DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE ist
eine Kuriosität.
Eine der populärsten
Weihnachtsgeschichten der Welt, geschrieben von dem größten
Dramatiker seiner Zeit, und gespielt von den albernsten Figuren der
Fernsehgeschichte: den Muppets, die gerade ihren Schöpfer verloren
haben.
Was nach einer Ausgeburt an Respektlosigkeit klingt,
erweist sich als einer der magischsten und emotionalsten
Weihnachtsfilme überhaupt – eine unnachahmliche Mischung aus
Humor, Moral und der berührenden Erinnerung daran, dass es an
Weihnachten um Barmherzigkeit und Menschenfreude geht. Und um
Fröhlichkeit.
„Die
Muppets Weihnachtsgeschichte“ ©
Walt Disney Studios
|
Jetzt auf DVD erhältlich |
Am 16. Mai 1990 geht eine traurige
Nachricht um den Globus: Jim Henson, Vater der auf der ganzen Welt
beliebten Muppets, stirbt mit 53 Jahren, vermutlich an einer
verschleppten Lungenentzündung.
Nur zweieinhalb Jahre später bringt sein
Sohn Brian den vielleicht schönsten und besten Auftritt der
farbenfrohen Handpuppen ins Kino, den es gibt. Die großartige
Idee, die herzerwärmenden Muppets mit einer der tragischschönsten
Weihnachtsgeschichten aller Zeiten zu kombinieren, erweist sich als
Geniestreich.
DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE wird zu einer der populärsten Interpretationen
von Charles Dickens' Meisterwerk, und zum
wohl kuscheligsten Weihnachtsfilm überhaupt.
Weihnachtslied in Prosa
Als Charles (John Huffam) Dickens am
19. Dezember 1843 seine Novelle „A Christmas Carol in Prose being a
Ghost Story of Christmas“ veröffentlicht, hat er gute Intentionen
und will auf das Schicksal der ärmsten Bevölkerung Londons
aufmerksam machen, sowie auf das weihnachtliche Sinnbild der
Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit.
Er ahnt wohl nicht, dass seine Groteske
vom hartherzigen Geldverleiher Ebenezer Scrooge, der in der Nacht
zum ersten Weihnachtsfeiertag erst vom Geist seines ehemaligen
Geschäftspartners Jacob Marley, und anschließend von den drei
Geistern der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht
heimgesucht wird, bevor er sich zum spendablen Menschenfreund
wandelt, einmal die klassischste und im englischsprachigen Raum
bekannteste Weihnachtsgeschichte der Welt werden würde.
Und eine der
am meisten adaptierten: Mindestens 52 Theateradaptionen werden bis
heute inszeniert, 20 Mal wird die Geschichte originalgetreu ins Kino
gebracht und 27 Mal ins Fernsehen, hinzu kommen 18 Radioversionen ,
10 Höraufnahmen und 4 Opern. Über 70 Mal dient die Geschichte als
Vorlage für eine weniger werkgetreue Wiedergabe, sei es eine moderne
Fassung wie DIE GEISTER, DIE ICH RIEF, etliche Spezialfolgen aus
Fernsehserien wie DOCTOR WHO oder AUSGERECHNET ALASKA, oder auch von
BARBIE oder DER SECHS MILLIONEN DOLLAR MANN.
„Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ © Walt Disney Studios |
Und dann wären da noch unzählige Fortsetzungen,
Variationen oder bedeutsame Erwähnungen wie etwa in John Irvings Roman „Owen
Meany“, in dem Dickens' Novelle eine fundamentale Rolle spielt.
Und nicht zuletzt inspiriert Ebenezer
Scrooge einen der beliebtesten Bewohner Entenhausens: Onkel Dagobert,
der raffgierige Geldsack, heißt im Original nicht zufällig Scrooge
McDuck und kombiniert mit dem Vornamen Scrooge und dem schottischen
Nachnamen zwei der 1947 bekanntesten Synonyme für Geiz.
In dieser Masse kulturhistorischer
Verweise und Adaptionen gilt DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE vielen
Fans als die schönste Interpretation, was vermutlich
zwei Punkten geschuldet ist: Es ist eine der werkgetreuesten und
gleichzeitig eine der witzigsten.
