Mit THE SHALLOWS läuft aktuell nicht
nur einer der besten Thriller des Jahres im Kino, sondern nach langer
Zeit mal wieder ein Hai-Film, den man ernst nehmen kann. Nachdem sich
das Genre qualitätsbedingt seit mehr als zehn Jahren ein
„Direct-to-Video“-Abonnement erarbeitet hat, wird THE SHALLOWS
nahezu durchweg mit dem Übergott des Hai-Thrillers in einem Atemzug
genannt: DER WEIßE HAI.
Wieso dieser Vergleich unfair ist, mit
welchen Schwierigkeiten das „Shark-Genre“ kämpft, was THE
SHALLOWS so sehenswert macht, und wie realistisch der Film eigentlich
ist, erfahrt ihr in unserer heutigen Kinokritik.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Marcos Blick:
Freunde von Survivalthrillern kommen
dieses Jahr um THE SHALLOWS nicht herum. Und Freunde des mittlerweile
ausufernden Genres des „Shark-Thrillers“ erst recht nicht. Denn
auch wenn der Vergleich mit DER WEIßE HAI danebengreift und beiden
Filmen nicht gerecht wird (bis auf einige visuelle Anleihen und den
Einsatz einer Boje finden sich keine großen Gemeinsamkeiten),
erwartet einen in THE SHALLOWS cleveres Spannungskino mit etlichen
neuen Ideen und ungewöhnlichen Strukturentscheidungen.
Zumindest die Story ist seicht
Wir haben THE SHALLOWS das erste Mal im
Spanienurlaub gesehen, wo er den klingenden Verleihtitel „Die blaue
Hölle“ trägt, und es sagt viel über den Film aus, dass wir ihm
auch ohne große Spanischkenntnisse nahezu lückenlos folgen konnte.
Die Geschichte ist dabei nämlich, so
viel muss der Film sich gefallen lassen, weder besonders neu, noch
besonders anspruchsvoll.
Die junge Medizinstudentin Nancy kann
den Krebstod ihrer Mutter nicht verwinden. Mit dem Schicksal und der
medizinischen Zunft am hadern, sucht sie die Nähe zu ihrem
verstorbenen Familienmitglied an einem abgelegenen Geheimstrand
irgendwo in Mexiko, wo ihre Mutter einst die Wellen geritten ist.
Der Film beginnt mit großartig
fotografierten Surfaufnahmen und reichlich Klischees: Die blonde,
etwas naiv wirkende Amerikanerin, die sich abseits der Zivilisation
in die Fluten stürzt.
Als der Tag sich dem Ende neigt,
entdeckt sie auf einmal etwas im Wasser – den Kadaver eines
gerissenen Buckelwals. Nancy schaltet schnell, dass sie unvermittelt
ins Fressrevier eines Hais geraten sein muss. Eilig dreht sie um und
versucht das Ufer zu erreichen – doch es ist zu spät. Nach einer
unangenehmen Kontaktaufnahme mit dem auffallend groß geratenen
Raubtier landet sie verletzt auf einem winzigen, aus der Ebbe
ragenden Felskuppe. Das rettende Ufer, Trinkwasser und ihr Handy sind
kaum hundertfünfzig Meter entfernt, doch der mehr als aggressive Hai
greift jeden Eindringling gnadenlos an. Und natürlich naht die Flut
und droht, den Felsen zu überschwemmen …
Überraschende Untiefen
Trotz der simplen Prämisse und des
erwartbaren Verlaufs – denn natürlich arbeitet Nancy während
ihrer Tortur ihr Familientrauma auf und findet ihre Art von Frieden –
wartet der Film mit einigen Überraschungen auf. So involviert er
eine Go-Pro Kamera, die zu Beginn des Films einige noch vage Hinweise
darauf liefert, was geschehen wird, damit aber auch deutlich macht,
dass der Ausgang des Films ganz und gar nicht feststeht.
