21.05.15

Mad Max: Fury Road (USA/AUS 2015) - Der beste schlechte Film des Jahres

Seit einer Woche begeistert MAD MAX: FURY ROAD das Publikum. Die Resonanz ist überwältigend, und auch wir haben uns nach Sichtung des Films begeistert geäußert. Und noch immer halten wir ihn für unbedingt sehenswert.
Dabei haben wir uns damals schon gefragt: Wieso eigentlich?
© Warner Bros.

Marcos Blick:

FURY ROAD ist ein Phänomen. Zuschauer und Kritiker gleichermaßen lieben den Film, dabei ist der Tenor eindeutig: „Ja, klar, keine Handlung, aber egal, super Film!“ Dabei ist das „zu flache Handlung!“-Argument für gewöhnlich das, mit dem Actionfilme abgestraft werden, und dessentwegen das Genre bis heute mit den Kritikern kämpft und „Actionfans“ in weiten Kreisen immer ein wenig belächelt werden.
Wie kommt es nun, dass ein Film, der noch die letzten Reste von Sinn, Handlung und Figurenzeichnung über die Leitplanke wirft und sich ausschließlich auf die Action konzentriert, derartige Jubelstürme auslöst?
Wir bemühen uns um einen Erklärungsversuch.


Der beste schlechte Film des Jahres


Um das vorweg zu nehmen: MAD MAX: FURY ROAD ist ein Monster von einem Film! Kaum ein Zuschauer kommt anders als berauscht, geflasht und, in der Regel, begeistert aus dem Kinosaal. Und ja, auch wir fanden den Film herausragend.

Dabei ist das ziemlich erstaunlich. Denn schaut man dem brachialen Actionspektakel erstmal unter die Haube, erkennt man, dass dort ziemlich wenig los ist.
Haben wir es hier mit einem modernen Film zu tun, der am DIRTY DANCING-Fieber erkrankt ist? Ein schlechter Film, der einen so empfindlichen Nerv trifft, dass er die Massen fasziniert?
Aber selbst wenn er die Massen fasziniert: Wenigstens hatte DIRTY DANCING den Anstand, den Kritikern sauer aufzustoßen. Wieso tut FURY ROAD das nicht?
Seit dem Start des Films wird vor allem ein Mantra der Kritiker und Feuilletonisten regelmäßig wiederholt: „Ja, der Film hat keine Story. Scheiß drauf, er macht Laune, weil die Action furios ist!“

Auch wenn diese Einschätzung gerechtfertigt (und korrekt) ist, erweist sie sich dennoch als problematisch, weil sie in gewisser Weise unfair ist! Actionfilme ohne Handlung gibt es spätestens seit die Cannon Films uns in den Achtzigern mit Werken wie  MISSING IN ACTION oder AMERICAN NINJA weiszumachen versucht haben, dass die Form vor dem Inhalt kommt.
Actionfilme ohne Handlung sind in der Regel ein Garant für Negativkritiken, was soweit geht, dass erst zum letzten Jahreswechsel der Streifen JOHN WICK allenthalben gelobt wurde, weil er tatsächlich sowas ähnliches wie „tiefe Figuren“ aufweist.
FURY ROAD hat, dazu später mehr, nichtmal das! Trotzdem wird ihm seine inhaltliche Belanglosigkeit und Beliebigkeit nicht nur von allen Seiten nachgesehen, sondern der Streifen beinahe dafür gelobt. Was ist also das Geheimnis der absurden Endzeitposse?

Der Taschenspielertrick


Dass man FURY ROAD seine Seichtheit nachsieht, liegt vor allem an einem kleinen, und sehr smarten, Taschenspielertrick:
Die meisten von der Kritik gescholtenen Actionfilme kranken am „gewollt und nicht gekonnt“-Syndrom. Im Glauben, dass das zu einem guten Film dazugehöre, versuchen sie, ihre Figuren mit Tiefe auszustatten, mit einem Hintergrund, vielleicht sogar mit einer Entwicklung.
Leider sind die Autoren solcher Streifen in der Regel nur mäßig talentiert. So kommen am Ende nur Figuren heraus, die nichts als klischeehafte Abziehbilder sind.
© Warner Bros.
Und da für gewöhnlich auch nur weniger talentierte Schauspieler in Actionfilmen mitspielen, deren darstellbare Gefühlsklaviatur begrenzt ist, werden diese klischeehaften Emotionsinhalte auch noch minderwertig geschauspielert.
Das Ergebnis sind Actionfilme mit klischeehaften Figuren, die schlecht gespielt werden. Und das empfindet man als Zuschauer – und Kritiker – als unzureichend und unangenehm. Noch dazu kommt das Gefühl auf, die Macher hätten mehr Wert auf die Action als auf die Figuren gelegt.

