30.09.15

Porträt: Zum Tode James Deans - Wie sein Mythos auferstand

Am 1. Oktober 1955 läuft eine Nachricht durch Radio und Fernsehen, die die Jugend Amerikas bis ins Mark erschüttert: Ihr Leinwandidol James Dean ist am Tag zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Der Tod des jungen Schauspielers, der erst einen Film ins Kino gebracht hat, soll erst der Anfang eines Mythos werden, den es so nur einmal gibt.
Wie konnte der Tod eines nur wenig bekannten Schauspielers ein solches Phänomen hervorrufen? Was bewirkte sein Tod bei den nachfolgenden Generationen von Jugendlichen? Wieso gilt Dean bis heute als Ikone, schmückt noch immer Jugendzimmer und wirkt als Werbefigur?
Wir haben den September dem Wirken James Deans gewidmet – in unserem letzten Betrag werfen wir einen Blick zurück auf den tragischen und so folgenreichen Tod des Schauspielers.
Quelle: DVD "Giganten" © Warner Home Video
Biancas Blick:

Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, wie James Dean die noch heute spürbare Wirkung überhaupt erzielen konnte. Mit 1,73 war er weder besonders groß, noch imposant. Er war ein schmalbrüstiger Brillenträger, körperlich stets etwas unbeholfen, mit einer Wuschelfrisur, die sich, wie seine Figuren, nur schwer bändigen ließ.
Deans Wirkung ist aber nicht in seinem Aussehen zu suchen. Er erzielte sie durch das, was er in sich trug und dem er Ausdruck zu verleihen suchte – sein ganzes kurzes Leben lang.

„Es war faszinierend, mit ihm zusammen zu sein und ihn zu beobachten. Da war zum einen seine Art, sich zu bewegen. Jimmy konnte ein Glas Wasser mit einer solchen Anmut zum Mund führen, als hätte er nie zuvor ein Glas berührt, dessen Gewicht noch nie mit seinen Händen durch die Luft bewegt. Zum anderen war es die Art, wie er erzählte, die ihn interessant machte. Was er sagte war eigentlich weder besonders klug noch bemerkenswert, aber die Vortragsweise, die Gesten seiner Hände besaßen ungeheuren Ausdruck“, beschreibt Joe Hyams, ein Freund aus Indiana, Deans Aura.
Vieles davon findet sich auch heute noch in Deans Filmen wieder. Doch reicht das, um die Faszination der Menschen zu begründen?

Wir möchten in diesem Artikel versuchen, ein paar Erklärungsansätze zu finden, die den Mythos „James Dean“ möglich machten.
Quelle: DVD "...denn sie wissen nicht was sie tun" © Warner Home Video

Schmerzvolle Kindheit und frühe Entwurzelung


Die Zerrissenheit, die Rebellion, der Zorn – alles, was James Dean in seinen Figuren nach außen trug, trägt sicherlich zu seinem Mythos bei.
Die spürbare Intensität dieser Gefühle entspringt dabei einer traurigen Realität.

James Byron Dean wird am 8. Februar 1931 in Indiana geboren. Mir seiner Mutter verbindet ihn ein besonders enges Verhältnis, sie fördert ihren Sohn bereits früh, meldet den 7-Jährigen bei verschiedenen Theaterkursen an und erteilt ihm Geigenunterricht. Der Vater findet nie eine Verbindung zu seinem Sohn, ein Umstand, den James Dean bis zu seinem eigenen Tod zu verändern sucht. Er ersehnt sich die Anerkennung seines Vaters, versucht später, ihn mit seinen Erfolgen zu beeindrucken, erhält sie jedoch nie. 

