Eine einsame Frau in L.A., ein verzweifelter Mann in der texanischen Wüste und ein gebrochenes Herz in New York. Und jede Menge Rache, Unglück und Grausamkeit.
Mit NOCTURNAL ANIMALS kommt zum Jahresende nochmal ein Thriller der eher ungewöhnlichen Sorte ins Kino. Ebenso edel wie dreckig, so straight wie verrätselt.
Warum der verschachtelte Thriller von Tom Ford äußerst sehenswert ist, aber eben nicht für jeden, in unserer Kinokritik.
Mit NOCTURNAL ANIMALS kommt zum Jahresende nochmal ein Thriller der eher ungewöhnlichen Sorte ins Kino. Ebenso edel wie dreckig, so straight wie verrätselt.
Warum der verschachtelte Thriller von Tom Ford äußerst sehenswert ist, aber eben nicht für jeden, in unserer Kinokritik.
© Universal Pictures International Germany GmbH |
Mit seinem zweiten Film, der
Romanadaption NOCTURNAL ANIMALS legt Regisseur und Autor Tom Ford
einen in gleich mehrerlei Hinsicht sehenswerten Thriller vor, der
jedoch nicht ohne Schattenseiten ist. Das Problem des Films: Er
entscheidet sich, eine im Kern recht simple Rachegeschichte über
Gebühr künstlerisch (Spötter würden wohl sagen: verkünstelt),
elliptisch und mehrdeutig zu erzählen. Doch was des einen Leid, ist
des anderen Freud.
Roman im Roman im Film
Es gibt in der Regel zwei Sorten von
Filmen: Die einen, die verhältnismäßig verständlich eine
Geschichte erzählen, der die Zuschauer schlicht zu folgen brauchen,
und die ihnen entweder Spaß bringt oder nicht.
Die andere Sorte von Filmen sind all
jene, bei denen der Zuschauer spürt, dass der Film etwas von ihm
einfordert. Er soll sich mit dem Film beschäftigen, er soll ihn
entschlüsseln, er soll das auf der Leinwand Gezeigte selbst mit
einem Sinn füllen.
Fords NOCTURNAL ANIMALS gelingt, mit
Abstrichen, das Kunststück, beide Sorten in einem Film zu vereinen.
Der Film erzählt von der unglücklich
verheirateten Kunsthändlerin Susan Morrow, die eines Tages
unerwartet Post erhält. Ihr Ex-Mann Edward, ein leidlich
erfolgreicher Autor, schickt ihr seinen neuen Roman, der ganz und gar
ihr gewidmet ist, und in dem er, so gibt er an, sein Innerstes
enthüllt habe. Er schlägt ihr außerdem vor, dass beide sich
treffen sollten, falls ihr der Roman gefalle. Das Ungewöhnliche
daran: Susan hat seit 19 Jahren nichts von Edward gehört.
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Sie beginnt zu lesen, und der Film
springt in eine zweite Erzählebene, die die Handlung des Romans
wiedergibt.
Hier geht es um Tony Hastings (in der
Romanvorlage ein Mathematiker), der mit seiner Frau und seiner
Tochter nachts auf einer einsamen Landstraße in die Fänge dreier
mehr als zwielichtiger Männer gerät. Für Tony der Beginn einer
alptraumhaften Tortur.
Je weiter Susan in den Roman ihres
Ex-Mannes vordringt, desto verstörter wird sie. Erst in der zweiten
Hälfte des Films eröffnet sich eine dritte Ebene, die in
Rückblenden die Ehe zwischen Susan und Edward wiedergibt. Und
langsam kristallisiert sich heraus, worum es in Edwards Roman
wirklich geht.
Aus Drei mach Eins
Es ist kein Geheimnis, dass ein Film
mit drei Erzählebenen keine leichte Kost ist, sondern dem Zuschauer
Konzentration abfordert. Und es ist auch kein Geheimnis, dass
NOCTURNAL ANIMALS dem Zuschauer Geduld abfordert, denn erst in der
zweiten Hälfte, wenn alle drei Erzählstränge verknüpft und
verwoben werden, offenbart sich die eigentliche Geschichte, die der
Film erzählt.
