Wer auch immer Anfang der Achtziger seine Kindheit in Deutschland verbracht hat, wird ihn kennen, selbst ohne ihn je gesehen zu haben: CAPTAIN FUTURE.
Die futuristische Zeichentrickserie um den Weltraumhelden, der Abenteurer, Wissenschaftler und Actionheld in einem war, und um seine Crew, allen voran Simon, das fliegende Gehirn, der Roboter Grag oder der Gummimensch Otto, aber auch um die hübsche Polizistin Joan und den kecken Waisenjungen Ken, war seinerzeit eine der populärsten, aber auch umstrittensten Kinderserien im deutschen Fernsehen.
Woher aber stammt der Held so vieler Kinderzimmer, wie fand er seinen Weg nach Deutschland, und wie kam es, dass der schmissige Soundtrack bis heute in deutschen Ohren populär bleibt? Wir schauen zurück auf ein deutsches Fernsehphänomen.
Die futuristische Zeichentrickserie um den Weltraumhelden, der Abenteurer, Wissenschaftler und Actionheld in einem war, und um seine Crew, allen voran Simon, das fliegende Gehirn, der Roboter Grag oder der Gummimensch Otto, aber auch um die hübsche Polizistin Joan und den kecken Waisenjungen Ken, war seinerzeit eine der populärsten, aber auch umstrittensten Kinderserien im deutschen Fernsehen.
Woher aber stammt der Held so vieler Kinderzimmer, wie fand er seinen Weg nach Deutschland, und wie kam es, dass der schmissige Soundtrack bis heute in deutschen Ohren populär bleibt? Wir schauen zurück auf ein deutsches Fernsehphänomen.
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Ebenso gibt es alle 40 deutschsprachigen Folgen in einer Komplettbox als DVD und Blu Ray und mit „Captain Future Vol. 1“ die ersten 12 Episoden ebenfalls als Blu Ray und DVD. Die technisch aufpolierte Neuauflage ist für Fans sicherlich ein Grund zur Freude, für uns aber vor allem ein Grund, uns erstmals einer Serie zu widmen, und auf den Helden etlicher Kindheiten zurückzublicken.
Marcos Blick:
Keine Frage, CAPTAIN FUTURE ist Kult. Zumindest in Deutschland kennt nahezu jeder die Zeichentrickserie (heute konkreter als Anime klassifiziert), die vor 35 Jahren für Furore sorgt. Denn seit September 1980 erobert der rothaarige Weltraumheld die Kinderzimmer im Sturm.
Über die Gründe für diesen Erfolg gibt es viele Spekulationen. Mit Sicherheit ist die noch heute legendäre Musik von Christian Bruhn ein bedeutender Aspekt. Vor allem aber traf die Serie – hierzulande – den Nerv der Zeit. Ähnlich wie drei Jahre zuvor STAR WARS, gleicht CAPTAIN FUTURE einer Piratengeschichte im Weltall. Captain Future selbst ist ein unbesiegbarer Superheld, der immer wieder gegen mächtige Schurken antreten muss und damit in der besten Tradition etwa eines James Bond steht. Hinzu kommt, dass er extrem clever ist – immerhin ist er der beste Wissenschaftler der Welt, der immer das passende Gadget für seine Abenteuer hat. Mit Roboter Grag und Androide Otto stehen ihm außerdem zwei äußerst sympathische Sidekicks zur Verfügung, und mit Joan Lander eine – für Zeichentrickverhältnisse – äußerst attraktive Partnerin. Und nicht zuletzt sind die visuelle Kraft der Serie, die detailreichen, sehr technisch wirkenden Zeichnungen, das schlanke, elegante Design des Raumschiffs "Comet" oder der Photonenwaffen des „Future-Teams“ zu ihrer Zeit einzigartig.
Kurz: CAPTAIN FUTURE ist seinerzeit ein feuchter Kindertraum: Clever, stark, mit coolen Sidekicks und einer hübschen Freundin gesegnet, attraktiv, immer cool und Herr der Lage. Außerdem nimmt die Serie ihre Zuschauer ernst. Auch wenn das Gute am Ende stets gewinnt, wird hier keine heile Welt vorgegaukelt. es sterben tatsächlich Menschen (oder andere Wesen), einzelne Monster oder Gegner sind wahrlich furchterregend, so dass man die Gefahr, die von ihnen ausgeht, direkt spüren kann. All das im Verbund mit der Musik und der stylishen Optik mag einen Grund für den enormen Erfolg liefern.
Superpulp
Dabei vergisst man schnell Captain Futures Wurzeln. Denn diese liegen in der Pulp-Fiction-Kultur der Zwanziger bis Fünfziger Jahre – jener Zeit also, als noch kein Fernsehen die Abenteuerlust des Publikums bediente.
Die Klassiker der Pulp-Literatur funktionieren nahezu immer nach demselben Muster: Ein übermenschlich talentierter Held stellt sich ebenso überirdischen Gefahren, die nicht selten die ganze Welt bedrohen. Über Jahrzehnte erscheinen tonnenweise Hefte und Novellen, die nach diesem Muster gestrickt sind, meist schnell und nur selten gut runtergeschrieben werden, und für Pfennigbeträge am Kiosk ausliegen. Hier können die häufig männlichen, oft jugendlichen Leser ihre Superhelden auf spannende Abenteuer begleiten und eine Weile in einer außergewöhnlichen, gefährlichen Welt versinken.
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Immer wieder gibt es zudem Pulp-Strömungen, die sich dem gängigen Heldenmythos entziehen und dennoch erstaunlich gut zu lesen sind. Etwa die um das kosmische Wesen Cthulhu herumgestrickten Mythen von H.P. Lovecraft.
