14.12.16

Porträt: Michael Douglas - König der Kontroversen

Als Sohn einer Legende Karriere zu machen, sich aus dem Schatten des schier übermächtigen Vaters zu lösen, ist keine leichte Aufgabe, und viele Künstler scheitern daran.
Michael Douglas ist keiner davon. Nicht nur gelingt es ihm, sich ganz und gar aus dem Einflussbereich des allgegenwärtigen Kirk Douglas zu lösen, sondern er avanciert auch zu einem der größten Kinostars der Achtziger und Neunziger, prägt Klassiker, Ikonen und ein Image, das immer wieder im Gegensatz zu seinem persönlichen Leben steht und nichts über die schweren Kämpfe verrät, die er gegen die Sünden seines Vaters und das Schicksal austrägt.
Quelle: DVD „Falling Down“ © Warner Home Video


Marcos Blick:

Heute gilt Michael Douglas als einer der erfolgreichsten und populärsten Stars der letzten dreißig Jahre. Unzählige Hits wie WALL STREET, BASIC INSTINCT oder EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE tummeln sich in seinem Œuvre. Hinzu kommen Publikumslieblinge wie DER ROSENKRIEG, FALLING DOWN, oder THE GAME. Auch kleine, heißgeliebte Perlen wie DIE WONDER BOYS, DER GEIST UND DIE DUNKELHEIT oder BLACK RAIN, die heutzutage ein wenig untergegangen sind, finden sich darunter.

Doch Michael Douglas muss sich den Erfolg hart erarbeiten. Härter vielleicht als viele seiner Kollegen, die ähnlich erfolgreich sind, denn zu Beginn seiner Karriere ist er vor allem eines: Der Sohn von Kirk Douglas – eine Hollywoodlegende, wie es kaum eine zweite gibt. Einer der beliebtesten und erfolgreichsten Schauspieler und Produzenten, die das Goldene Zeitalter Hollywoods je hervorgebracht hat. Der wohl größte der strahlenden, unbestechlichen, moralisch niemals wankenden Helden der Leinwand.
Vielleicht ist es bei diesen Bedingungen kein Wunder, dass Michael Douglas seinen Ruhm auf Krawall und moralische Grenzlinien stützt. Wo sein Vater stets mit dem strahlenden Helden assoziiert wird, abonniert sich Michael Douglas auf sperrige, kontroverse Filme, auf kantige Rollen in moralischen Grauzonen, auf Geschichten, die anecken, aufrütteln, die immer wieder zu medialen Debatten führen. Ehebrecher, moralbefreite Raffzähne, Amokläufer, korrupte Polizisten, Scheidungskrieger, Belästigungsopfer – in seiner Glanzzeit spielt Michael Douglas immer wieder die fleischgewordene Antithese zu seinem Vater.

Kurz mal privat


Michael Kirk Douglas wird am 25. September 1944 in New Jersey geboren, und zwar ziemlich unerwartet. Das erste Kind der Schauspieler Kirk und Diana Douglas kommt verfrüht zur Welt, als seine Eltern gerade eine Tante besuchen.
Michael ist sechs, als seine Eltern sich scheiden lassen. Er lebt mit seinem Bruder Joel bei der Mutter. Seinen Vater sieht er nur an den Feiertagen, was die Beziehung der beiden extrem prägen wird.
Während Michael und Joel in einem relativ normalen Haushalt leben, sieht er seinen Vater immer wieder als überlebensgroßen Helden auf der Leinwand. Jedoch findet der Vater selten Zeit für seinen Sohn.

1954 heiratet Kirk erneut und schenkt Michael noch zwei Halbbrüder. Fortan wird der langsam zum Teenager reifende Michael immer wieder zwischen den beiden Familien pendeln. Wie ein Chamäleon, erklärt er später, würde er sich zwischen den zwei Familienleben verwandeln. Doch auch zu seinen beiden jüngsten Brüdern wird Michael eine enge Bindung aufbauen.
Quelle: DVD „Das China-Syndrom“ © Sony Pictures Home Entertainment
Allein die Beziehung zu Kirk, der immer seine Karriere den eigenen Kindern vorzieht, bleibt problematisch. Als Teenager entwickelt Michael erste Ambitionen, ebenfalls Schauspieler zu werden, vermutlich aus dem Wunsch heraus, seinen Vater stolz zu machen. 
Der jedoch ist zunächst wenig begeistert und versucht, Michael dessen Pläne auszureden. Erst später, als er erkennt, dass sein Sohn es ernst meint, beginnt er ihn spürbar (und erfolgreich) zu fördern und ihm den Weg zu ebnen.

Erstaunlich ist, dass gerade Michael die Fehler seines Vaters wiederholt. Michaels ältester Sohn Cameron leidet ebenfalls darunter, dass sein Vater der Karriere wegen nie zu Hause ist. Auch Cameron will Schauspieler werden, kann jedoch nicht Fuß fassen und versinkt immer mehr im Drogensumpf.
Die öffentliche Anekdote um Michael Douglas' Sohn zeigt vor allem, wie sehr dem Mimen das Familienleben letztendlich am Herzen liegt – und wie schwierig es sich für ihn gestaltet.
(Anrührend in diesem Zusammenhang auch seine Dankesrede, als er 2009 den Lifetime Achievement Award der AFI erhält, die ihn als familientreuen und überaus witzigen Zeitgenossen zeigt.)


Michaels Karriere verärgert seinen Vater, und entfremdet ihm seinen Sohn. Drei Generationen des Douglas-Clans, die vom Erfolg gezeichnet werden. Erst als Kirk Opfer eines Hubschrauberabsturzes und eines Schlaganfalls wird, nähern er und Michael sich wieder an, und auch Sohn Cameron muss erst ganz abstürzen, bevor die Familie zu so etwas wie einem harmonischen Gleichgewicht findet.

Doch auch wenn Michael Douglas' Privatleben interessant verläuft, und sich immer wieder mit seinem beruflichen Weg kreuzt, wollen wir uns hier auf seine Filmkarriere konzentrieren. Denn die hat es nicht weniger in sich.