FURY ROAD nun umgeht das Problem, indem er einfach jegliche Handlung und Figurentiefe fallenlässt, nicht einmal anbietet. Statt „gewollt und nicht gekonnt“ einfach ein „wir wollen gar nicht!“, getreu dem Motto: Was wir nicht im Film haben, können wir auch nicht schlecht machen!
Man muss nicht lange überlegen um zu erkennen, dass man als Autor in einem Film wie FURY ROAD unmöglich eine sinnvolle Handlung einflechten könnte, die irgendetwas anderes wäre als vollkommen lächerlich. Man stelle sich nur mal vor: Eine Liebesgeschichte zwischen Max und Furiosa? Ein Handlungsstrang, in dem Immortan Joe und sein Sohn über ihr Dasein sinnieren? Jede „Handlung“, jeder „Inhalt“ in FURY ROAD würde den Film der Lächerlichkeit preisgeben. Also wäht man den cleveren Weg, und weicht der Gefahr ganz aus.

Motivationsclash


Dasselbe gilt übrigens für die Figuren, die in FURY ROAD nicht einmal vorhanden sind!
Keine einzige der Figuren besitzt irgendeine Tiefe, keinerlei Charakter oder Eigenschaften. Alles, was der Film seinen Figuren gibt, ist ein Motiv:

Vom Bösewicht Immortan Joe erfahren wir nur, dass er seine Brüter zurückhaben will – mehr Charaktertiefe wird ihm nicht zugestanden. Weder wer er ist, woher er kommt, wieso er so ist wie er ist – selbst, warum er seine Brüter unbedingt wiederhaben will, (oder was er mit all der Muttermilch macht) ist eher spekulativ. Immerhin klingt hier ein Charakterzug durch, der äußerst besitzergreifend wirkt.

Auch über die „Guten“ im Film erfährt man quasi nichts. Von den entführten Brüter-Frauen erfährt man stellenweise nicht einmal die Namen, geschweige denn irgendwelche Details.

Und was wissen wir über Furiosa? Sie wurde als Kind entführt, sah ihre Mutter sterben, und will nun mit den Brüterinnen zurück in jenen ominösen „grünen Ort“. Viel mehr Nennenswertes als das wird über ihre Figur niemals erwähnt.

Der wankelmütige War Boy Nux, der sich verblüffenderweise noch als tiefgründigste Figur erweist, besitzt weder Vergangenheit, noch Zukunft. Sein Leben ist darauf ausgerichtet, sich im Kampf auf der Straße aufzuopfern. Zwar wechselt er gelegentlich das Objekt, für das er sich aufopfern will, aber mehr als das wird ihm auch nicht zugestanden.

Und Max, der im Film – wie überall erkannt wird – ohnehin überflüssig ist (und damit zur Figur des Gyrocpter-Piloten aus MAD MAX II – DER VOLLSTRECKER verkommt), wird, wie er selbst zu Beginn des Films sagt, nur noch auf einen Instinkt reduziert: Überleben.

Aber auch die Abwesenheit von Charakteren in FURY ROAD arbeitet dem Film entgegen. Wo keine Charaktere sind, können keine Klischees oder Abziehbilder entstehen. Und wie wollte man in einem Film wie FURY ROAD irgendwelche anderen Charaktere als Klischees und Abziehbilder einbauen? Das würde wieder einer Handlung bedürfen, die den Film wieder lächerlich macht.

FURY ROAD ist die komplette Antithese von allem, was jemals irgendwo irgendein Dozent oder Lehrer über das Schreiben von Geschichten gelehrt hat. Nach allen Regeln(!) der Kunst ist es ein wirklich schlechter Film, der sich nicht mal die Mühe macht, Handlung oder Figuren aufzubauen.
Der Film müsste von den Kritikern also zerfetzt werden. Weshalb aber wird er das nicht?

Weil FURY ROAD sich mit diesem Trick schlanker macht: Wo keine Handlung und keine Charaktere sind, können auch keine kritisiert werden. Alles was den Kritikern bleibt, ist die bloße Feststellung, dass Handlung und Charaktere nicht vorhanden sind – und man somit das bewerten muss, was der Film mitbringt.
Und das ist reine, unverschnittene Action!
© Warner Bros.
Und auf die kann der Film sich hervorragend konzentrieren. Da er keine Charaktere einbindet, sondern lediglich Figuren mit Motivationen, konzipiert er diese Figuren so, dass ihre Motivationen maximal unvereinbar sind, und löst den Konflikt in einer wahren Bilderorgie auf.
Und irgendwo hier setzt die Begeisterung der Massen und der Kritiker ein.