Für die Autoren ist der gigantische Erfolg der Pulp-Welle oft ein Segen. Da Autoren für gewöhnlich nicht gut bezahlt werden und sehr schnell möglichst viel schreiben müssen, können sie mit der Arbeit an einer oder mehreren der unzähligen Reihen und Serien aus dem Pulp-Universum einen sinnvollen Lebensunterhalt bestreiten, während sie, vielleicht, in ihr freien Zeit versuchen, ihre anspruchsvolleren Texte in einem Verlag unterzubringen.
Auch das Radio bringt mit „The Green Hornet“ und „The Lone Ranger“ wenigstens zwei noch heute populäre Superhelden heraus.
Und ja, auch die Superhelden der Comicuniversen entstammen der Weiterführung des Pulp-Genres. Zunächst in kurzen Zeitungs-Streifen (daher der Ausdruck „Comic Strip) mit Figuren wie Dick Tracy, Flash Gordon oder Das Phantom verbreitet, erscheinen bald ganze Comic-Hefte, die sich rund um Pulp-Helden drehen: Superman, Batman oder Captain America etwa.
Die Grundstrukturen der Pulp-Literatur finden sich also bis heute im Kino, und wer genau aufpasst, wird erkennen, dass auch oft als sehr modern empfundene Figuren im Kern reine Helden der Pulp-Ära sind. Die STAR WARS Charaktere beispielsweise.
Und der vielleicht größte moderne Pulp-Held wurde sogar als offene Hommage an die goldenen Pulp-Zeiten entworfen: Indiana Jones.
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Captain Future befindet sich also in illustrer Gesellschaft, und betrachtet man ihn als den Pulp-Helden der er ist, ist sein Erfolg auch gleich viel weniger erstaunlich. Denn Pulp-Helden haben schon immer die Fantasie und Abenteuerlust ihres zumeist männlichen, jungen Publikums angeregt.
Mr. Future
Edmond Hamilton wird 1904 im US-Staat Ohio geboren. Im August 1926 veröffentlicht er seine erste Science-Fiction-Geschichte, „The Monster God of Marmuth“, in dem Magazin Weird Tales. Bald steigt er dort zum Stammautor auf und wird damit Arbeitskollege von H.P Loveraft und Conan-Erfinder Robert E. Howard.
Fantastische Geschichten, die im Weltraum angesiedelt sind, sind seinerzeit noch äußerst rar, die meisten Pulp-Figuren erleben ihre Abenteuer im Dschungel, an "exotischen" Orten wie Afrika oder in urzeitlich gestalteten Fantasywelten. Der stets wissenshungrige, als äußerst intelligent angesehene Hamilton hat hingegen ein großes Interesse an technischen Erfindungen und dem Weltraum und schreibt bis Ende der Dreißiger für etliche Pulp-Hefte Geschichten, die diesen Neigungen entsprechen, und für die es noch gar keine konkrete Bezeichnung gibt. So gilt er als einer der Mitbegründer der Science-Fiction Literatur, die ab den Fünfzigern als Sci-Fi abgekürzt wird. Zumindest schreibt Hamilton aktiv in dem frühen, mittlerweile als „Space-Opera“ betitelten Form der Science-Fiction.
1942 wechselt Edmond schließlich den Arbeitgeber und schreibt Geschichten für DC Comics, vor allem für die Reihen „Batman“ und „Superman“.
Doch schon zwei Jahre vorher erhält er ein besonderes Angebot, für das man ihn nach New York einlädt.
Der Verleger Mort Weisinger arbeitet an einer neuen Space-Opera-Zeitschriftenreihe, in der er, neben Kurzgeschichten, stets auch ein Abenteuer in Romanlänge abdrucken will. Die Figur hat er ein Jahr zuvor auf der ersten World Science Fiction Convention entwickelt.
Die futuristischen Geschichten sollen im Jahr 1990 spielen. Die Geschichte ihres Helden beginnt mit dem berühmten Wissenschaftler Roger Carter Newton, der gemeinsam mit seiner Frau Elaine geheime Röntgen- und Atomkräfte erforscht, mit denen er die Menschheit retten will. Als ein europäischer Spion einbricht, kommt es zum Kampf, bei dem radioaktive Kräfte austreten. Roger und der Spion sterben, Elaine aber überlebt lange genug, um einen Sohn zur Welt zu bringen: Curtis Newton.
Curt Newton besitzt dank der radioaktiven Kräfte, die seine Mutter getroffen haben, übermenschliche Reflexe und Sinne. Er ist der welterste Mutant, dessen Fähigkeiten ihm erlauben, der beste Wissenschaftler der Welt zu werden. Nach Jahren der Studien und Weltreisen ist er bereit, seine Aufgabe als Retter der Welt aufzunehmen. Sein Name: Mr. Future – Wizard of Science!
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Wenn die Erde ihn braucht, schießt sie riesige Magnesium-Leuchtkugeln über der Wüste Gobi ab, die er mit seinem Super-Teleskop sehen kann.
Außerdem hat Mr. Future drei Kompagnons:
Den denkenden Roboter Grag, den Mr. Future als sein Double erschaffen hat, um seine Forschungen an sich selbst gefahrlos ausführen zu können.
Otho, drn „Krieger von Ganymede“, ist eine kristalline Lebensform, die Mr. Future als Ring an der Hand trägt.
Und schließlich Simon Wright, das wandelnde Lexikon. Dieser hat jeden wissenschaftlichen Text gelesen, der je geschrieben wurde, und besitzt ein fotografisches Gedächtnis. Daher weiß er alles, kann jede Frage beantworten und liegt niemals falsch. (Man könnte glauben, hier habe jemand die Wikipedia erfunden!) Allerdings kann er selbst keine Schlüsse ziehen, er kann lediglich Fragen beantworten.