Die Karriere liegt in den Straßen


Nachdem Douglas seinen allerersten Auftritt als Statist in einem Film seines Vaters absolviert hat, gibt er seinen Einstand 1969 in einer Folge der Reihe CBS PLAYHOUSE, einer Art Fernsehtheater, in dem der Sender einige Fernsehdramen produziert. Es ist der einzige Auftritt, in dem er sich namentlich noch als Michael K. Douglas aufführen lässt. Fortan lässt er seinen zweiten Vornamen Kirk gänzlich unerwähnt.
Es folgen einige Auftritte – darunter Hauptrollen – in komplett unerwähnenswerten Filmen und Serien, bevor 1972 das Schicksal zuschlägt und dem 28-jährigen Douglas seinen ersten Hit verschafft. Und wieder ist es sein Vater, der indirekt die Weichen stellt.

Quinn Martin ist einer der erfolgreichsten Fernsehproduzenten seiner Zeit. Von 1959 bis 1980 hat er jedes Jahr mindestens eine Serie zur Prime Time im amerikanischen Fernsehen laufen, oftmals mehrere. Sein größter Erfolg bleibt der Gassenhauer AUF DER FLUCHT, doch auch mit FBI produziert er einen neunjährigen Dauerbrenner, in dem auch Michael Douglas seinen ersten Auftritt hat.
Quelle: DVD „Die Straßen von San Francisco“ © Paramount
Nun arbeitet Martin an einem neuen Format, das besonders actionreich und authentisch sein soll. In DIE STRAßEN VON SAN FRANCISCO sollen schnelle Schnitte und wilde Verfolgungsjagden, aber auch möglichst aktuelle soziale Themen aufgegriffen werden, und für Quinn gibt es nur einen Star, den er für die Serie haben will: Karl Malden.


Malden ist zu der Zeit bereits sechzig und hat den Großteil einer ordentlichen, aber nicht überragenden Karriere hinter sich. (Zwei seiner größten Erfolge hat er in den Fünfzigern in Nebenrollen an der Seite von Marlon Brando. Für DIE FAUST IM NACKEN und ENDSTATION SEHNSUCHT erhält er jeweils eine Oscarnominierung und für letzteren sogar die Trophäe.) Darüber hinaus ist er seit 1940 eng mit Kirk Douglas befreundet, mit dem er, als dieser noch völlig unbekannt war, auf der Theaterbühne steht.
Als die Frage aufkommt, wer Maldens Partner spielen soll, wendet Kirk sich an seinen alten Freund und bittet ihn, sich für Michael einzusetzen. Und Malden einigt sich mit Quinn Martin: Er würde die Rolle nur annehmen, wenn ihm Michael an die Seite gestellt würde. Martin, der Michael Douglas bereits in FBI bemerkenswert fand, sagt schließlich zu und bietet dem jungen Douglas die Rolle als aufbrausender Cop an.
Kirk ermutigt seinen Sohn, das Angebot anzunehmen. Er weiß, dass Malden ein hervorragender Schauspieler ist, und ermahnt seinen Sohn, die Chance zu nutzen. „Von ihm kannst du viel lernen“, gibt er ihm mit auf den Weg.

Douglas nimmt sich die väterliche Ermahnung zu Herzen. Beinahe fünf Jahre lang stehen Douglas und Malden gemeinsam vor der Kamera, und bauen eine enge private und berufliche Bindung auf. Douglas erklärt, dass Malden ihm nicht nur als Mentor gedient habe, der ihm vor allem Arbeitsdisziplin gelehrt habe (so besteht Malden darauf, während der Dreharbeiten einer Folge bereits das Script für die nächste Folge zur Hand zu haben, so dass er und Douglas in den Drehpausen die Texte für die kommende Woche üben können), sondern auch als Ersatzvater. Auch der kinderlose Malden erklärt später, in Douglas den Sohn gefunden zu haben, den er selbst nie hatte.
Tatsächlich scheint Douglas in Malden den Vater gefunden zu haben, der Kirk ihm nie sein konnte. Obwohl er 1977 zu Beginn der letzten Staffel aus der noch laufenden Serie aussteigt und Malden die letzte Staffel allein beenden lässt, bleiben die zwei bis zu Maldens Tod 2009 enge Freunde.

Mit DIE STRAßEN VON SAN FRANCISCO wird „Kirks Sohn“, wie ihn die Öffentlichkeit wahrnimmt, endlich bekannt. Die Serie erweist sich als überaus kultig und erfolgreich, auch in Deutschland.
Da Douglas in den USA noch das Image eines „Milchbubis“ hat, sucht das ZDF einen Synchronsprecher, der dem Schauspieler etwas mehr Nachdruck verleiht – und findet ihn in dem Theaterschauspieler Volker Brandt.
Brandts Stimme erweist sich als derartig passend und ikonisch, dass Douglas nach 1972 nur noch ein einziges Mal eine andere deutsche Stimme verliehen bekommt. In dem Sportlerdrama RUNNING wird er 1979 von Lennardt Krüger gesprochen. Später wird einer seiner ersten Filme für den VHS-Start sogar mit Volker Brandt neu synchronisiert.

Der größte Erfolg, die tiefste Kluft


Trotz der Erfolge mit DIE STRAßEN VON SAN FRANCISCO ist Douglas noch unzufrieden mit seiner Schauspielkarriere und der Tatsache, dass er kaum als „Michael Douglas“, sondern vor allem als „Der Sohn von Kirk Douglas“ wahrgenommen wird.
Die Kluft zwischen den beiden wird, ausgerechnet, von Michaels erstem großen Erfolg noch vergrößert und sorgt für jahrelange Streitigkeiten.

1962 veröffentlicht Ken Kesey seinen Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“. Das Buch wird eines von Kirk Douglas' Herzensprojekten, und so übernimmt er 1963 nicht nur die Hauptrolle in der Broadway-Adaption, sondern sichert sich auch die Rechte an einer Verfilmung. Beinahe zehn Jahre lang versucht er vergeblich, den Film zu produzieren, findet jedoch nicht genügend Geldgeber. Das Stück war leidlich erfolgreich und, so sagt er, „in jener Zeit wollte niemand ein Stück sehen, dass sich vermeintlich über geistig Kranke lustig macht.“
1972 gibt er auf und die Rechte wieder frei.

