INDEPENDENCE DAY ist einer der
erfolgreichsten, bekanntesten, beliebtesten, einflussreichsten und
nachhaltigsten Filme der Neunziger. Hinterlässt Millionen
begeisterte Zuschauer auf der ganzen Welt. Verändert das
Sommer-Blockbuster-Kino bis heute. Erschafft ikonische Schurken,
Bilder und Dialoge. Und wie bei seinem Gegenstück STAR WARS gibt es
kaum einen Filmfreund, der ihn nicht kennt.
Doch trotz seiner
unbestreitbaren Bedeutung und Popularität kämpft der Film, heute
mehr als damals, mit einem Imageproblem, wird immer wieder in die
Gruppe der „Guilty Pleasures“ verbannt, Filmen also, die
irgendwie Spaß machen, obwohl sie gar nicht wirklich gut sind.
Woher
diese Ambivalenz?
Die Geschichte einer Hassliebe.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, ©
Twentieth Century Fox
|
Jetzt auf DVD und Blu Ray |
Marcos Blick:
Man kann es sich heute kaum noch
vorstellen, doch als INDEPENDENCE DAY im Jahre 1996 die Leinwände
erzittern lässt, ist der Film frisch und ungewöhnlich. Bietet
Dinge, die es in der Form nie zuvor im Kino zu sehen
gab.
Alien-Invasionen im Kino liefen, im Stil von DIE
KÖRPERFRESSER KOMMEN, üblicherweise eher im Geheimen ab. Die
außerirdischen Eindringlinge ließen sich nur ungern blicken.
Kam
es doch einmal zum Kampf, spielte sich dieser üblicherweise in der
Provinz ab, niemals hätte eine der Parteien sich in die Nähe einer
Stadt gewagt.
Und von einer berühmten Ausnahme abgesehen – H.G.
Wells' KRIEG DER WELTEN – findet die „Invasion“ üblicherweise
auch eher im nationalstaatlichen Bereich statt. Ein Ufo in Roswell
hier, ein paar Menschenklone in Washington dort.
INDEPENDENCE DAY wischt das alles
wuchtig zur Seite: Es verlagert den Kampf gegen die Aliens
spektakulär in den Großstadtdschungel. Statt einer kleinen Einheit
lässt er Millionen Aliens gleichzeitig auf die nahezu völlig
unvorbereitete Menschheit los, und erstmals wird tatsächlich der
gesamte Planet gleichzeitig angegriffen. INDEPENDENCE DAY gerät zur
Frischzellenkur eines ausgetretenen Genres, erweckt die Lust an
urbaner Zerstörung und „katastrophalen“ Kinostoffen und setzt
aus dem Nichts Standards, die noch heute im Sommerkino gelten.
Und
das alles beginnt mit einem neugierigen Reporter.
Gute Fragen
Als Roland Emmerich und sein damaliger Autoren- und
Produktionspartner Dean Devlin auf Promo-Tour für ihren Sci-Fi Hit
STARGATE durch Europa tingeln, so will es die Legende, kommt von
einem Reporter eine berechtigte Frage: „Wenn Sie nicht an Aliens
glauben, weshalb drehen Sie dann einen Film wie STARGATE?“
Emmerich
erklärt, ihn habe die Vorstellung von Aliens immer fasziniert, die
auf der Erde eintreffen. „Stellen Sie sich vor“, erklärt er dem
Reporter, „Sie wachen eines Morgens auf, und über den Städten
dieser Welt schweben Raumschiffe, die 25 Kilometer groß sind.“
Fast augenblicklich dreht er sich zu Devlin um und sagt: „Ich
glaube, ich habe eine Idee für unseren nächsten Film.
Schließlich
nehmen sich beide einen Monat Zeit und fahren nach Mexiko, um am
Script zu arbeiten. Hier steht schnell der Ton des Films fest: „Wenn
du durch die ganze Galaxie fliegst, würdest du dich auf einer
kleinen Farm verstecken, oder würdest du den großen Auftritt
wagen?“, fragen sie sich.
Und tatsächlich planen beide recht
schnell, dass sie nicht von Sporen erzählen wollen, die sich
heimlich in ihren Wirten einnisten, oder von Hinterwäldlern, die
sich auf ihrer Farm mit einem einzelnen Alien rumschlagen müssen.
Nein, sie wollen etwas auf die Leinwand bringen, das es so noch nicht
gab. Ihre Aliens sollen den wirklich großen Auftritt bekommen. Das
Alien-Movie-Äquivalent zur berühmten Showtreppe des deutschen
Fernsehens der Fünfzigerjahre: pompös, bombastisch, beeindruckend.
Und, so viel sei vorweggenommen: Sie werden ihr Ziel weit
übertreffen.
Geheimnisse, Zensur, Präsidenten und eine überzeugende Rede
Das Script wird aus dem Stand eines der
heißesten Eisen in Hollywood. An einem Donnerstag wird es an die
Studios geschickt, bereits am nächsten Morgen trudeln die Angebote
herein. Den Zuschlag bekommt die Twentieth Century Fox, die den
beiden 69 Millionen Dollar zur Verfügung stellt. Am Montag beginnt
man man mit der Vorproduktion.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Schon bald stellt sich allerdings ein erstes
Problem ein: Das Konzept des Films sieht vor, dass der amerikanische
Unabhängigkeitstag zum entscheidenden Fokus der Handlung wird, was
schnell den perfekten Filmtitel vorgibt: „Independence Day“.
Bedauerlicherweise ist der jedoch bereits vergeben.
1983 bringt
Warner einen Film mit gleichem Titel raus, eine völlig erfolglose
Romanze (auf Deutsch: IHRE LETZTE CHANCE), und die Fox will einen
Rechtsstreit vermeiden. Stattdessen schlägt man Emmerich und Devlin
Titel wie „Invasion“ oder „Sky on Fire“ vor.
Emmerich und
Devlin, die bislang unter dem Arbeitstitel ID4 an ihrem neuen Film
werkeln, wollen sich damit nicht abfinden. Schließlich haben sie
eine Idee.
An dem Tag, an dem die Szene gedreht
wird, in der Präsident Whitmore seine mittlerweile berühmt-berüchtigte Ansprache hält, fügen die beiden am Ende noch
eine Zeile hinzu: „Today, we celebrate our Independence Day!"
Den
Rest erledigen die sogenannten „Dailys“: Als die Studiobosse die
Ansprache sehen, wird ihnen klar, welchen Fokus Devlin und Emmerich
auf den Feiertag legen. Schließlich suchen sie den Kontakt mit
Warner. Es kostet die Anwälte zwei Wochen, und der Titel ist
freigegeben.