So lauten die Vorgaben, nach denen Hamilton schreiben soll. Noch während seiner Arbeit allerdings tauft Weisinger die Figur und das Heft von Mr. Future in Captain Future um. Doch Hamilton selbst verändert die Umstände ebenfalls deutlich, da er sich nicht in der Lage sieht, unter den gegebenen Umständen zu arbeiten.
Zum Beispiel macht er aus Simon Wright lediglich ein Gehirn, das Grag in einem Kasten herumträgt. Curt Newtons Eltern haben auf dem Mond im Bereich der künstlichen Lebensformen geforscht, und dabei Grag erschaffen, einen humanoiden Roboter, sowie später den weißhäutigen Androiden Otho, der sein Fleisch aufweichen und neu formen kann.
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Auch die Weltraumpolizistin Joan Randall dient
bereits als Futures Love-Interest und darf immer wieder auftreten.
Auffällig ist auch, dass der Großteil der Geschichten in unserem
Sonnensystem spielt, über das 1940 noch ganz andere
Vorstellungen herrschen, da es nicht annähernd so gut erforscht ist
wie heute.
So sind bei Captain Future sämtliche Planeten und Monde bewohnbar, und einige davon sind sogar besiedelt.
Hamilton verfasst ab dem Winter 1940 alle drei Monate ein Geschichte in Romanlänge, insgesamt dreizehn, bis zum Winter 1943, als der erste Captain Future Roman aus der Feder eines anderen Autors erscheinen muss. Hamilton hat dem Verleger geschrieben, dass er vermutlich vorerst keine weiteren Storys würde schreiben können, da er in die Armee berufen wurde. Doch man erklärt ihn für untauglich, so dass er zwei Ausgaben später wieder weiterschreiben kann. Insgesamt erscheinen 17 eigenständige Hefte bis zum Winter 1944, von denen Hamilton 15 verfasst.
Die ersten paar findet er selbst nicht gut. „Um die Wahrheit zu sagen, sie haben mir für die frühen Hefte so wenig gezahlt, dass sie allesamt die erste Fassung waren, direkt aus der Schreibmaschine. Nach den ersten fünf oder sechs bekam ich mehr Geld, so dass ich zwei Fassungen schrieb, und sie etwas besser wurden.“
Anschließend muss das Heft aufgrund von kriegsbedingter Papierknappheit eingestellt werden, doch erscheinen bis 1946 noch drei weitere „Captain Future“-Romane (zwei davon von Hamilton) in dem Magazin Startling Stories.
Damit ist die Reihe vorerst beendet. Erst im Januar 1950 erscheinen in der monatlichen Ausgabe von Startling Stories wieder einzelne Kurzgeschichten von Captain Future, insgesamt sieben bis zum Mai 1951, danach ist jedoch endgültig Schluss.
Für Hamilton erweist sich Captain Future als zweischneidiges Schwert. Einerseits bringt es ihm viele Fans unter den jugendlichen Lesern, doch leidet sein Ruf später, als das Science-Fiction Genre sich von der Space Opera immer weiter entfernt. Hamilton ist berühmt für seine extravaganten, romantischen Heldengeschichten (wie etwa in seinem größten Klassiker „The Star Kings“). Als sich das SF-Genre immer weiter der gehobenen Literatur zuwendet, wirken seine abenteuerlichen Geschichten rund um eine „Damsel in Distress“ und furchtlose, omnipotente Helden in bunten Zukunftswelten ziemlich bizarr, kitschig und veraltet.
Man mag sich das heute kaum noch vorstellen, doch „Kinderfernsehen“ gab es in den Siebzigern schlicht noch nicht. In einer Ära, in der es drei bis fünf Programme und einen recht frühen Sendeschluss gibt, sind neumodische Overkill-Sender wie KiKa, Disney Channel etc., auf denen tagtäglich und rund um die Uhr unzählige Animations- und andere Kindersendungen zu sehen sind, noch ebenso futuristisches Wunschdenken, wie ein allgemein erschwinglicher Heimvideomarkt. Auch das ist ein Grund, wieso altersübergreifende Serien wie etwa BONANZA, RAUMSCHIFF ENTERPRISE oder CATWEAZLE so erfolgreich sind. Reiner Kinderquatsch wie TOM & JERRY, FAMILIE FEUERSTEIN oder BUGS BUNNY sind seinerzeit jedoch noch eine echte Rarität.
Nicht umsonst genießen die wenigen für Kinder geeigneten Sendungen jener Zeit bei vielen heutigen Erwachsenen einen Stellenwert, den junge Erwachsene höchstens mit Pokemon oder den ersten Call of Duty Sessions gleichsetzen können: Sie werden als fester Bestandteil einer längst vergangenen Kindheit hochgehalten.
Neben einigen eher pädagogisch wertvollen Sendungen wie etwa der SESAMSTRAßE, ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT oder den skandinavischen Astrid Lindgren Verfilmungen waren es dabei vor allem die aus Japan stammenden Zeichentrickserien des ZDF, die das junge Publikum millionenfach begeisterten.
Anfang der Siebziger ist Josef Göhlen der Leiter des Kinder- und Jugendprogramms des ZDF, und auf der Suche nach einem guten Stoff für eine neue Kinderserie.
Fündig wird er bei dem 1963 erschienenen schwedischen Kinderbuch „Vicke Viking“ von Runer Jonsson. Dieses erhält in der Übersetzung als „Wickie und die starken Männer“ 1965 den Deutschen Jugendbuchpreis und erscheint Göhlen als perfekter Stoff. Er will daraus eine Puppenserie machen, was das Budget jedoch weit übersteigt. Also geht er einen anderen Weg, und beginnt mit dem ORF eine erste internationale Koproduktion. Man beauftragt das japanische Anime-Studio (damals hieß das noch Zeichentrick) Zuiyo Enterprise damit, aus dem Buch eine Serie zu machen.
