11.06.15

Das verlorene Wochenende (USA 1945) - Hollywood entdeckt den Alkholismus

1945 erobern Familiendramen wie MILDRED PIERCE oder Schmachtfetzen wie DIE GLOCKEN VON ST. MARIEN und NATIONAL VELVET die Leinwand.
Doch es ist auch das Jahr, in dem ein österreichischer Regisseur Hollywood einen ganz neuen Filmschwerpunkt schenkt. Mit DAS VERLORENE WOCHENDE liefert Billy Wilder Hollywoods erstes Alkoholikerdrama ab, das - bedauerlicherweise - noch heute, 70 Jahre nach Erscheinen, außergewöhnlich nuanciert und detailgetreu daherkommt.
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Biancas Blick

Wie kam Billy Wilder ausgerechnet in einer Zeit, in der Screwballkomödien und Tanzfilme die Kinosäle füllten, auf so ein schweres Thema? Wie schwierig waren die Drehbedingungen und was hat sich aus diesem Genre bis heute entwickelt?

Wilder zerstört das Frauenbild 


Es ist heute schwer zu glauben, dass ausgerechnet der Regisseur, der uns einige der berühmtesten und besten Komödien aller Zeiten schenkte (SABRINA, MANCHE MÖGENS HEIß und EINS, ZWEI, DREI) in seiner frühen Schaffenszeit mit althergebrachten Konventionen bricht und Hollywood verändert.
Wilder pfeift auf filmische Traditionen und versucht, den Realismus auf die Leinwand zu bringen.

Schon vor DAS VERLORENE WOCHENENDE krempelt Wilder alte Sehgewohnheiten um. 1944 dreht der nach Amerika emigrierte Österreicher mit FRAU OHNE GEWISSEN einen Thriller, der erstmalig (wie der deutsche Titel schon sagt) eine gewissenlose Frau zeigt und in den Mittelpunkt stellt. In einer Zeit, in der Frauen in der Regel gut und gütig waren, oder im Falle einer Femme Fatale zumindest überirdisch und durchaus innerlich zerrissen, inszeniert Wilder eine durch und durch bösartige Frau. Der Thriller wird ein Meisterwerk und macht die Femme Fatale mehr als jeder andere Film zu einem Inbegriff der Zerstörung.

Doch Wilder stößt in der Produktionsphase auf Widerstand. Es ist schwer, Studios zu finden, die einen Film finanziell und organisatorisch unterstützen, der eine Frau als kaltblütige Mörderin und Intrigantin zeigt. Noch schwerer wird es für Wilder, eine Schauspielerin von dieser Rolle zu überzeugen. Alle großen Stars lehnen dankend ab, fürchten zu sehr, ihr Image nachhaltig zu zerstören. 
Barabara Stanwyck ist die einzige, die das Risiko letztendlich nicht scheut und nach langem Abwägen in die Rolle der Phyllis Dietrichson schlüpft und damit Kinogeschichte schreibt. Sie lässt im Vorfeld ihren Zweifeln freien Lauf: „Ich mag das Buch und ich mag Sie, aber ich habe ganz schön Angst, nachdem ich all diese Heldinnen gespielt habe, jetzt auf einmal eine kaltblütige Mörderin zu sein“, woraufhin Wilder lakonisch antwortet: „Sind Sie eine Schauspielerin oder eine Maus?“ Stanwyck antwortet: „Ich hoffe eine Schauspielerin“ und unterschreibt den Vertrag.
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Fred MacMurray, mit dem Wilder 15 Jahre später noch DAS APPARTMENT drehen wird, nimmt die Rolle des korrupten Walter Neff an, nachdem jeder andere große Star dieser Zeit – Gregory Peck, James Cagney, Alan Ladd, Frederic March – sich lieber verdrückt. Auch sie fürchten um ihr Image, und auch MacMurray hegt Zweifel, sieht jedoch, dass diese Rolle ihm darstellerisch eine Chance bietet.