(Zwischenzeitlich will das Studio den Start des Films
sogar auf den Memorial Day legen, um die starke Konkurrenz am 4. Juli
zu umgehen, und schlägt dafür den Titel „Doomsday“ vor.)
Doch
nicht alle Probleme finden ein so gutes Ende. So gelingt es Devlin
etwa nicht, seinen alten Highschool-Freund Kevin Spacey die
gewünschte Rolle zuzuschanzen. Spacey soll den Präsidenten spielen
– eine im Ur-Script noch deutlich düsterere Figur. Das Studio
lehnt jedoch ab.
Zum einen glaubt man nicht, dass Spacey
einen granteligen Präsidenten spielen könne (an dieser Stelle
dürfen sich alle Kenner von HOUSE OF CARDS einmal die Augen reiben),
zum anderen rechnet man dem noch recht unbekannten Mimen keine großen
Starqualitäten zu. Am Ende besteht man darauf, dass die Rolle von
dem bereits fest etablierten Bill Pullman gespielt werden soll.
Devlin und Emmerich schreiben die Figur daraufhin um, damit sie
besser in Pullmans deutlich freundlicheres Rollenwesen
passt.
Ebenfalls auf Granit beißt das amerikanische Militär.
Diesmal jedoch bei Devlin und Emmerich.
Denn, wie bei den Generälen üblich,
ist man dort nur allzu bereit und willig, den Film großzügig zu
unterstützen – mit Personal, Drehgenehmigungen für Militärbasen,
Ausrüstung und Beratung. Kein Wunder, bei einem Film, in dem
amerikanische Fliegerpiloten die Welt vor der Vernichtung
retten.
Doch die Lage ändert sich schlagartig, als man erfährt,
dass ein ganzer Akt des Films auf Area 51 spielt, dass die Gerüchte
um ein gefangenes Alien dort für wahr erklärt werden und – der
Gipfel der Beleidigung – dass das Militär diese Informationen vor
dem Präsidenten geheim hält. Man verlangt die ersatzlose Streichung
der gesamten Handlung um und in Area 51, doch die Filmemacher weigern
sich, worauf das Militär seine Unterstützung komplett zurückzieht.
Zumindest das amerikanische. Denn von
anderer Stelle erhält man großzügige Hilfe. Devlin und Emmerich
benötigen Bildmaterial, um zu recherchieren, wie ein Luftgeschwader
mit einem überlegenen Gegner umgehen würde. Nachdem das US-Militär
die Schotten dicht gemacht hat, fragt man bei der israelischen
Luftwaffe an. Dort ist man deutlich offener. Man bereinigt etliche
Filmaufnahmen von geheimem Material, und stellt es den beiden zur
Verfügung – eine unschätzbare Hilfe bei der Planung und
Inszenierung der Luftschlachten, die den Film auszeichnen.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Und
damit vermutlich auch der einzig jüdisch geprägte Teil des Films,
der es im Libanon ins Kino schafft. Dort wird für gewöhnlich jedes
Material, das die jüdische Kultur zeigt oder sogar positiv
darstellt, rigoros entfernt, so auch in INDEPENDENCE DAY, wo etliche
jüdische Symbole herausgeschnitten werden, sowie eine Szene, in
welcher jüdische Soldaten sich mit Israelis verbrüdern. Die
Hisbollah ruft sogar zum Boykott des Films auf, da er „das
sogenannte Genie“ der Juden propagieren würde. Jeff Goldblum
kommentiert das sachlich: „Ich denke, die Hisbollah hat den Kern
des Films nicht verstanden: Es geht nicht um amerikanische Juden, die
die Welt retten; es geht um Teamwork zwischen Menschen
unterschiedlicher Religionen und Nationalitäten, um einen
gemeinsamen Feind zu besiegen.“
Wüsten, Modelle, Aliens
INDEPENDENCE DAY wird in nur 72 Tagen
abgedreht – nahezu eine Rekordzeit für einen derartigen
Blockbuster. Doch auch in die andere Richtung stellt er etliche
Rekorde auf. Mit 3.000 Effektshots wird er seinerzeit der absolute
Spitzenreiter. Hinzu kommt, dass er laut Michael Joyce, dem
verantwortlichen Modellbauer, mehr als doppelt so viele Modelle
benutzt wie jeder andere Film. Ein absoluter Weltrekord – den
INDEPENDENCE DAY nach landläufiger Meinung auch auf sehr, sehr lange
Zeit behalten wird, einfach, da heute die Digitaltechnik diese
Aufgabe übernimmt.
1996 steckt die Digitaltechnik jedoch
noch in den Kinderschuhen, und Emmerich bevorzugt Modelle, da hier
das physische Gefühl von echter Zerstörung und echtem Feuer
deutlich besser transportiert werden kann. (Seinerzeit sehen
derartige Szenen aus dem Computer in der Regel noch über alle Maßen
künstlich aus.)
Bald aber hat sich die Digitaltechnik so weit
entwickelt, dass die Arbeit mit echten Modellen sich kaum noch
rentiert, und immer weniger und höchstens unterstützend eingesetzt
wird, was INDEPENDENCE DAY, vermutlich auf alle Zeit, zu dem Film mit
dem höchsten Modell-Einsatz der Filmgeschichte
macht.
Kompromissbereit zeigt sich Emmerich hingegen beim
Design der Aliens. Designer Patrick Tatopolous entwirft einige
Designs für die Aliens, doch am Ende gefallen Emmerich zwei davon so
gut, dass er das Konzept des Films umgestaltet und sie beide
verwendet, indem er eines davon als „biomechanischen“-Anzug der
Aliens verwendet. Dabei werden die Modelle der „Exo-Skelette“,
die zweieinhalb Meter hoch sind, extra so gestaltet, dass kein Mensch
hineinpassen kann, damit nicht der Eindruck entsteht, man habe es
sich hier mit einem „Mann-im-Kostüm“-Trick leichtgemacht, wie
man ihn etwa von GODZILLA kennt.
Auch sonst setzt man
vornehmlich auf manuelle Tricks. Der berühmte Eintritt der
Raumschiffe in die Erdatmosphäre wird mithilfe eines Wassertanks
realisiert, durch den man filmt, wie schmutziges Wasser eingeschossen
wird. Die Feuerwalzen, die sich durch die Straßen schieben, werden
mit um 90 Grad gekippten Straßenmodellen gedreht, an deren unterem
Ende eine Feuerexplosion ausgelöst wird, die sich nach oben auf die
Kamera zubewegt.
Das Weiße Haus (und die anderen Gebäude, die
direkt explodieren) werden im Maßstab 1/12 nachgebaut und aufwendig
in die Luft gesprengt, jedes Mal von einem Dutzend Kameras in
verschiedenen Geschwindigkeiten gefilmt. Von einem der großen
Raumschiffe wird ein neun Meter großes Modell zusammengesetzt.