Angenehm ist außerdem, dass der Film
das zu Beginn aufgebaute Klischee der blonden, naiven Amerikanerin
bricht – Nancy erweist sich im Verlauf des Films nämlich als
außerordentlich clevere Protagonistin, die das Herz am rechten
Fleck hat, und mit einer gehörigen Portion Kampfgeist aufwartet.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Überhaupt ist die Figurenzeichnung,
aber auch Blake Livelys Spiel – die Kalifornierin haucht ihrer
Figur so viel Leben und Sympathie ein, dass sie einem in Rekordzeit
ans Herz wächst – überaus gelungen. (Die passionierte Surferin spielt einen Großteil der Surfszenen übrigens selbst.) Womit auch erklärt wäre,
wieso der Film trotz seiner nicht direkt neuartigen Handlung für so
viel Freude sorgt, denn er legt den Fokus dorthin, wo andere
Hai-Filme keinerlei Mühe mehr auf sich nehmen: In die
Figurenzeichnung. In einem Genre, das sein Heil in immer tieferen
Trashpfründen sucht, ist das eine unerwartete, aber erfreuliche
Neuausrichtung.
Denn, und da gibt es nichts zu beschönigen:
Hai-Filme haben ein Problem, das selbst der dickste Megasharktopussaurier
nicht verputzen könnte.
Sharks with frickin' Laser beams attached to their heads!
Hai-Thriller leiden, mehr noch als
jedes andere Genre, an einem akuten Problem: Kreativität.
Denn seit dem alles überragenden
Erfolg von DER WEIßE HAI (und der lief immerhin schon 1975!)
erfreuen sich Filme mit, über und von Haien einer derart großen
Popularität im Subgenre des Monsterhorrors, dass die Filmemacher an
ihre Grenzen stoßen, was neue Impulse angeht.
Die Popularität ist dabei vermutlich
schnell erklärt: Haie sind die nahezu perfekten Filmmonster. Quasi
ein Torpedo mit Zähnen.Was den Hai dabei hervorhebt, ist die
Tatsache, dass er, anders als die meisten anderen Filmmonster, real
existiert.
Das bringt allerdings auch ein Problem
mit sich. Denn diese reale Existenz setzt den Filmemachern Grenzen:
Haie leben nunmal im Meer und kommen, wie alle Fische, selten an
Land.
Ein jeder Hai-Film steht also vor dem
Problem, dass er im Grunde nur die ewig gleiche Geschichte erzählen
kann: Eine Anzahl Protagonisten bewegt sich aufs Meer, und gerät
dort mit einem Hai aneinander.
Das ist, selbst für Horrormaßstäbe,
eine extrem einschränkende Prämisse.
Und so nimmt es kein Wunder, dass die
Filmemacher heute, wo das Publikum mehr und mehr Hai-Filme wünscht,
immer kreativer werden müssen, um ihre Prämisse irgendwie kreativ
zu gestalten und die Zuschauer zu überraschen.
Ursprünglich sah das – übrigens
bereits in DER WEIßE HAI – noch so aus, dass man die Tiere größer
machte, aggressiver und intelligenter. Denn auch wenn Haie keine
dummen Tiere sind, sind sie im Endeffekt relativ langweilige
Zeitgenossen: schwimmen im Meer herum und fressen alle paar Tage eine
Robbe oder irgendwas Achtarmiges. Spannende Filmszenen gibt das
nicht her.
Bedauerlicherweise reicht das
mittlerweile kaum noch aus, um das Publikum zu fesseln, und so
begannen die Filmemacher, sich immer einen Schritt weiter von der
Realität zu entfernen, bis ... ja, bis irgendjemand einen Schritt zu
weit tat und das Genre elegant ins Subgenre des Trash-Horrors
entführte.
