14.01.16

Kinokritik: The Danish Girl (GB 2015)

Mit THE DANISH GIRL läuft aktuell ein wahrhaft hinreißender Film im Kino. Ein Film, der sich aufs Wesentliche konzentriert: Ein vom Schicksal getroffenes Paar, das sich einer unmöglichen Situation ausgesetzt sieht. Das ist zwar nicht originell, aber wunderschön. Und bietet eine der besten schauspielerischen Leistungen seit Langem.
© Universal Pictures
Marcos Blick:

THE DANISH GIRL ist Gefühlskino. An dieser Wahrheit führt kein Weg vorbei, und was auch immer man über den Film sagen und schreiben kann, am Ende läuft es immer wieder darauf hinaus: Der Film zielt auf die Taschentuchpackung seiner Zuschauer.
Die gute Nachricht dabei ist: Das macht er exzellent, wodurch er sich für uns als einer der absoluten Top-Filme 2015 erwiesen hat!

Das Geschlecht im Vordergrund


Leider krankt THE DANISH GIRL ein wenig darunter, dass sein Thema sich, vermutlich zwangsläufig, nach vorne drängt.

Im Kopenhagen der 1920er Jahre lebt das junge Künstlerpaar Gerda und Einar Wegener eher schlecht als recht. Reich sind sie nicht, und Gerda findet einfach keine Galerie, die ihre Bilder ausstellen will. Beide sind jedoch jung und verliebt und können dem Leben auch ohne Reichtümer jede Menge Spaß abringen.
Ein Spaß jedoch soll weitreichende Folgen haben. Aus einer Laune heraus verkleidet Gerda ihren Mann als Frau. Als Einars Cousine „Lili“ begleitet er sie auf eine Party. Doch diese Erfahrung lässt Einar nicht mehr los. Mehr und mehr erkennt er, dass „Lili“ nicht einfach nur ein Spiel ist, sondern ein fundamentaler Bestandteil seiner Persönlichkeit.
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Als Gerda beginnt, „Lili“ als Modell für ihre Bilder sitzen zu lassen, wird sie mit einem Mal erfolgreich, doch beide müssen erkennen, dass Einar mehr und mehr aus ihrer Beziehung verschwindet. Für Gerda und Lili stehen schwere Entscheidungen an …

THE DANISH FIRL ist die Verfilmung des fiktiven Romans von David Ebershoff, das 2000 erschien und sich stark auf Elemente der wahren Geschichte von Lili Elbe beruht. (Mehr zu den Unterschieden und zur echten Lili Elbe nach unserer Filmbesprechung.) Lili Elbe gilt heute als Pionierin und eine der ersten Transgenderfrauen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben und genießt in der Transgender-Szene somit eine herausragende Bedeutung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass vor allem dieser Transgender-Aspekt die Wahrnehmung des Films beherrscht.
Das ist einerseits erfreulich, immerhin kann das Thema nicht genug Beachtung finden, andererseits ist es bedauerlich, weil es die Erwartungen der Zuschauer mit großer Wahrscheinlichkeit in eine falsche Richtung lenkt.

Denn anders als etwa CAROL nutzt THE DANISH GIRL seine „sexuellen Außenseiterfiguren“ nicht dazu, in überkünstelten Bildern eine eiskalte, homo- und transphobe Gesellschaft zu beleuchten und zu kritisieren. Der Film spart die Reaktionen der Umwelt fast vollständig aus und legt einen anderen Schwerpunkt. Es geht hier nicht darum, wie Lilis wachsende Akzeptanz ihrer Transgender-Persönlichkeit von der Umwelt wahrgenommen wird, oder welchen medizinischen Schwierigkeiten sie sich gegenübersieht, sondern es geht darum, wie ihre erstarkende Persönlichkeit sich auf den Mikrokosmos einer vermeintlich glücklichen Ehe auswirkt. Wer etwas anderes erwartet, dürfte enttäuscht werden und ist mit CAROL vermutlich wirklich besser dran.