Digital werden vor allem Elemente der
Luftschlachten und Hintergründe sowie zusätzliche Tricks
realisiert.
Das Set, an dem die Szenen im Weißen
Haus gedreht werden, ist zu jener Zeit bereits gut besucht. So wird
hier zum Beispiel bereits HALLO, MR. PRESIDENT gedreht (für den es
ursprünglich gebaut wurde), sowie NIXON und überraschenderweise
MARS ATTACKS!.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Schon bei seinem Kinostart Ende 1996
gilt MARS ATTACKS! vielen Zuschauern als gezielte Parodie auf den
enormen Erfolg von INDEPENDENCE DAY. Dabei werden beide Filme
parallel produziert, und wie erwähnt, wird MARS ATTACKS! –
ausgerechnet von Warner Bros., die gerade die Titelrechte an
INDEPENDENCE DAY abgetreten hatten – bereits vor INDEPENDENCE DAY
fertiggestellt. Erst, als die gigantische Marketingmaschinerie des
Emmerich-Boliden anläuft, beschließt man, den Start des Films vom
Sommer in den Dezember zu legen. Und auch Tim Burton gibt zu: „Es
war reiner Zufall. Niemand hatte mir etwas [von INDEPENDENCE DAY]
erzählt. Ich war überrascht, wie ähnlich sie sich waren.
INDEPENDENCE DAY hat einen anderen Stil – er war in allem anders.
Unser Film sah beinahe aus, als hätten wir die „Mad
Magazine“-Version von INDEPENDENCE DAY gedreht.“
Als problematisch erweisen sich auch
die Dreharbeiten in den Bonneville Salt Flats in Utah, wo einige der
Wüstenszenen gedreht werden. Die Bedingungen sind mörderisch –
und übelriechend.
Während Will Smith das bewusstlose Alien
hinter sich herschleift und herzhaft flucht, entfleucht ihm die
ungeplante, heute legendäre Zeile: „Und was zur Hölle ist das für ein Gestank?“.
In
dem großen Salzsee leben unzählige kleine Salzwasserkrebstiere, die
nach ihrem Tod im Grund versinken und verwesen. Bei Windstößen
können die verwesenden Tierchen an die Oberfläche des flachen Sees
gespült werden, und mit ihnen der Gestank – für Smith
offensichtlich eine überraschende Erfahrung.
Als unerwartet erweist sich auch der
tückische Wüstengrund. Obwohl sich das Team mit langer Kleidung vor
der Sonne schützt, und nur drei Szenen hier filmt, klagen
anschließend alle Beteiligten über schwere Sonnenbrände an den
Beinen. Es stellt sich heraus, dass die Sonne vom weißen Boden
reflektiert wurde, und so in die Hosenbeine der Crew schien.
Komödien, Scherze und große Raumschiffe
Zu einem weiteren Eklat kommt es mit
Schauspiellegende Robert Loggia, der eines Tages verrückt zu spielen
scheint. Nachdem man den Altstar zunächst auf Händen getragen hat,
und ihm sogar erlaubt, selbst zu entscheiden, welchem Militärzweig
sein (im Script nicht näher eingeordneter) General angehören soll,
weigert er sich eines Tages plötzlich voller Wut, seinen Trailer zu
verlassen.
Emmerich wird ans Set gerufen und
erhält schließlich Zugang zu Loggias Wohnwagen. Hier stellt sich
raus, dass eine Verwechslung von Produzent Dean Devlin das ganze
Drama ausgelöst hat. In einem Gespräch über Loggias Rolle legt
Devlin dem Schauspieler nahe, sich als Inspiration den Film AIRPLANE!
anzuschauen. Was Loggia nicht ahnt: Devlin meint den Katastrophenfilm
AIRPORT von 1970. Loggia, der beide Filme nicht kennt, folgt aber
Devlins Rat und leiht sich die Spoof-Komödie AIRPLANE! (deutscher
Titel: DIE UNGLAUBLICHE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG) von
1980. Nun glaubt er, er sei unwissentlich in eine alberne Komödie
geraten, die sich über die Handlung lustig mache.
Keinerlei
Missverständnisse gibt es hingegen bei Mary McDonnell, die
seinerzeit gerade zwei Oscarnominierungen erhalten hat und Dank DER
MIT DEM WOLF TANZT den Zenit ihrer Karriere erreicht hat. Sie sagt
sofort zu, als ihr Manager ihr das Projekt mit den Worten „Es geht
um 25 Kilometer große Raumschiffe“ vorstellt. Die Charaktermimin
scheint eine heimliche Vorliebe für Science-Fiction-Stoffe zu haben,
zumindest spielt sie später überaus erfolgreich eine Hauptrolle in
der Neuauflage von BATTLESTAR GALACTICA.
Vivica A. Fox gelangt
übrigens nur an ihre Rolle von Will Smith' Ehefrau, weil die
ursprünglich dafür vorgesehene Jada Pinkett terminlich absagen
muss. Erst wenig später treffen Pinkett und Smith sich an anderer
Stelle – und heiraten schließlich.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Brent Spiner gilt, aufgrund seiner
Paraderolle als Android DATA in RAUMSCHIFF ENTERPRISE – DAS NÄCHSTE
JAHRHUNDERT, als überraschendes Gimmick im Film. Was niemand weiß:
Sowohl das Aussehen als auch die Manierismen seiner Figur Dr. Okun
sind nahezu 1:1 von Special Effects Supervisor Jeffrey A. Okun
kopiert, der für Devlin und Emmerich die Effekte in STARGATE
überwacht hat.
(Devlin und Emmerich sind berüchtigt
dafür, in ihren Filmen Namen, Erfahrungen oder Begegnungen mit
Kollegen zu verwenden. Alien-Designer Patrick Tatopoulus findet etwa
in Emmerichs GODZILLA Verwendung, wo Matthew Brodericks Figur Nico
Tatopoulos nach ihm benannt ist. Als Jasmine, die Freundin von
Captain Hiller, in der Special Edition von INDEPENDENCE DAY, mit
einem herzhaft sarkastischen „War schön, für dich zu arbeiten,
Mario!“ ihren Job als Stripperin kündigt, ist das ein
unverhohlener Seitenhieb auf Produzent Mario Kassar, der Emmerich und
Devlin immer wieder in STARGATE reingeredet hatte, und die beiden
zwang, den Film umzuschneiden.)
Dr. Okun erweist sich als so
populär, dass Devlin schließlich sogar einen Rückzieher macht –
obwohl die Figur im Film ursprünglich stirbt, gibt Devlin
schließlich den Fanprotesten nach und erklärt Dr. Okun für „im
Koma liegend“. Die Freude unter den Fans ist ebenfalls groß, als
bekannt wird, dass Okun auch in der Fortsetzung wieder mit dabei sein
wird.