Wer sich auf diese Mühen jedoch
einlässt, dem winkt ein rundheraus befriedigendes Ende.
Ein weiteres Problem auf dem Weg: Die
drei Erzählstränge weisen enorme Unterschiede in ihrer emotionalen
Tonalität auf.
Da wäre die in der Realität spielende
Gegenwart Susans, die unrealistischer kaum wirken könnte. Amy Adams
schlendert mit glatt zur Seite gestriegeltem Haar und beinahe
ausdrucksloser Miene durch ihr hochglanzerfülltes Luxusheim in den
Hügeln von LA, designt bis in die letzte Pore: Designerkleider,
Designermöbel, Designarchitektur, Designergarten, alles gefilmt in
glattgeleckter Hochglanzfotografie. Ausdrucksarm, manchmal gar
surreal, wie die Sequenzen sind, fehlt ihnen jegliche Anleitung: Was
sollen wir als Zuschauer davon halten? Wieso wird das alles so
überinszeniert?
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Im krassen Gegensatz dazu die
Binnenhandlung mit Jake Gyllenhaal als verzweifeltem Tony Hastings.
In warmen Farben hetzt der Mann durch den texanischen Staub auf der
Suche nach Rache. Rotzende Sheriffs, durchgeknallte Kleinganoven,
unverblümte Toilettengänge mit Klopapierkontrolle. Hier wird
gemordet, vergewaltigt, gekotzt, geblutet und gestorben.
In sich ist dieser Strang der wohl
verständlichste – ein beinahe klassischer Rachethriller der
Hard-Boiled-Schule, in der Recht und Gesetz in der staubigen Prärie
nen Scheiß wert sind.
Der dritte Handlungsstrang schließlich,
der zwanzig Jahre zurückspringt und Susan und Edward (ebenfalls
Gyllenhaal) zeigt, wie sie sich in New York treffen und verlieben,
erinnert stellenweise an HARRY UND SALLY, und nicht zu Unrecht an
eine romantische Komödie. Hier sprüht es – zunächst – vor
Optimismus und Lebensfreude, vor Verliebtheit und dem Wunsch, das
Beste im anderen sehen zu wollen. Doch wie wir wissen, ist die
Beziehung nicht von Dauer, und die Trennung der beiden unvermeidlich
...
NOCTURNAL ANIMALS geht ein großes
Risiko ein, dem Zuschauer keine Anleitung an die Hand zu geben, wie
die drei Stränge zusammenführen, es dem einzelnen Zuschauer zu
überlassen, daraus ein Gesamtwerk zu konstruieren, und doch ist es
eben genau das, was ihn am Ende so sehenswert macht: Wie Denis
Villeneuves in seinem grandiosen und durchaus vergleichbaren ENEMY
(ebenfalls mit Jake Gyllenhaal in einer Doppelrolle, und noch zwei,
drei Zacken rätselhafter) überlässt Ford es dem Zuschauer, die
Leerstellen seiner Geschichte zu füllen und sich selbst
zusammenzureimen, was das alles bedeuten soll. Damit spaltet der
Film, wie die Kritiken zeigen, und nicht jeder kann dem Film eine
Bedeutung abtrotzen.
Für die einen mag die Mühe zu groß
sein, es überhaupt zu versuchen, so dass der Film wirkt wie ein
etwas rotziger Rachethriller, umrahmt von einer überstilisierten,
verkopften Psychogeschichte, welcher sie keinen Sinn entnehmen und
die sie auch nicht interessiert.
Andere mögen den texanischen
Rachethriller als pure Angstphantasie Edwards sehen, und sich am Ende
wundern, dass die Erzählstränge nicht miteinander verbunden werden.