Von der Unmöglichkeit der Liebe


Denn obwohl Lili/Einar die Filmfigur ist, deren Entwicklung die Handlung antreibt, erweist sich sehr schnell Gerda als das eigentliche Zentrum und die Hauptfigur des Films. THE DANISH GIRL erzählt, anders als man es erwarten würde, nicht von einem Mann, der sich zur Frau umoperieren lässt, sondern von einem Ehepaar, das sich vor eine zunehmend unmöglicher werdende Situation gestellt sieht.
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Hooper führt seine Zuschauer geschickt an der Hand, indem er etwa zur Mitte des Films die Perspektive mehr und mehr wechselt. Begleiten wir anfangs noch Einar, wie er allmählich akzeptiert, eine Frau zu sein, widmet der Film sich in der dramatischeren Hälfte Gerda, die sich damit abfinden muss, dass ihr Mann „verschwindet“. Man kann den Titel THE DANISH GIRL also auch durchaus als Anspielung auf Gerda Wegener sehen..

Und hier liegen die Stärken des Films. Viele Kritiker bemängeln, der Film sei nicht „konfliktreich“ genug. Er würde es sich zu einfach machen und kein Licht auf die Probleme werfen, die Lili in ihrer Zeit mit Sicherheit gehabt hat. Tatsächlich verläuft die Umwandlung Lilis verhältnismäßig glatt. Leider tappen Regisseur Hooper und Autorin Lucinda Coxon ein paar Mal in die Klischee-Falle und bedienen die Erwartungen der Zuschauer mit völlig unnötigen Szenen wie dem unverständigen Nervenarzt oder den transphoben Rüpeln im Park (die mit Abstand schlechteste Szene des Films).

Immer dann, wenn der Film sich doch einmal gezielt der Transgenderthematik widmet, um dem Zuschauer zu vermitteln, wie schwer die „Betroffenen“ es haben, wird er am schwächsten. Man hat bereits genug Mitleid mit Lili aufgrund ihrer heimischen Situation, es wirkt vollkommen unnötig, das durch Beleidigungen und Unverständnis von Fremden noch steigern zu wollen, zumal einem als Zuschauer durchaus klar sein sollte, dass die Gesellschaft Lili kritisch aufgenommen haben wird. Die toleranten Künstlerkreise, in denen Lili und Gerda sich im Film bewegen, wirken da beinahe erfrischend neuartig.
Das fällt vor allem dann auf, wenn aufgrund unserer Sehgewohnheiten eigentlich erwartete Konflikte konsequent ausbleiben. Der von Sebastian Koch gespielte deutsche Arzt ist derartig gutherzig und konfliktfrei, dass sich bei etlichen Zuschauern das Gefühl einstellen wird, dass „das jetzt aber grad alles sehr glatt geht.“
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Der springende Punkt ist eben, dass es um all das gar nicht geht. Ein anderer Film hätte die Konflikte des Paars eben vor allem in dieses „Außen“ gelegt. In die Mitmenschen, die Gesellschaft, in die Ärzte und Operationen, um Mitleid für Lili zu erwecken. THE DANISH GIRL hingegen ist immer dann am stärksten, wenn er seine Konflikte im „Innen“ zelebriert und sich ganz auf die Konflikte innerhalb der Beziehung zwischen Lili und Gerda konzentriert.

Es geht hier um ein Ehepaar, das sich verliert. Gerda sieht sich gezwungen, ihren Mann, den sie liebt, mit all ihrer Macht zu unterstützen, doch je mehr sie ihn unterstützt, desto weiter hilft sie dabei, dass Einar sich „auflöst“, und nur noch Lili übrigbleibt. Und in eben dieser Konstellation entfaltet THE DANISH GIRL seine Großartigkeit. Es ist ein Film über bedingungslose Liebe, Freundschaft und Loyalität, über den Umgang mit sich widersprechenden Sehnsüchten, mit Hoffnung und Verzweiflung. Nicht die Gesellschaft muss Lili akzeptieren, Gerda muss es. Und von diesem Konflikt erzählt THE DANISH GIRL.