Spätestens mit Titeln wie SANDSHARKS
oder SNOWSHARKS, in denen die Tiere nicht mal mehr ans Wasser
gebunden waren, verschwindet diese Grenze auch mehr und mehr am
Horizont.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Mittlerweile ist das Genre des
Hai-Horrors bei skurrilen Mischwesen wie dem SHARKTOPUS angekommen,
bei GHOSTSHARK und ZOMBIESHARK. Und als König des Bodensatzes
erweist sich die unermüdlich dahintrashende Reihe SHARKNADO, die
sich nicht scheut, Haie durchs Weltall fliegen zu lassen. Für 2017
ist auch ein deutscher Beitrag geplant: In SKY SHARKS fliegen Zombie-Nazis auf Luftkampfhaien ihre Angriffe gegen uns …
Kurz: Dr. Evils einst ironischer Traum von Haien mit Laserkanonen auf dem Kopf scheint mittlerweile eine
glaubhafte Filmprämisse geworden zu sein. In seiner Verzweiflung rettet der
Hai-Horror sich in die buntesten Untiefen des Trashfilms – und das
äußerst erfolgreich.
Erschwerend kommt hinzu, dass es quasi
unmöglich ist, mit echten Haien zu drehen, da die Tiere sich nicht
dressieren lassen. (Ehrlich: Haie sind die Katzen der Meere.) Wer
also nicht in den Genuss kommt, Naturaufnahmen geschickt in seinen
Film einzumontieren, muss auf Effekte zurückgreifen, und damit
wahlweise auf hydraulische Modelle oder eben auf CGI-Standard. Die
geringen Budgets vieler Hai-Filme lassen jedoch keine wirklich
überzeugenden Effekte zu, und nicht jeder ist ein Steven Spielberg,
der aus der Not eine Tugend macht und mal eben den Suspense neu
erfindet.
Zwei Kategorien von Achtung Hai!
Vermutlich war es also unumgänglich,
dass das Genre, bei der Anzahl produzierter Titel, im Trash landen
musste. Es ist eine echte Herausforderung, einen „normalen“ Hai-Film zu
produzieren, noch dazu einen guten. Dennoch gibt es einige
nennenswerten Vertreter, die ohne Chief Brody auskommen.
Im Endeffekt lassen sich Hai-Thriller –
zumindest die annähernd realistische Variante – in zwei Kategorien
einteilen.
Die erste Kategorie macht den Hai zu
einer gesellschaftlichen Gefahr, die danach verlangt, dass eine
Gruppe von Menschen sich aufmacht, um die Gesellschaft vor der
Bedrohung des Hais zu schützen, wofür sie in den Lebensraum des
Hais eindringt und ihn gezielt jagt.
Die zweite Kategorie – die weit
häufiger anzutreffen ist – macht eine Gruppe von Menschen zu mehr
oder weniger zufälligen Opfern des Hais. Hier geraten die Figuren nur versehentlich in den Wirkungsbereich des Tieres und müssen ihm
entkommen, um in die Sicherheit der Gesellschaft zurückkehren zu
können.
Diese Unterscheidung ist deshalb
wichtig, weil sie einem der größten Missverständnisse der
Filmgeschichte zugrunde liegt: dass DER WEIßE HAI der einzig gute
Hai-Film wäre.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Ganz anders die zweite Kategorie, die
sich deutlich stärker an der Horrorfilm-Tradition orientiert: Eine
Gruppe von Teenagern verzieht sich in ein abgelegenes Waldhaus, wird
dort von der Außenwelt abgeschnitten und fortan von einem irren
Metzelmörder gejagt und einer nach dem anderen in Streifen geschnetzelt – tauscht man das einsame
Haus gegen ein kleines Stück Eiland auf See und verpasst dem
Metzelmörder eine Rückenflosse, hat man bereits den perfekten
Hai-Horror.
Diese beiden Formen von Filmen sind
also schon strukturell nicht zu vergleichen – weshalb es unsinnig
ist, etwa einem DEEP BLUE SEA vorwerfen zu wollen, er sei nicht so
gut wie DER WEIßE HAI.
Den Horror überleben
Mittlerweile hat sich in der zweiten
Kategorie eine ebenfalls interessante Unterform herausgebildet: Der
Hai-Film als Überlebensthriller.