Quelle: Blu RayKing od California“ © 3L Vertriebs GmbH & Co. KG
Michael wittert seine große Chance. Nicht nur, weil er das Buch ebenfalls liebt, sondern weil er, so mutmaßen seine Biografen, seinem Vater etwas beweisen will. Die beiden schließen einen Handel: Michael erhält die Filmrechte unter der Bedingung, dass Kirk die Hauptrolle spielen darf, sobald der Film produziert wird.
Und Douglas hat das Glück, das seinem Vater fehlt.
Saul Zaentz ist professioneller Kartenspieler, bevor er ein Jazz-Label kauft. Anfang der Siebziger beschließt er, in die Filmproduktion einzusteigen, und findet recht schnell ein erstes Projekt. Denn Zaentz liebt die Bühnenversion von „Einer flog über das Kuckucksnest“, und stellt sich Michael Douglas als Co-Produzent an die Seite.

Dennoch dauert es noch drei Jahre, bis die beiden die Finanzierung für den Film zusammenbekommen. Erst Anfang 1975 beginnen die Dreharbeiten. Und damit kommt der endgültige Bruch zwischen Kirk und Michael.
Denn Kirk ist bereits 59, und damit viel zu alt für die Rolle des McMurphy. Sowohl Zaentz als auch der Regisseur, ein in Amerika fast unbekannter Tscheche namens Miloš Forman, sträuben sich gegen den Altstar. Und so bleibt Michael Douglas nichts anderes übrig, als seinem Vater die schlechte Nachricht zu überbringen: Er wird die Hauptrolle in seinem Herzensprojekt nicht spielen. Stattdessen geht diese an einen aufstrebenden Star des New Hollywood, Jack Nicholson, nachdem einige andere Wunschkandidaten abgesagt haben. 

Über Details lässt sich nur spekulieren, aber einige deutliche Hinweise gibt es darauf, wie tief Kirk darüber gekränkt ist, dass er übergangen wurde.
EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST startet Ende November 1975 in den Kinos und wird ein überragender Erfolg. Douglas' erste Arbeit als Produzent erweist sich, trotz gemischter Kritiken, als sofortiger Klassiker. Heute gilt er zu Recht als einer der besten Filme aller Zeiten, doch schon 1975, immerhin dem Jahr, das auf ewig mit dem Blockbuster-Erfinder DER WEISSE HAI in Verbindung stehen wird, mausert er sich zu einem Kassenschlager und Magnet für Auszeichnungen. Bei den Oscars wird Douglas' Produzenten-Debüt neun Mal nominiert und räumt in allen fünf Hauptkategorien ab. Damit ist er der erste Film, dem das 41 Jahre nach ES GESCHAH IN EINER NACHT von 1934 wieder gelingt. (Der Film bescherte Clark Gable immerhin seinen einzigen Oscar.)

Die Oscarverleihung wird zu Michael Douglas' Triumphzug. Noch als „Kleiner Fernsehdarsteller“ gewinnt er seinen ersten Oscar als Produzent. Ein Triumph, der seinem Vater weiterhin verwehrt bleibt. Besonders bitter: Jack Nicholson gewinnt seinen ersten Oscar für die Rolle, die Kirk für sich auserkoren hatte.
Quelle: Blu RayAuf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ © Twentieth Century Fox
Obwohl Kirk keine zwei Kilometer vom Dorothy Chandler Pavillon entfernt wohnt, in dem die Zeremonie stattfindet, bleibt es die einzige Oscarverleihung, an der er nicht teilnimmt. Noch 2009, mit 93 Jahren, als Michael Douglas den Lifetime Achievement Award des American Film Institutes erhält, lässt Kirk Douglas in seiner Laudatio keine Gelegenheit aus, ausschweifend darüber zu erzählen, dass sein Sohn ihm diesen Triumph vorenthalten habe.


Michaels Versuch, die Kluft zwischen sich und seinem Vater zu kitten, hat diese nur noch vergrößert. Beinahe zwanzig Jahre lang sind die beiden anschließend weiter voneinander entfernt als je zuvor. Dafür beginnt Douglas allmählich, auf eigenen Füßen zu stehen und sich aus dem Schatten seines Vaters zu lösen. 

Actionheld Junior


In einem Interview, viele Jahre später, erzählt Douglas, er habe die zwei Seiten seiner Karriere immer genossen. Als Schauspieler, sagt er, habe er immer das Kind in sich herauslassen können. Als Produzent hingegen habe er all die Reife und Zurückhaltung aufbringen müssen, die ein Erwachsener mitbringen sollte.
Er sagt, dass es ihm vielleicht auch deshalb so leicht gefallen sei, zwischen beiden Seiten zu wechseln, weil er als Kind in zwei Familien aufgewachsen sei.
Quelle: DVD Black Rain“ © Paramount
Zu Beginn seiner Laufbahn ist die Diskrepanz in seiner Karriere mehr als deutlich.

Als Produzent hilft ihm der Erfolg von EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST sichtlich. (Wie auch seinem Partner Saul Zaentz, der mit AMADEUS und DER ENGLISCHE PATIENT noch zwei weitere Oscars einheimsen wird.) Sein nächstes Projekt wird ihm ebenfalls ein wichtiges Anliegen werden, denn mit DAS CHINA SYNDROM, für den er aus DIE STRAßEN VON SAN FRANCISCO aussteigt, widmet er sich der langsam ernster werdenden Atompanik, einem der Topthemen jener Zeit. (Siehe dazu auch unser Beitrag zu SILKWOOD.)

Als Schauspieler hat er es schwerer. Er wird in dezent trashigen (heute aber durchaus kultigen) Unterhaltungsfilmen gecastet, etwa in den Thrillern COMA oder EIN RICHTER SIEHT ROT, der immerhin schon ein wenig kantiger wirkt. Hinzu kommen seichte Dramen wie RUNNING oder eine Liebeskomödie(!) wie IT'S MY TURN.
Dennoch wird er den Nimbus nicht los, „Kirks Sohn“ zu sein. Er spielt heldenhafte Rollen, Rollen, die sein Vater gespielt hätte.
Hinzu kommt ein Skiunfall, der ihn 1980 für drei Jahre arbeitsunfähig macht, was einer aufstrebenden Karriere den Todesstoß geben kann.