Dass es irgendeine Verbindung geben
muss, erklärt die Bildsprache, die immer wieder einzelne
Handlungsstränge miteinander verknüpft: Hier badet Susan in ihrer
edlen Wanne in LA, dort badet Tony in einer dreckigen Motelwanne in
der Wüste Texas'. Dort liegt eine Leiche auffällig drapiert in der
Wildnis, und hier liegt eine andere Person in derselben auffälligen
Pose auf dem Bett.
Aber fallen solche Hinweise überhaupt
auf, in einem Film, der mit einer der vielleicht provokantesten
Bilderstrecken des Jahres eröffnet? Schon die wuchtigen
Eröffnungsbilder erwecken das Rätselraten im Zuschauer: Was will
uns der Regisseur damit sagen? (Tom Ford erklärt übrigens, seine
Eröffnungsbilder seien ein Statement zur amerikanischen Gesellschaft
…)
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Nein, der Film macht es den Zuschauern
nicht leicht. Immer wieder verunsichert er mit Bildern, die sich
einer eindeutigen oder sofortigen Einordnung entziehen und sich nicht
in die Gesamthandlung einfügen wollen. Viele davon bleiben bis zum
Ende ungelöste Rätsel. Ganze Szenen werfen bis über den Abspann
hinaus die Frage auf, welche Bedeutung ihnen im Gesamtwerk zufallen.
Wer Lust am Konstruieren und Rätseln hat, findet darin vielleicht
einen Grund zur Mehrfachsichtung, denn der Film schreit geradezu
danach, all die Elemente zu einem stimmigen Gesamtwerk
zusammenzufügen.
Wenn dich jemand liebt, musst du vorsichtig damit sein
Neben der durchaus spannenden
Binnenhandlung ist es also einer der großen Späße von NOCTURNAL
ANIMALS, einen Weg zu finden, ihn mit einem Sinn zu füllen. Wer
also, wie einige Kritiker, ratlos vor dem Scherbenhaufen steht und
nicht weiß, was das seltsame Psychospielchen zu bedeuten hat, den
laden wir herzlich ein, sich unsere Deutung anzuschauen … und sie
gerne zu kritisieren, wenn er sie nicht teilt.
- Spoilerwarnung -
Der Rest dieses Abschnitts enthält in einem Deutungsversuch quasi sämtliche Inhalte des Films! Wer ihn noch nicht kennt und nichts wissen will, springt gerne zum nächsten Abschnitt „Tony und Susan“.
Ein Wort der Warnung vorweg: In den
folgenden Absätzen spoilern wir gnadenlos, bis an den Rand der
Nacherzählung! Wenn ihr euch überraschen lassen wollt, oder selbst
miträtseln, springt zum nächsten Abschnitt und kommt gerne nach dem
Kinobesuch noch einmal zurück.
Also: Was soll das alles? Worum geht es
in NOCTURNAL ANIMALS?
Wie erwähnt, handelt es sich um eine
recht simple, jedoch elegant erzählte doppelte Rachegeschichte. Denn
die Rachegeschichte des Romans spiegelt in gewisser Weise die
Rachegeschichte der Rahmenhandlung wider.
„Wenn dich jemand liebt, musst du
vorsichtig damit sein“, lautet einer der elementaren Dialoge zum
Ende des Films, der gleichsam wie ein Schlüssel zur Lösung wirkt.
Denn es ist Susan, die ganz und gar grausam mit Edwards Liebe zu ihr
umgeht.
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Der Film mag in LA beginnen und sich
über Texas bis New York bewegen, doch eigentlich bewegt sich die
Handlung andersherum: Sie beginnt in New York, mit einer jungen
Liebe. Edward verliebt sich unsterblich in Susan. Er, der Autor, der
mit seiner Kreativität kämpft, sieht in Susan, der pragmatischen,
realistischen Frau, eine Träumerin, eine Kreative, so wie ihn. Doch
es zeigt sich, dass sie das nicht ist. Ihre Liebe zu Edward
schwindet, sie attestiert ihm mangelndes Talent, schließlich betrügt
sie ihn, verlässt ihn, heiratet einen anderen.
Und zu allem Überfluss zeigt sich,
dass sie bereits schwanger von Edward war und sie das Kind
abtreiben lässt.
