10.12.15

Porträt: Frank Sinatra – Megastar auf Wunsch, Filmstar wider Willen

Er ist einer der größten Megastars der Welt. Nicht nur im Kino, vor allem auf den Bühnen dieser Welt findet er sein Publikum. "Frankie Boy", "Ol' Blue Eyes" - der umtriebige Schwerenöter hat viele Spitznamen und fasziniert bis heute. Von seiner schmerzhaften Geburt über Karrieretiefs und unnachahmliche Comebacks auf der Leinwand, bis hin zu seinem Tod, der die Welt erschüttert. Ladys and Gentlemen: Mister Frank Sinatra
Quelle: DVD "The Concerts of the Americas" © Universal Music
Biancas Blick:

Ein alter Mann erwacht im frühen Morgenlicht. Er öffnet die Augen, irgendetwas hat ihn geweckt, aber er kann noch nicht einordnen, was es war. Im Zimmer ist es dunkel, die schweren Vorhänge sind zum Teil noch zugezogen. Langsam beginnt er, sich zu bewegen und da ist es wieder: Das seltsame Gefühl, das ihn hat aufwachen lassen. Der Bettbezug fühlt sich merkwürdig an, feucht und klebrig. Er tastet mit den Fingern das Laken entlang. Es ist nass. Was ist das? Der alte Mann wird panisch, in Eile schlägt er die Bettdecke zur Seite und erstarrt. Am Fußende liegt der abgeschlagene Kopf seines teuersten Rennpferdes, das Bett ist blutdurchtränkt. Gellend schreit der Mann in die frühe Morgensonne ...

So endet wohl eine der bekanntesten Szenen aus Francis FordCoppolas Meisterwerk DER PATE von 1972 .

Doch weshalb ist es gerade diese Szene, die die Filmwelt bis heute beschäftigt?
Wohl auch aufgrund der mysteriösen Realität, die dieser Szene zugrunde liegen soll.
Und an dem Mann, der immer nur ein Ziel hatte: der bekannteste und größte Sänger der Welt zu werden – an Frank Sinatra.
Diesen Ruhm begehrt er am meisten, daran arbeitet er, seit er 16 Jahre alt ist. Filmstar? Das wollte er nie werden. Doch genau diesen Weg muss er gehen, als sein Stern als Sänger Anfang der 50er Jahre zu sinken beginnt.
Er muss ein Star bleiben. So oder so. Koste es was es wolle.

Am Anfang war der Sänger ...


Francis Albert Sinatra wird am 12. Dezember 1915 als Sohn italienischer Einwanderer im Apartment seiner Eltern in Hoboken, New Jersey geboren. Er wird eine Zangengeburt und da er keinen Ton von sich gibt, wird er zunächst für tot gehalten. Der Arzt legt ihn auf der Küchenzeile ab und versorgt seine Mutter. Es ist Sinatras Großmutter, die das Baby unter kaltes Wasser hält und seiner später so berühmten Stimme damit die ersten Töne entlockt. Seine Eltern sind Arbeiter, dennoch wächst der Junge als Einzelkind in besseren Verhältnissen auf, was ihn aber nicht davon abhält, ein aufbrausendes Temperament zu entwickeln. Die Geburtszange hat besonders an seiner linken Gesichtshälfte Narben hinterlassen, wodurch er in jungen Jahren „Scarface“ genannt wird. Das, zusammen mit seiner Akne, lässt ihn sich ein Leben lang unattraktiv finden.
Quelle: CD "Frank Sinatra: The Classic Christmas Album" © Columbia Records
Schon früh verschreibt er sich der Musik und tingelt mit einer Ukulele bewaffnet durch die Bars seiner Heimatstadt Hoboken, immer im Schatten der Weltmetropole New York.
Mit sechzehn hat er bereits erste Radioauftritte und verdient als Musiker ein bisschen Geld. Er verlässt die Highschool ohne Abschluss und arbeitet als Sportjournalist und freier Sänger, zudem frönt er seiner zweiten Leidenschaft – dem Kino. Fast täglich besucht er die aktuellen Vorstellungen. Edward G. Robinson ist einer seiner Kinoidole.
1935 gewinnt er mit seinem Quartett „The Hoboken Four“ einen Talentwettbewerb im Radio und geht auf seine erste nationale Tournee.
Zwei Jahre später bekommt Sinatra sein erstes festes Engagement in einem Musiklokal in New Jersey, das oft von Cole Porter besucht wird. Zu selben Zeit tritt er auch schon regelmäßig im Radio auf – einer der Grundsteine für seine frühe Karriere.