Dickens, der Große Metagonzo
Beides gelingt dem Film dadurch, dass
er einer alten Tradition der MUPPET SHOW treu bleibt: Anstatt einfach
die berühmten Muppets als Figuren aus dem Roman zu inszenieren und
die Geschichte wiederzugeben, entwickelt der Film ein Szenario, in
welchem die Muppets, wie sie es aus ihrem Theater gewohnt sind, „Die
Weihnachtsgeschichte“ als Stück inszenieren. Oder anders gesagt:
Wir schauen den Muppets zu, wie sie die „Die Weihnachtsgeschichte“
spielen.
Kurz nach dem Tod von Jim Henson wird
seinem Sohn Brian die Idee angetragen, mit den Muppets die
Weihnachtsgeschichte für ein Fernsehspecial nachzuspielen. Der
Sender ABC habe bereits Interesse bekundet. Henson, der langjährige
Muppets-Autor Jerry Juhl und der Rest der Crew setzen sich zusammen
und erarbeiten ein Script, das sie ABC zur Abnahme schicken. Dort
liegt es auch einigen Produzenten von Walt Disney Pictures vor, die
von den Ideen so angetan sind, dass sie beschließen, aus dem Script
stattdessen einen Kinofilm zu machen.
Dabei geht DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE als erste und einzige Adaption der Vorlage
den Weg, eine Metaebene einzubauen, und der Geschichte zwei Erzähler
zu spendieren: Gonzo (der Große!) „ist“ Charles Dickens und wird
von seinem Freund, der Ratte Rizzo begleitet (Die ihn immer wieder
daran zu erinnern versucht, dass er nicht Charles Dickens sei,
sondern eben Gonzo!)
„Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ © Walt Disney Studios |
Diese Form von Metahumor trägt den
gesamten Film und verleiht ihm seinen einzigartigen Flair. Und das
auf vielfältige Weise. Da Charles Dickens „selbst“ die Geschichte
erzählt, wird es möglich, etliche Romanzeilen wortwörtlich zu
benutzen (zumindest in der Originalfassung des Films). Das ist
tatsächlich der Hauptgrund, wieso Brian Henson die beiden Figuren in
den Film einbaut: Er möchte den Kindern neben Dickens' Geschichte
auch seine Sprache näherbringen.
Außerdem kann Dickens/Gonzo in dieser
Art immer wieder kommentierend eingreifen – da DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE, anders als der wenige Jahre vorher erschienene
DIE GEISTER, DIE ICH RIEF, die Geschichte nicht in die Gegenwart
holt, sondern in der Originalzeit 1843 belässt, können immer wieder
Einzelheiten, die sich seither verändert haben, angesprochen oder
erklärt werden.
Und schlussendlich können Gonzo und
Rizzo, wie es bei den Muppets Tradition hat, die Gedanken der
Zuschauer aufgreifen und ansprechen. So gibt es beispielsweise die
Warnung, dass nun eine besonders gruselige Szene folge (aber am Ende
alles gut ausgeht), oder Ungereimtheiten können in Frage gestellt
werden.
Seid gemein zueinander
An einigen Stellen setzt sich dennoch
die Rampensau in den Muppets durch. So wird Scrooge in der Vorlage
nur von einem Marley heimgesucht: Seinem alten Kompagnon Jacob. Um
die Figur jedoch von den Logen-Grantlern Waldorf und Statler spielen
lassen zu können – die Versuchung ist einfach zu groß –, macht
Brian Henson beide zu Marleys – und nennt Jacobs Bruder glatt
Robert. Wer nun bei Robert „Bob“ Marley an den berühmten
Reggae-Musiker denkt, liegt goldrichtig, denn ihm zu Ehren erhält
die Figur ihren Namen. (Auch die „wehklagenden“ Geldkoffer,
die das Lied der beiden Marleys begleiten, passen dazu, denn
„wehklagen“ bedeutet auf englisch „to wail“ - eine deutliche
Anspielung auf die Reggae-Band "Bob Marley and the Wailers".)