Ja, Susan ist grausam zu Edward: Sie
schmettert seine Liebe ab, interessiert sich nicht für seine Kunst,
betrügt ihn, und raubt ihm das gemeinsame Kind.
„Irgendwann werde ich das bereuen“,
sagt sie ihrem neuen Liebhaber in einem kurzen Augenblick von
Klarheit.
Zwanzig Jahre später ist dieser Moment
gekommen, und Edward erhält seine Rache. Denn der Roman, den er
Susan widmet, ist nicht nur sagenhaft gut – er erzählt auch,
allegorisch, die Geschichte ihrer Trennung aus Edwards Sicht.
Es ist kein Zufall, dass Gyllenhaal
nicht nur den Autor Edward spielt, sondern auch die Romanfigur Tony,
und es ist auch kein Zufall, dass Isla Fisher Tonys Frau spielt.
Fisher ist gut mit Amy Adams befreundet, doch die äußerliche
Ähnlichkeit bis hin zur Verwechslungsgefahr der beiden ist legendär.
Eine Anekdote besagt, dass Fisher und ihr Mann, der britische
Haudrauf-Komiker Sacha Baron Cohen, einst eine Weihnachtskarte an die
Familie schickten, auf der sie Fishers Gesicht gegen Adams
austauschten. Niemand soll es bemerkt haben.
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Tony muss hilflos mit ansehen, wie ein
anderer Mann ihm seine Frau und sein Kind stiehlt. Eine Szene von
bestechender Intensität. Beide sterben – seine Frau eher schnell,
das Kind hingegen deutlich brutaler, was seinen Schmerz noch
vergrößert. Beide sind raus aus seinem Leben, unerreichbar und für
immer verloren – so wie Susan und das abgetriebene Kind es für
Edward sind.
Was folgt, ist Tonys jahrelange Suche
nach Seelenfrieden. Aber auch nach Rache. Als er schließlich Rache
nimmt, entstellt sie ihn. Doch er findet darin auch Frieden, wenn auch im
Tod.
Als Susan den Roman liest, hat sie
längst den Preis für das bezahlt, was sie Edward angetan hat. Aus
der kleinen, liebevollen Familie ist eine kalte, leblose Scheinwelt
geworden. Wo Edward einst nur das Beste in ihr sah, ignoriert ihr
neuer Mann sie komplett. Ihn interessieren ihre Ausstellungen nicht,
und er hat Affären. Susan ist schon jetzt einsamer und unglücklicher
als sie es je mit Edward war.
Edwards Roman jedoch vollendet das Werk
auf zweierlei Art. Zum einen fühlt sie seinen Schmerz. Immer wieder
muss Susan die Lektüre abbrechen, sie weint, sie leidet mit Tony
mit, spürt das Grauen, das ihm angetan worden ist, und
den Wunsch nach Rache. Edward lässt Susan durch seinen Roman all das
spüren, was er selbst vor neunzehn Jahren spüren musste.
Zum anderen beweist Edward ihr, dass
sie Unrecht hatte. Einst sagte Susan ihm, er könne nie etwas Großes
schreiben, dass er nur in der Lage wäre, über sich zu schreiben,
was ihn bremsen würde.
Jetzt aber beweist er ihr, dass er ein
großartiger Autor ist, nicht obwohl, sondern weil er über sich
schreibt. Dass er das Buch nach Susan benennt und es ihr widmet, ist
ein weiterer Schlag. „Du warst das“, sagt er damit klar und
deutlich. „Du hast mir das angetan!“
Den letzten Schritt seiner Rache
vollführt Edward am Ende.
Man sieht, wie die unglückliche Susan
durch die Lektüre des Buches wieder so etwas wie Liebe für Edward
zu empfinden beginnt. Wie sie ihren Fehler erkennt.
Und wie sie Hoffnung schöpft. Edward
hat ihr den Roman mit den Worten geschickt, dass sie sich treffen
könnten, wenn sie es wolle. Und tatsächlich geht Susan darauf ein.