1939, mit vierundzwanzig, heiratet Sinatra nach fünf Jahren Beziehung Nancy Barbato, mit der er eine Tochter bekommt, die er nach seiner Frau benennt. Nancy Sinatra wird selbst eine der bekanntesten Sängerinnen der 60er und 70er Jahre und bildet mit Lee Hazlewood ein kongeniales Duo.
Im selben Jahr nimmt Harry James den immer populäreren Frank Sinatra als Leadsänger in seine berühmte Big Band auf.
So kommt der Sänger zu ersten Plattenaufnahmen – und die Scheiben werden landesweite Hits.
Sprosse um Sprosse kämpft Sinatra sich die Karriereleiter empor.

1940 wechselt Sinatra zu Tommy Dorseys Band, wo er seinen Status als Rising Star festigt. Er wird einer immer breiteren Masse bekannt.
Doch er will mehr: Er will Solokünstler werden und zwar einer der größten, die Amerika je hervorgebracht hat. Also bittet er um seine Entlassung aus dem Orchester.

Das ist 1942 – und hier entstehen erstmals Gerüchte, dass Sinatra Hilfe von unerwarteter Seite bekommt. Seine Beziehungen zur Mafia sind eine Geschichte, die ihn lebenslang begleitet, und so soll die Unterweltorganisation ihm dabei „geholfen“ haben, sich aus dem Vertrag mit Tommy Dorsey zu lösen. Seine Tochter Nancy dementiert das jedoch vehement und gibt an, es wäre Jules Stein gewesen, der Gründer der MCA, der sich Sinatras Vertragsauflösung 75.000 Dollar hat kosten lassen.
Was aber festzustehen scheint ist, dass die New Yorker Mobster spätestens Ende der 50er Jahre auf Sinatras Unterstützung bauen. Und aus gutem Grund. Sinatra ist eng mit John F. Kennedy befreundet, er unterstützt dessen Wahlkampf und, so will es die Legende, über Sinatra soll auch die Mafia Kennedy unterstützt haben – in der Hoffnung, dass der jüngere Robert Kennedy, unter seinem Bruder Justizsenator wird und der Mafia gegenüber ein Auge zudrückt.
Vieles davon ist weder bestätigt, noch ausreichend dementiert, doch bis heute halten sich die Gerüchte, dass die Mafia über Sinatra Einfluss auf Kennedy gewinnen will. Worauf sie ihr Recht stützen, und was genau Sinatra ihnen schuldet – man kann es nur erahnen.
Früh in seiner Filmkarriere dreht Sinatra für MGM drei Musicals mit Gene Kelly. Die beiden sind ein kontrastreiches Paar, und die Filme große Erfolge. Hier der Streifen URLAUB IN HOLLYWOOD, der auch Gene Kellys berühmtes Duett mit der Zeichentrickmaus Jerry (die aus Tom & Jerry) enthält.
Quelle: DVD "Anchors Aweigh" © Warner Home Video - der Titel ist bisher nicht auf Deutsch erschienen
Die Legende um Sinatras Verbindungen zur New Yorker Halb- und Unterweltwelt und der Cosa Nostra verstummen nie. An dieser Stelle sei die hervorragende zweiteilige Dokumentation FRANK SINATRA – STAR DER MAFIA von 2012 empfohlen, in der Christopher Olgiati Sinatras Mafia-Verbindungen zu ergründen und darzulegen versucht.

1943 erhält Frank Sinatra schließlich einen Plattenvertrag bei Columbia. Schon bald avanciert er zum bedeutendsten Sänger der USA neben Bing Crosby!
Sinatra hat es geschafft! Er ist das Musikidol der Kriegsgeneration. Er singt Propagandalieder wie „Hot Time in theTown of Berlin“ (Der auch für Bing Crosby ein großer Hit war) und löst bei seinen Auftritten erste Massenekstasen aus - wenn auch mit Hilfestellung. Sinatra gilt als eines der ersten Teenyidole der USA. Dafür engagiert George Evans, Sinatras Medienberater, Mädchen, die besonders laut kreischen können, und platziert diese immer wieder strategisch geschickt in Sinatras Publikum, um die Stimmung aufzuheizen.