The Swedish Sensation


Dass das so hervorragend funktioniert, liegt vor allem in den beiden Hauptdarstellern. Eddie Redmayne und vor allem Alicia Vikander spielen das vom Schicksal geprüfte Paar herausragend. Dass die späteren Konflikte der beiden so anrührend sind, gründet in der unübersehbaren Chemie der beiden und in einer grandiosen Exposition der Geschichte. THE DANISH GIRL nimmt sich viel Zeit, das Ehepaar Wegener einzuführen. Man glaubt den beiden, dass sie beste Freunde sind, dass sie sich mögen, einander wichtig sind und Spaß miteinander haben. Und eben weil man ihnen glaubt, dass sie ein so hervorragendes Paar sind, dem man Glück und Erfolg wünscht, werden die wachsenden Unmöglichkeiten der Beziehung immer schmerzhafter mit anzusehen.

Eddie Redmayne spielt seine Rolle sauber und gut, jedoch ein wenig glatt und hin und wieder eintönig. Den femininen Touch nimmt man ihm ab, und spätestens seit DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT weiß man, dass er auch mit wenig Mimik viel aussagen kann. Dennoch bleibt sein Spiel innerhalb der Handlung weniger anrührend. Sein Weg scheint vorgezeichnet, und die Regie begnügt sich leider allzu oft damit, ihn wehmütig, etwas leidend dreinblickend Kleider streicheln, und sich in femininen Hand- und Kopfposen üben zu lassen. Die Oscarnominierung geht allerdings in Ordnung, schon für den Einsatz Redmaynes.
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Die wahre Sensation des Films ist allerdings die Schwedin Alicia Vikander, die 2015 ein großartiges Jahr hatte. Sie bekommt als Gerda jedoch auch deutlich mehr zu tun als Redmayne. Ihr gelingt es, eine absolut glaubwürdige Figur auf die Leinwand zu bringen, der man auf ihrem Weg nur schwer zuschauen kann. Ihr beständiges Schwanken zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Unterstützung und Egoismus ist der emotionale Motor des Films, den sie damit größtenteils alleine trägt. Alles andere, und auch das bemängeln Kritiker, arbeitet ihr mehr oder weniger nur zu.

Fazit


Natürlich ist THE DANISH GIRL kein Jahrhundertfilm. Er ist äußerst konventionell inszeniert, und mittlerweile hat man sich auch an Tom Hoopers visuellem Stil seiner historischen Filme ein wenig sattgesehen. Die Handlung läuft relativ betulich ab, ohne große Tempowechsel, ohne große Spannungsspitzen, und einige Figuren und Darsteller wirken eher platt und störend. Neben dem nahezu heilig guten Arzt fällt vor allem Matthias Schoenaerts unangenehm auf, dessen Figur nicht rund gezeichnet ist, allzu plakativ daherkommt und auch noch sehr eintönig gespielt wird.
Ben Wishaw auf der anderen Seite holt mit dezentem Spiel aus einer kleinen Rolle sehr viel heraus und bietet eine erinnerungswürdige Figur.
Und auch Amber Heard als liberale Künstlerfreundin der Wegeners hinterlässt mit ihrer Handvoll Auftritte einen positiven Nachklang.
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THE DANISH GIRL ist also kein unbedingt origineller Film und bietet durchaus Angriffspunkte für Kritik. Doch am Ende bleibt eben das herausragend, worauf es in diesem Film ankommt: auf zwei Seelenverwandte, die nicht miteinander sein können, aber auch nicht ohneeinander, und die mit dieser Tragödie umzugehen lernen müssen. Und in diesem Punkt macht der Film einfach alles richtig, bietet er alle Konflikte, und findet er in Eddie Redmayne und Alicia Vikander eines der tragischsten Paare der modernen Kinogeschichte. Wer sich darauf einlässt, wird hingerissen sein. THE DANISH GIRL ist eben Gefühlskino. Und was für welches!