Elia Kazan wird diese Leere in Dean bei den Dreharbeiten zu JENSEITS VON EDEN gnadenlos instrumentalisieren. Die Parallelen zwischen Dean und seiner Figur Cal Trask, die beide nach der Liebe eines Vaters lechzen, spielen in Deans erstem Kinofilm eine zentrale Rolle. Kazan provoziert Dean zu echten Emotionen, wodurch der junge Star in der Steinbeck-Verfilmung JENSEITS VON EDEN wie entfesselt spielt und einen Blick in seine Seele freigibt wie in keinem anderen seiner noch folgenden Filme. Zu Recht wird er gefeiert und avanciert zu einem der hoffnungsvollsten Schauspieler einer neuen modernen Schauspielgeneration, die sich gerade in New York formiert.
Quelle: DVD "Jenseits von Eden" © Warner Home Video
Als James Dean neun Jahre alt ist, mittlerweile wohnt die Familie in Kalifornien, stirbt seine Mutter an Unterleibskrebs. Er erlebt ihr Sterben hautnah mit und ihr Tod wird eine Lücke in seinem Leben hinterlassen, die nicht mehr geschlossen wird.
Sein Vater ist mit ihm und der Situation überfordert und schickt ihn zu seiner Großmutter und seiner Tante väterlicherseits nach Fairmount, Indiana zurück. Der Kontakt bricht einige Male ab. Tante und Onkel nennt James Dean bald „Mom“ und „Dad“, zu seinem Cousin Markie verbindet ihn eine fast brüderliche Beziehung. Seine neuen Eltern fördern seine künstlerischen Neigungen weiter, wie es seine Mutter getan hat. Und davon hat Dean reichlich: Er zeichnet, erstellt Skulpturen und Büsten, und schauspielert immer wieder.

Im Herbst 1946, Dean ist 15, begegnet er zum ersten Mal Adeline Brookshire, bei der er einen Kurs in Sprecherziehung besucht und die ihn stärker ans Theater heranführt. So spielt er in vielen Theaterstücken an seiner Highschool mit und beginnt den Weg zu gehen, der seinen Mythos begründet.
Anfang der 50er Jahre gelingt ihm eine passable Karriere am Broadway. Er wirkt in vielen Theater- und Fernsehproduktionen mit. Das Stück „Der Immoralist“ um einen jungen Archäologen, der seine Homosexualität verleugnet und heiratet, wird 1954 zu einem enormen Erfolg und öffnet Dean endlich die Türen nach Hollywood. Er verlässt das Theater sofort, um für Elia Kazan zu arbeiten.

Mit Sicherheit sind der frühe Verlust seiner Mutter als Bezugsperson und die darauffolgende Entwurzelung ein Grund für seine innere Zerrissenheit, die den Menschen James Dean ein Leben lang begleiten soll, und immer wieder von Freunden und Kollegen beschrieben wird. Die Suche nach Anerkennung wiederum – besonders der seines Vaters – ist lange Zeit Deans Motor, nach immer Höherem und Besseren zu streben, um sich und seinem Vater etwas zu beweisen. Auch das spiegelt sich stets in seinen Rollen wider.

Sein Unvermögen, Bindungen und Beziehungen einzugehen, am Set launisch und unnahbar zu wirken, lässt ihm eine Mystik angedeihen, die Kollegen wie Elizabeth Taylor zwar zu durchbrechen versuchen, doch gänzlich wird das niemandem je gelingen. Im Nachklang umweht den Schauspieler Dean dadurch eine Aura des Undefinierten, des Rätselhaften, ein Nebel, der sich in den folgenden Jahrzehnten mit fortschreitender Ikonisierung des Stars nur noch verdichten wird.
Quelle: DVD "Giganten" © Warner Home Video
Sein Freund Joe Hyams beschreibt es so: „Jimmy hielt nichts von dem, was er versprochen hatte. Ich wusste nie genau, was er von mir wollte oder erwartete, und genauso wenig wusste ich, was ich eigentlich von ihm wollte oder erwartete.“
Ähnlich erging es vielen Menschenum ihn herum und genau solch eine Undurchdringlichkeit begründet die meisten Mythen.