Bis 1974 entstehen so achtundsiebzig 23-minütige Folgen von WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER in vier Staffeln, die ab dem 31. Januar 1974 im ZDF ausgestrahlt werden.
Der Erfolg ist gigantisch und die Serie ein absoluter Straßenfeger.
Gleichzeitig arbeitet Zuiyo Enterprise, das sonst nur Auftragsarbeiten durchführt, auch an einer eigenen Idee. Man hat sich die Rechte an Johanna Spyris beiden „Heidi“-Romanen gesichert, und daraus eine 52-teilige Serie gestrickt, die ab 1974 äußerst erfolgreich im japanischen Fernsehen läuft. Die Japaner stehen halt auf Alpenromantik.
Beide Projekte verändern das Studio radikal. 1975 tauft man sich in Nippon Animation um, und startet das sogenannte „World Masterpiece Theater“, bei dem man sich die Rechte an großen Klassikern der Weltliteratur sichert, um sie in Animeserien zu verwandeln. Neben Heidi verarbeitet man so auch NIKLAAS, EIN JUNGE AUS FLANDERN, MARCO, SINDBAD, UM DIE WELT MIT WILLY FOG, ANNE MIT DEN ROTEN HAAREN, TOM SAWYERS ABENTEUER, LUCY IN AUSTRALIEN oder RASCAL, DER WASCHBÄR zu bunten Serien um. Bis 1997 erscheint jährlich eine neue Serie, bevor man zehn Jahre aussetzt und 2007 mit LES MESÉRABLES einen Neustart versucht, der jedoch 2009 wieder eingestellt wird.
So sind bei Captain Future sämtliche Planeten und Monde bewohnbar, und einige davon sind sogar besiedelt.
Hamilton verfasst ab dem Winter 1940 alle drei Monate ein Geschichte in Romanlänge, insgesamt dreizehn, bis zum Winter 1943, als der erste Captain Future Roman aus der Feder eines anderen Autors erscheinen muss. Hamilton hat dem Verleger geschrieben, dass er vermutlich vorerst keine weiteren Storys würde schreiben können, da er in die Armee berufen wurde. Doch man erklärt ihn für untauglich, so dass er zwei Ausgaben später wieder weiterschreiben kann. Insgesamt erscheinen 17 eigenständige Hefte bis zum Winter 1944, von denen Hamilton 15 verfasst.
Die ersten paar findet er selbst nicht gut. „Um die Wahrheit zu sagen, sie haben mir für die frühen Hefte so wenig gezahlt, dass sie allesamt die erste Fassung waren, direkt aus der Schreibmaschine. Nach den ersten fünf oder sechs bekam ich mehr Geld, so dass ich zwei Fassungen schrieb, und sie etwas besser wurden.“
Anschließend muss das Heft aufgrund von kriegsbedingter Papierknappheit eingestellt werden, doch erscheinen bis 1946 noch drei weitere „Captain Future“-Romane (zwei davon von Hamilton) in dem Magazin Startling Stories.
Damit ist die Reihe vorerst beendet. Erst im Januar 1950 erscheinen in der monatlichen Ausgabe von Startling Stories wieder einzelne Kurzgeschichten von Captain Future, insgesamt sieben bis zum Mai 1951, danach ist jedoch endgültig Schluss.
Für Hamilton erweist sich Captain Future als zweischneidiges Schwert. Einerseits bringt es ihm viele Fans unter den jugendlichen Lesern, doch leidet sein Ruf später, als das Science-Fiction Genre sich von der Space Opera immer weiter entfernt. Hamilton ist berühmt für seine extravaganten, romantischen Heldengeschichten (wie etwa in seinem größten Klassiker „The Star Kings“). Als sich das SF-Genre immer weiter der gehobenen Literatur zuwendet, wirken seine abenteuerlichen Geschichten rund um eine „Damsel in Distress“ und furchtlose, omnipotente Helden in bunten Zukunftswelten ziemlich bizarr, kitschig und veraltet.
Heute wissen Science-Fiction Liebhaber
Hamilton und seine bunten Welten wieder deutlich mehr zu schätzen,
selbst dort, wo die Anime-Serie um Captain Future weit weniger
erfolgreich lief als hierzulande. Wer zum Beispiel regelmäßiger
Zuschauer der Sitcom THE BIG BANG THEORY ist, mag das Pulp-Poster
links neben der Tür von Sheldons und Leonards Apartment bereits
bemerkt haben. Es ist das Cover der ersten Ausgabe von „Captain
Future – Wizard of Science“ mit dem Titel „Captain Future and
the Space Emperor“, und zeigt Otho, Grag und Captain Future.
Invasion aus Japan
Man mag sich das heute kaum noch vorstellen, doch „Kinderfernsehen“ gab es in den Siebzigern schlicht noch nicht. In einer Ära, in der es drei bis fünf Programme und einen recht frühen Sendeschluss gibt, sind neumodische Overkill-Sender wie KiKa, Disney Channel etc., auf denen tagtäglich und rund um die Uhr unzählige Animations- und andere Kindersendungen zu sehen sind, noch ebenso futuristisches Wunschdenken, wie ein allgemein erschwinglicher Heimvideomarkt. Auch das ist ein Grund, wieso altersübergreifende Serien wie etwa BONANZA, RAUMSCHIFF ENTERPRISE oder CATWEAZLE so erfolgreich sind. Reiner Kinderquatsch wie TOM & JERRY, FAMILIE FEUERSTEIN oder BUGS BUNNY sind seinerzeit jedoch noch eine echte Rarität.