Bye bye Ruhm ...


Doch Sinatras Status hat keinen Bestand. Die Nachkriegsgeneration, vom Krieg desillusioniert, hungert nach Auseinandersetzung und Aufarbeitung. Sie wollen Ecken und Kanten, Wahrheiten und Stellungnahme. Der Rock 'n' Roll hält Einzug und dient der aufkeimenden Jugendrebellion als ein mögliches Sprachrohr und Möglichkeit, mit althergebrachten Konventionen zu brechen. Stars wie Montgomery Clift, James Dean und Marlon Brando (den Sinatra für den damals überbewertetsten Schauspieler der ganzen Welt hält) werden Ende der 40er Jahre zur Krönung einer neuen Schauspielkunst und zu Idolen einer ganzen Generation werden.
 „Frankie Boy“ hingegen, mit seinem Saubermann-Image und seinen braven, biederen Schnulzen passt nicht mehr in das Weltbild der Jugend, die sich neu formiert, um die 50er zu stürmen.
Sinatras Plattenverkäufe gehen drastisch zurück und auch die Popularität seiner Auftritte nimmt schnell ab. Das, was Sinatra zum Star gemacht hat, lässt ihn jetzt stürzen – er hat einem Zeitgeist eine Stimme gegeben, einem Zeitgeist, der jetzt immer mehr an Wert verliert.
Eine schwere Stimmbandentzündung lässt ihn darüber hinaus über Monate verstummen. In dieser Zeit ist nicht einmal klar, ob er überhaupt jemals wieder in jener Qualität wird singen können, die ihn so einzigartig gemacht hat.
Noch einmal Sinatra und Kelly, diesmal in SPIEL ZU DRITT.
Quelle: DVD "Spiel zu Dritt" © Warner Home Video
In dieser schweren Umbruchzeit Anfang der 50er Jahre beginnt er, aus seiner Ehe auszubrechen. Er startet Affären mit Filmsternchen und heiratet 1952 Hollywoods Sexgöttin Nummer 1: Ava Gardner. Und was ist das für eine Ehe! Alkohol, Gewalt und Exzentrik ringen unentwegt um die Herrschaft im Hause Sinatra.Und doch ist Ava Gardner vielleicht Sinatras größte Liebe: „Ich liebe sie und Gott verdamme mich dafür.“
Noch lange nach ihrer Trennung soll er ein Foto von ihr an seinen Spiegel geheftet haben.
Gardner ist in jenen Jahren einer der Topstars Amerikas und steht am sonnigsten Fleck der Erfolgsseite des Showbusiness' – Sinatra hingegen steht vor dem absoluten Nichts, als er im selben Jahr auch noch seinen Plattenvertrag bei Columbia verliert. In den frühen 50ern unternimmt der glücklose Sänger wenigstens vier Selbstmordversuche – einmal aus Verzweiflung, als er sieht, wie sein musikalischer Stern sinkt, und drei weitere Male aufgrund seiner Ehe.
Die übersteht das Erfolgsgefälle der beiden nicht. 1953 trennt sich das Paar, 1957 folgt die Scheidung.

Worauf die Legende fußt ...


Frank Sinatra hat nie große Ambitionen gehegt, ein Filmstar zu werden. Bisher hat er lediglich den zehnminütigen Kurzfilm THE HOUSE I LIVE IN gedreht, der 1945 für die Gleichberechtigung aller Rassen plädiert und den grassierenden Antisemitismus angreift und mit einem Sonderoscar ausgezeichnet wird. Ironischerweise wird er Sinatra das Leben später noch schwer machen, denn während der McCarthy-Ära gerät Sinatra schnell ins Fadenkreuz des FBI. Aufgrund seines riesigen Erfolgs gilt er als potentieller Verführer und „Einflüsterer“ der Massen, und aufgrund von THE HOUSE I LIVE IN als potentieller Kommunist. Beides beschert ihm eine ausufernde Akte in Hoovers Bespitzelungsapparat.
Doch noch sieht er in dem Medium Film nur seine letzte Chance. Die Chance, weiterhin ein großer Star zu sein. Ein Star, wie er es die vergangenen zehn Jahre gewesen ist.

