war!
Ende der 60er Jahre waren Horrofilme vornehmlich Trash-Filme, in denen sich Monster in Gummianzügen durch gruftige Mauern jagten. Das wirkte damals schon so „un“unheimlich wie heute. Eine wirksame Alterseinstufung gab es noch nicht. Solange ein Film keine nackte Haut zeigte, wurde er als „generell geeignet“ eingestuft. Deshalb liefen die meisten Horrorfilme in den Mittagsvorstellungen und wurden vor allem von Kindern und Jugendlichen besucht.


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Weder die Kinobetreiber noch die Eltern machten sich große Gedanken, als ihre Kinder in einen Gruselfilm mit dem albernen Titel NIGHT OF THE LIVING DEAD spazierten.
Der berühmte Filmkritiker Roger Ebert ereiferte sich besonders. Seine Filmreview ist daher auch weniger eine Review des Films, sondern eine Beobachtung der Publikumsreaktionen. Zitat: „Mir gegenüber auf der anderen Seite vom Gang saß ein etwa neunjähriges Mädchen. Es war sehr still und weinte.“
Dabei war nicht nur die plastische Gewaltdarstellung das Problem, sondern viel eher das fatalistische Ende. Kinder, so argumentiert auch Ebert, würden sich weit stärker mit dem Helden eines Films identifizieren als Erwachsene. Die Tatsache, dass hier wirklich alle Figuren, inklusive des Helden, am Ende sterben, sei als äußerst verstörend wahrgenommen worden. Erst im November 1968, einen Monat später, begann die amerikanische Selbstkontrollinstanz MPAA damit, Filme zu bewerten und Altersfreigaben einzurichten. Dennoch ist der Film bis heute ohne Wertung.

Horrorfilme, das waren in den 60ern üblicherweise trashige Spaßfilme wie GODZILLA, DAS MONSTER AUS DER LAGUNE oder TARANTULA. Oder es waren eher süffisante Vampirfilme wie die DRACULA Filme der britischen Hammer-Studios.
Aber Mädchen, die ihre Eltern ermordeten? Untote, die, deutlich sichtbar, Menschen fraßen? Helden, die sich im Angesicht der Gefahr gegenseitig abschlachteten?
Nichts davon hatte man jemals zuvor in dieser Form auf der Leinwand gesehen.
DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN war ein düsteres, grausames, brutales, fatalistisches Werk, das sämtliche Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte. Entsprechend großen waren Diskussion und Aufschrei.
Heute gilt er als erster "erwachsener" Horrorfilm und als Startschuss für eine Welle ernster Horrorslasher, die in den Siebzigern auf die Leinwand kamen: HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN, TEXAS CHAINSAW MASSACRE oder DAS LETZTE HAUS LINKS. Gemeinsam mit dem im gleichen Jahr erschienenen ROSEMARY'S BABY sollte der Film den Aufschwung zweier parallel verlaufender Horrorgenres starten: Den Slashern und den, häufig christlich angehauchten, Gruselfilmen.

Die Erfindung des Zombies


Vor allem hat der Film ein Monster erschaffen: alles was wir heute als „Zombie“ bezeichnen. Im Film selbst wird das Wort nie benutzt, und es gab auch vorher schon Filme wie WHITE ZOMBIE und ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE. Allerdings bedienten sich diese Streifen des ursprünglichen Wortbegriffs. Zombies, das waren Opfer, die unter dem Zauberspruch eines Voodoo-Priesters standen und diesem willenlos ergeben waren.
Die Vorstellung eines wiederauferstandenen, menschenfressenden Toten brachte erst DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN in den modernen Horrorpantheon ein.

Dabei handelte es sich um eine unkompliziert heruntergedrehte Low Budget Produktion, die zunächst als Horrorkomödie konzipiert war: Die ersten Scripts handelten von außerirdischen Teenagern auf der Erde. Inspiriert von Mathesons Roman verfasste Romero schließlich das finale Drehbuch innerhalb von drei Tagen. Mit dem zusammengekratzten Budget von 114.000 $ konnte man den großen Horrorfilmen ohnehin nicht das Wasser reichen. Vieles, etwa das begrenzte Set, entsprang diesen Beschränkungen. Da das Haus, das zum Dreh diente, abgerissen werden sollte, konnte sich das Team wenigstens ordentlich austoben.
Der Evans City Friedhof, auf dem die Eröffnungssequenz gedreht wurde, hat sich mittlerweile zu einer kleinen Touristenattraktion gemausert.

Der Film war Romeros erster abendfüllender Spielfilm und dementsprechend noch etwas ungeschickt. Dennoch gelang ihm eine eindringliche Bildsprache, die in ihren Winkeln, ihren Perspektiven, ihrer Nähe, stark an den Film Noir und die seinerzeit aktuellen Horrorklassiker angelehnt war.

Und der Film wurde ein Erfolg! Nach einem Jahrzehnt hatte er 42 Mio. Dollar eingespielt. Bis 2013 sind 213 Mio. Dollar angegeben.