Nicht umsonst genießen die wenigen für Kinder geeigneten Sendungen jener Zeit bei vielen heutigen Erwachsenen einen Stellenwert, den junge Erwachsene höchstens mit Pokemon oder den ersten Call of Duty Sessions gleichsetzen können: Sie werden als fester Bestandteil einer längst vergangenen Kindheit hochgehalten.
Neben einigen eher pädagogisch wertvollen Sendungen wie etwa der SESAMSTRAßE, ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT oder den skandinavischen Astrid Lindgren Verfilmungen waren es dabei vor allem die aus Japan stammenden Zeichentrickserien des ZDF, die das junge Publikum millionenfach begeisterten.
Anfang der Siebziger ist Josef Göhlen der Leiter des Kinder- und Jugendprogramms des ZDF, und auf der Suche nach einem guten Stoff für eine neue Kinderserie.
Fündig wird er bei dem 1963 erschienenen schwedischen Kinderbuch „Vicke Viking“ von Runer Jonsson. Dieses erhält in der Übersetzung als „Wickie und die starken Männer“ 1965 den Deutschen Jugendbuchpreis und erscheint Göhlen als perfekter Stoff. Er will daraus eine Puppenserie machen, was das Budget jedoch weit übersteigt. Also geht er einen anderen Weg, und beginnt mit dem ORF eine erste internationale Koproduktion. Man beauftragt das japanische Anime-Studio (damals hieß das noch Zeichentrick) Zuiyo Enterprise damit, aus dem Buch eine Serie zu machen.
Bis 1974 entstehen so achtundsiebzig 23-minütige Folgen von WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER in vier Staffeln, die ab dem 31. Januar 1974 im ZDF ausgestrahlt werden.
Der Erfolg ist gigantisch und die Serie ein absoluter Straßenfeger.
Gleichzeitig arbeitet Zuiyo Enterprise, das sonst nur Auftragsarbeiten durchführt, auch an einer eigenen Idee. Man hat sich die Rechte an Johanna Spyris beiden „Heidi“-Romanen gesichert, und daraus eine 52-teilige Serie gestrickt, die ab 1974 äußerst erfolgreich im japanischen Fernsehen läuft. Die Japaner stehen halt auf Alpenromantik.
Beide Projekte verändern das Studio radikal. 1975 tauft man sich in Nippon Animation um, und startet das sogenannte „World Masterpiece Theater“, bei dem man sich die Rechte an großen Klassikern der Weltliteratur sichert, um sie in Animeserien zu verwandeln. Neben Heidi verarbeitet man so auch NIKLAAS, EIN JUNGE AUS FLANDERN, MARCO, SINDBAD, UM DIE WELT MIT WILLY FOG, ANNE MIT DEN ROTEN HAAREN, TOM SAWYERS ABENTEUER, LUCY IN AUSTRALIEN oder RASCAL, DER WASCHBÄR zu bunten Serien um. Bis 1997 erscheint jährlich eine neue Serie, bevor man zehn Jahre aussetzt und 2007 mit LES MESÉRABLES einen Neustart versucht, der jedoch 2009 wieder eingestellt wird.
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Zusätzlich gibt man drei weitere Serien bei Nippon Animation in Auftrag: DIE BIENE MAJA, PINOCCHIO und Mitte der Achtziger noch ALICE IM WUNDERLAND.
Der Trend wird schließlich auch von anderen japanischen Studios aufgegriffen, etwa das Studio Pierrot, das NILS HOLGERSSON produziert (bei dem sich der spätere GHOST IN THE SHELL Regisseur Mamoru Oshii seine Sporen verdiente) und später auch SABER RIDER und NARUTO, oder das Studio Gallop mit D'ARTAGNON UND DIE DREI MUSKETIERE. Und natürlich Tōei Animation.
Tōei Animation hat bereits 1972 mit CALIMERO eine Serie entwickelt, die in Deutschland äußerst populär war, und würden in den Neunzigern mit Serien wie DRAGONBALL, DRAGONBALL Z, DIE CHAMPIONS, SAILOR MOON, ONE PIECE, YU-GI-OH oder DIGIMON den Anime-Hype ganz entscheidend mitbestimmen.
1978 jedoch entschied man sich, die Rechte an einer knapp vierzig Jahre alten Pulp-Reihe aufzukaufen, und aus Captain Future eine Anime-Serie zu machen.
Lost in Translation
CAPTAIN FUTURE nimmt sich einige Freiheiten zur Pulp-Reihe von Hamilton heraus.
Zuallererst modernisiert man das technische Design. Im Roman etwa gleicht die Comet tatsächlich einem Kometen, und hat die Form eines länglichen Tropfens, der sich auf Radarschirmen als Komet tarnt. Auch gibt man den Figuren einen deutlich moderneren futuristischen Look, und Otho ein wenig Kleidung. Simon Wright, der in den Romanen meist in einem Kasten herumgetragen wird und erst später eine Vorrichtung erhält, um selbstständig zu schweben, darf hier von Anfang an fliegen. Und man erweitert die Future-Crew um den Waisenjungen Ken.
Der Roboter Grag wird deutlich intelligenter gestaltet. Ist er in den Romanen vor allem für Kraftaspekte von Bedeutung, wertet ihn die Serie zu einem Technikgenie auf.
Auch löst man sich von der sturen Vorstellung, alle Geschichten würden sich in unserem Sonnensystem abspielen. Wo möglich, hält man sich vage – das Universum ist halt groß. Für eine bessere Dramatik spendiert man der Comet mit dem "Cosmoliner" zudem ein kleines Beiboot, mit dem der Captain herumfliegen kann.