Die zornige Jugend sucht eine Projektionsfläche


Schon im Mittelalter war es Aufgabe, Ziel und Wunsch(!) der Jugendlichen, zu ihren Eltern zu werden. Ihren Hof, ihr Gewerbe oder ihr Amt zu übernehmen. Es war völlig natürlich, dass die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern traten. Dazu gehörte eine gewisse Gleichschaltung mit den Eltern.
In der Industrialisierung verlagerte sich das auf die Politik: Die junge Generation wollte die politischen Werte und Ziele ihrer Eltern wahlweise erhalten oder verändern. All die Umbrüche zwischen Französischer Revolution, Vormärz und Weimarer Republik entsprangen diesem Konflikt. Aber so oder so – die Werte der Eltern wurden die Werte der Jugend. Nicht umsonst waren vor allem die jungen Menschen so begeistert, in den Ersten Weltkrieg zu ziehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt all das plötzlich nichts mehr. Die Jugend wollte nicht mehr das, was die Eltern wollten. Sie wollte etwas anderes. Sie wusste nur nicht was.
Die Filmwelt war auf diese Veränderung nicht vorbereitet. Sie betrachtete die Jugendlichen noch immer als das, was sie jahrhundertelang gewesen waren: Kleine Abziehbildchen der Erwachsenen. Und wer das nicht war, war kaputt und musste im schlimmsten Fall gesellschaftskonform erzogen werden.
Wie wir im vorangeganenen Artikel zu ... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN ausgearbeitet haben, ist die Sichtweise der Jugendlichen noch in keinem Film zuvor ins Zentrum gerückt worden. Die Jugendlichen der amerikanischen Nachkriegszeit sind verunsichert, suchen sich selbst und Orientierung, und finden kein Sprachrohr im Film. Zwar sind sie dabei, sich musikalisch klar und deutlich zu emanzipieren – der Rock 'n Roll beginnt, die Tanzlokale zu füllen – doch im Medium Film gab es noch nichts Äquivalentes.
Quelle: DVD "...denn sie wissen nicht was sie tun" © Warner Home Video
Dann treten 1955 in ... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN drei Jugendliche in den Fokus der Geschichte und werden zu den Schablonen einer ganzen Generation.
Endlich sind Heranwachsende zu sehen, die sich in der ihnen dargebotenen Gesellschaft nicht mehr zurecht finden und auszubrechen versuchen. Aus Unsicherheit und wider besseren Wissens, aus Suche nach Liebe und Verständnis.

... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN avanciert schnell zum erfolgreichsten Film des Jahres und zu einem der erfolgreichsten des Jahrzehnts. Lange Schlangen bildeten sich vor den Kinos, doch nicht nur um den Film zu bewundern, sondern vor allem um den jungen Mann zu sehen, den sie als ihr Sprachrohr auserkoren haben und der zu diesem Zeitpunkt bereits tot ist: James Dean.
Dean zeigt sich in seiner Rolle verletzlich und zugleich ungestüm, verwirrt und doch sicher in seinem Auftreten, also äußerst facettenreich, was die Jugend sofort anspricht.
Stärke und Schwäche, Sensibilität und Machismo, und dazu genau die Gedanken auf der Zunge, die die Jugend umtreibt: Was muss ein Mann tun um ein Mann zu sein? Wo liegt seine Verantwortung? Was muss er tun, um das Richtige zu tun? All die Fragen, die bis zum Krieg so klar und deutlich vor den Jugendlichen lagen, und auf die sie nun keine Antwort mehr finden. Die Frage richtet er an eine Elterngeneration, die inzwischen selbst mit der neuen Situation komplett überfordert ist und nichts zu entgegnen weiß. So bleibt Jim Stark nichts anderes übrig, als sich selbst auszuprobieren und auszutesten, damit er sich finden und von den Zöpfen der vorangegangenen Generation befreien kann.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der Mensch James Dean ebenso ambivalent gewesen zu sein scheint wie seine Figur Jim Stark.
Nach seinem Tod melden sich etliche seiner Freunde und Kollegen, Regisseure und Wegbegleiter zu Wort und beschreiben ihn jeder nach seinem Empfinden als heterosexuell, asexuell, bisexuell oder homosexuell, als großzügig oder bösartig, als trübsinnig oder aber Partygänger, als machohaft bis feminin, als reif bis sehr jungenhaft. Einige beharren auf einer immer klar zu Tage tretende und tief verwurzelte Todessehnsucht, die in ihm spürbar gewesen sein soll, andere bescheinigen ihm eine überschäumende Lebenslust.
Quelle: DVD "...denn sie wissen nicht was sie tun" © Warner Home Video
Vielleicht ist es genau diese Ambivalenz – sei sie durch den frühen Verlust und die innere Zerrissenheit entstanden, oder einfach nur ein Manierismus – der Grund dafür, dass Dean in seinen und durch seine Filme tief im Publikum seiner Zeit etwas berühren konnte, das sie bewegt hat und ihm nacheifern ließ.

Fest steht, dass die Jugendlichen den Tod ihres Idols nur schwer akzeptieren können. Mit aller Macht versuchen sie, ihn am Leben zu halten, indem sie ihm huldigen, ihm nacheifern, Poster mit seinem Konterfei an die Wand hängen, Blue Jeans und rote Bomberjacken tragen, rauchen und beginnen, die Elterngeneration ebenso kritisch zu betrachten wie Jim Stark es getan hat.