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Man kann nicht verhehlen, dass der Film heute etwas ältlich wirkt und Romero auch nicht der begnadenste Filmkünstler ist. Das Frauenbild im Film wurde wiederholt von Feministinnen angegriffen, die Effekte wirken, auch wenn sie seinerzeit bereits Low Budget waren, veraltet, und im Mittelteil fehlt dem Film der letzte Schwung. Einem jungen Publikum, das mit modernen Horror- und Zombiegeschichten aufgewachsen ist, mag er deshalb nicht mehr viel abgewinnen können.
Dennoch bleiben die düstere Atmosphäre unerreicht, das fatalistische Weltbild, der Kampf ums Überleben und das perfide Ende. Grinsend wird niemand den Film abschalten. Und so bleibt er trotz seines Alters nicht nur ein guter Film, sondern vor allem eben die Geburtsstunde eines Mythos'. Eines Monsters, das unsere Fantasien beflügelt und heute, mehr denn je, begeistert und unterhält. Kaum etwas hat die aktuelle Popkultur stärker beeinflusst als DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN und die Vorstellungskraft von George A. Romero. Und wer dabei sein will, wer sehen will, wie alles begann, braucht nur anderthalb Stunden Zeit - und vielleicht einen starken Magen!

Biancas Blick

Auch aus heutiger Sicht hat dieser Horrorstreifen seine Momente.
Die Kompromisslosigkeit der Umsetzung hat mich vor über 20 Jahren schon fasziniert. Ein Kind, das seine Mutter frisst, eine Frau, die ihren Ehemann frisst, Nackte, barbusige Zombies, das Zeigen von abgerissenen Gliedern, um die sich eine Menge schart, um sie zu verspeisen und natürlich das nihilistische Ende. Bildsprachlich ist zu erwähnen, dass es viele angeschnittene Großaufnahmen oder Totalen gibt, die aus schrägen Perspektiven aufgenommen wurden und die Skurrilität der Ausgangssituation gut unterstreichen.
daran ändert auch nichts, dass die Zombies mit ihren Bewegungen und Fratzen, sowie die Dialoge oder auch die plakative, archetypische Darstellung der Figuren (die hysterische Blondine, der polemische, aufbrausende Familienvater, die liebende Mutter, das noch hoffende, idealisierte Pärchen, der überlegte, organisierte Held) heute unfreiwillig komisch, mitunter nervig wirken.


Gute Katatonie und böse Menschen


Die Originalversion ist in Schwarzweiß, es gibt aber noch eine (nicht gut) nachkolorierte Fassung, sowie eine Neuverfilmung von 1990 mit fast gleichem Sujet, bei der Romero als Produzent und Autor mitgewirkt hat. Diese ist nur deshalb erwähnenswert, da die von Feministinnen in der Originalversion angegriffene Figur der Barbara hier selbstbewusst und kämpferisch auftritt, nicht mehr passiv und hysterisch. Da hat sich die damalige Kritik am Streifen verändernd ausgewirkt. Allerdings möchte ich hier anmerken, dass die Figur in der 68er Version zwar aufgrund ihrer Passivität sehr anstrengend in Szene gesetzt wurde, dass Romero aber mit ihrer Figur versucht hat, einen schwer traumatisierten, katatonischen Menschen zu porträtieren. Vor diesem Hintergrund ist die Figur hinreichend gezeichnet.


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Schwach sind die Ortswechsel aus der bedrohlichen Situation im Haus (z.B bei den Fernsehinterviews im TV) und die Erklärungsversuche des Ursprungs der Katastrophe: Es ist eine außerirdische Substanz, die die Toten zum Leben erweckt.
Stark hingegen bis heute (und auch in der 1990er Fassung kritisch aufgenommen) ist die Bürgermiliz, die ohne Rücksicht auf menschliche Verluste alles niederschießt, was auch nur ein Zombie sein könnte. Interpretationen gingen soweit, diese Massenbewegung mit Demonstrationsbewegungen in den USA Ende der 60er Jahre gleichzustellen (was Romero allerdings nicht beabsichtigte).
Auch Interpretationen, die Romero Rassismus vorwarfen, wies er in vielen Interviews von sich. Zwar stirbt ein Schwarzer als Held am Ende, aber Duane Jones bekam die Rolle, weil er der beste Schauspieler beim Casting war. Das Drehbuch wurde daraufhin nicht umgeschrieben, sondern in den Dialogen so belassen, unabhängig, ob ein weißer oder schwarzer Held agiert. Wichtig war nicht wer am Ende stirbt, sondern wodurch.


Warnung! Enthält Tischtennisbälle!


Die populäre und einflussreiche Zeitschrift Reader's Digest riet vehement von dem Film ab, da der Verlag befürchtete, der Streifen könne zum Kannibalismus verführen.
Übrigens wird das Wort "Zombie" im Film niemals verwendet, nur "diese Dinger" oder "Ghouls" (im Original). Kurios, für den Film, der das Zombiegenre begründete.
Auffällig ist auch, dass nur sieben Schauspieler im Cast spielen, allerdings gut 200 Komparsen, die als Zombies durch das Bild schlurfen.
2013 feierte eine Bühnenadaption des Films in Toronto Premiere. Sie erzählt die Handlung des Films, aufgefüllt mit weiteren Szenarien und Hotspots. Produziert wurde das Theaterstück von den Machern der Filmvorlage, Romero und Steiner.
1999 wurde der Film im National Film Registry als erhaltenswertes Kulturgut aufgenommen!