Der Film wird kritisch aufgenommen, zu sehr bricht Wilder mit den Figurkonstellationen, doch das Publikum zeigt sich begeistert. Der Film wird ein Erfolg, und fordert doch ein Opfer: Stanwyck ist im Folgenden auf die Rolle der Unsympathin festgelegt.

Wilder gelingt mit einer Szene im Film zudem, den Zuschauer zum Komplizen zu machen, und die Zuschauer um das Mörderpaar bangen zu lassen (etwas, das Hitchcock später perfektionieren wird, so etwa die Szene, in der Norman Bates das Auto eines Opfers im Moor versenken will und es im Versinken plötzlich steckenbleibt ...).
Als Phyllis das Auto starten muss, um den Mord auszuführen, springt es drei Mal nicht an und der Zuschauer ertappt sich, mitzufiebern und zu hoffen, dass der Plan gelingen möge.
Hitchcock sieht FRAU OHNE GEWISSEN in einer Voraufführung und telegraphiert Wilder sofort: „Seit DOUBLE INDEMNITY (Originaltitel) sind die beiden wichtigsten Wörter im Kino Billy Wilder.“
Wilder selbst sagt Jahre später über seinen Meilenstein gewohnt schlicht: „Ich wollte einen Film machen, in dem zwei Stars Mörder spielen und der weniger als eine Million Dollar kostet.“
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Wilders Film wird sieben Mal (!) oscarnominiert, darunter als Bester Film, für die Beste Regie und die Beste Hauptdarstellerin, geht jedoch komplett leer aus. Er muss sich dem Bing Cosby-Vehikel DER WEG ZUM GLÜCK geschlagen geben, der mit DIE GLOCKEN VON ST. MARIEN ein Jahr später seine Fortsetzung findet - die wiederum sich Wilders VERLORENEM WOCHENENDE geschlagen geben muss.

Wilder bricht das Alkoholikerbild


Als Wilder 1944 im Zug sitzt, liest er ein Buch mit dem Titel „The Lost Weekend“ und ist sofort begeistert. „Mich hat diese schonungslose Genauigkeit fasziniert, mit der der Autor zeigt, wohin Alkohol einen Alkoholiker bringt – es war für mich eine Krankenstudie, die Geschichte eines rapiden Verfalls ohne Beschönigungen.“

Wie aber sah das Kino Betrunkene und Alkoholiker zu jener Zeit? Etwa so, wie heutzutage Youtube: Sie waren etwas Lächerliches, ein beliebter und häufig verwendeter Vorwand für Komik. Oft slapstickhaft und komisch in Szene gesetzt. Berühmte Vetreter sind natürlich Charlie Chaplin in EIN UHR NACHTS/DIE DURCHFEIERTE NACHToder auch die gefeierte Screwball-Komödie DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT, in der sich Katherine Hepburn betrinkt und mit ihrem Ex-Mann anbändelt.

Wilder, der bereits in DIE FRAU OHNE GEWISSEN mit Traditionen gebrochen hat und das auch noch bestätigend und erfolgreich, will etwas anderes schaffen und mit der Verfilmung des Stoffes den Alkoholismus als Krankheit porträtieren, nicht als Vorwand für Komik. Er will einen Kranken zeigen, keinen Über-die-Stränge-Schlagenden Torkelnden, über den man sich kaputtlacht. Die Verfilmung des Romans bietet ihm die Möglichkeit hierzu.

Kaum dem Zug entstiegen, ruft Wilder seinen Kollegen Charles Brackett an, und die beiden setzen sich ans Drehbuch.
Die Paramount zögert allerdings, den Film zu finanzieren. Es herrscht Krieg, und die Bosse sind unschlüssig, das Publikum mit solch einem destruktiven und neuartigen Stoff zu konfrontieren. Darüber hinaus sind die Diskussionen um die Prohibition noch frisch in den Köpfen der Leute, und man will sie nicht erneut lostreten.
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Auf der anderen Seite hat Wilder bewiesen, dass er ein sensibles Händchen für realistische und neuartige Stoffe hat.