Die Ankunft
Erste Testscreenings des Films laufen
gut an. Dennoch entscheidet Devlin, wenigstens eine Szene komplett
umzuschneiden. Ursprünglich wird die Figur Russell (gespielt von
Randy Quaid) aufgrund seines Alkoholproblems nicht wieder für einen
Kampfjet freigegeben, woraufhin er eine Rakete klaut, unter seine
Propellermaschine schnallt, und damit in das Alienraumschiff fliegt,
um es zu zerstören.
Die Szene kommt gut an, doch schließlich
entscheidet Devlin, dass ein Propellerflugzeug in der Luftschlacht
einfach unglaubwürdig sei. Es gibt umfassende Nachdrehs –
allerdings wurde das Cockpit-Modell, in dem die Aufnahmen der Piloten
gedreht wurden, mittlerweile für Michael Bays THE ROCK verwendet.
Deshalb ist Russells Cockpit stets dunkler als das der anderen
Piloten.
In Sachen Marketing betritt man mit INDEPENDENCE DAY erneut Neuland. Schon in STARGATE wagte man Ungewöhnliches – so richtet Dean Devlin seinerzeit die erste Webseite eines Kinofilms ein.
Für INDEPENDENCE DAY, dessen Potential das Studio schnell erkennt, wagt man etwas ganz neues: Gut 1,3 Millionen des auf 20 Millionen veranschlagten Werbebudgets opfert man, und bucht einen Werbespot während des Super-Bowls! Die Aktion ist dermaßen erfolgreich, dass es sich schnell als Standard etabliert. Heute gelten die Super-Bowl-Spots als Königsliga der Blockbusterwerbung.
In Sachen Marketing betritt man mit INDEPENDENCE DAY erneut Neuland. Schon in STARGATE wagte man Ungewöhnliches – so richtet Dean Devlin seinerzeit die erste Webseite eines Kinofilms ein.
Für INDEPENDENCE DAY, dessen Potential das Studio schnell erkennt, wagt man etwas ganz neues: Gut 1,3 Millionen des auf 20 Millionen veranschlagten Werbebudgets opfert man, und bucht einen Werbespot während des Super-Bowls! Die Aktion ist dermaßen erfolgreich, dass es sich schnell als Standard etabliert. Heute gelten die Super-Bowl-Spots als Königsliga der Blockbusterwerbung.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Und noch eine Neuerung wagt der Film. Was
damals kaum üblich ist, sind Trailer, die wenig über den Film
aussagen, sondern eher eine Stimmung transportieren. Heute nennt man
das Teaser-Trailer, 1996 gibt es dafür noch keinen richtigen
Begriff.
INDEPENDENCE DAY weiß, was es tut: Man bewirbt den
Film mit den Schauwerten, die den Film schließlich groß machen.
In
Deutschland läuft in jener Zeit tatsächlich nur der
„Teaser“-Trailer (In den USA startet kurz vor Filmstart noch ein
etwas konventionellerer Trailer), und dennoch gelingt es ihm, den
Hype zu entfachen.
Zumindest ich war, als der Film schließlich
lief, und ich im Kino sah, tatsächlich kurz überrascht, dass
tatsächlich Schauspieler mitspielen – mir hatten die Bilder des
Teasers bereits ausreichend Lust gemacht. Wer wissen will, womit man
damals noch Millionen Deutsche ins Kino locken konnte: Der Trailer zu INDEPENDENCE DAY!
Die Kunst, einen Film zu hypen ist nicht neu, und spätestens seit BATMAN oder JURASSIC PARK auch vollends in den Neunzigern angekommen. Dennoch erwartet kaum jemand, welche Macht das Versprechen auf irrwitzige Bilder und Effekte auf das Publikum ausübt. Der offizielle Starttermin in den USA wird auf den 3. Juli vorverlegt, doch die Begeisterung des Publikums ist so groß, dass viele Kinos ihn bereits am 2. Juli zeigen – und damit genau an dem Tag, an dem die Filmhandlung einsetzt. In seiner ersten Woche spielt der Film 104 Millionen Dollar ein. Der Film pulverisiert sämtliche Rekorde, die erst drei Jahre zuvor von JURASSIC PARK aufgestellt wurden.
Die Kunst, einen Film zu hypen ist nicht neu, und spätestens seit BATMAN oder JURASSIC PARK auch vollends in den Neunzigern angekommen. Dennoch erwartet kaum jemand, welche Macht das Versprechen auf irrwitzige Bilder und Effekte auf das Publikum ausübt. Der offizielle Starttermin in den USA wird auf den 3. Juli vorverlegt, doch die Begeisterung des Publikums ist so groß, dass viele Kinos ihn bereits am 2. Juli zeigen – und damit genau an dem Tag, an dem die Filmhandlung einsetzt. In seiner ersten Woche spielt der Film 104 Millionen Dollar ein. Der Film pulverisiert sämtliche Rekorde, die erst drei Jahre zuvor von JURASSIC PARK aufgestellt wurden.
Der Film wird der erfolgreichste des Jahres
und am Ende der zweiterfolgreichste aller Zeiten – direkt hinter
JURASSIC PARK. Auch wenn er seither von etlichen modernen
Action-Blockbustern überholt wurde – allesamt Filme, die er selbst
überhaupt erst möglich gemacht hat, ruht er aktuell immer noch auf
Platz 51 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten.
1996 liebt
ihn das Publikum, auch wenn zeitgenössische Kritiken bereits relativ
offen deklarieren, dass der Film vor allem mit seinen Effekten und
seiner leichten Unterhaltung punktet, dass das Drehbuch jedoch etwas
unterentwickelt sei.
Dennoch hat INDEPENDENCE DAY es heute ein
wenig schwer, ernst genommen zu werden. Woran genau liegt das?
Die Ära des Neuananfangs
Manchmal ist die Filmgeschichte einfach
unfair. Fragt man landläufig herum, welche Filme für den modernen
Blockbuster, mittlerweile „Tentpoles“ genannt, verantwortlich
seien, fallen stets dieselben, auswendig gelernten Titel: DER WEISSE
HAI und STAR WARS.
Dabei verdankt das moderne
Blockbusterkino seine Geburt vor allem einem Film: INDEPENDENCE DAY.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Zwei gewichtige Worte, wenn man von
Kinofilmen spricht. Und obgleich der Begriff seit über 230 Jahren
soziokulturell längst vergriffen und geprägt ist, hat er sich in
der Filmgeschichte eine ganz eigene, alles überragende Bedeutung
erarbeitet. Es gibt wohl nur wenige andere Filme, deren Titel allein
so bedeutungsschwer und prägnant aufgenommen wird, ohne dass sich
(bisher) je ein Franchise darum gebildet hat.