Sie macht sich hübsch für das Treffen und wartet hoffnungsvoll auf
ihren Ex-Mann, dem es gelungen ist, sie mit seiner Kunst zum Weinen
zu bringen, und der all das in ihr wiedererweckt hat, was in zwanzig
Jahren an der Seite ihres neuen Mannes abgestorben zu sein schien.
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Doch Edward kommt nicht.
Dass er Susan versetzt, ist sein letzter
Mittelfinger an sie. Nicht nur, dass er sie mit ihrem Schmerz allein
lässt, so wie sie ihn einst allein gelassen hat, sondern auch, dass
er sie heute nicht mehr braucht. Das letzte Bild offenbart Susans
Erkenntnis, wie umfassend Edward sich an ihr gerächt, dass er
diesmal mit ihrer Liebe nicht vorsichtig umgegangen ist – und dass
sie genau das verdient hat.
Es ist also wirklich eine grundsätzlich
simple Rachestory, die NOCTURNAL ANIMALS erzählt, eingehüllt in
eine dreilagige Geschichte, und die es dem Zuschauer überlässt, sie
zusammenzusetzen. Oder eben nicht.
Tom Ford erklärt ausdrücklich, dass
er genau das dem Zuschauer auch überlassen will. So gibt es noch
ganz andere Deutungen dafür, dass Edward am Ende nicht zu dem
Treffen erscheint. Etwa, dass er Susan noch immer liebt, und es zu
schmerzhaft für ihn wäre, sie zu sehen, oder dass er durch sie
Inspiration für sein Meisterwerk gefunden hat, und sie nun nicht
mehr braucht. All das will Ford bewusst dem einzelnen Zuschauer
überlassen.
Aber mal im Ernst: Gibt es ein
schöneres Ende als die Rache eines verlassenen Mannes?
Tony und Susan
NOCTURNAL ANIMALS basiert auf dem 1993 erschienenen Roman „Tony und Susan“ von Austin Wright. Der Roman gilt heute als eines der Meisterwerke der „Roman im Roman“-Geschichten und hat eine durchaus bewegte Geschichte hinter sich.
Von elf Verlagen abgelehnt, erscheint
Wrights Buch schließlich bei einem Kleinverlag, wird von der Kritik
gefeiert und erhält zwei Auflagen und Übersetzungen in dreizehn
Sprachen.
Schon früh sichert sich Universal die
Filmrechte, die später zu HBO wandern. Doch niemand findet einen
Weg, den verschachtelten Stoff zu verfilmen.
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Gelobt wird vor allem Wrights
Prosa-Stil, der sich mit Sicherheit als eigenwillig entpuppt. Während
Tony Hastings Geschichte etwa wie gewohnt im Präteritum verfasst
ist, wird Susans Handlungsstrang, während sie liest, in einem eher
zusammenfassenden Stil im Präsens niedergeschrieben. Auf den ersten
Blick wirkt der Roman so wie seine eigene Zusammenfassung.
1994 kauft Warner Books die Rechte am
Roman und veröffentlicht diesen neu, diesmal als Taschenbuch, doch
mit wenig Erfolg. Viele halten ihn zu künstlerisch für einen
Massenerfolg.
Schließlich schläft der Roman ein,
bis er 2010 erstmals in England veröffentlicht wird. Der dortige
Erfolg lässt den Roman auch in den USA neu aufleben.
2015 schließlich erhält Fords Plan
einer Verfilmung grünes Licht. Sein Script, das er nach dem Roman im
Roman betitelt, statt nach dem Roman selbst, nimmt einige
Veränderungen und Vereinfachungen vor, bleibt der Grundprämisse
aber treu. Unter dem Titel des Films erhält schließlich auch der
Roman eine weitere Neuauflage.
Auf der Frankfurter Buchmesse 2016 erhält
der Film übrigens den Preis für die Beste Internationale
Literaturverfilmung!
Fazit
NOCTURNAL ANIMALS ist ein spannender Film mit
vielen Stärken.