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Was beim Gucken zwar auffällt, aber
irgendwie untergeht ist, dass die Macher der Muppet-Show einen nicht
zu leugnenden Hang zum Sadismus haben. Drehbuchautor Jerry Juhl baut
bereits einige garstige Ideen ein, um Rizzo die Ratte ordentlich
leiden zu lassen, doch das gefällt Henson und den anderen
Beteiligten so gut, dass immer mehr Leute ihre Ideen einwerfen, wie
man die kleine, etwas klugscheißerische Ratte noch mehr piesacken
könnte, woraufhin Rizzo den ganzen Film hindurch aufs Näschen
bekommt.
Für eine der Szenen braucht es dabei
nicht mal Fantasie. Als Gonzo seinem Kumpel Rizzo ein „Du bist so
ein Idiot!“ an den Kopf wirft, nachdem dieser durch die Gitterstäbe
klettert, zitiert Henson einfach sein Team. Gonzos Puppenspieler Dave
Goelz und Steve Whitmere, der Rizzo spielt, kabbeln sich am Set
leidenschaftlich gern, was oft darin gipfelt, dass Goelz seinem
Kollegen ein „Du bist so ein Idiot!“ an den Kopf wirft. Brian
Henson gefällt das so gut, dass er den Satz unbedingt im Film haben
will.
Doch Rizzo muss nicht als Einziger
Nehmerqualitäten beweisen. Besonders schwer trifft der Sadismus der
Macher das kleine, „Bean Bunny“ getaufte Kaninchen, das offen
gestanden extra geschaffen wurde um zu leiden.
Der Charakter wird 1986 von den Muppets-Machern
mit dem Ziel entwickelt, eine Figur zu kreieren, die derartig „süß
und kitschig“ ist, dass jeder sie hassen muss. So entwickelt sich
innerhalb des Muppetuniversums (das aus etlichen Fernsehsendungen,
Comics, Heften und anderem besteht) eine regelrechte Leidenschaft
dafür, Bean Bunny möglichst intensiv (aber augenzwinkernd) zu
hassen und zu ärgern.
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DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE ist der
einzige größere Filmauftritt des Hasen, der ursprünglich für viel
größere Rollen angelegt war, bis nach Jim Hensons Tod Rizzo die
Ratte stärker in den Fokus rückt und Bean Bunny verdrängt, und die
Macher haben sichtlich Spaß dabei, dem kleinen Häschen das Leben
ordentlich zur Hölle zu machen.
Die Reise ins alte London
Als regelrechter Glücksgriff erweist
sich eine nahezu gespenstische Nähe der Geschichte. In Dickens
Novelle reist Scrooge in seine Jugend zurück, in der er eine
Ausbildung bei dem Unternehmer Fezziwig gemacht hat. Fezziwig ist das
genaue Gegenteil von Scrooge: gutgelaunt, offenherzig, und großzügig
zu seinen Angestellten.
Es ist tatsächlich purer Zufall, dass
die Muppets eine ganz ähnlich veranlagte Figur haben: Fozzy, der
Bär. Mit nur einer minimalen Änderung kann DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE die bedeutsame Weihnachtsfeier in Scrooges
Vergangenheit daher bei „Fozziwig“ stattfinden lassen.
Ebenso werkgetreu (als eine der ganz
wenigen Umsetzungen) bleibt der Film beim Geist der gegenwärtigen
Weihnacht, denn es ist einer der wenigen Filme, in denen der Geist
wie im Roman im Laufe seines Besuchs sichtbar altert. Ursprünglich will Brian Henson den
Geist durchgehend überlensgroß darstellen, und außerdem soll er
Scrooge während des Liedes „Der Geist der Weihnacht“ um die
ganze Welt führen und ihm feiernde Menschen zeigen. Doch Henson muss
bald einsehen, dass das erste ein logistischer Alptraum wäre und
das zweite viel zu teuer. Am Ende beschränkt er sich darauf, den
Geist nur anfangs als übermenschlich groß zu zeigen, und macht aus dem Lied
eine Straßennummer.