Ein kleines Schmankerl noch zum Schluss: Dass das Blut eigentlich Schokoladensauce ist, ist vielleicht schon bekannt. Doch Romero hat nicht nur Regie geführt und bemühte sich um einen Cameo-Auftritt als Reporter in den eingeblendeten TV-Ausschnitten, sondern kreierte auch die Leiche im ersten Stock des Hauses.
Und was tat er, um die Augen herausquellend erscheinen zu lassen? Er nahm zwei Tischtennisbälle. So einfach! Und dennoch wirkt das bis heute (auch ohne Special Effects oder schichtweise Make Up). Das zeigt darüber hinaus auch, wie viel Detailfreude Romero in den Film steckte, der immerhin sein Filmdebut war.


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In den vergangenen 47 Jahren haben sich die Zombies immens weiterentwickelt. Sie sind sowohl in der Masse bedrohlich (THE WALKING DEAD), als auch durch ihre gesteigerte Geschwindigkeit (28 DAYS LATER, ZOMBIELAND, WORLD WAR Z). Sie sind zäh. Ekelerregend. Bestehen häufig nur noch aus Rumpf mit Kopf, diverse andere Körperteile fehlen zumeist. Die Haut ist abgerissen, das Fleisch fehlt, zu sehen sind Knochen, Knorpel und Gedärme. Zu töten sind diese Kreaturen wie 1968 nur durch einen direkten Kopfschuss.
Vor allem aber sind sie kompromissloser geworden. Anders als noch in DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN können die Menschen den Kampf nicht gewinnen, sondern müssen sich in der neuen Welt der Untoten zurecht finden.


Langsam, schnell, clever - Der Zombie von morgen?


Meinungsdialog:

Bianca:
Ich habe mich oft gefragt, welche Art von Zombie ich bedrohlicher finde: die langsamen schlurfenden Toten, die nicht klettern können und oft auch Hindernisse nicht umgehen können, oder die schnellen, die klettern und Hindernisse überwinden können. Sprechen und argumentieren kann man mit beiden Gruppen nicht. Menschen fressen sie hingegen beide.
Ich glaube, gruseliger sind die schnellen Zombies, da sie keine Fluchtmöglichkeit mehr bieten (es sei denn, man heißt Brad Pitt oder befindet sich in seinem Wirkungskreis).
Wenn eine immense Horde schneller Zombies eine Stadt überrollt, gibt es kein Entrinnen mehr. Die eigene Geschwindigkeit gegenüber der Zombie-Trägheit, die oft lebensrettend war, ist keine Option mehr.
Das empfinde ich als sehr unheimlich.
(Anekdote am Rande: WORLD WAR Z beinhaltete in der ersten Schnittfassung langsame Zombies. Als das Testpublikum aber wenig beeindruckt war, wurden Teile neu geschnitten und gedreht und die Biester wurden bekanntermaßen sehr rasant. Der Film wurde zu Brad Pitts größtem Kinoerfolg).

Marco:
Ich finde den langsamen Zombie gruseliger. Klar, wenn ich jetzt direkt überlegen müsste, welchem ich auf freiem Feld lieber begegnen würde, dann dem langsamen - erhöht meine Fluchtmöglichkeit enorm.
Am Ende finde ich aber die langsamen schlicht gruseliger. Die schnellen machen Angst, aber das Bild des Wiedergängers, der langsam auf dich zuschlurft, während du ihm eine Kugel nach der anderen in die Brust jagst - *schauder*
Auch die Vorstellung, eine Tür zu öffnen und da steht so ein Moder-Monster im Raum, dreht sich langsam um, stöhnt, und wankt dir entgegen ... Bäh. Wie sollen die Schnellen da mithalten? Da würde ich mich nur kurz erschrecken und wegrennen.

Bianca:
Was wäre, wenn die Zombies in der Entwicklung des Genres so weit gereift sind, dass sich das Gehirn rehabilitiert und sie auch noch denken können? Sie sind schnell, ekelerregend und strategisch. Strategisch nur im Sinne von Zerstörung, nicht im Sinne der Argumentationsfreude. Dann würde ich mich wohl ganz schnell auf den Mond schießen lassen. Denn dann hilft auch Max Brooks' "Zombie Survival Guide" nix mehr.

Marco:
Uh, schnelle, smarte Zombies? Iiih! Obwohl langsam und smart auch unangenehm wäre. Es ist überhaupt erstaunlich, irgendwie wurden die ja gedowngraded. Downgegraded. Runtergestuft! In DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN sind sie ja sogar noch in der Lage, Werkzeug zu benutzen. Gruselig!
Wieso können die das eigentlich nicht mehr?


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