Die Paramount stimmt schließlich zu, denn Wilder schildert den Verantwortlichen die im Film skizzierte Liebesgeschichte und verspricht ein Happy End (natürlich weiß jeder, dass das Ende ein scheinbares ist, denn Rückfälle gibt es bei Suchtkranken häufig).

Die Sucht braucht Realismus


Wilders Film wird gedreht. Im Zentrum steht der Schriftsteller Don Birman, der alkoholkrank ist und hoffnungslos verloren scheint. Er lebt bei seinem Bruder, der ihn zu retten versucht. Unter einem Vorwand lässt Birman den gemeinsam geplanten Wochenend-Trip sausen, verspricht, nüchtern zu bleiben, plant aber bereits seinen nächsten Exzess. Ihm zur Seite steht Helen, die ihn liebt und ihn in der Abstinenz zu unterstützen versucht.

Das Sujet ist 1945 absolut neuartig, doch auch die filmische Umsetzung wartet mit bis dahin nie gesehenen Mitteln auf.
Die Themen des Filmes wirken heute althergebracht und durch die Küchenpsychologie bekannt – Alkoholismus, Ko-Abhängigkeit, kalter Entzug, Rückfälle, Halluzinationen, Beteuerungen, leere Versprechungen, Erniedrigung und Hoffnungslosigkeit – doch 1945 sind sie unbekannte Tabuthemen.
Wilder hält sich an die literarische Vorlage und versucht, in der drastischen Suchtbeschreibung nichts zu beschönigen.

Wilders Genie (und Ehrlichkeit) zeigt sich bereits in der ersten Einstellung. Die Kamera fährt auf einen New Yorker Häuserblock zu, auf ein Fenster, und schwenkt dabei über eine aus dem Fenster hängende Whiskey-Flasche. Birman hält sie hier versteckt. Nach der kurzen Abschiedssequenz zwischen den Brüdern (die Flasche wird selbstverständlich entdeckt) ist die Situation für den Zuschauer deutlich skizziert: Er ist mit der Hauptfigur und ihrem Problem bestens bekannt gemacht.
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Wilder bedient sich dramaturgisch des Mittels der Rückblenden. Er beginnt mit dem Ist-Zustand und deckt erst im Laufe des Films die Beziehungen der Figuren und deren gemeinsamen Leidensweg auf. Doch macht er nicht den „Fehler“, mit den „guten“ Zeiten zu beginnen. Der Alkoholismus ist auch in den Rückblenden stets präsent, so als hätte es nie ein Leben ohne ihn gegeben.

Die Ringe, die ein Whiskyglas auf einer Theke hinterlässt werden zu einem wiederkehrenden Element, verdeutlichen die Zeitspanne, die Birmann in den Bars verbringt. „Nicht wegwischen, Nat, lassen Sie mir meinen kleinen Teufelskreis“, bittet Birman den Barmann, um auszuführen, dass die Ringe eine geometrische Figur bilden, ohne Anfang und ohne Ende - wie die Tage eines Trinkers assoziiert der Zuschauer.

Um die Sucht bildhaft zu machen, verwendet Wilder Verzerrungen, sich drehende Bilder, geigenähnlich anmutende, zitterndernde Musik, mit der er das Driften in den Entzug greifbar zu machen versucht. Die „weißen Mäuse“ wirken heute natürlich etwas klischeebeladen, zeigen aber, wie lange und schwer die Sucht bei Birman bereits vorhanden ist (und entwickelten sich erst später zum Klischee - 1945 ist die Vorstellung derartiger Halluzinationen absolut furchteinflößend).

Eine weitere grandiose Szene zeigt Birman, der verzweifelt sein Zimmer auseinandernimmt, um die von ihm selbst versteckte Flasche Whiskey zu finden. Er legt sich nieder und schaut an die Decke. Im Schein der Deckenlampe sieht er den Schatten der Flasche, die er in die Deckenschale gelegt hatte - woran er sich schon gar nicht mehr erinnert.
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Auch heute, nach siebzig Jahren, ist es nur schwer zu ertragen, bei einem solchen Niedergang zuzuschauen.
Wilder schafft es gekonnt, Birman nicht als negativen Charakter zu zeigen, sondern als einen von der Sucht Getriebenen, der zwischen Kampf und Hingabe hin und hergerissen ist.
Die Verhaltensweisen der Angehörigen, das wutentbrannte Abwenden, so wie das angstvolle Zugegensein und Beschützen gibt die Ko-Abhängigkeit der Umlebenden nuanciert wieder.