Davon abgesehen ist man bemüht, die dreizehn ausgewählten Originalgeschichten von Edmond Hamilton, der ein Jahr vor Produktionsbeginn der Serie verstarb, zwar variiert, durchaus originalgetreu nachzuerzählen.
Dazu teilt man jede Geschichte in vier Folgen zu je knapp 30 Minuten auf. So hat man knapp 120 Minuten Zeit für jeden Roman, wodurch die Serie die Grundhandlungen aus Hamiltons Feder, die neben dem Abenteuerpart auch immer Curt Newtons Privatleben behandelten, gut wiedergeben kann.
Die Serie wurde für das japanische Abendprogramm entwickelt und läuft dort wöchentlich zur Prime-Time!
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Josef Göhlen, der mit den japanischen Anime-Serien einen grandiosen Erfolg eingefahren hat, kauft die Serie trotzdem ein, da er der Ansicht ist, dass dem jungen Publikum eine abenteuerliche Science-Fiction Serie im Fahrwasser von STAR WARS sehr gefallen würde. Zudem hätte er dann etwas im Programm, das nicht nur für Grundschulkinder interessant wäre, wie die anderen Zeichentrickserien, sondern auch für Jugendliche.
Das Problem ist, dass CAPTAIN FUTURE durchaus brutale Sequenzen aufweist und zum Teil Geschichten erzählte, die einem Kind eine Menge abverlangen.
Um die Reihe kindgerechter zu gestalten, und dem Jugendschutz zuvor zu kommen, schneidet man sie radikal um und kürzt jeden Handlungsbogen um mehr als ein Drittel. Jede Geschichte wird von vier halbstündigen Episoden mit 120 Minuten Länge auf drei knapp 25-minütige Folgen, also 75 Minuten, runtergekürzt. Pro Geschichte fehlen also 45 Minuten!
Die Szenen, die Curt Newton privat zeigen, fliegen dabei komplett raus. Doch auch sonst entstehen immer wieder grobe Sprünge, die es bis heute schwer machen, dem Handlungsbogen zu folgen, da gewisse, oft bedeutende Handlungselemente einfach fehlen.
Auffällig ist auch die häufige Fokussierung auf die kindgerechteren Sequenzen. So findet sich etwa in der Folge „Reise in die Vergangenheit“ eine Sequenz, in der Otto eine Frau vor einem fleischfressenden Saurier rettet. Doch statt der Rettungsszene sehen wir zu, wie Grag in eine Pfütze fällt, und bekommen die Figur des geretten Mädchens anschließend in einem kurzen Monolog des Erzählers präsentiert.
Ebenfalls erschwert wird die Verständlichkeit seinerzeit dadurch, dass die Geschichten nicht chronologisch ausgestrahlt werden, sondern in der Reihenfolge, in der sie synchronisiert wurden. Da einige der Geschichten auf frühere Ereignisse anspielen, führte das zu etlichen Problemen. So lief etwa die zweite Geschichte „Die Zeitmaschine“ mit ihren drei Folgen vor der Captain Future einführenden Geschichte „Der Herrscher von Megara“. Gravierend war auch, dass die siebente Geschichte, „Das Geheimnis der sieben Steine“ (die einzige mit vier Episoden) als drittes ausgestrahlt wurde – und damit ganze drei Handlungsbögen übersprang.
Hinzu kommen einige Fehler bei der Rückübersetzung. Da die japanische Lautschrift, mit der nicht-japanische Eigennamen niedergeschrieben werden, in ihren Vokalen häufig extrem offen für Interpretationen sind, und zudem nicht zwischen den Buchstaben L und R unterscheiden, wird aus Joan Randall im Deutschen Joan Landor.
Auch das H in Otho kann im Japanischen nicht gezielt wiedergegeben werden, so dass die Figur im Deutschen zu Otto wird.
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Spannend ist auch, dass CAPTAIN FUTURE noch immer eine klare Verbindung zu ihren Pulp-Wurzeln aufweist, denn wenn man sich heute die Texte über Elektromagnetische Wellen und Schwerkraftkompensatoren anhört, oder die Ernsthaftigkeit, mit der der Erzähler Sachverhalte wie "Herrscher des Weltalls" ausspricht, kann einem schon einmal ein gerührtes Lächeln entgleiten.
Schließlich läuft CAPTAIN FUTURE am 27. September 1980 im ZDF und ist augenblicklich äußerst populär. Der treibende, topmoderne Soundtrack, die coolen Charaktere und die gefährlichen Abenteuer gefallen dem Publikum – allen Kürzungen zum Trotz.
Doch trotz der schweren Kürzungen kommt es zu Protesten von Eltern und Jugendschutz, und – so heißt es – sogar einer Warnung in einem Schulbuch. Einen Beweis dafür konnten wir leider nicht finden, doch die Legende hält sich. Den besorgten Eltern ist die Serie zu düster, zu brutal, und es fehlt ihnen der pädagogische Sinn dahinter.
Ende März 1981 wird die Ausstrahlung der Serie daher nach 28 Folgen durch den ZDF Fernsehrat unterbrochen, und erst im Dezember wieder aufgenommen, woraufhin die restlichen 12 Folgen in korrekter Reihenfolge ausgestrahlt werden.
In den kommenden Jahren wird CAPTAIN FUTURE immer wieder fester Bestandteil des ZDF FERIENPROGRAMMS, und ein absolutes Highlight dieses Sonderprogramms sein.
Dennoch hat die Kontroverse um CAPTAIN FUTURE weitreichende Folgen, und die eher düsteren, gewalthaltigen Animes aus Japan wurden in Deutschland konsequent gemieden.