Und diese Straßen sind ein kleines
Juwel des Setdesigns. Es ist der Natur der Muppets geschuldet, dass ihre Sets immer relativ klein sind. Die Bühne liegt ein gutes Stück erhaben, da die Puppenspieler von unten her spielen müssen, und die realen
Schauspieler haben oftmals nicht viel Platz und nur schmale Stege, auf den sie agieren müssen, während unter ihnen die Puppenspieler herumrennen.
Um dem schmalen Set und Londons Straßen dennoch möglichst
viel Tiefe zu geben, nutzt man einen simplen Trick: Man verengt und
verkleinert die Straßenzüge nach hinten raus, wodurch der künstliche
Eindruck von Tiefe entsteht und das Set deutlich größer wirkt
als es ist.
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Dennoch muss immer wieder getrickst und
umgebaut werden. Die Gebäude können fast vollständig
auseinandergenommen werden, um Kamerafahrten zu ermöglichen,
Fußböden können eingesetzt und rausgenommen werden, und die großartige Kamerafahrt am Anfang des Film über die Dächer der Stadt
funktioniert nur durch eine Stop-Motion-Technik, bei der die Dächer
aufgesetzt werden, sobald sie ins Bild kommen.
Das Schweigen des Hundes
Bei all der Freude, die die Macher
haben, ist doch immer wieder offensichtlich, was fehlt. DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE ist die erste Produktion der Muppets, die ohne
Jim Henson auskommen muss, seit dieser vierzig Jahre vorher Kermit zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zeigte.
Doch auch wenn Kermit der heute bekannteste
Muppet ist, ist er nicht der erste berühmte. Der erste Muppet, den
Henson vom Muppet-Designer Don Sahlin anfertigen lässt, ist Rowlf,
der Hund. Dieser hat 1961 einen ersten Auftritt in einer Hundefutter-Werbung und wird ab 1962 regelmäßiger Gast in der Jimmy Dean Show. Bald ist der plappernde Hund populärer als der
Showmaster.
Vielen gilt Rowlf damit als erster
echter Muppet, und vor allem als die Figur, die Jim Hensons
Persönlichkeit am nächsten kam. „Auch wenn mein Vater nicht so
gut Klavier spielen konnte“, erklärt Brian Henson dazu. Rowlf
kommt immer eine Sonderstellung unter den Muppets zu. Auch wenn er in
DIE MUPPET SHOW gelegentlich auftritt, etwa als Arzt in der
Tierklinik, ist er nie Bestandteil der anarchischen Chaostruppe und
nimmt nie an den teilweise kruden Scherzen hinter der Bühne teil. Immer ist er der
eine Muppet am Rande oder im Hintergrund, der sich aus dem Trubel
heraushält und immer ein bisschen seriöser wirkt als seine Kollegen.
Rowlf ist neben Kermit, Ernie, Waldorf
und dem dänischen Koch eine der Figuren, die immer und ausnahmslos
von Jim Henson persönlich gesprochen werden. Kurz vor Hensons Tod
hat Rowlf seinen letzten Auftritt in der Arsenio Hall Show.
Als der Urvater der Muppets stirbt,
herrscht lange Uneinigkeit darüber, wie mit den von ihm gespielten
und gesprochenen Figuren umgegangen werden soll. Schließlich ist es
Steve Whitmire, der Hensons Figuren übernimmt, allen voran Kermit
und Ernie.
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Erst 1996 gibt wieder Rowlf ein erstes,
kurzes Wort von sich. Bill Barretta, der Rowlf seit Hensons Tod
spielt, hat sich dazu bereit erklärt. Doch auch wenn Rowlf in den
folgenden Jahren hier und dort etwas sagt, und 2005 sogar einen
kleinen Monolog hält, bleiben seine Auftritte bis heute rar und
relativ schweigsam.
Von Muppets und Menschen
DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE stellt
ein weiteres Novum dar. Auch wenn zwischen 1979 und 1984 bereits drei
Muppets-Filme produziert werden, ist DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE
der erste Film, der nicht die Figuren, sondern einen Menschen in den
Mittelpunkt stellt. Sonst spielen die menschlichen Gäste neben den
Muppets immer nur Gastrollen. Doch das soll sich diesmal ändern.