Als einer der ersten Regisseure in Hollywood dreht Wilder nicht nur im Studio, sondern besteht darauf, an Originalschauplätzen zu drehen, so zum Beispiel auf der 3rd Avenue, wo Birman heruntergekommen und im ungewollten Entzug seine Schreibmaschine gegen Alkohol zu verhökern sucht (wobei Schauspieler Ray Milland von Passanten erkannt und ob seines heruntergekommenden Aussehens ermahnt wird).
Die Szenen auf der Alkoholiker-Station des Bellevue-Krankenhauses haben zur Folge, dass das Krankenhaus nie wieder ein Filmteam in seine Räume lässt, denn die Bilder dieser Station sind unmenschlich und ungeschönt. Sie zeigen in großen Sälen unbetreut im Delirium liegende Patienten, die keine väterlichen Ärzte und aufopfernden Schwestern neben sich sitzen haben, wie man es aus bisherigen Filmen kennt. Sie offenbaren den alltäglichen Wahnsinn, der Pflegern und Pflegerinnen nur noch Zynismus entlocken kann - sehr zum Unwillen der Krankenhaus-Leitung.
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Beinahe zwei Stunden wird der Zuschauer mit Sucht konfrontiert, mit ihren Zwängen und Auswirkungen, Gefahren und Versprechungen. Etwas bis dahin nie Dagewesenes und bis heute Beeindruckendes.

Die Basis ist gelegt


Wilders Suchtdrama findet sein Publikum und auch die Kritiker sind begeistert. DAS VERLORENE WOCHENENDE heimst zu Recht alle vier Hauptoscars ein: Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller und Bestes adaptiertes Drehbuch, und ebnet dem Genre Sucht den Weg in Hollywood.

Zehn Jahre später schafft es ein anderer Film, eine Sucht ins Zentrum einer Charakterstudie zu stellen und filmisches Neuland zu betreten: DER MANN MIT DEM GOLDENEN ARM von Otto Preminger zeigt Frank Sinatra in der Rolle des Frankie Machine, der gegen seine Heroinsucht ankämpft, in ebenso drastischen Bildern, wie es zehn Jahre zuvor Billy Wilder getan hat.
Sinatra sieht in dieser Rolle die Chance, seinen Status als dramatischer Schauspieler, den er mit VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT aufgebaut hat, zu festigen. Er spielt sich die Seele aus dem Leib, besonders in den Entzugsszenen und wird zurecht oscarnominiert.

Dass Alkohol zerstörerisch wirkt, zeigen Hollywoodfilme nach DAS VERLORENE WOCHENENDE immer wieder. So zum Beispiel das gelungene Drama EIN NEUER STERN AM HIMMEL von 1954, bei dem der Schauspieler Norman Mailer, dargestellt von James Mason, sich selbst hoffnungslos zerstört, das Happy End bleibt hier aus. Der Paradigmenwechsel ist in vollen Zügen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Drogensucht realistisch skizziert wird.

Die Erben des Genres


Inzwischen sind Sucht-Filme aus dem Kino nicht mehr wegzudenken.
Sie bieten schauspielerisch große Möglichkeiten, aber auch inszenatorisch, manchmal durch Kreuzung mit einem anderen Genre, fern einer reinen Milieustudie.
Und was auffällt: Die Academy liebt ihre Trinker. Viele große Alkoholikerrollen werden mit dem Oscar geehrt oder zumindest nominiert.
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In HAIE DER GROßSTADT etwa spielt Piper Laurie 1961 an der Seite von Paul Newman eine schwere Alkoholikerin, realistisch und ungeschönt, kämpfend und nach Glück suchend.
Solche Darstellungen wären ohne Wilders Film gar nicht, oder erst sehr viel später möglich gewesen. Laurie wird oscarnominiert und zieht sich nach diesem intensiven Dreh für mehrere Jahre aus dem Filmgeschäft zurück.