Erst 1988, als das Privatfernsehen aufgekommen ist, das nicht an die strengen Öffentlich-Rechtlichen Vorgaben gebunden ist und versucht, beim Publikum Fuß zu fassen, kommt es zu einem weiteren Versuch, eine ähnlich gelagerte Serie in Deutschland zu etablieren – mit nahezu dem gleichen Kultfaktor. SABER RIDER UND DIE STARSHERRIFS läuft ab 1988 auf Tele 5 und wird nahezu ebenso zum Kult wie CAPTAIN FUTURE. Angespornt von dem Erfolg, strahlt Tele 5 ab 1991 mit nahezu demselben sensationellen Ergebnis die ebenfalls recht düstere Serie DIE KÖNIGIN DER TAUSEND JAHRE aus.
Proteste gab es diesmal keine, die „erwachseneren“ Sci-Fi Animes haben in Deutschland endgültig Fuß gefasst, und Tele 5 etabliert sich als erster Anime-Sender Deutschlands. Der Rest ist Geschichte.
Marmor, Feind und Technotrack
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der Soundtrack zu CAPTAIN FUTURE einer der bekanntesten und beliebtesten der deutschen Fernsehgeschichte ist.
Es ist schwer festzustellen, woher dieser Ruhm genau kommt. Als er 1980 erstmals im Fernsehen ertönt, ist er jedenfalls bahnbrechend: Modern, sphärisch, inspirierend. Nur selten werden die Stimmungen in einer Serie oder einem Film derartig präzise durch den Score vermittelt wie hier. Hinzu kommt, dass man einen derartig unkitschigen, treibenden und futuristischen Sound nur selten zuvor gehört hat. Damals ahnt noch kaum jemand im Publikum, dass es ein rein deutscher Soundtrack ist, und nicht der Originalscore der Serie.
Komponist der so beliebten Melodien, das erfährt man erst später, ist Christian Bruhn. Und das ist nicht irgendein Komponist, sondern der Mann, der drei Generationen von Deutschen den Soundtrack ihrer Jugend geschrieben hat. Er ist vielleicht einer der bekanntesten Deutschen, deren Arbeiten wir alle kennen, ohne direkt zu wissen, wer dahinter steht.
Christian Bruhn wird 1934 in Wentdorf bei Hamburg geboren, spielt bereits mit vier Jahren eigene Melodien am Klavier und entstammt nach eigener Aussage einer musikalischen Familie aus dem Bildungbürgertum. Er macht eine Malerlehre, beginnt aber schließlich ein Studium der Komposition, das er 1955 abschließt.
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In den Sechzigern bereits wird er äußerst erfolgreicher Schlagerkomponist. „Zwei kleine Italiener“ von Conny Froboess wird sein erster großer Erfolg und Durchbruch. Schließlich komponiert er noch „Liebeskummer lohnt sich nicht“ für Siw Malmkvist, „Ein bisschen Spaß muss sein“, mit dem Roberto Blanco zum Star wird, „Marmor, Stein und Eisen bricht“ für Drafi Deutscher oder „Wunder gibt es immer wieder“ für Katja Ebstein. Auch für Mireille Mathieu schreibt er etliche Hits.
In den Siebzigern schließlich, als die Zeichentrickflut aus Japan ins ZDF strömt, wird Bruhn dort Stammkomponist. Die Titelsongs einiger der größten Kinderserien im ZDF stammen aus seiner Feder, ebenso wie die später so beliebten Weihnachtsserien: WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER, HEIDI, MARCO, SINDBAD, DIE ROTE ZORA UND IHRE BANDE, TIMM THALER, SILAS, MANNI, DERLIBERO, JACK HOLBORN, TAO TAO, ALICE IM WUNDERLAND, NESTHÄKCHEN, PATRIK PACARD oder OLIVER MAAS.
Die Vorstellung fällt einem schwer, dass es jemanden aus dieser Generation gibt, der nicht wenigstens eine Melodie von Christian Bruhn im Kopf hat.
Mehr als 2000 Melodien komponiert Bruhn, und dennoch bezeichnet er seinen Score zu CAPTAIN FUTURE bis heute als einen seiner Favoriten und betrachtet ihn selbst als eine „Sternstunde".
Ganz unumwunden gibt er auch zu, dass es vielleicht einer seiner komplexesten Soundtracks ist, bei dem er deutlich mehr Mittel eingesetzt hat als in seinen vorherigen Musiken und seine sonst typische Klaviermusik mit Streichern und Synthesizern überlagert. Hinzu kommen Gitarrenriffs, Disco-Klänge, und Vocalises. Zudem ist der Soundtrack äußerst abwechslungsreich. Stücke, die an DER ROSAROTE PANTHER von Henry Mancini erinnern, folgen auf eine eher romantisch-schnulzige, nach Flöten klingende Ballade, die von einem beinahe nach Motown klingenden Stück abgelöst wird. Man erkennt deutlich, dass Bruhn sich an allen 1980 modernen Stilrichtungen orientiert und diese zu einem stimmigen Gesamttrack vereint.
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Tatsächlich ist der Score zu CAPTAIN FUTURE immer wieder erstaunlich komplex und doch einfallsreich. Auf die Idee zu kommen, das treibende, für Konfliktszenen genutzte Stück „Feinde greifen an“ um einen Sound herumzubauen, der an eine Alarmsirene erinnert, zeugt von erstaunlicher Kreativität.
Vielleicht weniger kreativ, aber dennoch interessant ist auch Bruhns Idee, die Titelmelodie mit einem Vocalise zu unterlegen, also einem gesungenen, aber wortlosen Lied. Den Sopran singt seine damalige (bereits vierte) Frau ein, und die Inspiration dafür holt er sich ganz offensichtlich aus der Titelmelodie von RAUMSCHIFF ENTERPRISE.