Nichts macht Douglas' Status als „Kirks Sohn“ deutlicher, als der Film, der ihm seinen ersten Durchbruch verschaffen soll. Er selbst produziert sich in AUF DER JAGD NACH DEM GRÜNEN DIAMANTEN als romantischen Actionhelden. Und das so erfolgreich, dass er zwei Jahre später mit AUF DER JAGD NACH DEM JUWEL VOM NIL eine von nur zwei Fortsetzungen dreht, die er je macht.
Quelle: Blu Ray Der Geist und die Dunkelheit“ © Splendid Film / WVG
Es scheint, als würde sich das erfüllen, was Douglas viele Jahre später über „Karrieren der zweiten Generation“ sagt: „Wenn du ein Erfolg der Zweiten Generation bist, dann wurde sich um dich gekümmert. Als Produzent kamen meine Erfolge ziemlich früh in meiner Karriere; als Schauspieler kamen sie erst viel später. Es fällt den Menschen schwer, ganz gleich wie großmütig sie sind, dir Spielraum zu geben. Sie sagen: 'Oh, es muss schwer gewesen sein, Kirk Douglas' Sohn zu sein', aber sie wollen das nicht wirklich akzeptieren. Du wächst in dieser Branche auf, und das bedeutet, dass du nie die Chance hast, die Freude des Erfolgs zu spüren. Wenn du erfolgreich bist, dann wurde das erwartet. Wenn Sie sich mal umsehen, werden Sie bemerken, dass es so gut wie keine Erfolgsgeschichten der zweiten Generation gibt. Es ist ein Schlachtfeld der Katastrophen, der gescheiterten Karrieren und Selbstzerstörungen dort draußen. Die öffentliche Wahrnehmung ist, dass du nichts dafür tun musst. Wenn du also Erfolg hast, wurde das erwartet. Wenn du nicht erfolgreich bist, bist du nur ein Arschloch wie alle anderen auch.“

Und vielleicht wäre auch Michael Douglas wirklich nie der Erfolg beschienen gewesen, aus dem Schatten seines Vaters zu treten, wenn da nicht die Gier wäre.

Gieriger Befreiungsschlag


Obwohl Michael Douglas schon vorher ein Star war, lässt sich der Augenblick, von dem ab er als eigenständiger Künstler wahrgenommen wird, sehr präzise bestimmen.
1987 erhält er in Oliver Stones Kultfilm WALL STREET die Rolle des charismatischen Ekels Gordon Gekko. Es ist wohl kein Zufall, dass er sich ausgerechnet mit einer Rolle freistrampelt, die die Anthithese von allem darstellt, womit Kirk Douglas verglichen wird. Kirks' Figuren, so drückt es Steven Spielberg einmal aus, sei gemeinsam, dass sie alle von einem Gewissen geleitet würden. Ein Gewissen jedoch ist das letzte, was Gordon Gekko auszeichnet.
Quelle: DVD Wall Street“ © Twentieth Century Fox
Michael Douglas schlüpft mit einer unnachahmlichen Wonne in eine Figur, die andere unterdrückt, erpresst, ausbeutet. Der Inbegriff der Egozentrik, der Kaltherzigkeit, der Gier. Die personifizierte Wall Street.

Was weder Douglas noch Stone voraussehen können: Gordon Gekko wird zur Kultfigur. Zum Idol einer Generation. „Ich war immer schockiert, als so viele Menschen, die WALL STREET gesehen hatten, behaupteten, ich wäre der Mensch gewesen, der sie beeinflusst und inspiriert habe, ins Investmentgeschäft einzusteigen. Ich sagte dann immer: 'Aber ich war der Bösewicht', und sie antworteten: 'Nein, nein, nein.' Sie haben mich nicht so gesehen, also war das alles wohl ziemlich verführerisch, schätze ich.“

Tatsächlich fällt es schwer, Douglas' Charme zu widerstehen, mit der er seine Boshaftigkeit auf die Leinwand bringt. Der Lohn ist der Oscar für die beste Hauptrolle.
Damit hat er seinen Vater endgültig übertrumpft. Noch dazu hat er einen bis heute gültigen Rekord aufgestellt: Als einziger Filmschaffender überhaupt, kann er je einen Oscar als Schauspieler und Produzent gewinnen.
Der einzige, der diesem Rekord nahekommt, ist Laurence Olivier, der zwar ebenfalls je einen Oscar als Schauspieler und Produzent aufweisen kann, letzteren jedoch „nur“ als Ehrenoscar außerhalb des Wettbewerbs, da zu jener Zeit noch nicht die Produzenten selbst den Oscar für den besten Film in Empfang nahmen, und sein Film HEINRICH V. auch gar nicht ausgezeichnet wurde.

Mit einem Mal steht Douglas ganz oben. Endlich hat er auch als Künstler der „Zweiten Generation“ eigene Erfolge aufzuweisen, endlich wird auch seine harte Arbeit anerkannt und nicht weiter als Nebenprodukt des Silbernen Löffels betrachtet, mit dem er geboren zu sein scheint. 

Kill the bitch!


Mit WALL STREET und dem kurz zuvor erschienenen EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE beginnt Douglas' eigentliche Karriere als Filmstar.
Und die ist so ganz und gar anders als die seines Vaters.

Douglas' große Stärke liegt in Figuren, die ambivalent sind, zerrissen, jenseits jeder klaren Moral. Zwei dieser Figuren sind es, die ihn 1987 quasi über Nacht zum Star machen, indem sie weltweite Debatten auslösen.
Quelle: DVD Eine verhängnisvolle Affäre“ © Paramount

Der erste Film ist EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE, ein aus heutiger Sicht etwas schwülstiger Erotik-Thriller von Adrian Lyne, der seinerzeit heftige Kontroversen auslöst.