John Cassavetes schafft mit DIE ERSTE VORSTELLUNG eine erschütternde Milieustudie, angesiedelt in Theaterkreisen. Eine alternde Schauspielerin wird durch den auf ihr lastenden Erfolgsdruck in den Alkohol getrieben. Eine Paraderolle für Gena Rowlands - natürlich oscarnominiert!

In DER MORGEN DANACH von Sidney Lumet versucht die Trinkerin Alexandra Sternbergen sich aus dem Sumpf zu befreien, in den sie rutscht, als sie am Morgen nach einer Zechtour neben einer Leiche erwacht. Ein gelungenes Cross-Over zweier Genres: Suchtstudie und Thriller. Die Sucht-Komponente erweist sich für Jane Fonda als reiches Sujet, sie spielt nuanciert und wird zu Recht oscarnominiert.

Ein Jahr später kommt mit BARFLY von Barbet Schroeder eine ungewöhnlich destruktive Milieustudie in die Kinos, die Charles Bukowskis „Alter Ego“ Henri Chinaski beim Gang durch die Suchthölle zeigt. An seiner Seite steht die Trinkerin Wanda Wilcox, die ebenso in die Suchtspirale fällt wie ihr Gegenüber. Faye Dunaway erhält den Golden Globe. 
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1995 zerrt Mike Figgis das Thema an seine Grenzen. LEAVING LAS VEGAS ist ein Trinker-Drama, das an Destruktivität nicht mehr zu toppen sein wird.
Ringen in den Alkoholikerfilmen zuvor die Protagonisten noch mit ihrer Sucht und sind dem Leben zugewandt, widmet sich Figgis' Drama ein Trinker dem Ziel, sich in Las Vegas totzutrinken. Der Zuschauer darf ihn zwei Stunden lang auf diesem Weg begleiten. Der einzige, winzige Hoffnungsschimmer, der den Film durchzieht, ist die zum Scheitern verurteilte Liebe zweier gebrochener Existenzen.
Was den Film problematisch macht, ist auch die Herangehensweise von Schauspieler Nicolas Cage als Trinker Ben Sanderson. Nachdem Crewmitglieder später berichteten, dass Cage, der für sein intensives Spiel berüchtigt ist, fast durchgängig betrunken beim Dreh auftaucht, wiegelt dieser in Interviews ab und erläutert, er habe sich selbst auf die Rolle vorbereitet, indem er sich betrank, um seine sich verändernde Sprache zu beobachten. Beim Dreh selbst sei er aber stets nüchtern gewesen.

LEAVING LAS VEGAS wird gefeiert und gilt als einer der besten Suchtfilme der Filmgeschichte. Cages Darstellung mit einem Oscar prämiert - es bleibt sein bisher einziger.

Die Rolle des Trinkers ist immer wieder eine Chance für Schauspieler, sich zu beweisen.
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Auch die American Sweethearts Meg Ryan (WHEN A MAN LOVES A WOMAN) und Sandra Bullock (28 TAGE) haben sich in dieser Rolle versucht. Doch wenn dem Drama ein sinniges Drehbuch und eine erfahrene Regie fehlt, kann die Inszenierung schnell zu einer unglaubwürdigen Schmonzette werden, das einzig als Starvehikel gilt und dementsprechend imagegerecht "gut" und "sauber" und geläutert beendet werden muss - das verwässert und verharmlost den Alkoholismus allerdings wieder im selben Maße wie die frühen Komödien.