Da kommt ihm zu Ohren, dass James Jones' Bestseller „Verdammt in alle Ewigkeit“ verfilmt werden soll. In der Figur des Angelo Maggio sieht Sinatra seine einzige und letzte Chance auf eine künstlerische Rehabiltation. Sie wird für ihn zum alles bedeutenden Versuch eines Befreiungsschlags.
Er will die Rolle unbedingt und um jeden Preis und bittet Regisseur Fred Zinnemann, ja bettelt ihn förmlich an. Doch Zinnemann, und vor allem Produzent Harry Cohn, sind wenig begeistert von Sinatra und lehnen ab. In einem letzten, verzweifelten Versuch bittet Sinatra wenigstens um die Chance, ein paar Probeaufnahmen zu absolvieren.
Frank Sinatra mit seinem Freund Montgomery Clift in VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT. Monty Clift, einer der besten Schauspieler seiner Zeit und Wegbereiter des "Method Acting", hilft Sinatra eindringlich und bis in die tiefe Nacht dabei, sein Spiel zu verbessern.
Quelle: DVD "Verdammt in alle Ewigkeit" © 1953, renewed 1981 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved
Und hier liegen die Wurzeln für jene düstere Anekdote um den verblassenden Star, dem die Mafia zu einem der berühmtesten Comebacks der Filmgeschichte verhilft.
Denn, den überall zu hörenden Gerüchten zufolge soll die Cosa Nostra, zu der Sinatra schon vor langer Zeit enge Bindungen in New York aufgebaut haben soll, Harry Cohn dermaßen unter Druck gesetzt haben, dass dieser in seiner Not und der Angst um sein Leben zunächst den Probeaufnahmen zugestimmt haben soll, und Sinatra die Rolle dann gibt.
Und es ist eben diese, damals überall wiederholte Geschichte, die Mario Puzo in seinem Roman „Der Pate“ verwendet haben soll, und die Coppola so genial in DER PATE aufgreift - jene berüchtigte Pferdekopf-Szene.
Denn der alte Mann, der im Film zu diesem grausigen Fund erwacht, ist ebenso Filmregisseur und Produzent und lehnt das Engagement des in Vergessenheit geratenden Schnulzensängers Johnny Fontane ab, der sich am Ende seiner Karriere als Sänger wähnt. Solange bis – ja, bis er neben dem abgetrennten Pferdekopf erwacht und erkennt, mit wem er sich hier anlegt. Johnny Fontane erhält die Rolle und startet eine zweite atemberaubende Karriere. Auch im Film will Fontane für einen Kriegsfilm gecastet werden, wurde aber auf die schwarze Liste gesetzt, da er mit seinen Affären für Unfrieden sorgt. Nachdem er die Rolle erhält, verschafft Vito Corleone ihm später sogar noch den Oscar als bester Schauspieler – die Parallelen zu Frank Sinatras Werdegang rund um VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT sind also unübersehbar.
Im Roman ist Johnny Fontanes Rolle noch deutlich größer und ähnelt Sinatras Lebenslauf wohl auch stärker. Obwohl bis heute viele Leute der Ansicht sind, dass Johnny Fontane eine eindeutige Schlüsselfigur für Frank Sinatra ist, hat Mario Puzo selbst diese Theorie niemals bestätigt – aber auch nie geleugnet. Einzig über die Pferdekopfszene hat er stets gesagt, sie sei lediglich seiner Fantasie entsprungen. (Übrigens: Der Pferdekopf im Film ist echt!)
Sinatra ist außer sich - schon als das Buch erscheint. Als die Vermutungen immer lauter werden, er sei die Vorlage für Johnny Fontane, knöpft er sich Puzo vor. 1970 bedroht er ihn lautstark in einem Restaurant und beschimpft ihn aufs Übelste. Als die BBC 1972 öffentlich unterstellt, Sinatra wäre die Vorlage für Johnny Fontane, verklagt er den Sender.
Quelle: DVD "Der Mann mit dem goldenen Arm" © Concorde Video
Auch dank DER PATE rankt sich jedoch bis heute der Mythos um VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT, dass hier dunkle Geschäfte im Hintergrund liefen.
Wie im Roman bringt der Film auch im realen Leben der Karriere des erfolglosen Schnulzensängers neuen Schwung. VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT wird nicht nur einer der erfolgreichsten Filme der 50er Jahre, sondern Sinatra bekommt zudem den ersehnten Oscar als Bester Nebendarsteller. Zu verdanken hat er seine grandiose Leistung auch seinem Freund und Kollegen Montgomery Clift, der intensiv mit Sinatra an dessen Darstellung arbeitet und feilt und ihn ein ums andere Mal Mut zuspricht, wenn Sinatra wieder an sich und seinem Können zweifelt.
Für all seine Arbeit an dem Film erhält Sinatra am Ende eine Gage von gerade einmal 8.000 Dollar!