Der Spiegel schreibt in seiner Kritik: „Ohne Kassen-Stars, ohne galaktisches Feuerwerk aus dem Special-Effects-Labor, ohne Reiz für das kinosüchtige Teenager-Publikum – und doch ist 'Fatal Attraction' [so der Originaltitel] der Überraschungs-Hit der Saison, ein übers Kino hinausgreifendes Phänomen, ein Ereignis: Party-Gespräche, Kaffeepausen-Palaver in Großraumbüros und Fernseh-Talkshows laufen heiß, wenn es um 'Fatal Attraction' geht.
Erzählt wird auch von Tonbändern, die Regisseur Lyne während der Vorführungen des Films aufnimmt: „Hass staut sich auf, Hysterie, eine lynchlüsterne Massenaggressivität, die sich im wilden Geschrei entlädt: 'Kill her! Kill the bitch!'“ Tatsächlich entwickelt sich die von Glenn Close gespielte Alex Forrest zur meistgehassten Kinofigur des Jahres (Ganz anders als Gordon Gekko!), und auch wenn Glenn Close dafür eine Oscarnominierung einheimst, ist sie auf Jahre, vielleicht für den Rest ihrer Karriere, auf die Rolle der bösen, zumindest aber der moralisch verwerflichen Frauenrolle abonniert.

Das Time-Magazine erklärt, der Film wäre der „Zeitgeist-Movie-Of-The-Year“. Am Ende der Geschichte stünde zudem die starke moralische Botschaft, dass eheliche Treue der beste Schutz vor Schaden sei.

Ironischerweise ist das alles gar nicht unbedingt so geplant. „Was mich so stolz auf EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE macht“, erklärt Douglas etwa, „ist, dass ich damit beginne, dass das Publikum mich nicht mag.“ Tatsächlich erweist sich die Prämisse als ungewöhnlich. Douglas spielt einen charmanten Anwalt, der ein Wochenende als Strohwitwer ausnutzt, und sich zwei Tage hemmungslos und ohne Gewissensbisse mit der Lektorin Alex vergnügt. Erst als seine Affäre die Trennung nicht verkraftet und beginnt, den Anwalt und seine junge Familie zu stalken, wendet sich das Blatt.

Ein Ehebrecher, der zum Opfer wird? Eine erfolgreiche Karrierefrau, die sich als realitätsfremde Psychopathin entpuppt? Noch dazu kommt der Ehebrecher mehr oder weniger ungeschoren davon und hat keine Konsequenzen zu befürchten, während die ausgenutzte Lektorin zu einem der größten Hassobjekte des Kinojahres wird.
Einige Feministinnen beschweren sich bitterlich über das Rollenbild des Films, verkünden, dass extreme Änderungen am Script vorgenommen worden sein sollen, um Alex möglichst negativ zu zeichnen.
Tatsächlich soll der Film zunächst ganz anders enden: Mit dem tragischen Selbstmord der „Schurkin“. Miese Reaktionen des Testpublikums und Druck des Studios verschaffen einem schließlich das noch heute so populäre Ende, das aus jedem Achtziger-Slasherfilm stammen könnte, dem Publikum aber tiefe Befriedigung verschafft: „Kill the bitch!“

Doch es sind vor allem die öffentlichen Debatten über Ehebruch, die in den USA und weltweit die Talkshows bestimmen.

Ähnliche Diskussionen, wenn auch eher in Fachkreisen, löst der Film WALL STREET aus. Innerhalb eines Jahres ist es Douglas gelungen, zwei Mal die öffentliche Diskussion über vermeintlich alltägliche Themen anzustoßen. Mit Filmen und Figuren, die keiner klaren moralischen Linie folgen, sondern auf jenem schmalen Grat zwischen Schurke und Held, zwischen charismatisch und abstoßend tänzeln.
Spätestens jetzt wird Douglas' immer leicht hinterhältiges Grinsen sein Markenzeichen, jener ambivalente Ausdruck, der echte Erheiterung ausdrückt, und hinter dem doch immer das Versprechen irgendeiner Boshaftigkeit steckt.
Quelle: DVD Black Rain“ © Paramount
Das beweist er 1989 auch in BLACK RAIN, einem in Tokyo spielenden Thriller, der die Differenzen zwischen Amerika und Japan (seinerzeit im festen Ringen um die Vorherrschaft auf dem Elektronikmarkt umklammert) besser inszeniert als jeder andere Film, ja, ihn sogar zu einem der Hauptprotagonisten macht.

In DER ROSENKRIEG findet Douglas im gleichen Jahr ein drittes (und bisher letztes) Mal mit seinen Partnern Kathleen Turner und Danny DeVito zusammen.
Mit DeVito verbindet Douglas eine lange Freundschaft, seit die beiden sich als aufstrebende Jungschauspieler Ende der Sechziger ein Apartment am Broadway geteilt haben. (Was einer der Gründe ist, dass Douglas DeVito in EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST castet.) Die Beziehung mit Turner ist eher geschäftlicher Natur, doch beide haben in AUF DER JAGD NACH DEM GRÜNEN DIAMANTEN und AUF DER JAGD NACH DEM JUWEL VOM NIL gut harmoniert, auch wenn Turner später beklagt, sie habe die Fortsetzung nur gemacht, weil Douglas sie mit der Androhung einer 25 Millionen Dollar Klage dazu gezwungen habe. „Michael ist ein guter Freund, aber das Douglas-Familienmotto lautet nun einmal: Rache ist die beste Rache.“

DER ROSENKRIEG wird ein Riesenhit und echtes Neuland. Filme übers Verlieben gibt es unzählige, Scheidungs- oder Trennungsfilme sind bis heute an einer Hand abzuzählen. 1989 besteht das Genre förmlich aus dem Drama KRAMER GEGEN KRAMER, doch eine Scheidung als bitterböse, schwarze Komödie, in der ein einst verliebtes Paar sich bis aufs Blut um das Haus streitet? So etwas gab es noch nicht. (Und ist bis heute nicht mehr erreicht worden.)
Wieder gelingt es Douglas (und diesmal auch Turner), eine Figur zu spielen, die gleichermaßen bösartig wie charismatisch, bedauernswert wie verabscheuungswürdig ist. 

Die kontroverse Dreifaltigkeit


Von 1992 bis 1994 dreht Douglas seine drei größten Filme.