Biancas Blick:

„Ich kämpfe gegen die Voreingenommenheit des Spießbürgers, der in mir ein Phänomen, eine Abnormität sucht. Wie ich jetzt bin, so bin ich eine ganz gewöhnliche Frau.“
- Lili Elbe

Die echte Lili Elbe – Fiktion und Wirklichkeit


David Ebershoff Roman „Das dänische Mädchen“ beruht zwar auf der sehr realen Geschichte der Lili Elbe, nimmt sich jedoch eine Menge dichterischer Freiheiten. Ebershoff gesteht auch selbst ein, nicht nur Lilis gesamtes Innenleben frei erfunden zu haben, sondern, um seinen Roman für ein amerikanisches Publikum verdaulicher zu gestalten, auch die Nebenfiguren samt und sonders erfunden zu haben, allen voran Einars Frau Gerda, die in Ebershoffs Roman eine adelige Amerikanerin namens Gerda Waud ist. Ebershoff ist es auch, der die Geschichte auf das Ehepaar verdichtet und die gesellschaftlichen Probleme Lili Elbes größtenteils ausspart.

Und vielleicht ist das auch ein kluger Schachzug, denn die wahren Hintergründe Lili Elbes sind immer wieder hinterfragbar.

Elbes medizinische Unterlagen, vor allem über ihre letzten beiden Operationen, wurden vermutlich 1933 von den Nazis verbrannt, womit man auf Spekulationen und unvollständige Angaben in Niels Hoyers biographischer Schrift „Man into Woman“ angewiesen ist, das 1933 erscheint und Tagebucheinträge von Lili Elbe enthält.
Auch wir können uns bei unserer Recherche nur auf diese Quellen und Aussagen in Interviews mit Zeitzeugen stützen.
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Lili Elbe wird am 28. Dezember 1882 als Einar Wegener in Dänemark geboren.
Lili wird als Mann geboren, „Man into Woman“ erwähnt aber, dass bei einer der Operationen verkümmerte Eierstöcke in ihrem Körper gefunden wurden, was nahelegt, dass sie als Zwitter zur Welt kommt. Schon früh fühlt Einar sich zu seinen weiblichen Persönlichkeitsanteilen hingezogen, traut sich aber lange nicht, dem nachzugeben.

Bekannt wird Einar, als er sich in Lili verwandelt und sich 1930/31 als einer der ersten Menschen überhaupt einer Reihe von geschlechtsangleichenden Operationen unterzieht, zunächst zwei in Berlin und dann zwei weitere Operationen in Dresden.
Lili unterzieht sich diesen Operationen wohl als Alternative zum Selbstmord, den sie für den 1. Mai 1930 angekündigt hat. Am 13. September 1931 verstirbt Lili Elbe, drei Monate nach ihrer zweiten OP in Dresden im Alter 48 Jahren. Der Grund ist vermutlich eine Abstoßung der implantierten Gebärmutter und eine daraus resultierende Infektion.

Die echten Wegeners


Auch wenn Ebershoffs Roman aus Gerda eine Amerikanerin macht, korrigiert Hoopers Film THE DANISH GIRL diesen Fehler wieder, und macht aus ihr Gerda Wegener, Einars dänische Ehefrau.

Was der Film wie das Buch aussparen, ist unter anderem, dass auch Gerda vermutlich homosexuell oder zumindest bisexuell war, so wie Lili transsexuell. Zumindest finden sich unter Gerdas Bildern immer wieder Liebesszenen zwischen Frauen, was als Hinweis auf ihre Sexualität angesehen wird. Manche Vermutungen zu Lebzeiten der beiden gehen so weit, dass Gerda und Einar nur geheiratet hätten, da sie beide homosexuell gewesen seien, und sich mit ihrer Ehe größere Chancen erhofften, gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Die Vermutung liegt nahe, dass genau diese Komponente, das sexuelle Außenseitertum, die beiden mehr und mehr zusammenschweißt, da sie neben dem Respekt füreinander auch Verständnis aufbringen.
Sie leben in einer Zeit, in der Homosexualität als Geisteskrankheit angesehen und mit brachialen medizinischen Methoden zu heilen versucht wird (Elektroschocks, Gehirnoperationen), was der Film zumindest grob andeutet.