Doch Sinatra ist jetzt wieder ganz oben – allerdings als Filmstar. Und seine Gagen werden sich in den nächsten fünfzehn Jahren mehr als verhundertfachen!

Der Filmstar ...


Im Fahrwasser seines Hollywooderfolges erhält Sinatra außerdem einen neuen Plattenvertrag bei Capitol Records und nimmt einige seiner schönsten und bahnbrechendsten Platten auf. Innerhalb kürzester Zeit ist er dadurch auch als Sänger wieder ganz oben auf.
Der Ruhm, den Sinatra während der 50er und 60er Jahre in Amerika genießt, ist heute kaum noch vorstellbar. Er ist der größte Star des Landes, die einsame Spitze des amerikanischen Showgeschäfts. Zur Veranschaulichung: Sein 1959 erschienenes Album „Come Dance With Me!“ bleibt 140(!) Wochen in den Billboard Charts! Sein Vorgängeralbum blieb „nur“ 120 Wochen in den Charts.
Er dreht bis zu vier Filme im Jahr, kann sich Rollen und Lieder aussuchen und fordert sich selbst stets heraus: Er will sich in beiden Medien entwickeln, besser werden und arbeitet hart an sich und seinen Aufgaben.
1955 spielt er die Hauptrolle in ... UND NICHT ALS EIN FREMDER, einer melodramatischen Arztstudie über Ethik und Selbstbestimmung und wird erneut von der Kritik gefeiert.
Im selben Jahr erhält er die Hauptrolle in Hollywoods erstem Drogendrama DER MANN MIT DEM GOLDENEN ARM unter der Regie von Otto Preminger. Sinatra lässt Zuschauer und Kritiker gleichermaßen staunen: Er spielt mit solch physischer Präsenz, dass man meint, das auf der Leinwand dargestellte Leiden sei real. Preminger ist für seine Härte und Kompromisslosigkeit bekannt und fordert Sinatra alles ab, der es ihm im Gegenzug nur allzu bereitwillig gibt.
DER MANN MIT DEM GOLDENEN ARM ist das zweite Drama nach Billy Wilders DASVERLORENE WOCHENENDE, das mit seiner drastischen Milieustudie eine Drogensucht und ihre Zerstörungskraft ins Zentrum eines Films rückt.
Quelle: DVD "Der Mann mit dem goldenen Arm" © Concorde Video
Heute wirkt der Streifen überladen und zu dick aufgetragen und kann mit Billy Wilders Meisterwerk in vielen Belangen nicht mithalten. Dennoch bleibt Sinatras eindringliche Darstellung und die Bedeutung des Films in der Filmgeschichte unbestritten!
Sinatra erhält seine zweite Oscarnominierung und muss sich unter anderem gegen James Dean behaupten, der für JENSEITS VON EDEN nominiert ist. Beide aber gehen leer aus, denn Ernest Borgnine wird für seine Darstellung in MARTY zu Recht ausgezeichnet.

Ich bin oben – ich mach was ich will!