Diese Vertreter sind in der Regel am
stärksten um Realismus bemüht – oft auch um Minimalismus. Sie
können ihn sich auch am ehesten leisten, da der Hai keine
übernatürlichen Jagdmanöver ausführen muss. Statt einer gezielten
Jagd geht es in diesen Filmen vornehmlich darum, eine Situation zu
überleben, in der man sich dem Hai nicht aus eigener Kraft entziehen
kann. Das kann durchaus sehr passiv ablaufen. OPEN WATER gilt als
Meisterwerk dieser Kategorie, wenngleich auch THE REEF diese Form des
Survival-Thrillers herausragend bedient. Beide glänzen mit einer
erstaunlich realistischen Darstellung von Haien, und stellen darin
etwa den so hochgelobten DER WEIßE Hai weit in den Schatten.
Was THE SHALLOWS nun so ungewöhnlich
und absolut sehenswert macht, ist die gekonnte Verknüpfungvon
Elementen des Survival- und Horrorthriller-Haifilms.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Doch im Laufe der Handlung geschieht
etwas Ungewöhnliches: Es entwickelt sich eine Beziehung zwischen
Nancy und dem sie festsetzenden Hai. Ganz heimlich still und leise
wandelt sich der Überlebensthriller zu einem Horrorthriller: Während
Nancy beschließt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und
sich aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Lage zu befreien, scheint
der Hai zu beschließen, nicht mehr länger nur zufällig in der Nähe
seine Runden zu drehen, sondern gezielt Jagd auf Nancy zu machen.
Während Nancy also an ihrem Entkommen arbeitet, wandelt sich der
Film von einem passiven Survivalthriller zu einem klassischen
Horrorfilm, in dem der Hai sein Opfer gnadenlos durch das abgelegene
Waldhäuschen jagt.
Dieser Wechsel vollzieht sich so
schleichend, dass er kaum auffällt – wodurch zum Abspann lediglich
das unbestimmte Gefühl bleibt, dass das Ende des Films nicht so
recht zum Anfang passen will. Wohl auch, weil es einen derartigen
Hybriden bisher in dieser radikalen Form noch nicht zu sehen gab.
Messerscharfes Script
THE SHALLOWS ist dadurch gelungenes
Spannungskino in seiner reinsten Form, der einige clevere Schachzüge
vollführt.
Zum einen sorgt der als
Survivalthriller beginnende Plot dafür, dass man sich schnell mit
Nancy verbunden fühlt. Dank des dem Genre entspringenden gehobenen
Realismus zu Beginn des Films fühlt man sich schnell in die Figur ein,
leidet mit ihr, und wünscht ihr, dass sie heil aus ihrer misslichen
Lage entkommt. So hat man, anders als in üblichen Horrorthrillern,
eine gut funktionierende emotionale Bindung zur Hauptfigur aufgebaut,
wenn der Wettlauf mit dem Psychoschlitzer schließlich beginnt (und
der Realismus in den Sonnenuntergang segelt). Das erhöht den
emotionalen Einsatz und damit die Spannung.
Auf der anderen Seite gelingt Autor
Anthony Jaswinski ein kleines Meisterwerk der Konfliktgestaltung, da
er sich an ein Konzept hält, das Autoren gerne mit dem Begriff
„Maximalkapazität“ bezeichnen.
Kurz gesagt: Die Hauptfigur Nancy macht
den ganzen Film über immer wieder alles richtig. In jeder Szene
wählt sie aus allen Handlungsalternativen stets die schlaueste,
cleverste und erfolgversprechendste, noch dazu immer wieder die
moralisch wertvollste und selbstloseste. Kein einziges Mal begeht sie
einen Fehler, handelt moralisch verwerflich oder tut sonst etwas,
dass man als Zuschauer gerne mit einem „Mann, ist die dämlich!“
kommentieren würde. Sie nutzt ihre Fähigkeiten perfekt aus, ebenso
ihre Umgebung und die geringe Habe, die sie bei sich trägt.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Sie leistet also immer das potentielle
Maximum dessen, was ihre Figur leisten könnte, und bewegt sich damit
an der „Maximalkapazität“ ihrer Fähigkeiten.