Effekte aus der Urzeit


Vor gut 40 Jahren, als STAR WARS in die Kinos kam, änderte sich etwas an der Wahrnehmung von Filmen: die Effekte wurden ein Teil des Erlebnisses. Sie erweiterten nicht nur die Möglichkeiten der Filmemacher, sondern wurden zum Wesen eines Films.
Spätestens mit JURASSIC PARK und dem Siegeszug der CGI gerieten die Effekte mehr und mehr zur vierten Macht in Filmen, neben Figur, Handlung und Konflikt. Die Qualität der Effekte entschied im gleichen Maß darüber mit, wie ein Film empfunden wurde, wie die Figuren oder die darstellerischen Leistungen. Das erklärt auch, weshalb ältere Filme, mit aus heutiger Sicht „billigen“ Effekten, heute eine ganz andere emotionale Wirkung erzielen als zum Zeitpunkt ihrer Erstaufführung (und häufig eine weitaus schlechtere).

Irgendwann aber gerieten Effekte zum Selbstzweck. Die Zuschauer verloren den Respekt vor den Effekten, denn auch wenn auf der Leinwand alles möglich war – man war sich bewusst, dass die Leistung von ein paar pickeligen Brillenträgern (oder wie auch immer das Klischee lauten mag) in einem Computerraum zusammengebastelt worden waren. Und mittlerweile, wo Nachbearbeitung beinahe zum Alltag der Filmzuschauer gehört, ist das weder Magie, noch eine große Kunst, sondern vermeintlich simples Handwerk!
Nur noch die größten Leistungen, wie zuletzt etwa der Tiger in LIFE OF PI, nötigen den Zuschauern Respekt und Bewunderung ab. Ein Film wie die neueste HOBBIT-Trilogie, in der die gesamte Leistung einer Gruppe Computergeeks übertragen worden zu sein scheint, wirkt heute nicht mehr bewundernswert.

Ganz anders hingegen FURY ROAD! Das Marketing tat gut daran, die Handgemachtheit der Stunts und Crashs in den Mittelpunkt der Vermarktung zu stellen statt der Figuren. (Witzigerweise geschah 1982 dasselbe mit MADMAX II, für den statt des noch unbekannten Mel Gibson die Stunts zum Zentrum des Marketings wurden!)
Denn auf einmal wirkt jeder Crash, jeder Überschlag, wieder wie pure Magie! Wie haben die das gemacht? Wahnsinn! Da saß wirklich jemand drin? Wie konnten die das timen? Warum ist da nichts passiert?
In einer Welt, in der wir es gewohnt sind, dass jedes Bild und jeder Ton nachbearbeitet und gefälscht sind, nötigt uns ein Film, der so tiefgehend darauf verzichtet, höchsten Respekt ab! Statt des simplen Weges der CGI zu gehen werden hier Köpfe zum Rauchen gebracht. Statt Vektorenrechnungen digitaler Werte werden Flugberechnungen realer Autokörper vorgenommen, statt Texturen werden hier Stahlnägel zusammengeschweißt.
FURY ROAD entpuppt sich als Anti-JURASSIC PARK. 1993 galten die fotorealistischen Dinosaurer als Magie, als Wunderwerk der Technik, und kaum ein Mensch konnte erahnen, wie das möglich gewesen war. Heute, 22 Jahre später, gilt dasselbe Gefühl der handwerklichen Kunst, echte Autos spektakulär durch die Luft fliegen zu lassen! Man bewundert die kreative und künstlerische Leistung dahinter, weil sie längst kein bewusster Teil der aktuellen Kinokultur mehr ist.
© Warner Bros.
Wäre FURY ROAD mit CGI gedreht worden, hätte er niemals dieselbe Wirkung gehabt. Als Zuschauer weiß man um die Echtheit der Stunts, was einen viel stärker, viel tiefer mitleiden und mitfühlen lässt. Statt emotionaler Figuren bietet FURY ROAD also emotionale Effekte. CGIs hätten die Zuschauer deutlich kälter gelassen.

Das Gesamtkunstwerk


Natürlich macht FURY ROAD noch mehr richtig und gut. Auch ohne Charaktere, Dialoge oder Handlung hat man das Gefühl, in einer echten Welt zu sein. (Auch wenn ich persönlich den E-Gitarristen für ein Stück zuviel des Guten fand.) Das Worldbuilding in FURY ROAD, also das Gefühl, in einer echten, atmenden Welt zu sein, die sich über das gezeigte Geschehen hinaus erstreckt, ist großartig. Das kommt natürlich auch dadurch, dass die Figuren selbst ihre Welt ernst nehmen, ganz gleich, wie skurril deren Elemente auch sein mögen.