Herausragend und wunderschön
fotografiert von Seamus McGarvey (längst überfällig für einen
Oscar!) erzählt er eine „simple“ Rachegeschichte so tiefsinnig
und vielschichtig, dass es ein Fest für jeden Kinozuschauer ist, der
Spaß daran findet, sich im Kino einzubringen, sich das Gezeigte
selbst zu erschließen. Wer auf reinen Eskapismus aus ist, und im
Kino lediglich entspannt unterhalten werden will, könnte mit dem
Film seine Schwierigkeiten haben, da er dafür über weite Strecken
zu artifiziell wirkt. Ihnen bleibt immerhin eine straighte
Rachegeschichte in der Filmmitte.
Die glänzt übrigens mit einer der
packendsten und intensivsten Szenen des Jahres, denn der Zusammenstoß
der Familie Hastings mit den drei undurchsichtigen Fieslingen hält
einen konstant auf der Kante des Kinosessels und ist ein
Jahreshighlight des Spannungskinos.
Darstellerisch glänzt NOCTURNAL
ANIMALS auf ganzer Linie. Allen voran Jake Gyllenhaal, der wieder
einmal eine fein nuancierte Doppelrolle ausfüllt, und durchgängig
zu bewegen weiß. Aaron Taylor-Johnson zeigt als schmieriger
Hinterwäldler wieder einmal, wie wandelbar er ist (wofür er mit
einer Golden Globe Nominierung geehrt wird), und Michael Shannon
beweist erneut, dass seine Zeiten als Nebendarsteller und Knallcharge
endgültig vorbei sind, und vollführt einen weiteren Schritt auf dem
Weg zum ernstzunehmenden Charakterdarsteller.
Amy Adams macht ihre Sache ebenfalls
gewohnt gut, hat jedoch eine so reduzierte Rolle, dass sie darin kaum
glänzen kann. Dennoch gibt es immer wieder Einzelmomente, in denen
sie mit einem Blick oder einer kargen Mimik erstaunlich viel über
ihre Figur verrät. Dennoch überzeugt sie aktuell in ARRIVAL
deutlich mehr, was auch daran liegt, dass sie mehr zu tun hat.
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Alle Beteiligten vor und hinter der
Kamera werden zu Recht für diverse Preise nominiert, wenn es auch
zumeist bei der Nominierung bleibt.
Das wird dem Film gerecht, denn bei
allen Stärken – es gibt sie, die Schwächen. Am Ende gelingt es
Ford nicht, die so wichtige emotionale Bindung der Figuren wirklich
mit Nachdruck zu vermitteln. Gerade die eigentlich bedeutsamen
Momente zwischen Edward und Susan, die das Fundament für die
Geschichte legen, überzeugen nicht. Man gewinnt eine Ahnung, wo es
zwischen ihnen hakt, doch die Beziehung der beiden wird nie wirklich
lebendig. Dadurch verpasst es der Film, den Zuschauer emotional
dorthin mitzunehmen, wo die wirklich spannende Ebene der Geschichte
liegt: In den Gefühlen, die Susans Trennung von Edward begleiten.
Dieser Aspekt wird durch die losgelöste Inszenierung nur schwer
greifbar und lässt viele Zuschauer mit Sicherheit ratlos und
unberührt zurück.
Auch ist es riskant und nicht für
jeden Geschmack geeignet, einen Film derartig zu verrätseln, und am
Ende manchmal ganz eklatante Handlungselemente unerfüllt liegen zu
lassen.
So reiht sich NOCTURNAL ANIMALS ein, in
ein exzellentes Thrillerjahr. Für Leute, die ein wenig Kunst im Kino
vertragen können, ist er mit Sicherheit einen Blick wert, für alle,
die Kunst im Kino lieben, ist er ein Pflichtbesuch.
Wer mit allzu viel Kunst nichts
anfangen kann und seine Thriller lieber geradlinig und leicht
verständlich mag, könnte seine Schwierigkeiten haben und sollte
sich den Besuch daher zwei Mal überlegen.
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