Und dennoch rutscht sie immer tiefer in
die Bredouille! Denn der Film agiert so clever, dass er ihr ein
Missgeschick nach dem nächsten in den Weg legt und so dafür sorgt,
dass Nancy trotz ihrer cleveren Entscheidungen immer stärker in
Gefahr gerät. Daran ist allerdings kein einziges Mal sie selbst
schuld, sondern immer wieder sind es die Umstände, an denen sie
scheitert.
Das Script zu THE SHALLOWS stellt damit
ein Musterbeispiel in Sachen Spannungsfilm dar: sauberer und
makelloser kann man einen Spannungskonflikt nicht zeichnen, und der
Film sollte diesbezüglich Studienobjekt für alle Spannungsautoren werden.
Fazit
So bleibt THE SHALLOWS am Ende ein Fest
vor allem für Freunde des Spannungskinos. Der Genrewechsel im
dritten Akt und der damit einhergehende Bruch im Realitätsgebaren
des Hais fallen auf, werden aber durch eine bis zum Schluss
spannenden Dramaturgie ausgeglichen.
Im Genre des Hai-Thrillers ordnet sich
THE SHALLOWS hingegen weit an der Spitze ein. Ein Vergleich mit DER
WEIßE HAI ist und bleibt unfair – zu unterschiedlich sind die
Absichten und Inhalte der Filme. So kommt es auch, dass THE SHALLOWS in einigen
Aspekten dem großen Vorbild durchaus überlegen ist – er ist
beispielsweise deutlich knackiger inszeniert und spart sich soziale
oder gesellschaftliche Kommentare, die in DER WEIßE HAI den Großteil
des Films ausmachen.
THE SHALLOWS beweist aber vor allem,
dass es keine kreativeren Haie braucht, um das Genre mit Leben zu
füllen – weder Sharktopusse, noch Geister-Sharks oder
Weltraum-Sharknados – ja, nicht einmal Haie mit „frickin'“
Laserstrahlen auf dem Kopf. Ein cleveres Script und sympathische
Figuren sind, wie in allen guten Thrillern, auch hier die alles
entscheidende Zutat. Das schmeckt nicht nur dem Hai, sondern auch dem
Zuschauer.
Biancas Blick:
Hai-Filme haben immer wieder mit dem
Problem und dem Vorwurf zu kämpfen, die Tiere seien unrealistisch,
verhielten sich unnatürlich oder seien nicht glaubwürdig. Manche
Filme, etwa DEEP BLUE SEA, machen sich die Mühe, diese Abweichungen
zu erklären. Für die meisten Filme aber beschränkt sich die Erklärung
auf eine simple Formel: Haie sind halt perfekte, hirnlose Fressmaschinen. Punkt.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Natürlich ist die Jagd ein nicht unbedeutender Bestandteil
im Leben eines Hais, aber eben auch nur ein verhältnismäßig
kleiner und für gewöhnlich gut organisierter. Haie sind keine
„Fressmaschinen“, die alles zerfetzen, was ihnen in die Zähne
kommt. Und Menschenfleisch steht nicht einmal auf ihrer Speisekarte.
Nur wenige Dokus machen sich die Mühe,
Haie in ihrem normalen Umfeld zu zeigen, außerhalb der Jagd – und
wenn es einmal jemand tut, kreiert er damit wunderschöne und außergewöhnlich ruhige Bilder.
Der Faktencheck
Also ist es nur natürlich, dass ein
Film wie THE SHALLOWS die Frage aufwirft: Was ist an dem gezeigten
Verhalten des Tiers überhaupt realistisch? Kann das alles so
passieren? Oder ist das alles frei erfunden?
Grund genug, sich die Meinung der
Fachleute zu einigen der wichtigsten Szenen des Films anzuschauen –
mit teilweise überraschenden Ergebnissen.
– Achtung, Spoilergefahr –
Die folgenden Punkte können Hinweise
über Verlauf und Ende des Films THE SHALLOWS geben. Wer sich
überraschen lassen will, dreht seine Runden erst im Kino und kommt
anschließend für den finalen Angriff noch einmal hier
vorbeigeschwommen
1) Kann ein Weißer Hai überhaupt
so groß werden?