Schnell bildet sich ein kommerzieller Markt, der mit allem, was James Dean zeigt, Werbung macht. Es gibt sogar Touren nach Indiana zur Farm seines Vaters, wo James Dean aufwuchs.

Ein findiger Fotograf erschafft den Mythos


Dennis Stock, ein junger aufstrebender Fotograf des LIFE-Magazines, begegnet Dean auf einer Party und ist so fasziniert von diesem jungen Mann, dass er mit Dean eine Fotostrecke vereinbart. Daraufhin begleitet er ihn Streifzüge durch New York, auf Partys und sogar auf Dreharbeiten. Dean ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Star, und niemand ahnt, welch immense Bedeutung diese Fotos wenige Monate später gewinnen werden – sie werden zum Sinnbild des Stars und festigen den Mythos in einer Weise, wie es selbst seine Filme nie geschafft hätten. Sie machen Dean zum Symbol für Einsamkeit, Rebellion und Sensibilität. Besonders das berühmte „Trenchcoat-Foto“ mit der Zigarette in Deans Mundwinkel wird zum unsterblichen Porträt des toten Stars und schmückt seither Tausende Jugendzimmer – selbst heute noch.
Quelle: DVD "Jenseits von Eden" © Warner Home Video
Was auch immer der junge Fotograf in diesem aufstrebenden Star entdeckt hat, er bannt es gekonnt in seine Bilder und untermauert damit Deans Bild als einsamer Rebell.
2015 inszeniert Anton Corbijn die Geschichte dieser Fotostrecke mit Robert Pattinson als Fotograf Stock und Dane DeHaan als James Dean in seinem Film LIFE.

Früher Tod im Zenit des Schaffens


Viele Autoren und Filmkritiker finden bis heute nur einen Grund für Deans Unsterblichkeit und Mythos: seinen frühen Tod.
So makaber es auch klingen mag, aber ganz Unrecht haben sie damit nicht. Denn was wäre geschehen, wenn Dean weitergelebt hätte und vielleicht 80 geworden wäre? Wäre sein Mythos so unsterblich geworden, wie er es heute ist?

Objektiv betrachtet war Dean zwar ein intuitiver, aber kein sehr ausgefeilter Schauspieler. Sein Spiel wirkt noch ungelenk und nicht selten trägt er zu dick auf. In seinen drei Filmen, von denen JENSEITS VON EDEN sein schauspielerisch intensivster, ... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN sein wegweisendster und GIGANTEN sein reifster und weitschauendster Film ist, spricht er dennoch etwas in der Jugend, im Publikum an. Etwas, das die Zuschauer von damals ihn in den Himmel heben lässt. Doch hätte er diese Position über Jahre und Jahrzehnte hinweg halten können?
Quelle: DVD "Jenseits von Eden" © Warner Home Video
Was wäre geschehen, wenn Dean gealtert wäre? Irgendwann wäre er kein Symbol der Jugend mehr gewesen. Hätte er auch dann noch als Ikone getaugt? Oder speist sich ein Teil seines Mythos aus seiner „ewigen Jugend“, die er dank seines frühen Todes gewonnen hat?

Und hätte er sich seinen Status als Star so lange erhalten können? Er sagte seiner Agentin einst: „Ich will nur Hauptrollen spielen. Hauptrollen, die mir etwas bedeuten.“ Sie belächelte ihn damals, aber in seinen drei Filmen hat er genau das geschafft. Doch wollten das nicht alle Ikonen der damaligen Zeit? Die Rolle ihres Lebens spielen und das bis zum Ende ihres Lebens?

Einen kleinen Einblick liefert Deans letzter Film GIGANTEN: Dort spielt Dean einen ehemals rebellischen und nach sich selbst und seinem Lebensinhalt suchenden Jungen, der, nach schnellem Reichtum und Ruhm, alt, alkoholkrank und bemitleidenswert vor sich hinvegetiert, belächelt und allein gelassen. Alt, unattraktiv und ein Schatten seiner Selbst.
Natürlich bleibt es Spekulation, zu vermuten, dass auch Dean selbst so geendet wäre, aber schaut man sich die großen Stars und Idole der 50er Jahre an, bekommt man zumindest einen Eindruck, was aus dem strahlenden Jungstar hätte werden können.