Ja, Sinatra bekommt nun eine Menge Drehbücher geschickt und er dreht, als gäbe es kein Morgen mehr! Dabei bleibt er in seiner Genrewahl flexibel und spielt, worauf er Lust hat.
Musicals wie DIE OBEREN ZEHNTAUSEND, Dramen wie VERDAMMT SIND SIE ALLE, SCHICKSALSMELODIE, RIVALEN oder BOTSCHAFTER DER ANGST, Abenteuerfilme wie STOLZ UND LEIDENSCHAFT, Komödien wie FRANKIE UND SEINE SPIEßGESELLEN (gemeinsam mit den Kollegen des legendären „Rat Pack“), WENN MEIN SCHLAFZIMMER SPRECHEN KÖNNTE, DREIMAL NACH MEXIKO und Krimis wie DIE TOTENLISTE.
Sicherlich, die Qualität der Filme wird im Laufe der Jahrzehnte nicht besser. Auch Sinatra ist ein Star der 50er, der in den 70er Jahren „nur noch“ ein Schauspieler des „alten“ Hollywood ist und um jede Rolle kämpfen, oder schlichtweg das nehmen muss, was er angeboten bekommt. Hinzu kommt sein starker Alkoholkonsum, der ihn unberrechenbar für jede Produktion macht.
Doch obwohl ihm der Siegeszug des „New Hollywood“ schwer zu schaffen macht, bringt es ihm auch einen seiner größten Erfolge. Einer der Songs, das titelgebende Stück aus Martin Scorseses Musical NEW YORK, NEW YORK, hat es Sinatra so angetan, dass er es 1978 in sein Konzertrepertoire aufnimmt. Bald schon ist es nicht nur sein bekanntestes und berühmtestes Stück, sondern auch einer der meistgecoverten und berühmtesten Songs auf der Welt. "New York, New York" wird zu einer doppelten Hymne, einerseits für eine Stadt, und damit zu einem immer wieder verwendeten Filmsong, und andererseits für Frank Sinatra selbst, der trotz all seiner Erfolge in Las Vegas immer auch ein Teil der Seele New Yorks bleiben wird. Sinatra macht sich das Lied nicht nur zu eigen (und ändert dezent den Text), sondern das Stück wird zu Frank Sinatra – zu dem Stück, das seine Seele, seine Karriere, seine Leidenschaft auf den Punkt bringt.
In den 60ern feiert Sinatra im Fernsehen große Erfolge. Im Kino geht es langsam bergab. In den 70ern muss er immer wieder Komödien spielen, darunter auch wirklich schlechte. 1959 kann er aber mit EINE NUMMER ZU GROß noch einen echten Komödienklassiker von Frank Capra abliefern, in dem er zudem mit seinem Jugendidol Edward G. Robinson zusammenarbeiten kann.
Quelle: DVD "Eine Nummer zu groß" © Twentieth Century Fox
Mit dem „Rat Pack“, das er zusammen mit Dean Martin, Sammy Davis Jr., Shirley MacLaine und Peter Lawford bereits Ende der 50er Jahre gründet (Sie selbst nennen sich übrigens damals gar nicht so – der Ausdruck stammt von Lauren Bacall und ist eher weniger nett gemeint, da Sinatra und ihr Mann Humphrey Bogart so oft die Nächte durchfeiern. Die Jungs um Sinatra selbst nennen sich „Der Gipfel“, nach einem „Gipfeltreffen“ der Staatsoberhäupter 1960!), läutet er außerdem seine späte Karriere ein: die des Entertainers. Das „Rat Pack“ spielt zwischen 1959 und 1965 einige der bedeutendsten Konzerte im Sands Hotel in Las Vegas. Jener Bühne also, auf die Sinatra in seiner letzten Karrieredekade zurückkehren wird. Es ist vor allem dieser Frank Sinatra, an den man sich heute erinnert: Der Las Vegas Entertainer, der Show um Show spielt und Glanz und Glamour ausstrahlt. Es ist dieser Frank Sinatra, der einem ganz ähnlich gelagerten deutschen Star auf ewig zum Vorbild werden wird: Bis zum Schluss wird Harald Juhnke sich bemühen, Sinatras glanzvolle Auftritte als Entertainer nachzuahmen.

1963 trifft Sinatra, inzwischen 48, die 19-jährige Mia Farrow und verliebt sich. Obwohl es von allen Seiten Kritik und Warnungen hagelt, heiraten die beiden 1966. Zur Hochzeit soll Dean Martin extra eine Flasche Scotch geöffnet haben, die älter war als Braut! Doch die Ehe wird eine Katastrophe. Zu unterschiedlich sind beide Persönlichkeiten, und auch der Altersunterschied wirkt sich negativ aus. Immerhin: Mia Farrows Vater hatte einst eine Affäre mit Ava Gardner, als diese noch mit Sinatra verheiratet ist.
Als Farrow 1968 für Roman Polanskis ROSEMARY'S BABY vor der Kamera steht, ist nichts mehr zu retten. Noch am Set kommt es zur Scheidung.
Und doch hegt Sinatra wohl noch lange einen gewissen Beschützerinstinkt für Farrow, die er einst so verehrte. So erzählt eine weitere Legende, dass der zu Ausbrüchen neigende Entertainer Farrows zweitem Ehemann, Woody Allen, ein Bein bricht, als publik wird, dass dieser eine Affäre mit seiner Adoptivtochter begonnen hat.