Als BASIC INSTINCT 1992 erscheint, schießt der Streifen Douglas auf den Zenit. Nie wieder wird er einen derart erfolgreichen und diskutierten Film drehen, auch wenn nicht er selbst im Zentrum der Diskussionen steht, sondern vornehmlich seine Partnerin Sharon Stone.
In Amerika löst BASIC INSTINCT vornehmlich wegen seiner für einen Mainstreamfilm äußerst expliziten Sexszenen heftige Reaktionen aus. Mehrere Tage filmt Regisseur Paul Verhoeven die zentrale Sexszene zwischen Douglas und Stone, aus allen möglichen Winkeln und Abständen, um Material zum Schneiden zu haben. Er will die drastischste Version ins Kino bringen, die ihm die amerikanische Zensur durchgehen lässt, ohne die Szene ganz rauszuwerfen.

Douglas, der zu dieser Zeit bereits Ende 40 ist, trainiert hart für seine Nacktszenen, weigert sich aber, sich der Kamera nackt von vorne zu zeigen, und weigert sich auch, seine Figur bisexuell anzulegen.
 Sharon Stone, die zu dieser Zeit kurz davor steht, ihre erfolglose Karriere abzubrechen und Jura zu studieren, und erst Nummer 14 auf der Wunschliste der Produzenten ist (alle anderen Kandidatinnen haben abgelehnt), hat da weniger Mitspracherecht.
Neben den Nacktszenen ist es vor allem ein geleaktes Drehbuch, das für Unmut in der LGBTQ-Szene sorgt. Etliche Homo- und Bisexuellenverbände befürchten, dass sie unter noch stärkeren Vorurteilen zu leiden haben, wenn sie wie in diesem Film als bösartige Serienkiller dargestellt werden.

Was kaum Erwähnung findet, ist Michael Douglas' Beweggrund, in dem Film mitzuwirken. Anfang der Neunziger erreicht die AIDS-Hysterie ihren Höhepunkt in den USA. Neben religiösen Gründen kann die prüde Rechte nun ein weiteres Argument gegen freie Sexualität aufbringen. Douglas befürchtet, dass die Furcht vor AIDS Sexszenen aus dem Kino verbannen könnte – eine mögliche Entwicklung, der er mit BASIC INSTINCT entgegenwirken möchte.
Quelle: Blu Ray Basic Instinct“ © STUDIOCANAL
Umso ironischer ist es, dass seine Sexszene mit Jeanne Tripplehorn (in ihrem Kinodebüt) vor allem dafür kritisiert wird, dass er einerseits an eine Vergewaltigung grenzt, andererseits aber ungeschützten Sex zeigt – in den Augen vieler Zeitgenossen angesichts von AIDS in unerträglichem Maße unverantwortlich.

Dabei ist auch diese Sexszene gut geplant, wie Douglas erzählt: „In einer Szene wie dieser versuche ich immer, dass meine Partnerin sich sicher fühlt, und dass sie weiß, dass sie nichts zu befürchten hat. Okay, also ich werde deine Brust hier berühren. Damit sie nicht das Gefühl bekommt, 'Hey, was macht der Kerl da?'. Es ist fast genau wie bei Kampfszenen. Du gehst die Schritte durch. Also, ich mache dann bäng, kuss, kuss, und reiß dir die Kleidung runter. Dann sagt der Regisseur Action und du tust es einfach. Es ist die am wenigsten spontane Sache auf der Welt. Die Schwierigkeit mit Sexszenen ist, dass Sex die eine Sache in Filmen ist, die jeder im Publikum kennt. Niemand im Publikum wurde ermordet, und die wenigsten haben eine Kugel abbekommen oder waren in einer brutalen Schlägerei. Aber im Liebemachen sind sie alle Experten.“

Einen ganz anderen Skandal löst Douglas' nächster Film FALLING DOWN aus.
Amokläufe sind 1993 zwar bereits amerikanischer Alltag, filmisch aber noch kaum aufgearbeitet. Und nun schlüpft Douglas in die Rolle eines Amokläufers – und trotzt dem Publikum Sympathien für den psychisch instabilen Gewalttäter ab.
Für die Diskussionen in Amerika gibt es etliche Gründe. Einer davon liegt darin, dass der letzte Drehtag von FALLING DOWN der Tag ist, an dem die von der Ermordung Rodney Kings ausgelösten Rassenunruhen in Los Angeles ausbrechen. Als der Film ein Jahr später erscheint, und genau in diesen Bezirken gründelt, werden damit schmerzhafte Wunden aufgerissen. Besonders die vielen koreanischen Grocerie-Store Besitzer fühlen sich gedemütigt.

Doch auch die Weißen sind beleidigt. Das Ende des Kalten Krieges hat zu massiven Entlassungswellen in der amerikanischen Rüstungsindustrie geführt, ein Umstand, den der Film ins Zentrum setzt, da die von Douglas gespielte, nur „D-Fens“ getaufte Figur einen dieser entlassenen Rüstungsarbeiter widerspiegelt.
Quelle: DVD „Falling Down“ © Warner Home Video
Unzählige arbeitslose Mitarbeiter der Verteidigungs-Industrie fühlen sich von dieser frühen Darstellung des „Angry White Man“ zutiefst getroffen und protestieren.


Ursprünglich will Douglas den Film gar nicht machen, da er gerade zwei Filme in Folge gedreht hat, und sich eine Auszeit für seine Familie wünscht. Sein Freund, Joel Schumacher, drängt ihn dazu, einen Blick ins Drehbuch zu werfen. Douglas kommt dem Wunsch nach und erklärt daraufhin, es sei das beste Script, das er je gelesen habe. Er sagt sofort zu.
Und mittlerweile ist Douglas ein Star. Dass er die Titelrolle übernimmt, sichert der Produktion augenblicklich ein deutlich erhöhtes Budget, das Douglas dadurch noch weiter erhöht, dass er selbst auf einen Großteil seiner Gage verzichtet.
Später erklärt er, dass die Figur des „D-Fens“ sein Lieblingscharakter wäre.

Neben den rein amerikanischen Kontroversen löst der Film weltweite Debatten über Amokläufe aus, über Hintergründe, Auslöser und Möglichkeiten, sie zu verhindern.