Sowohl Lili als auch Gerda sind auf ihren Gebieten recht erfolgreiche Malerinnen, Lili verschreibt sich der Landschafts- und Architekturmalerei, Gerda der Illustration und Modegrafik für Magazine.
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Gerdas Bilder von Lili machen sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlagartig berühmt. Allerdings verheimlicht das Paar lange, dass die gemalte Figur Lili Elbe mit dem Maler Einar Wegener identisch ist. Nur engste Freunde werden in das Geheimnis eingeweiht. Offiziell ist Lili Elbe die Schwester von Einar.
Vielleicht fühlt Gerda sich auch deshalb bis zum Schluss verantwortlich für Lili. Sie war es, die Einar, auf Anraten einer Freundin, als Frau Modell sitzen ließ, ihn so an seine weibliche Seite heranführte und ermunterte, diese in einer Art Doppelleben auszuleben: "In den vergangenen Monaten habe ich Gewissensbisse verspürt, weil ich, bis zu einem gewissen Grad, der Grund dafür war, dass Lili entstand, der sie aus dir hervorgelockt hat, und der damit verantwortlich für die Disharmonie in dir, die sich am deutlichsten in jenen Tagen zeigt, an denen Lili nicht erscheint, heißt es in “Man into Woman”.

Das Paar zieht 1912 nach Paris, zum einen, um ihren künstlerischen Wirkungskreis zu erweitern, zum anderen aber auch, um dort ihre sexuellen Neigungen freier ausleben zu können und sich von dem Gerede zu befreien, dem die Wegeners in Dänemark bereits ausgesetzt sind.
Hier spart der Film zwei Jahrzehnte aus, denn beide leben beinahe 20 Jahre gemeinsam Paris, bevor die Operationen in Dresden durchgeführt werden.

Was der Film ebenfalls ausspart ist, dass der König von Dänemark die Ehe der Wegeners nach Lilis geschlechtsangleichender Operation 1930 annuliert. Lili erhält die Annulierungspapiere auf ihren neuen Namen.
Das Ehepaar Wegener geht von nun an getrennte Wege.

Beigesetzt wird Lili Elbe in Dresden, jedoch ist ihr Grab nicht erhalten.

Gerda scheint vom Tod Lilis schwer getroffen. 1931 heiratet Gerda erneut: einen elf Jahre jüngeren italienischen Piloten. Sie leben in Marakesch, als Lili stirbt. Ihre neuen Gemälde signiert Gerda als Gerda Wegener-Porta. Doch auch dieser Ehe hat nur 5 Jahre bestand. Ihr Mann bringt beinahe ihr gesamtes Vermögen durch, bevor Gerda Wegener sich scheiden lässt und nach Dänemark zurückkehrt. Ihre Gemälde sind nicht mehr sonderlich gefragt, und 1940 stirbt sie, mehr oder weniger verarmt, im Alter von 54 Jahren allein und ohne Kinder.
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Was Roman, Film und Realität jedoch gemeinsam haben, ist ein sich liebendes und zugewandtes Ehepaar, das sich einer schweren Situation gegenüber sieht und dieses Schicksal bis kurz vor Lili Elbes Tod gemeinsam trägt.

Eine vorsichtige Annäherung


Dass die Chemie aller Beteiligten des Films stimmt, ist auf der Leinwand deutlich zu spüren und macht den Film emotional so intensiv.
Alicia Vikander betont immer wieder, wie wichtig es war, dass sie „von Tom [Hooper] und Eddie umgeben“ war, „die eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit um uns herum aufgebaut haben … eine Wohltat!“

Ihre Begeisterung für die Thematik des Films kommt wohl nicht von ungefähr. Vikanders Vater ist Psychiater und hat sich zwei Jahre vor dem Dreh Menschen angenommen, die kurz vor ihrer Geschlechtsumwandlung standen. Sie zeigt ihm das Drehbuch mit der Bitte, seiner Tochter das Projekt entweder nahezulegen oder ihr davon abzuraten. „Als ich ihn anrief, war ich also auf harsche Kritik und seine 'Das ist in Wahrheit ganz anders'-Sprüche gefasst. Aber er sagte: 'In diesem Skript liegt so viel emotionale Wahrheit. Greif zu!'“