1976 schließlich, in seiner vierten (und letzten) Ehe findet er mit Barbara Sinatra sein Glück. Diese Ehe hält bis zu Sinatras Tod 1998, auch in Zeiten schweren Alkoholismus' und trotz der Gerüchte um zahlreiche Affären von Sinatras Seite.
(Sinatras Affären sind übrigens so legendär wie sein Ruhm – Marylin Monroe, Lana Turner oder Lauren Bacall, mit der er sogar verlobt war. In KING OF QUEENS entspinnt sich ein herrlicher Witz darum, dass Arthur, der Sinatra in seiner Jugend verehrt, einer älteren Dame gegenüber völlig desinteressiert ist – bis sie erzählt, sie habe einst eine Affäre mit Sinatra gehabt. Die Vorstellung, eine Frau mit seinem Idol zu teilen, ist für Arthur unwiderstehlich!)

I did it my way ...


In Las Vegas etabliert Sinatra mit seinen wegweisenden Konzerten eine völlig neue Form der Musikshow und macht den Weg für andere Künstler wie Elvis Presley, Barbra Streisand, Bette Midler, Wayne Newton oder Celine Dion frei, die ihre lange Karriere dort ruhmreich beenden oder neu entfachen und festigen.
Die Tode seiner Freunde und Wegbegleiter Sammy Davis Jr., Ava Gardner und Dean Martin gehen ihm sehr nahe und erfüllen ihn mit Todesangst: „Ich bin der Nächste. Ich habe Angst. Jeder, den ich kannte ist bereits auf der anderen Seite.“
Auch wenn Sinatra nie der Superstar des Kinos wird, erlauben ihm sein Ruhm und seine Vielseitigkeit eine breite Palette an Filmen und berühmten Filmpartnern. Hier neben Janet Leigh in BOTSCHAFTER DER ANGST (auch bekannt als DER MANCHURIAN KANDIDAT).
Quelle: DVD "Botschafter der Angst" © MGM Home Entertainment GmbH
1996 wird Sinatra wegen einer leichten Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, von der er sich nie wieder völlig erholen wird.
Ein Jahr später erleidet er einen Herzinfarkt und zieht sich komplett aus dem Showgeschäft und der Öffentlichkeit zurück. Am 14. Mai 1998 erreicht die traurige Nachricht die Welt: Frank Sinatra ist den Folgen eines zweiten Herzinfarkts erlegen.

Amerika verfällt in einen kollektiven Schock- und Trauerzustand. Das Land hat einen seiner größten Stars verloren. Und die beiden Städte, die er am stärksten geprägt haben, nehmen auf ihre Art Abschied von Sinatra: Das Empire State Building in New York erstrahlt drei Tage lang in Blau – als Verneigung vor einem der großartigsten Söhne der Stadt, der unter seinem Spitznamen Ol' Blue Eyes weltberühmt wurde. In Las Vegas hingegen werden für drei Minuten die Lichter gelöscht und die Rouletteräder zum Stehen gebracht – und wer die Stadt kennt, weiß, welche Ehrung dahinter steckt.
Amerika trauert. Und mit ihm die ganze Welt.