Elizabeth Taylor, einst die schönste Frau der Welt, machte zuletzt mehr durch ihre Trunksucht und acht Ehen Schlagzeilen.
Marlon Brando bezeichnete sich selbst als „Hure“, der immer wieder nur des Geldes wegen mittelmäßige Filme drehte. Selbst als er mit DER PATE noch einmal Ruhm erntete, und mit APOKALYPSE NOW faszinierte, war von seinem einstigen Image als wilder Schönling, der auf einer Stufe mit James Dean stand, nichts mehr übrig. Zudem kompensierte er seine Suche nach Liebe in Unmengen an Essen.
Quelle: DVD "Jenseits von Eden" © Warner Home Video
Grace Kelly suchte nach der ultimativen Rolle und glaubte, sie als Fürstin von Monaco gefunden zu haben. Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass sie diese Entscheidung schon bald bereute.
Marilyn Monroe, die Sexgöttin, ertränkte ihre sinnlose Suche nach Anerkennung und Liebe in Alkohol und machte sich selbst durch ihre Liebschaften und ihr immer unkontrollierbares Auftreten zur Lachfigur der Gazetten. Ihr tragischer Tod mit gerade Mal 36 Jahren ist bis heute ungeklärt.
Montgomery Clift, eines von Deans großen Vorbildern, und schon Jahre vorher so jung und schön und unglaublich talentiert, ein Superstar, der das Schauspiel revolutioniert hatte, starb mit 46 Jahren an den Folgen seines jahrelangen schweren Alkoholmissbrauchs. Am Ende war er nur noch ein abgemagerter Schatten seiner Selbst, der keine Rollen mehr erhielt, da er zum Risiko jeder Produktion wurde, in der er mitspielte.
Elvis Presley, bis heute eine der Coolness-Ikonen des Rock 'n Roll der 50er und 60er Jahre, schaufelte Unmengen an Essen und Medikamenten in sich hinein. In Vegas wird er zur glitzernden Lachnummer seines einstigen Selbst (auch wenn diese zweite INkarnation des "King of Rock 'n Roll" noch immer verehrt wird) und stirbt, stark übergewichtig, mit 42 Jahren zurückgezogen auf seiner Ranch.
Quelle: DVD "Giganten" © Warner Home Video
Welcher der großen Stars aus James Deans Zeit konnte seinen Ruhm ins Alter retten? Die wenigen Topstars aus derselben Ära, die überhaupt im Geschäft bleiben, „enden“ mit Rollen in den Katastrophenfilmen der 70er Jahre, oder in einer der Fernsehserien der 80er. Großer Kinoruhm ist keinem von ihnen geblieben. Wäre Dean auch als alter Mann und Nebendarsteller so populär geblieben? Hätte man sich Bilder des jungen Dean in die Wohnung gehängt und seine schmissige Coolness gefeiert, während er parallel in einer 80er Serie von Glen A. Larson mitspielt?
Zumal er mit seiner problematischen Kindheit (selbst Brando, der ihn kannte, bescheinigte ihm, ein „von Problemen geplagtes Kind“ gewesen zu sein) alle Voraussetzungen dafür erfüllte, irgendwann ebenfalls an irgendeiner Sucht zu erkranken. Auch die Gerüchte um seine Homosexualität hätten ihm, sollten sie denn wahr gewesen sein, spätestens in den 60er Jahren zu schaffen gemacht.
Jede Erfahrung spricht dafür, dass Deans Karriere ins Wanken gekommen wäre, dass er alt geworden wäre (und wer weiß, wie er einen Karriereknick verkraftet hätte?), und dass sein Stern bei den Jugendlichen damit irgendwann ebenso gesunken wäre wie der der meisten anderen Idole seiner Generation.

Natürlich gibt es mit Audrey Hepburn und Paul Newman auch Gegenbeispiele. Ikonen, die bis zum Ende ihrer Karriere, und selbst heute noch für Anmut, Stil und große Schauspielkunst stehen. Vielleicht wäre auch das Deans Weg geworden.
Dennoch sind Deans früher Tod, seine Konservierung im Augenblick der größtmöglichen Deckungsgleichheit mit einer ganzen Generation, und die Mythen, die sich dadurch überhaupt erst um ihn ranken konnten, ein wichtiges Fundament, auf dem die Ikone, das Idol gebaut werden konnte, das er bis heute ist.