Auch Eddie Redmayne muss sich das Projekt erst durch den Kopf gehen lassen.
Er bekommt das Script von Hooper bereits während der gemeinsamen Dreharbeiten zu LES MISÉRABLES, weiß aber nicht das Geringste von der Geschichte der Lili Elbe. Er räumt ein, dass seine Ignoranz gegenüber Transgendern „frappierend“ gewesen sei und er sich nie damit auseinandergesetzt habe. Langsam nähert er sich dem Thema an, bereitet sich in Gesprächen und Interviews mit Transgendern jahrelang auf die Rolle vor.
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Seine ersten Auftritte als Lili Elbe empfindet Redmayne ebenfalls als schwierig.
„Zuerst dachte ich: Verdammt, ich sehe ja genau so aus wie meine Mutter! Und dann werde ich nie vergessen, wie mich die männlichen Crewmitglieder angestarrt haben, als ich zum ersten Mal als Lili aufs Set kam. Ich fand es schrecklich, so taxiert zu werden. Dabei müssen Transsexuelle viel mehr aushalten: Bei ihnen kommt ja die ständige Angst vor Übergriffen hinzu.“
Eddie Redmayne gibt außerdem an, ihn habe die Rolle gereizt, weil er es wichtig fände, die Unterschiede zwischen Geschlecht und Sexualität genauer darzustellen.

Regisseur Tom Hooper scheint die Thematik ebenfalls wichtig zu sein. Er kritisiert Hollywood dafür, dass es Transgender-Schauspieler und -Filmemacher immer noch schwer haben, Engagements zu finden und mahnt dazu, diesen „riesigen Pool an Talent“ endlich zu nutzen.
Dabei werden er selbst und THE DANISH GIRL von der Transgender Gemeinde heftig dafür kritisiert, dass die Figur von Einar Wegener und Lili Elbe nicht von einem Transgender gespielt wird, sondern von einem Heterosexuellen. Hooper erklärt dazu: „Eddie hat etwas, das sich zum Femininen neigt. Er hat ja vorher schon Frauen gespielt, vor allem die Viola in Shakespeares Was Ihr Wollt [Eine Theaterproduktion]. In unserem Film wird Lili zwei Drittel der Zeit als Mann gezeigt, ihre Veränderung beginnt erst recht spät, und das spielte in unsere Entscheidung mit rein.“ Allerdings habe sich die Produktionsfirma gezielt an die Transgender-Gemeinden ihrer Drehorte gewandt, in Kopenhagen, Brüssel und London, und am Ende gut 40 bis 50 Darsteller und andere Künstler aus der Szene angeheuert. „Ich bin zufrieden mit dem, was wir erreicht haben, aber ich bin mir sicher, dass es noch mehr zu tun gibt“, sagt er abschließend.

2 Kommentare:

  1. Schön, das ihr auch was zu den echten Wegeners geschrieben habt. Je mehr man darüber liest, desto mehr merkt man, dass Buch und Film doch sehr amerikanisiert wurden, wahrscheinlich weil sich eine dramatische Liebesgeschichte einfach besser verkauft...

    Der Fokus lag fast nur auf Einar/Lili und Gerda und das war mir letztendlich zu einseitig... Der Film ist dennoch gelungen, vor allem Eddie Redmayne und Alicia Vikander fand ich sehr überzeugend und emotional.

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  2. Der Film ist traumschön und lebt hauptsächlich von den wunderbaren Bildern. Ich finde, man muss wirklich nicht immer alles zerlegen und kritisieren, für mich ist er ein Meisterwerk. Ich sehe mich völlig in Gerda, denn auch ich fühle mich schon immer so sehr zu diesen sensiblen, femininen und künstlerischen Männern hingezogen und würde sicher genauso handeln wie sie. Eine tolle Frau. Obwohl auch ich sicher nicht der gesellschaftlichen Norm entspreche bin ich doch sehr froh, dass ich es vergleichbar einfach im Leben habe in Anbetracht der Probleme, die andere so haben....

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