Obwohl einige britische Stars für die
Rolle des Scrooge erwogen werden, bietet Brian Henson die Rolle sehr
schnell Michael Caine an. Der äußert Interesse, weiß aber auch
augenblicklich, was er will. Bei einem ersten Treffen mit Brian
Henson verkündet er: „Ich werde diesen Film spielen, als würde
ich mit der Royal Shakespeare Company auftreten. Ich werde niemals
in die Kamera zwinkern, ich werde nichts irgendwie muppetmäßiges tun. Ich werde
Scrooge spielen, als wäre es eine ganz und gar dramatische Rolle und
als gäbe es um mich herum gar keine Puppen.“
„Ja, klar, genau!“, lautet Hensons
Antwort.
Und das ist es auch, was DIE
MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE so ungewöhnlich macht und ihr viel von ihrer Tiefe gibt; dass Caine, und
die anderen menschlichen Schauspieler den Film und ihre plüschigen
Spielpartner so ernst nehmen. Selbst wenn diese es nicht tun.
Bis heute erklärte Caine, dass die
Rolle des Scrooge für ihn zu den besondersten und einprägsamsten
gehört. Tatsächlich ist es einer seiner besten Auftritte.
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Wer genau aufpasst, kann im Hintergrund
übrigens ein kleines Geheimnis über Michael Caine erfahren. Denn immer
wieder haben die Macher und Setdesigner kleine Gags in den Film
eingebaut. So gibt es eine Szene, in der ein Hummer aus einem
Kellerfenster schaut, was einer der etwas seltsameren Metaphern aus
Dickens Novelle geschuldet ist. Dickens schreibt, als der Türknauf an Scrooges Haus sich verwandelt: „... sondern [war] von einem
unheimlichen Leuchten umgeben, wie ein verfaulter Hummer in einem
dunklen Keller.“
Auch gibt es in einer Kamerafahrt eine
Kneipe namens „Waldorf & Statler“ zu sehen.
Und eben auch ein
Geschäft namens „Micklewhite“. Wem das nichts sagt: Michael
Caines bürgerlicher Name ist Michael Micklewhite. Seinen
Künstlernamen nahm er mit Bezug auf den Filme DIE CAINE WAR IHR SCHICKSAL an.
Und selbstredend konnte ein Star wie
Michael Caine das Set nicht verlassen, ohne seinen Kollegen Tipps zu
geben. So erklärt Kermit der Frosch in einem späteren Interview,
Michael Caine habe ihm während der Arbeiten an DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE den wichtigsten Tipp seiner Schauspielkarriere
gegeben: „Niemals blinzeln.“
Bah! Humbug!
Ein weiteres, in aller Kürze
erwähnenswertes Faktum stellt eines von Scrooges Markenzeichen dar.
Immer wieder lässt er sich dazu herab, Weihnachten mit einem "Bah!
Humbug!" zu kommentieren.
Das antiquiert wirkende Wort ist dabei
nicht zufällig gewählt, sondern hat zur Zeit, als Dickens die
Novelle schreibt, eine große Verbreitung. Hundert Jahre zuvor in
Studentenkreisen entstanden, bezeichnet der Begriff etwas, das einen
bewussten Betrug oder eine Täuschung beschreibt. Mit modernem
Vokabular ausgedrückt könnte man also „Bullshit“ oder
„Schwachsinn“ dafür sagen.
In jedem Fall ist es bedeutsam zu
erkennen, dass Scrooge, wann immer er Weihnachten mit einem „Humbug!“
abstraft, darauf hinweisen will, dass er Weihnachten für einen
(durchaus böswilligen) Betrug hält.
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Der Begriff wird später besonders
populär, als Harry Houdini, der große Magier und
Entfesselungskünstler, es sich zur Jahrhundertwende 1900 zur
Lebensaufgabe macht, Okkultisten und Spiritualisten zu entlarven.