1994 schließlich setzt Douglas die nächste, und letzte große Kontroverse seiner Karriere in Gang.
In ENTHÜLLUNG breitet Autor Michael Crichton eine männliche Horrorphantasie aus: Tom Sanders wird von seiner Kollegin Meredith Johnson zum Sex genötigt. Kurz darauf schnappt ihm die intrigante Karrierefrau den Posten des Vorgesetzten weg – und entscheidet fortan über Wohl und Wehe seiner beruflichen Laufbahn. Und seiner Ehe. Denn Meredith besteht darauf, dass Tom die Affäre fortsetzt.

Sexuelle Belästigung“ wird zum allgegenwärtigen Talkshowthema im Fahrwasser des Films, vor allem, weil hier die vermeintlich sicheren Rollen einfach umgekehrt werden.

Erneut steigen Feministinnen auf die Barrikaden, da wieder eine starke Karrierefrau zum psychisch labilen Filmbösewicht hochstilisiert würde. Und erstmals regt sich auch Kritik an der Besetzung: Michael Douglas, mittlerweile 50, galt vielen Kritikern als zu alt für die Rolle. Darüber hinaus bemängelt man, dass der Film unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung sexistische Klischees verbreite und storytechnisch so schwach sei, dass Filmkritiker Roger Ebert den Streifen schlicht als „Startrampe für ein paar Sexszenen“ abstempelt. 
Heute gilt der auf Diskussion getrimmte Film inhaltlich als wenig wertvoll oder sehenswert wohl auch ein Grund dafür, dass er bis heute in Deutschland nicht auf DVD erschienen ist.

Runter vom sinkenden Schiff


Als wahlweise überaus hellsichtig oder als Hauptursache für das Desaster erweist sich Douglas, als er 1995 aus einem der folgenreichsten Flops Hollywoods aussteigt.
Douglas soll die männliche Hauptrolle in DIE PIRATENBRAUT spielen, verlangt aber, dass die Dreharbeiten aufgrund seines engen Terminplans sofort beginnen, und dass er ebenso viel Screentime wie Geena Davis erhält (die eigentliche Hauptrolle).
Quelle: DVD Disclosure“ © Warner Home Video (bisher keine deutsche DVD-Auswertung)

Ich war ziemlich weit in das Projekt involviert“, erklärt Douglas später, „aber ich bin nicht direkt vor Drehbeginn ausgestiegen – sondern schon vier oder fünf Monate vorher. Ich habe mich einfach nicht wohlgefühlt, einen Film zu drehen, bei dem der Regisseur mit der Hauptdarstellerin verheiratet ist. Nach einigen Drehbuchentwürfen gefiel mir nicht, wohin das führte. Die Sache hatte schon reichlich Fahrt aufgenommen, aber es machte keinen guten Eindruck.“

Als Douglas das Gefühl bekommt, dass er hinter Davis' Rolle hintenansteht, steigt er aus. Regisseur Renny Harlin sucht verzweifelt einen neuen Hauptdarsteller, den er schließlich in Matthew Modine findet, verliert über die Suche aber große Teile der Produktion aus den Augen. Als der Dreh starten soll, lässt er etliche Kulissen neu bauen, die ihm nicht gefallen.

Die Kosten explodieren, die Stimmung am Set ist katastrophal – sowohl Davis als auch Harlin wollen nach Douglas' Ausstieg nicht mehr weitermachen, werden aber durch ihre Verträge gezwungen.
Sechs Wochen vor der Premiere meldet das Studio Insolvenz an, und DIE PIRATENBRAUT versinkt eindrucksvoll an den Kinokassen. Die gut 120 Millionen Dollar Produktion spielt kaum 10 Millionen ein und gilt als verlustreichster Film der Hollywoodgeschichte. Die Karrieren von Geena Davis, Matthew Modine und Renny Harlin sind auf einen Schlag beendet, und der erhoffte Aufschwung des Piratengenres bleibt aus. (Zumindest, bis Captain Jack Sparrow die Bühne betritt.) 

Der traurige Independent-König


Michael Douglas ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Und offensichtlich scheint er für eine Weile genug davon zu haben, im Zentrum medialer Kontroversen zu stehen, so dass sich die Wahl seiner Rollen deutlich entspannt.
In HALLO, MR. PRESIDENT spielt er seine erste harmlose, romantische Komödie seit zwanzig Jahren, und in DIE GEIST UND DIE DUNKELHEIT seinen bisher einzigen historischen Film und einen erfrischend konventionellen Thriller.
Erst mit THE GAME gelingt ihm noch einmal ein kleiner Wurf ins kontroverse Fach, vor allem was die Erzählstruktur des Films angeht und die Frage, ob „man so was dürfe“, was im Film dargestellt wird.

THE GAME stellt auch Douglas' letzten großen Kinoerfolg dar. In der Folge finden seine Filme weniger Anklang, oder er spielt lediglich Nebenrollen in halbwegs erfolgreichen Streifen.
Kein Wunder – Douglas geht auf die 60 zu, und ist mittlerweile trotz aller späten Erfolge zu alt für den erotischen Helden.
Quelle: DVD Die Wonder Boys“ © Concorde Video

Dafür baut er sich eine ganz neue Nische auf, und beginnt, vermehrt in Independent-Filmen oder seinen eigenen Produktionen aufzutreten. EINE NACHT BEI MCCOOL'S etwa oder in THE SENTINEL. Als Produzent schiebt er auch Kultprojekte wie FACE/OFF, FLATLINERS oder DER REGENMACHER an.
Doch es sind vor allem seine Independent-Filme, die noch einmal für Aufsehen sorgen, allen voran DIE WONDER BOYS, der Douglas bis heute ein wenig mit Trauer erfüllt: „DIE WONDER BOYS war eine große, persönliche Enttäuschung. Ich habe den Film geliebt, und wir sind, was Auszeichnungen angeht, nicht einmal erwogen worden. Ich hab das für eine verdammte Schande gehalten. Ich werde ehrlich sein – das hat meinem Selbstbewusstsein echt geschadet. Es war ein Schlag in den Magen. Tatsächlich war es mein Vater, der mir da durchgeholfen hat. Sein Lieblingsfilm ist EINSAM SIND DIE TAPFEREN von 1962. Niemand hat den gesehen, als er rauskam, und niemand hat ihn seither gesehen. Die Enttäuschung meines Vaters über diesen Film hat mir geholfen, meine eigene zu verarbeiten.“