Und das ist kein Zufall – denn unser
heutiges Kino, die Flut an Superheldenfilmen, an Transformern, an
Meteoriteneinschlägen und Sturmfluten, all das wurzelt in den
spektakulären Bildern und dem noch spektakuläreren Erfolg von
INDEPENDENCE DAY!
Das Jahr 1996 stellt eine deutlich
wahrnehmbare Zäsur, vor allem in der deutschen Kinolandschaft dar,
in dem zwei Faktoren aufeinanderstoßen, die das „alte“ Kino
aussterben lassen, und das „neue“ Kino erst ermöglichen.
Der erste Faktor ist, zumindest
hierzulande, Hans-Joachim Flebbe. Flebbe ist Kinounternehmer, der
seit 1973 die Branche immer wieder umgestaltet, 1977 sein erstes
eigenes Kino eröffnete, und 1993 beginnt, etwas gänzlich neuartiges
in Deutschland zu etablieren: Das Multiplex-Kino.
Vor Flebbes Multiplex-Angriff sieht das Kino in
Deutschland, zumindest nach dem Zusammenbruch der Branche in den
Siebzigern, deutlich anders aus: Oftmals aus ein, maximal drei Sälen
bestehende „Schachtelkinos“, meistens als Teil einer Häuserzeile,
ähneln sie eher einem Theater: Es gibt ein Foyer mit Kassen, einen
kleinen Stand für Eis und Getränke, und einen Gang in den Saal,
dessen Sitze oftmals eher an bequeme Wartehäuschen-Stühle erinnern.
Das Kino ist ein Ort, an dem man Filme guckte, und dann eilig wieder
nach Hause fährt.
Flebbe macht daraus Unterhaltungszentren –
riesige Prachtbauten mit bis zu einem Dutzend Spielsälen, riesigen
Leinwände, bequemen Lounge-Sessel, gigantischen Foyers mit
Bildschirmen und Spielautomaten, mit Veranstaltungen und
angegliederten Geschäften oder Restaurants. (Für eine Weile gibt es
in den Kinofoyers tatsächlich beinahe standardmäßig immer ein
Restaurant!) Das Kino wird zum Erlebnisaufenthalt, und einem Ort, an
dem man den ganzen Tag verbringen kann.
Am 3. Oktober 1996 eröffnet Flebbe in
Hamburg das Cinemaxx am Dammtor – das bis dahin größte Kino
Deutschlands. Saal 1 (von acht) verfügt über die größte Leinwand
und mit knapp 970 Sitzplätzen über die größte Kapazität
Deutschlands. Prunkvoller ist Kino dieser Generation nie gewesen. Und
es erhält sofort das perfekte Futter.
Denn am 19. September,
also nur zwei Wochen zuvor, startet in Deutschland INDEPENDENCE
DAY!
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Es hätte kein besseres Timing gefunden werden können.
(Zumindest für die Hamburger – und die Städte, die bereits über
ein Cinemaxx verfügen.) Hier treffen zwei Giganten des Showkonzepts
aufeinander, die sich nicht besser hätten ergänzen können.
INDEPENDENCE DAY kommt auf keinem
anderen Medium so gut zur Geltung, wie auf den Mega-Leinwänden der
Multiplexe, gefüllt mit edelstem THX-Sound und brillianten Bildern.
Und die Multiplexe können ihre Muskeln bei keinem Film derartig
imposant spielen lassen, bei keinem Film ihre Mehrwerte so
gut präsentieren, wie mit dem auf gigantische Raumschiffe und
gigantische Zerstörung riesiger Städte getrimmten INDEPENDENCE DAY.
Das ist Effekte-Super-Kino vor und auf der Leinwand.
Für
mich, und Tausende andere Filmfreunde meiner Generation, wird
INDEPENDENCE DAY der erste Film, den wir je auf der gottgleichen,
noch fabrikneuen Leinwand eines Multiplex-Kinos gesehen haben. Und in
den meisten Fällen mehrfach. Eine zutiefst prägende Erfahrung, die
heute, wo Riesen-Kinos und glänzende Bilder der Zerstörung Standard
geworden sind, kaum noch nachzuvollziehen ist, wenn man es nicht
selbst erlebt hat.
Ja, es ist unleugbar: INDEPENDENCE DAY
hat dem modernen Kino den Weg nicht nur geebnet, sondern ihn planiert
und mehrspurig ausgebaut.
Die Ära des des Weltraums
Die Siebziger sind das große Jahrzehnt
der Katastrophenfilme, in denen Streifen wie ERDBEBEN, METEOR oder
FLAMMENDES INFERNO (dort mehr zu den Erfolgen des Genres) die Lust am
Spektakel und der Weltenzerstörung entfachen. Doch die Effekttechnik
setzt der Fantasie ihre Grenzen; Grenzen, die George Lucas mit STAR
WARS zu erweitern sucht. Die Achtziger führen die Effekttechnik in
einer unüberschaubaren Flut von „Fantasy-Filmen“ aller Coleur an
den Rand des Machbaren, bevor 1993 der Thriller JURASSIC PARK das
Machbare mithilfe der Digitaltechnik ins Unendliche erweitert.
Schon James Cameron nutzt die noch
junge Technik, um in TERMINATOR 2 die urbane Zerstörung auf die
Spitze zu treiben, wenngleich seine Sequenz einer atomaren Zerstörung
von L.A. noch gänzlich ohne digitale Tricktechnik auskommt.
Doch
im Hintergrund lauert jemand ganz anderes, der sein Leben lang nur
auf diesen Augenblick gewartet zu haben scheint, um endlich den Sinn
seines Daseins erfüllen zu können, um seine Träume von Zerstörung
und Untergang so auf die Leinwand zu zaubern, wie es ihm immer
vorschwebt. Der einzig wahre „Master of Desaster“, der Schöpfer
des neuen, cineastischen Untergangsmythos: Das „Spielbergle“
Roland Emmerich.
Emmerich wird am 10. November 1955 in
Stuttgart geboren. Was heute kaum noch zu glauben ist: Emmerich will
nie Katastrophenfilme drehen, und interessiert sich auch gar nicht
für die Katastrophenfilme der Siebziger. Emmerichs Interessen liegen
bei etwas ganz anderem: Der Ankunft von Aliens.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Emmerich ist
bekennender Fan von Erich von Däniken, jenem Schweizer Autor, der
mit seinen Büchern in den der Sechzigern und Siebzigern die
sogenannte „Prä-Astronautik“ populär macht, also jene
Pseudo-Wissenschaft, die historische kulturelle Merkmale so deutet
deutet, dass die Menschen schon in der Vergangenheit wiederholt von
Aliens aufgesucht und angeleitet wurden.