Wann immer er einen vermeintlichen Mystizismus oder spirituellen
Kontakt als billigen Zaubertrick entlarvt, kommentiert er das mit
einem klaren „Humbug!“.
(Dies inspiriert das Zaubererduo Penn &
Teller, die sich, ähnlich wie James Randi, der Entlarvung von
Scharlatanen und vermeintlichen Mystikern verschrieben haben, im
Jahr 2003 eine entsprechende Fernsehserie in Anlehnung an Houdini mit
„Bullshit!“ zu betiteln.)
Zweieinhalb stumme Lieder
Natürlich ist DIE MUPPETS
WEIHNACHTSGESCHICHTE ein Musical – immerhin ist es ein Disney-Film.
Aber in diesem Falle ist es ein
außerordentlich gutes Musical. Die Songs werden von Paul Williams
geschrieben, der seit den Siebzigern etliche Erfolge als Songwriter,
Sänger und auch Schauspieler feiert, und tatsächlich einer der
ersten Gäste in DIE MUPPET SHOW ist, als diese 1976 auf Sendung
geht.
Nicht nur gelingt ihm mit „It feels
like Christmas“ (auf Deutsch: „Der Geist der Weihnacht“) eines
der bestgelaunsten Weihnachtslieder überhaupt zu schreiben, sondern mit „When
Love is gone“ auch eines der traurigsten – findet
jedenfalls Jeffrey Katzenberg, der damalige Disney-Chef.
„When Love is gone“ wird
von Scrooges Jugendliebe Belle gesungen, als diese Scrooge den Laufpass gibt. Das Lied ist so herzzerreißend traurig,
dass es Rizzo und Dickens …, äh, Gonzo, zum Weinen bringt. Und
offensichtlich auch Katzenberg.
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Als der Film schließlich auf VHS
erscheint, ist die Szene zwar wieder im Film enthalten, fehlt aber auf der
anschließenden DVD-Auswertung wieder, und auch die Fernsehfassung enthält
die Szene nicht.
Auf Deutsch fehlt der Track komplett,
da sich die deutschen Versionen gänzlich an der synchronisierten
Kinofassung von 1992 orientieren, auch wenn möglicherweise Versionen
existieren, die den Song enthalten – die Quellen sind da etwas
unübersichtlich.
Wem die Melodie dennoch aus dem Film
bekannt vorkommt, dem könnte umso stärker bewusst werden, wie
bedauerlich es ist, dass das Lied nicht, oder nur in Einzelfällen,
im fertigen Film enthalten ist. Denn während „When Love is gone“
den traurigen Mittelpunkt des Films darstellt, hat Komponist Williams
ihm mit „When Love is found“ einen kongenialen Gegenpart
geschrieben, der am Ende des Films spielt. Die Melodie ist dabei
dieselbe, doch ist der Text nun hoffnungsvoll und fröhlich.
Auch die mit einem Mal so traurige
Reaktion von Rizzo, Gonzo und Scrooge nach einem eher spröden Gespräch zwischen Scrooge und Belle ist dank des groben Schnitts
nur schwer nachzuvollziehen.
Dabei ist Brian Henson durchaus
bewusst, was er seinem zumeist jungen Publikum zumutet. Henson ist 28
als er den Film macht, und es ist seine erste Arbeit als
hauptverantwortlicher Regisseur (was auch Michael Caine erst später
erfährt und schwer beeindruckt), und extrem ehrfürchtig vor der
emotionalen Wucht, die er seinem Publikum zumutet. Noch später
erinnert er sich: „Wenn Scrooge nach Hause kommt, als der
zornige, einsame Mann der er ist, und die ersten Geister erscheinen,
da wusste ich, dass ich den Leuten Angst mache. Es gab Kinder, die im
Kino geweint haben. Aber wenn dann Jacob Marley und sein Bruder
rauskommen, dann singen sie den größten Ohrwurm im ganzen Film. Man
muss an diese dunklen Orte gehen, damit das Ende so freudig und
herzwerwärmend wie möglich werden kann.“
„Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ © Walt Disney Studios |
Und noch zwei Lieder werden zwar
eingespielt, aber nie für den Film verwendet. So singen Dr. Honigtau
Bunsenbrenner und Beeper als wohltätige Spendensammler das Lied
„Room in your Heart“, während Sam der Adler als Scrooges
Schuldirektor „Chairman of the Board“ anstimmt. Doch Regisseur
Henson ist der Ansicht, dass dem Fluss und Tempo des Films schaden,
und nimmt sie schließlich raus.