Der Hai im Film misst etwa sechs Meter Länge
und ist ein Weibchen. (Hier müssen wir an der Kontinuität des Films
etwas Kritik üben, denn in der letzten Einstellung scheint der Hai
die überzogene 10-Meter-Marke zu knacken ...)
Weiße Haie, eine der größten
bekannten Hai-Arten, werden in der Regel um die vier Meter groß, können
aber vereinzelt eine Größe von knapp sieben Metern erreichen. So
machen 2015 Aufnahmen von „Deep Blue“ vor der Küste Mexikos Schlagzeilen, ein trächtiges Weibchen, das an die sieben
Meter misst und somit der größte je gefilmte Weiße Hai ist.
Faktencheck: Ja, es kommen vereinzelt
solch große Exemplare vor.
2) Wir realistisch sind die
Angriffsszenen?
Einige der Angriffsszenen im Film sind
äußerst wuchtig und eindrucksvoll inszeniert. Der Weiße Hai im
Film attackiert die Surfer von unten und stößt mit enormer Kraft
durch die Wasseroberfläche. Er greift sich den Surfer, um wieder mit ihm abzutauchen, lässt ihn kurz in Ruhe, um erneut
anzugreifen.
Angriffe weißer Haie sind außerordentlich gut
dokumentiert und sehen, wenn sie an der Oberfläche stattfinden,
häufig vergleichbar aus. Weiße Haie greifen von unten an, aus der
Dunkelheit, beschleunigen, und stoßen so kraftvoll durch die
Oberfläche, dass es gar Bilder „fliegender“ Haie gibt. Eine
gewisse Grundtiefe ist dafür allerdings notwendig; ob diese in
derartiger Ufernähe gegeben wie im Film ist, bleibt damit unklar.
Auch der
visuell ungewöhnliche horizontale Angriff eines Surfers in einer
„Tube“, einer brechenden Welle, ist in der Realität bereits
beobachtet worden. Er ist sehr viel seltener, passt aber ebenfalls
zum Verhaltensspektrum des Weißen Hais.
Faktencheck: Die Angriffsszenen sind
glaubhaft, wenn auch dramatisiert, wiedergegeben.
3) Gibt es
„zerteilte“ Beute?
Das menschliche Opfer, das am Strand
verendet, ist in zwei Hälften zerteilt, was von Experten als eher
unrealistisch angesehen wird. (Auch hier erntet der Film Abzüge in
der B-Note der Kontinuität, denn plötzlich verschwindet die zerteilte Leiche – wahrscheinlich zugunsten des
auftretenden Kindes – ins Nichts und wird durch die eines scheinbar unverletzten
Surfers ausgetauscht ...)
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Werden Menschen einmal angegriffen, werden sie meist „angeknabbert“ (Haie testen fremde Beute auf Geschmack und
Nahrhaftigkeit) und entkommen dann mit enormen Bisswunden oder
sterben schlimmstenfalls im Meer an den manchmal extrem tiefen Bisswunden. Dass ein
Mensch in zwei Hälften gebissen wird – und der Hai eine Hälfte
wieder ausspuckt -, ist bisher noch nicht dokumentiert.
Faktencheck: Reine Fantasie und
gleichermaßen unpraktisch wie unglaubwürdig – aber spannende
Bilder.
4) Kann ein Mensch vor einem Hai davonschwimmen?
Ein
Weißer Hai erreicht beim Angriff auf ein Stück Beute
Geschwindigkeiten von 25 bis 35 km/h – da sähe selbst Michael
Phelps alt aus, der im Sprint immerhin 7,5 km/h schwimmen konnte.
Faktencheck: Keine Chance! Blake
Livelys Figur könnte mit keinem Vorsprung der Welt ihrem
Jäger davonschwimmen, die Vorstellung dient also eindeutig der
Dramatik und Spannung.
5) Verteidigt ein Hai dermaßen seine
Beute?