Tatsächlich ist DIE WONDER BOYS einer von Douglas' besten Filmen und mit Sicherheit einer seiner schrägsten Auftritte.
Deutlich sperriger erweist sich der immer noch sehenswerte KING OF CALIFORNIA, der am Ende zu wenig wusste, was er sein wollte, auch wenn gerade das Douglas gereizt hat: „KING OF CALIFORNIA hatte einfach ein wirklich großartiges, frisches, originelles Drehbuch. Ich mochte die Tonalität, die Mischung aus Tragödie, Komödie und Drama, und dass es eine gute Rolle war. Eine ziemliche Herausforderung, und es hat mir Spaß gemacht, daran zu arbeiten.“

Douglas' zweite Fortsetzung überhaupt, WALL STREET 2, die sich 2009 der Finanzkrise widmet, bringt ihn zwar als seine populärste Figur Gordon Gekko zurück auf die Bühne, kann aber nicht an alte Erfolge anknüpfen. Die Gier ist müde geworden.

Comeback in Strass


Dass Douglas noch immer gute Filme drehen kann, beweist er 2013 mit LIBERACE, einem Biopic über den populärsten, und heimlich homosexuellen, Showpianisten Amerikas.
Die ganz wunderbare Liebesgeschichte bricht erneut mit Douglas' Image und erweitert sein Rollenspektrum. Der sonst relativ eitle Verführer und dominante Frauenheld, der sich einst weigerte, in BASIC INSTINCT einen Bisexuellen zu spielen, spielt jetzt einen Homosexuellen – inklusive Liebesszenen – und wenig glamourös alternden Star.
Er äußerst auch viel Lob für seinen Partner Matt Damon und erklärt ganz offen: „An seinem Punkt meiner Karriere hätte ich wohl nicht den Mut für eine solche Rolle gehabt.“
Quelle: Blu RayLiberace - Zu viel des Guten ist wundervoll“ © DCM (Vertrieb Universum Film)
Die Rolle bringt Douglas seinen zweiten Golden Globe nach WALL STREET ein, und viele Experten sind sich sicher, dass er dafür auch den Oscar erhalten hätte – wenn LIBERACE kein Fernsehfilm geworden wäre. Doch den Studios ist der Film zu heiß, man erwartet, dass er ausschließlich von Homosexuellen geguckt würde. So finanziert ihn schließlich der Kabelsender HBO, und auch wenn der Film später aufgrund seines Erfolges noch eine kleine Kinoauswertung erhält, disqualifiziert er sich aufgrund seiner Erstausstrahlung im Fernsehen für die Academy Awards. Michael Douglas nimmt es mit Humor: „Da hatten die Studios wohl das Nachsehen.“

Der lohnende Rest


Als der filmische Erfolg nachlässt, macht Douglas wieder mehr durch private Meldungen von sich reden. Seine Heirat mit Catherine-Zeta Jones, die Geburt ihrer Kinder, sein Auftritt in ES BLEIBT IN DER FAMILIE, in dem er mit seinem Vater Kirk, seiner Mutter Diana und seinem Sohn Cameron auftritt, und der zwar filmisch blass bleibt, aber immerhin als Familientherapie erfolgreich ist.

2010 wird bekannt, dass Douglas an Kehlkopfkrebs erkrankt sei, was sich später als Zungenkrebs herausstellt. Douglas macht Stress, Alkoholmissbrauch und jahrelanges Rauchen dafür verantwortlich, erholt sich aber. Im selben Jahr kommt sein Sohn Cameron wegen Drogenbesitzes ins Gefängnis (Erst 2016 kommt er wieder frei), und bereits 2004 stirbt sein Bruder Eric, ebenfalls ein eher glückloser Schauspieler, an einer Überdosis Drogen.
Quelle: Blu Ray Ant-Man“ © Walt Disney
Bei all dem geraten Douglas' enorme humanitäre Bemühungen beinahe in Vergessenheit. 1980 ist er, nach eigener Aussage, nur drei Blocks von John Lennons Wohnung entfernt, als dieser vor seiner Haustür erschossen wird. Douglas wird zum erklärten Pazifisten und setzt sich seither für eine Abschaffung des privaten Waffenbesitzes ein (Es fällt auf, dass seine Filmfiguren nur selten bewaffnet sind), setzt sich später für atomare und konventionelle Abrüstung ein, wird Ausrichter des Friedensnobelpreises und Friedensbotschafter der UN. Er hält Reden gegen den Illegalen Waffenhandel und leitet 2003 eine Folge der Dokureihe WHAT'S GOING ON?, in der er Kindersoldaten in Sierra Leone interviewt.

Mit mittlerweile 72 Jahren ist Douglas jedoch trotz privater und gesundheitlicher Rückschläge nicht am Ende. Gerade erst hat er sich als Marvel-Ikone Hank Pym ins Marvel Cinematic Universe eingebracht und hat auch weitere Auftritte in Dramen und Thrillern ausstehen.

Für besonderes Aufsehen in Deutschland sorgt die Ankündigung, dass Douglas als Produzent und Hauptdarsteller in Til Schweigers US-Remake von HONIG IM KOPF auftreten werde. Die nicht unumstrittene Alzheimer-Komödie, auf deutsch mit Dieter Hallervorden, ist einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme überhaupt. Man darf gespannt sein, welchen Erfolg der Film beim amerikanischen Publikum findet. Schon Douglas' Verpflichtung löste zumindest heiße Diskussionen in Deutschland aus. Sollte das Remake in den USA darüber hinaus ähnliche Debatten auslösen wie hierzulande, wäre es auf jeden Fall ein passendes Projekt für Michael Douglas. Der König der Kontroversen wäre damit zurückgekehrt zu jenen Glanzstücken, die seine Karriere und sein Schaffen bis heute definieren.
Quelle: Blu RayLiberace - Zu viel des Guten ist wundervoll“ © DCM (Vertrieb Universum Film)

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