Komplettisten sei an dieser Stelle der Soundtrack zum Film empfohlen (offensichtlich nur auf englisch erhältlich), auf dem sämtliche Lieder, auch die drei nicht im Film enthaltenen, zu finden sind.
Früher Höhepunkt und später Erfolg
DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE kommt
am 11. Dezember 1992 in die amerikanischen Kinos (und beinahe exakt
ein Jahr später, am 9. Dezember 1993 in die deutschen) und wird
leidlich erfolgreich. Bei einem Budget von 12 Millionen spielt er in
den USA knapp 27 Millionen ein.
Heute vermutet man, dass der Film bei Erscheinen schlechter abschneidet als erwartet, weil er in dem zwei
Wochen zuvor gestarteten KEVIN ALLEIN IN NEW YORK, der Fortsetzung
des überaus erfolgreichen KEVIN ALLEIN ZU HAUS, einen nicht zu
bezwingenden Konkurrenten findet. Zum Vergleich: Der zweite Teil von
Kevins Hauruck-Weihnachten spielt über 170 Millionen ein.
Doch spätestens auf Video und im
Fernsehen gelingt es DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE, sich mehr und
mehr in die Herzen des Publikums zu spielen, und im Laufe der Jahre
zu einem echten Klassiker der Weihnachtszeit zu werden. Für viele
gehören Kermits Bob Cratchit, Michael Caines Scrooge und die
Verwirrungen von Gonzo/Dickens und Rizzo zum Weihnachtsfest wie der
Bunte Teller und der Weihnachtsbaum.
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Brian Henson und die anderen
Muppets-Macher haben Gefallen daran gefunden, mithilfe der Muppets
große Weltliteratur zum Leben zu erwecken. Ein Münzwurf entscheidet
darüber, ob sie als nächstes die Legende von König Arthur oder
Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ bearbeiten wollen. 1996
erscheint MUPPETS – DIE SCHATZINSEL, die sich diesmal um Tim Curry
als Long John Silver dreht und deutlich „muppethafter“, also
alberner geraten ist als DIE MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE. Auch der
Erfolg lässt zu wünschen übrig. Erst 2005 versucht man sich noch
einmal an dem Konzept, und lässt MUPPETS: DER ZAUBERER VON OZ vom
Stapel, diesmal als Fernsehfilm, doch auch hier fehlt die Magie, die
DIE MUPPETS WEIHANCHTSGESCHICHTE noch innewohnte.
Grundsätzlich fehlt es den Filmen der
Muppets nach ihrem weihnachtlichen Höhepunkt 1992 an Spritzigkeit und Elan. Erst, als
sich der Komiker Jason Segel, bekannt aus HOW I MET YOUR MOTHER, den
Muppets annimmt, und als Autor, Produzent und Hauptdarsteller 2011
DIE MUPPETS ins Kino bringt, finden die Plüschanarchisten wieder zu
alter Stärke zurück.
Wer sich dieses Jahr also von neuem an DIE
MUPPETS WEIHNACHTSGESCHICHTE erfreut, sollte ihn sich zu Herzen
nehmen. Nicht nur, weil es einer der besten Auftritte der Muppets
überhaupt ist, sondern weil er nicht von Weihnachten erzählt, wie
wir es heute kennen, sondern von dem, was Weihnachten ausmachen
sollte: Barmherzigkeit, Menschlichkeit und Lebensfreude.
„Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ © Walt Disney Studios |
Wirklich toll zusammengefasst. Den Zauber des Films im Text eingegangen. Schöne Zusammenfassung.
AntwortenLöschenDankeschön! Hoffentlich war euer Weihnachtsfest entsprechend magisch. :)
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