Weiße Haie verteidigen, wenn sie ein großes Stück
Beute erlegen, diese in einem recht weiten Areal und durchaus
aggressiv. Es konnte sogar schon beobachtet werden, dass sie eine
potenzielle Gefahr für ihre Beute ein Stück weit verfolgen um sie zu
verjagen. Dass sie derartig hartnäckig und empfindlich ihr Fressen
verteidigen wie im Film angedeutet – über Stunden hinweg und in
solch aggressiver Art und Weise, dass sie dabei mehrere Menschen
töten – konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.
Faktencheck:
Jein. Beuteverteidigung findet statt, jedoch nicht so aggressiv wie
im Film, der dieses Verhalten zu Gunsten der Spannung
überzeichnet.
6) Können Weiße Haie einen Wal erlegen?
Der Hai im Film verteidigt einen
gerissenen Buckelwal vor Blake Lively.
Weiße Haie greifen immer
wieder auch große Wale an und töten diese, wenn es ihnen gelingt.
So sichern sie sich oft eine tagelange Nahrungsquelle.
Faktencheck: Ja. Absolut
realistisch.
7) Sind Quallen eine natürliche Barriere?
Blake
Lively rettet sich vor dem Hai in einen Unterwasserwald aus Quallen
und gewinnt dadurch genügend Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Der Hai dreht vor Schmerzen ab und wagt es nicht, den Quallenschwarm
zu durchbrechen.
Faktencheck: Wohl eher nicht. Experten
bezweifeln, dass ein großer Weißer Hai Quallen fürchtet oder ihre
Stacheln ernsthaft spürt. Der Hai würde sich nicht davon
abschrecken lassen.
8) Verenden Weiße Haie am
Meeresboden?
Der Weiße Hai im Film wird am Ende dadurch
getötet, dass er seinem Opfer mit hoher Geschwindigkeit folgt und von am Boden verankerten Eisenstäben aufgespießt wird.
Faktencheck:
Nicht auf diese Art. Haie schwimmen gerade im Krankheitsfall oft am Grund des
Meeres und verenden dort – jedoch nicht auf solch dramatische Art
und Weise, die auch physikalisch nicht ganz glaubhaft ist. Die Form des Filmtodes kann nicht nachgewiesen werden und bildet
lediglich ein dramatisches Finale.
Summa sumarum ...
…
haben die Hai-Experten Freude am Film, sprechen ihm eine gehörige
Portion Realismus zu und erfreuen sich an den Einzelideen.
Gleichzeitig bemängeln sie allerdings, dass solch ein Szenario in
der Realität eher unwahrscheinlich ist: Haie töten nicht mehr, als
sie fressen können, Haie sind nicht auf Rache aus und vor allem
ziehen sie ihre Beute nicht aus Booten, von Bojen oder von Felsen.
Vor allem wird kritisiert, dass der Film das negative Bild des Weißen Hais wieder verstärkt. Seit DER WEIßE HAI versuchen Haiexperten, dem Jäger das Image des „stumpfen, bösartigen Monsters“ wieder zu nehmen, und ihn als zwar nicht ungefährliches, aber eben auch nicht blutrünstiges Tier vorzustellen. THE SHALLOWS widerspricht diesen Bemühungen nun und zeichnet Haie wieder als tumbe, gewaltgeile Supermonster. Das ist aber dann der größte Kritikpunkt den der Film sich gefallen lassen muss.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Vor allem wird kritisiert, dass der Film das negative Bild des Weißen Hais wieder verstärkt. Seit DER WEIßE HAI versuchen Haiexperten, dem Jäger das Image des „stumpfen, bösartigen Monsters“ wieder zu nehmen, und ihn als zwar nicht ungefährliches, aber eben auch nicht blutrünstiges Tier vorzustellen. THE SHALLOWS widerspricht diesen Bemühungen nun und zeichnet Haie wieder als tumbe, gewaltgeile Supermonster. Das ist aber dann der größte Kritikpunkt den der Film sich gefallen lassen muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ihr seid unserer Meinung? Ihr seht was anders? Wir freuen uns über eure Ansichten, über Lob und Kritik! Aber bitte seid nett zu uns. Und zueinander!