Kurz: Emmerich ist
Ufo-, Sci-Fi und Alien-Fan, für ihn liegt die Faszination im Leben
im Weltraum, sei es nun das menschliche Leben, oder das von
Außerirdischen.
1977 beginnt Emmerich sein Filmstudium als
Set-Designer – doch nachdem er STAR WARS im Kino sieht, entscheidet
er sich stattdessen für den Regiestuhl.
Und Emmerich beweist von Anfang an,
dass er keinerlei Interesse daran hat, ein typisch deutscher
Regisseur zu sein. Während Zeitgenossen wie Wolfgang Petersen,
Werner Herzog oder Volker Schlöndorff, sich dem Diktat des
Autorenfilms ergeben, und schwere deutsche Stoffe realisieren, sucht
Emmerich sich für seinen Abschlussfilm DAS ARCHE NOAH PRINZIP statt
der 20.000 D-Mark, die die Filme üblicherweise kosten, eine Million
zusammen und dreht einen effektvollen Science-Fiction Streifen.
Und Emmerich bleibt sich treu,
spekuliert von Anfang an auf ein Nischengenre, was er dadurch zu
kompensieren versucht, dass er seine Filme international verwertbar
macht. Seine drei Folgefilme JOEY, HOLLYWOOD MONSTERS und MOON 44
produziert er zwar in Deutschland, jedoch auf englisch und mit
amerikanischen Schauspielern. Obwohl man allen Filmen ihr
überschaubares Budget ansieht, werden sie erfolgreich und öffnen
Emmerich, wenig verwunderlich, Tür und Tor in Hollywood.
1992 gibt er dort sein Debüt. Und was
für eins. Mit Dolph Lundgren und Jean-Claude van Damme vereint er
zwei der damaligen Topstars des Actionkinos, und hetzt sie im
ultrabrutalen UNIVERSAL SOLDIER aufeinander. Emmerich erweist sich
damit endgültig als König der Nerds (auch wenn man es damals noch
nicht so nennt) und gilt als besonders heißes Eisen in Hollywood.
Sein Erfolg ermöglicht ihm jede Menge
Freiheiten, und endlich kann er sich dem Thema widmen, das ihn schon
so lange fasziniert: Der Prä-Astronautik.
1994 realisiert er gleich zwei Filme
dieser Art. Einmal wirkt er als Produzent an dem herrlich schrägen
Klamauk HIGH CRUSADE mit, bei der einer Handvoll mittelalterlicher
Figuren ein Raumschiff in die Hände fällt. Doch statt damit
Jerusalem zu erobern, landet man auf einem fremden Planeten – aber
dort lässt es sich ja ebenfalls hervorragend kämpfen.
Der Film
wird das Debüt des heutigen Fernsehregisseurs Klaus Knösel und ist
ein spaßiger Geheimtipp.
Und natürlich widmet Emmerich sich
auch als Regisseur dem Thema, und wuchtet mit STARGATE eines seiner
Meisterwerke in die Kinos. Emmerichs Vision, in der er der gesamten
ägyptischen Mythologie einen außerirdischen Ursprung andichtet,
muss Erich von Däniken Freudentränen in die Augen getrieben haben.
In jedem Fall wird der Film einer der
erfolgreichsten des Jahres, ein bis heute äußerst sehenswerter
Klassiker, und der Startschuss für eines der erfolgreichsten
Franchises der Welt – gleich drei Fernsehserien mit insgesamt 17(!)
Staffeln plus einige angelagerte Fernsehfilme spinnen die Geschichte
des Films fort. Und natürlich arbeitet Emmerich inzwischen an einem
Reboot!
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Zeitgleich trifft Emmerich auf seinen
wichtigsten Weggefährten: Dean Devlin, einer der Nebendarsteller in
MOON 44.
Devlin entpuppt sich als Emmerichs
Bruder im Geiste, und sofort erkennen die beiden, wie gut sie
zusammenarbeiten können. Devlins Mutter spielt in zwei Episoden von
RAUMSCHIFF ENTERPRISE mit, und er ist seit seiner Kindheit großer
Science-Fiction Fan. Gemeinsam erarbeiten beide die Idee zu STARGATE
und verfassen das Drehbuch.
Die Ära des Untergangs
Der Erfolg von STARGATE macht aus
Emmerich und Devlin auf einen Schlag zwei der Top-Leute in Hollywood
(auch wenn Devlin als Autor und Regisseur eher im Hintergrund
bleibt).
In der Konzeptionsphase zu INDEPENDENCE DAY fragen
Emmerich und Devlin sich, wie sie ihre Aliens gestalten wollen,
welche Persönlichkeit sie ihnen verpassen wollen, und entscheiden
schließlich: Gar keine.
Sie wollen die Aliens als mysteriöse
Rasse etablieren, die wie eine Naturkatastrophe über die Welt
herfällt.
Erst jetzt, und aus diesem Grunde,
sichten Emmerich und Devlin die großen Katastrophenfilme der
Siebziger, und entdecken, welche Möglichkeiten sich ihnen auftun:
„Das brachte uns dazu, einige Katastrophenfilme zu schauen, und
plötzlich erkannten wir, dass man in Katastrophenfilmen gegen den
Strich erzählen, und Dinge tun kann, die in keinem anderen Genre
möglich sind, etwa eine Figur nach einer Stunde einführen. In
FLAMMENDES INFERNO taucht Steve McQueen nach einer Stunde auf, und er
ist eine der beiden Hauptfiguren. Außerdem hielt das Genre eine
Unvorhersehbarkeit bereit, die mir gefiel. Und dann gab es da noch
etwas, das ich immer mochte: ein Cast aus vielen Figuren, in dem aus
normalen Menschen Helden werden.“
Und so stricken Emmerich und Devlin aus
ihrer Alien-Invasion einen Katastrophenfilm. Und was für einen!
Fünf Jahre, bevor der 11. September
die Lust an der urbanen Zerstörung endgültig zum Nonplusultra der
cineastischen Traumabewältigung erhebt, hievt Emmerich die spröde
Schönheit berstenden Betons auf die Leinwand und in die Köpfe der
Zuschauer.
Nie zuvor hat ein Film den Mumm –
oder die technischen Mittel –, ganze Städte zu zerstören,
Millionen und Abermillionen Menschen sterben zu lassen (aber einen
Hund in letzter Sekunde in Zeitlupe vor dem sicheren Feuertod zu
retten). Selbst die gewaltigsten Katastrophenfilme der Siebziger
lassen maximal einen Teil einer Stadt hopsgehen, etwa in ERDBEBEN.