Frank Sinatra ist bis heute einer der größten Entertainer der Welt und dient noch immer ganzen Generationen junger Unterhalter und Sänger als Vorbild.
Robbie Williams etwa widmet ihm am 10. Oktober 2001 in der Londoner Albert Hall eines seiner berührendsten und schönsten Konzerte und zeigt, dass Sinatras Songs an Aktualität nichts eingebüßt haben.
Der vielleicht bewegendste Auftritt ist dabei wohl das Duett mit dem bereits verstorbenen Frank Sinatra zu dessen Hit „It Was a Very Good Year“.
Oder was wäre die berühmte Tanzszene von Mel Gibson in WAS FRAUEN WOLLEN ohne „Frankie Boy“?
In den späten 60ern spielt Sinatra immer wieder den harten Schnüffler im damals so populären Genre der Polizeithriller. Etwa in DER SCHNÜFFLER oder hier in DER DETEKTIV. Das Genre wird sich bald immer stärker ins Fernsehen verlagern und in den 80ern eine unüberschaubare Masse an Fernsehserien hervorbringen.
Quelle: DVD "Der Detektiv" © Twentieth Century Fox
In seinen 54 Jahren als Musiker nimmt Sinatra über 1.300 Lieder auf. Er erhält 18 Grammys(!) und 25(!) weitere Nominierungen. Für seine musikalischen Fernsehsendungen in den 70ern wird er vier Mal für den Emmy nominiert, bis 1988 steht er mit seinem Konzert im Fußballstadion von Maracanã vor über 175.000 Zuschauern im Guiness Buch der Rekorde.

Doch auch als Schauspieler hinterlässt Sinatra ein üppiges Werk. Er tritt in 64 Filmen auf, erhält zwei Oscars und zwei Golden Globes und wird 1970 mit dem Cecil B. DeMille Award für sein Lebenswerk und 1971 mit dem Jean Hersholt Humanitarian Award ausgezeichnet – denn zeitlebens unterstützt Sinatra unzählige gemeinnützige Einrichtungen. (Gerüchte sprechen davon, dass er wenigstens eine Milliarde gespendet haben soll!)
Zur Jahrtausendwende erschient kaum eine "Künstler des Jahrhunderts"-Liste, die Sinatra nicht an der Spitze oder in den obersten Rängen führt.

Auch auf die Gefahr hin, unser Ende nicht allzu kreativ zu gestalten: Nutzen wir die Chance, dass Sinatra, Entertainer der er war, es den Menschen so einfach macht, ihn zu verabschieden. Denn neben „New York, New York“ begleitet ihn natürlich noch ein zweites Lied, ein französisches diesmal, dessen englischen Text Paul Anka seinem Freund Sinatra 1968 auf den Leib schreibt, und von dem er sagt, dass er den Text so verfasst habe, wie „Frankie“ nunmal gesprochen habe. Auch daher ist und bleibt das grandiose „My Way“ wohl für immer eine Art Lebensbekenntnis und Vermächtnis des vermutlich größten Entertainers des 20. Jahrhunderts:

And now, the end is near
And so I face the final curtain.
My friend, I'll say it clear,
I'll state my case, of which I'm certain.
I've lived a life that's full.
I traveled each and every highway
And more, much more than this,
I did it my way.

Regrets, I've had a few
But then again, too few to mention.
I did what I had to do
And saw it through without exemption.
I planned each charted course
Each careful step along the byway,
And more, much more than this,
I did it my way.
Quelle: DVD "Frankie und seine Spießgesellen" © Warner Home Video

1 Kommentar:

  1. Sinatra war einmalig - seine Stimme, die kreischenden, Söckchen tragenden Babyboomer am Anfang seiner Karriere, seine Zähigkeit, in einem Film spielen zu können, in dem keiner der Bosse ihn haben wollten seine Wutanfälle, seine außergewöhnliche Großzügigkeit (Millionen, die er gespendet hat), das Leid, in den ihn die Liebe stürzte, sein Mafia-Mythos, der schon in Hoboken begann und an den jeder immer denken wird, der den Paten gelesen, den Film gesehen hat- er vergaß nie, wo er herkam, vergaß nie, wer sein Freund, sein Förderer war. Das Rat Pack - ihm war egal, ob einer schwarz oder weiß war... er war einer, auf den man sich verlassen konnte. Ich hab mich kaputt gelacht über seine "Franky und seine Spießgesellen-Filme", war total aufgewühlt von seiner Rolle in "Verdammt in alle Ewigkeit" und "Der Mann mit dem goldenen Arm"... Über die Deutschen machte er gern Nazi-Witze und als in den 70er Jahren der Kartenverkauf für seine Konzerte schleppend verlief, war er wohl ziemlich sauer. Aber als sine Tochter Tina in München liiert war, scheint er ja auch ein paar privat kennengelernt zu haben. Ich hoffe, irgendeiner hat ihm gesagt, wie toll er war! Er war schon einmalig - he did it his way!

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