Die Trinker als Garant für Konflikte


Den Grundstein, den Wilder mit DAS VERLORENE WOCHENENDE gelegt hat, scheint heute abgenutzt zu sein. Das Sujet ist begrenzt, und so ist aus den einst prachtvollen Milieustudien mittlerweile ein Klischee geworden, häufig sogar ein oder weniger "billiger" Stoff für Konflikte.
Aktuelle Werke schildern den Alkoholiker (oder die Alkoholikerin!) gerne als labilen Geschäfts- oder Lebenspartner, der für gefährliche oder dramatische Wendungen zu sorgen hat.Getreu dem Motto: Wir bauen einen trinkenden Ehe- oder Geschäftspartner ein, der wird dann rückfällig und bringt die heile Welt mächtig ins Wanken, ein Geschäft zu Fall oder eine Verhandlung zur Niederlage.
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Besonders im Fernsehen wird die Stilfigur bis zur Neige ausgereizt - taucht eine Figur auf, die erklärt "Ich trinke nicht, ich bin trocken!", ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Kampf mit dem Alkohol zum entscheidenden Drama der Figur wird. Dr. Abby Lockhart aus ER - EMERGENCY ROOM etwa, Mister Garibaldi aus BABYLON 5, Jack Shepard aus LOST, Freddy Rumsen in MAD MEN, Hershel Greene in THE WALKING DEAD, Doug Stamper (und zuvor bereits Peter Russo) in HOUSE OF CARDS sind nur einige Beispiele.
Nur selten, leider viel zu selten, wird der (ehemalige) Alkoholismus einer Figur schlicht als Hintergrund genommen statt als potentielles Drama, etwa für Sam Malone in der Sitcom CHEERS, und ebenso selten ist der (aktive) Alkoholismus einfach nur ein gar nicht direkt behandelter Aspekt einer Serienfigur, wie etwa Don Draper in MAD MEN (wobei in MAD MEN nahezu jede Figur mit dem Alkohol kämpft), Jimmy McNulty in THE WIRE, Tommy Gavin in RESCUE ME oder selbst Cersei Lannister in GAME OF THRONES.


Opium fürs Volk


Auch wenn die Debatte darüber anhält, was genau Alkoholismus nun ist (einige betrachten Alkoholismus als Sucht, andere, besonders die Amerikaner, als Krankheit), ist eines klar: Es ist eines der am häufigsten auftretenden sozialen und gesundheitlichen Probleme unserer westlichen Gesellschaft. Kaum ein Mensch wird nicht von Alkohol und der Sucht danach beeinflusst oder geprägt. Und nur wenige Dinge auf unserem Planeten fordern mehr Todesopfer.

Es ist lobenswert, dass Film und Fernsehen versuchen, diese Problematik anzugehen und sichtbar zu machen, denn tatsächlich ist Alkoholismus noch immer ein Tabu, etwas, worüber niemand gerne redet, am wenigsten die Betroffenen selbst. Und obwohl das Thema filmisch ausgereizt zu sein scheint, ist es noch längst nicht fertig. Die Wege werden noch erweitert, um Alkoholiker als Figuren erkennbar zu machen, nutzbar, als Figuren, die mehr als nur "simplen" Konfliktstoff bieten, aber auch mehr, als nur ein schockierendes Drama.
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Es ist ein noch immer nicht abgeschlossener Prozess, der hier stattfindet.

Den Startschuss für diese noch immer ablaufende Entwicklung legte Billy Wilder 1945 mit einem Film, der noch heute bestehen kann.
In gewisser Art ist das erschreckend. Nicht nur, dass wir heute, siebzig Jahre nach DAS VERLORENE WOCHENENDE und all den schillernden Dramen und Entwicklungen doch wieder in der Gefahr stehen, den Alkoholiker als Klischee auf der Leinwand zu erleben, vor allem aber dadurch, dass sich trotz all der Filme und Serien, trotz all der Autoren, Regisseure, Darsteller und Produzenten, die sich seit 70 Jahren bemühen, das gigantischste Monster in unserer Mitte, das wir alle zu ignorieren versuchen, sichtbar zu machen, bis heute nicht das Geringste daran geändert hat.

Das, vielleicht mehr als alles andere, erschreckt einen noch heute, wenn man DAS VERLORENE WOCHENENDE schaut.

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