Geschicktes Marketing


Ebenfalls sind natürlich auch findige Marketingstrategen an dem beteiligt, was nach dem 30. September 1955 geschieht.
Schnell erscheinen Bücher, Utensilien, Poster, Bildersammlungen, Kissen, Bettwäsche und vieles mehr mit James Deans Konterfei darauf. Dokumentationen und Verfilmungen über Deans Leben oder Teile daraus schmücken bis heute in regelmäßigen Abständen die Kinoleinwand und sorgen stets um neue Diskussionen über jeden noch so winzigen Fitzel neuer Informationen über Dean und sein Leben.
Noch heute gibt es Touren nach Indiana zu der Farm, auf der Dean als Kind aufwächst, bevor er nach Kalifornien umzog. Deans Vater ist bis zu seinem eigenen Tod mit dem Hype um seinen Sohn und die Anfeindungen durch dessen Fans überfordert.
Das Haus in Fairmount, in dem Dean bei Tante und Onkel lebt, wird heute von seinem Cousin Markie betreut, der darin ein Museum mit privaten Gegenständen errichtet hat.
Quelle: DVD "...denn sie wissen nicht was sie tun" © Warner Home Video
Deans Beifahrer während der Todesfahrt, Rolf Wütherich, erlebt die Schattenseiten des Mythos'. Er wird zum Hassobjekt der trauernden Massen. Er überlebt den Unfall schwerverletzt und erhält noch Jahrzehnte später Briefe von Dean-Fans, die ihm die Schuld am Unfall geben. Nach einem Suizidversuch 1966 bleibt Wütherich in psychiatrischer Behandlung, ein Jahr später versucht er dennoch erneut, sich selbst und seine Frau zu töten. Wütherich, ein Rennfahrer und Porsche Mechaniker, der bereits etliche Unfälle überlebt hat, stirbt schließlich am 20. Juli 1981 – bei einem Verkehrsunfall. Doch den Rest seines Lebens verbringt er psychisch labil im Schatten des toten James Dean.

Sowas gab's noch nicht


Abschließend sei noch ein letzter Punkt angesprochen, der zu Deans unsterblichem Mythos beiträgt. Denn Dean schenkt der Welt etwas, das es vorher nicht gab: Coolness.
Wer aufmerksam hinschaut, wie Jugendliche in alten Berichten, Fotos, Dokumentationen und nicht zuletzt Filmen vor 1955 dargestellt werden, wird schnell erkennen, dass es nicht gerade das oberste Ziel der Jugendlichen war, „cool“ zu sein. Wie oben erwähnt, waren sie vor allem strebsam, eifrig, darauf bedacht, korrekt und wirkungsvoll zu sein und stets mit dem Ziel, das Werk ihrer Eltern fortzusetzen.
Quelle: DVD "Giganten" © Warner Home Video
All das ändert sich schlagartig nach dem Krieg. Die Jugend, die kein Ziel mehr kennt, findet eines in James Dean: Coolness. Damit begründet Dean einen bis heute gültigen Pardagimenwechsel. Bis heute ist es das oberste Ziel der Jugendlichen, cool zu sein, lässig, sich von den Unbillen des Lebens nichts anmerken zu lassen. Die Moden ändern sich – von der roten Bomberjacke zu Haartollen, Schlaghosen, toupierten Haaren, Piercings und Arschgeweihen bis hin Baggy-Pants. Wann immer ein Teenager versucht, cool und lässig zu sein, eifert er dem nach, was James Dean einst (unterstützt von Monty Clift und Marlon Brando) ins Leben ruft. Auch das Kino trägt dem Rechnung, und gibt bis heute Raum, damit Filme über die Rebellion der Jugend überhaupt erzählt werden können.

James Dean ist also auch deshalb heute noch so populär, weil er der Begründer all der Werte ist, die bis heute unser aller Jugend entscheidend mitprägen.

Was bleibt, ist Hingabe und Verehrung


In James Deans Nachlass findet sich ein Gedicht von Emily Dickinson, das er aus einem Gedichtband gerissen und in sein Notizbuch geklebt hat:

Ich starb für Schönheit – doch ich war
ins Grab gekommen kaum,
als einer, der für Wahrheit starb
kam in den nächsten Raum.

Wofür gestorben?”, fragt er sacht.
Für Schönheit”, sage ich -
Und ich für Wahrheit – die zwei sind eins,
was uns Brüder macht”, er spricht.

Und als Verwandte, nachtbekannt,
der Raum viel Zwiesprach' weckt,
bis Moos der Lippen Rand erreicht
und uns're Namen bald bedeckt.

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