1998 zeigt sich, dass auch Bruhn nachfolgende Künstler inspiriert. Der deutsche DJ und Produzent Phil Fuldner mixt aus Teilen des CAPTAIN FUTURE Soundtracks die Single „The Final“, die es auf Platz 7 der deutschen Charts schafft und bis heute Fuldners größter Erfolg bleibt.
Christian Bruhn wird 1991 übrigens Aufsichtsratvorsitzender der bei jungen Youtube-Nutzern so zwiespältig aufgenommenen GEMA, ein Posten, den er bis 2009 innehat.
Bis heute ist Bruhn, mittlerweile 82, als Komponist und Musikproduzent aktiv.
O Captain! Mein Captain!
CAPTAIN FUTURE ist ein Stück deutsche Kulturgeschichte, und damit doch nur die Spitze des Eisbergs. Von seinen Wurzeln der amerikanischen Pulp-Literatur der Vierziger über den Animehype im Japan der Siebziger bis zur deutschen Chartplatzierung 1998 umspannen der rothaarige Superwissenschaftler und seine Freunde den gesamten Globus und bis heute gut acht Jahrzehnte!
Für eine ganze Generation deutscher Fernsehzuschauer ist CAPTAIN FUTURE der vielleicht kultigste Held ihrer Kindheit und steht gleichzeitig für damalige Gewaltzensur und den durchaus grobschlächtigen Umgang des Öffentlich Rechtlichen Fernsehens der Siebziger und Achtziger.
Was dabei am meisten ärgert: Bis heute steht gerade den deutschen Fans, die mit Sicherheit zu den leidenschaftlichsten CAPATIN FUTURE Fans der Welt zählen, das Material nur unvollständig zur Verfügung. Die ungeschnittenen Folgen waren bisher so gut wie gar nicht verfügbar, und wenn, dann nur im japanischen Original. Eine Neusynchronisierung ist bisher nicht angedacht.
Mit der am 9. Dezember 2016 erfolgten Neuveröffentlichung auf DVD und Blu Ray werden immerhin etliche technische Mängel behoben, und die Limited Edition bietet sogar die 52 Originalfolgen mit deutschen Untertiteln an. Dennoch bleibt der Wunsch bestehen, irgendwann einmal alle Folgen in Originallänge auf Deutsch sehen zu können. Und ja, nicht wenige Fans weisen in ihrer Nostalgie darauf hin, dass noch immer sämtliche Originalsprecher aktiv sind und zur Verfügung stehen!
Immerhin: Im März 2012 beginnt der Golkonda Verlag damit, alle "Captain Future"-Romane von Hamilton als Neuübersetzung herauszubringen (etwa zwei Bände pro Jahr). Diese werden auch als inszenierte Hörbücher mit den Sprechern der Anime-Serie umgesetzt.
Schon 2010 gibt der Sci-Fi erfahrene deutsche Regisseur Christian Alvart (zuletzt mit dem Schweiger Tatort TSCHILLER: OFF DUTY im Kino) außerdem bekannt, dass er sich von Tōei Animation die Filmrechte, und vor allem die Designrechte der Anime-Serie gesichert habe, und seither eine Realverfilmung plant. Bis auf einen Konzepttrailer ist bisher nichts Konkretes bekannt, doch man darf gespannt bleiben.
Es zeigt sich also: CAPTAIN FUTURE begeistert noch heute die Fans. Man wird abwarten müssen, ob er auch kommende Generationen fasziniert. Sicher ist nur, dass er uns auch in Zukunft erhalten bleiben wird.
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" und – so heißt es – sogar einer Warnung in einem Schulbuch. Einen Beweis dafür konnten wir leider nicht finden, doch die Legende hält sich."
AntwortenLöschenJa. Das kann ich bestätigen -- dieses Schulbuch hatte ich nämlich (in den 1990ern). Es handelte sich um ein Deutschbuch -- für welche Klassenstufe, ist mir allerdings entfallen (mglw. 8. oder 9. Klasse). Der Text schilderte aus der Ich-Perspektive, wie ein Erwachsener, der den Namen "Captain Future" aufgeschnappt hat, weil Kinder auf einer Rodelbahn ihn sich gegenseitig zurufen, sich die Serie ansieht. Seine Reaktion: "Ich bin entsetzt! Brutale Monster schlagen, schießen, sperren ein, zerstören, verstümmeln, etc." An diese Formulierung (wie er aufzählt, was die "Monster" alles böses tun) erinnere ich mich noch deutlich, weil ich sie schon damals beim Lesen furchtbar dämlich fand. Der Text endet mit wehklagenden Spekulation darüber, warum sich Kinder eine "derart brutale Serie" gerne ansehen.
Dass in mindestens einem Schulbuch vor CF gewarnt wurde, ist also keine Legende, sondern ein Fakt, den ich bestätigen kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Fabian H.
Vielen Dank für deinen Bericht! Da wir die Geschichte nicht selbst verifizieren konnten, mussten wir es aus Sorgfaltsgründen als "Legende" bezeichnen, freuen uns aber, dass du etwas mehr Licht in die Sache bringen konntest. Das klingt echt spannend und ist eine tolle Ergänzung für unseren Artikel!
LöschenDankeschön!
Vielen herzlichen Dank für diesen Artikel. Für mich war Captian Future (neben Heidi) das erste Anime. Und bis heute auch das beste. Ich hoffe sehr, dass eine Realverfilmung kommt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Tobias
Dankeschön, wir freuen uns sehr, dass er dir gefallen hat, und wären einer guten Realverfilmung auch nicht abgeneigt! :)
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