Emmerich und Devlin erweitern die
Katastrophe aus dem Stand auf die globale Ebene (auch wenn naturgemäß
nur die amerikanische Perspektive gezeigt wird), und lassen die
Aliens zeitgleich jede große Metropole der Erde vernichten. Nur
wenige Filme leisten sich zuvor so viel Chuzpe, darunter die
Romanverfilmung WHEN WORLDS COLLIDE (Deutscher Titel: DER JÜNGSTE
TAG) von 1951, und EIN RIß IN DER WELT von 1965, in dem jedoch trotz
der Tatsache, dass am Ende ein großer Teil des Planeten einen
zweiten Mond bildet, keine nennenswerten zivilen Opfer entstehen.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Und INDEPENDENCE DAY startet einen
Hype, der bis heute anhält.
Zunächst läutet er eine begeisterte
Wiedergeburt des Katastrophenfilms ein – diesmal jedoch gelten dort
vor allem Schauwerte und eine möglichst globale Bedrohung.
Es ist kein Zufall, dass 1996, zwei
Jahre nach INDEPENDENCE DAY, die Streifen ARMAGEDDON und DEEP IMPACT
beinahe zeitgleich ins Kino kommen. INDEPENDENCE DAY hat die Lust an
der globalen Zerstörung geweckt, an Bildern versinkender und
zusammenstürzender Großstädte. Das lässt sich am einfachsten
durch eine massive Gefahr aus dem All umsetzen, und nachdem
INDEPENDENCE DAY die Alieninvasion so entzückend inszeniert hatte,
blieb den Studios vor allem eine Möglichkeit: Asteroiden!
Ein
weiteres Jahr später starten mit DANTE'S PEAK und VOLCANO ebenfalls
beinahe zeitgleich zwei weitere Katastrophenfilme, diesmal mit
Vulkanen. Mit DAYLIGHT, TWISTER, WATERWORLD, FIRESTORM oder OPERATION
PEACEMAKER kommen allein zwischen 1994 und 1997 etliche weitere
hochdotierte Katastrophenfilme und -thriller in die Kinos. Die Flut
an TV-Filmen, die vor allem das amerikanische Fernsehen bis heute
überschwemmen, ist unüberschaubar. Beinahe wöchentlich wüten sich
Tornados, Stürme, Erdbeben, Asteroiden, Nuklearkatastrophen,
Eiszeiten, Feuerwalzen, Hitzewellen, Stromausfälle, Flutwellen,
Viren, Lawinen, die Apokalypse, Flug-, Schiffs oder Bahnkatastrophen
und wer weiß was sonst noch durch Amerikas Wohnzimmer. Und natürlich
Aliens. Immer wieder Aliens.
Vor allem aber eine Zäsur führt
Emmerich mit INDEPENDENCE DAY ein: Er verlegt die Katastrophe aus der
Provinz in die Metropolen. Konzentrierten die früheren Filme ihr
Leid und ihr Elend meist auf kleine Dörfer, oder wie in ERDBEBEN
zumindest in Randgebiete – zum einen aus Kostengründen, aber auch,
um moralisch sauber zu bleiben, und den „Bodycount“ niedrig zu
halten –, macht Emmerich in INDEPENDENCE DAY auf einen Schlag
gleich drei amerikanische Metropolen platt: New York, Washington,
D.C. und Los Angeles. Von den Städten, die offscreen dran glauben
müssen, ganz zu schweigen.
Damit bricht er ein stilles Tabu –
was die Zuschauer begeistert. Und fortan zum Standard wird.
Seither bricht jede große Katastrophe
in den Betonjungel ein, am liebsten in New York. ARMAGEDDON, DEEP
IMPACT, VOLCANO, PACIFIC RIM, die TRANSFORMERS-Filme (zumindest ab
Teil 3), BATTLE: LOS ANGELES, SAN ANDREAS, Die MARVEL-Filme, MAN OF
STEEL, KNOW1NG, CLOVERFIELD, I AM LEGEND – Bilder, in denen Tod und
Verwüstung große Städte heimsuchen, von zerberstenden und
einstürzenden Türmen aus Glas und Beton, sind heute aus dem Kino
nicht mehr wegzudenken, ja sogar ein entscheidender Bestandteil der
Kinoblockbuster. Und begonnen hat alles am 4. Juli 1996.
Und natürlich mischt auch Roland
Emmerich fröhlich mit. Dabei hat er das so gar nicht geplant. Doch
am Ende lässt Hollywood ihm keine Wahl: „Wenn du als Regisseur
große Filme in Hollywood machst, hast du nicht viele Möglichkeiten.
Du kannst ein berühmtes Buch verfilmen, und davon gibt es nicht so
viele. Du kannst ein opulentes Science-Fiction Spektakel drehen. Du
kannst einen Superhelden-Film drehen, in letzter Zeit vor allem das.
Oder du kannst seit neuestem einen Film über Geheimagenten
drehen.
Ich habe Superhelden-Filme nie gemocht. Ich habe ein
bisschen Probleme mit Fantasy. Außerdem wollte ich meine eigenen
Geschichten erzählen, also sind berühmte Bücher keine Option. Und
dann gibt es noch Katastrophenfilme. Der erfolgreichste Film aller
Zeiten ist TITANIC, und jeder vergisst, dass das ein Katastrophenfilm
ist.“
Und so bleibt Emmerich dem Genre treu. Mit GODZILLA,
THE DAY AFTER TOMORROW und schließlich 2012 realisiert er drei der
besseren Katastrophenfilme im Fahrwasser von INDEPENDENCE DAY, und er
steigert sich dabei kontinuierlich. Mit 2012 dreht er darüber hinaus
quasi die Mutter und Quintessenz aller Katastrophenfilme: Flutwellen,
Erdbeben, Supervulkane – nichts bleibt der Erde erspart, was sogar
Emmerich zu dem Schluss kommen lässt: Das war's. Es gäbe nichts
mehr, das er noch zerstören könne, und so will er sich aus dem
Katastrophengeschäft zurückziehen.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Und doch hält er das nicht lange
durch. Obwohl er mit ANONYMOUS und STONEWALL inzwischen zwei
beachtliche, und sehr untypische kleine Dramen inszeniert hat,
verfällt er dem aktuellen Retro-Trend und kehrt zu seinen Wurzeln
zurück. Im Juli 2016, zwanzig Jahre nach seinem Megaerfolg, bringt
er eine Fortsetzung von INDEPENDENCE DAY in die Kinos – und noch
immer zelebriert er die Luft an der Zerstörung.
Die Ära der Fragen
Spannend ist dabei, und das mag viele
jetzt überraschen, dass Emmerich sich bei seinen Filmen auch um die
Figuren Gedanken macht – und um die Aussage der Geschichte. So
trennt er Katastrophenfilme etwa in solche, in denen die
(vermeidbare) Katastrophen von Menschen gemacht sind (wie in THE DAY
AFTER TOMORROW) und solchen, in denen die Menschen der Gewalt macht-
und schuldlos gegenüberstehen, was ihn reizt: „Bei einer
vermeidbaren Katastrophe denkt man sich als Regisseur: „Die
Regierung sollte etwas tun!“, oder „Die Leute sollten etwas tun!“
Und man hofft, dass die Leute sich vielleicht dazu bewegen lassen,
etwas zu ändern. Bei 2012 ging es um ein unvermeidbares Desaster,
aber es gibt darin zwei Sorten von Menschen: Die, die wissen was
kommt und heimlich Vorkehrungen treffen, aber den anderen nichts
davon erzählen, und der Film fragt: „Ist das moralisch
vertretbar?“. Und dann gibt es die Menschen, die nichts wissen, die
es einfach zufällig erfahren, und der Film erzählt davon, was diese
Leute tun können. Auf seine Art handelt der Film also von einer viel
größeren Frage, und fragt danach, ob die menschliche Rasse es wert
ist, gerettet zu werden, und wenn ja, zu welchem Preis.“
Auch in INDEPENDENCE DAY nähert er
sich diesem Thema: Er bemüht sich, den Mensch in verschiedenen
Facetten zu zeichnen, verschiedene Familien- und Lebenskonstrukte
vorzustellen, bevor er die Katastrophe über sie alle hereinbrechen
lässt, und fragt sich am Ende: Ist die Menschheit es wert, gerettet
zu werden? Und wenn ja, wofür?
Emmerich ist Humanist und
Religionsgegner, ein Mensch mit der festen Überzeugung, der Mensch
müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, und in INDEPENDENCE
DAY vereint er die Menschen gegen einen gemeinsamen Gegner, statt
immer nur gegeneinander. Er erweitert den amerikanischen
„Unabhängigkeitstag“ auf die ganze Erde. Trotz der
Zerstörungswut ist INDEPENDENCE DAY also ein durchaus optimistischer
und humanistischer Film, an dessen Ende die Welt besser und vereinter
dasteht als zu Beginn.
Doch das vergisst man schnell, denn wer
heute an INDEPENDENCE DAY denkt, der denkt als erstes an Bilder der
Zerstörung, an Emmerichs typische Bilder von Heldentum,
amerikanischem Patriotismus, an etwas ungelenke, da etwas simpel
gestrickte Charaktere – und verpasst dem Film damit einen
schlechteren Ruf, als er im Grunde verdient hat.
Quelle: Blu Ray „Independence Day, © Twentieth Century Fox |
Woher also die Ambivalenz, die
INDEPENDENCE DAY heute hervorruft?
Womöglich ist es das Alter.
1996 setzt INDEPENDENCE DAY Standards, die heute nicht nur noch
gültig sind, sondern perfektioniert wurden. Als Vater des modernen
Zerstörungskinos hat der Film es daher natürlich schwer, mit seinen
modernen Vertretern Schritt zu halten.
Richtig ist auch, dass
Emmerich (und Devlin) nicht Gottes Geschenk an die Drehbuchkunst
sind. Ihnen fehlt das letzte Bisschen Finesse, die Charaktere so zu
gestalten, dass ihre offensichtliche Funktion in den Hintergrund
tritt. Damit wirken die Geschichten und Figuren schnell „platt“
und „simpel“, selbst wenn sich dahinter ehrwürdige Aussagen
verbergen – niemand mag es, wenn man ihm eine Aussage ins Gesicht
knallt. (Außer, der Regisseur heißt Spielberg!)
Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass Emmerich an unsere niederen Instinkte
appelliert. Der Mann, der einmal gesagt haben soll: „Wenn man ins
Kino geht, muss die Leinwand beben, sonst kann man sich die Mühe
sparen!“ versteht es wie kein Zweiter, uns mit kunterbunten Bildern
von Zerstörung und Irrsinn zu entzücken. Und er schert sich nicht
darum, ob die Erklärung für diese Bilder sinnvoll oder für uns
Zuschauer realistisch sind, solange sie plausibel sind. Auch deshalb
passt er so gut nach Hollywood.
Vielleicht weckt er also in
uns allen die Ambivalenz, dass wir uns an seinen Bildern erfreuen,
obwohl wir die Hintergründe so fragwürdig finden. Vielleicht
erwecken Emmerichs Zerstörungsorgien in uns das Gefühl, uns an
etwas zu erfreuen, dass wir für wenig intelligent halten – und
weckt damit Zweifel an unserer eigenen Intelligenz. Sicher ist:
Emmerichs Filme machen Spaß, nehmen sich nie ernster als nötig, und
bescheren uns oft genug Aussichten, die man sich nicht hätte
erträumen lassen. In keinem Film gelingt ihm das so gut wie in
INDEPENDENCE DAY. Und vielleicht tun wir uns deshalb oft so schwer,
den Film zu mögen, ohne uns selbst deswegen für niederer zu halten
als wir sind.
We will not go quietly into the
night!
We will not vanish without a fight!
We're going to live
on!
We're going to survive!
Today we celebrate our Independence
Day!
Tatsächlich ist Independence Day einer derjenigen Filme, an dessen Kinoerlebnis ich mich auch 20 Jahre später noch erinnere. Und zwar genau an die Szene, als mitten im Film plötzlich Brent Spiner als verrückter Wissenschaftler in Area 51 auftaucht.
AntwortenLöschenAn diesen Moment, in dem das ganze Kinopublikum realisiert, dass das tatsächlich Lt. Cmdr. Data ist, der neben TNG sonst keinerlei weitere Kinorollen spielt, und den Du sonst nur unter seiner silbernen Schminke kennst.
In dieser Liga des auch-nach-Jahrzehnten-noch-dran-erinnerns spielen bei mir sonst nur noch wenige Filme. Matrix zum Beispiel. Und Trainspotting. Oder Starship Troopers.
Ja, solche Erlebnisse gab es damals noch häufiger, dank des fehlenden Internets, das einem solche Infos heute ja schon Monate vorher um die Ohren haut. Damals konnten einen Filme noch nachhaltig überraschen. Du zählst einige echte Kracher des denkwürdigen Neunziger-Kinos auf.
LöschenEinen der stärksten Eindrücke hinterließ bei mir wohl FROM DUSK TILL DAWN, den ich damals in der Sneak sah, ohne jemals ein Wort darüber gelesen oder gehört zu haben ...
Schön war's ... :)
Boah ich hab wirklich überlegt, FDTD in die Liste oben reinzuschreiben! Weil ich noch weiss, wie ich den im Zeise in Altona geschaut hab. Aber die Sache mit den Vampiren wusste ich "grundsätzlich" schon vorher. War durch Mundpropaganda geleakt damals, ganz ohne Internet.
LöschenDu wurdest bestimmt von einem Sneaker gespoilert! ;)
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