Die Action ist nicht nur handwerklich gut gemacht, sondern auch gut inszeniert, gut geschnitten, und einfach unglaublich kreativ! Es ist nicht leicht, aus der Vorlage „Autojagd in der Wüste“ ein zweistündiges Ideenfeuerwerk zu zünden. FURY ROAD gelingt das hervorragend. George Miller und seinen Leuten fällt einfach immer wieder etwas ein – ein skurriles Fahrzeig, eine packende Szene, eine clevere Jagdsequenz. Der Fiml wiederholt sich nicht, der Film überrascht, und er lässt die Zuschauer immer wieder mit dem Gefühl zurück, etwas völlig Neues zu erleben, dass es so auf der Leinwand noch nicht gegeben hat.
Allerdings: Auch hier gilt wieder, dass die Ideen deutlich intensiver wirken, weil sie real umgesetzt wurden! Auch andere Filme, allen voran die FAST AND FURIOUS Reihe haben spektakuläre Ideen für ihre Verfolgungsjagden. Das Problem dabei ist: mit CGI werden diese ohne allzu große Probleme umgesetzt. FURY ROAD versucht, seine Ideen real umzusetzen – was sie wuchtiger wirken lässt, und gleichzeitig den Respekt davor enorm erhöht. Sie „fühlen“ sich einfach besser an, wenn man weiß, dass sie nicht von einem kaugummikauenden Grafiker am Schreibtisch gemalt worden sind, sondern mit Schweiß und Blut in der Wüste inszeniert wurden.

Ein wichtiger Faktor ist natürlich das Ensemble – mit Tom Hardy, Charlize Theron und Nicholas Hoult bringt der Film gleich drei große, talentierte Namen mit, die selbst aus ihren nicht vorhandenen Rollen das Maximum herausholen.
Bedenkt man, dass sie eine Frau spielt, über die man wenig mehr weiß, als wohin sie fahren will, gelingt es Theron erstaunlich gut, Leben auf die Leinwand zu bringen. Auch hier gilt: Mit einem weniger talentierten Cast wäre FURY ROAD gnadenlos baden gegangen, weil man die Flachheit der Figuren sofort gespürt hätte.

FURY ROAD gelingt ein unglaubliches Kunststück, indem es sich in einem extrem winzigen Fenster maximal austobt: Ein wenig mehr Handlung hätte ihn lächerlich gemacht, ein weniger talentierter Cast hätte ihn unglaubwürdig gemacht, CGI-Effekte hätten ihn langweilig gemacht. FURY ROAD findet genau die empfindliche Balance, bei der seine Schwächen nicht stören, und seine Stärken maximal herausragen.
Die flachen Figuren ermöglichen darüber hinaus eine simple Identifikation, so dass der Film, gemeinsam mit seinen kreativen Ideen und seinem grandiosen Schnitt, unglaublich wuchtig und emotional wirkt. Obwohl die Figuren keine Emotionen haben, lösen sie beim Zuschauer welche aus – auch das ist eine Kunst!
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Am Ende liefert FURY ROAD einfach Tonnen von dem, was jeder Film liefern sollte: spannende Unterhaltung. FURY ROAD beweist, besser als viele andere Filme, die erste Regel jedes unterhaltenden Berufes: Du sollst nicht langweilen! Alles andere ist nur Bonus!

Ist er nun feministisch oder nur anti-sexistisch?


Ein anderes Lob, das der Film sich häufig anhören darf, betrifft seine vermeintlich feministische Aussage. In den USA rufen einige „Männerrechtler“, die gegen die Unterdrückung des Mannes durch den Feminismus kämpfen (so etwas Skurriles könnte George Millers postapokalyptische Welt sich nicht mal ausdenken!), sogar zum Boykott des Streifens auf, weil er „feministische Propaganda in einem Männerfilm verstecke“.

Aber wie feministisch ist der Film denn nun?
Augenscheinlich wirkt er äußerst feministisch! Eine weibliche Road Warriorin entführt dem bösen Patriarchen Immortan Joe seine als Brutmaschinen gehaltenen Frauen, schließt sich einer kleinen gruppe Wüstenamazonen an, und bekämpft Joe und seine ausschließlich männlichen „War Boys“, um sie am Ende zu besiegen und das unterdrückte Volk zu befreien. Aber ist das feministisch?

Feminismus hat nicht die Unterwerfung der Männer zum Ziel, sondern die Gleichberechtigung beider Geschlechter. Dass beide Geschlechter,  unabhängig ob Mann oder Frau, dieselben Rechte, Löhne und Möglichkeiten haben. Davon ist in FURY ROAD allerdings nichts zu spüren!
Furiosa, in einer Welt kahlgeschorener Männer anständig kurzhaarig, behauptet sich mit männlicher Gewalt gegen einen Haufen Männer, während der Rest der Frauen im Film auf ihren Status als Gebärmaschinen und Milchgeber reduziert wird.
Die Handvoll Amazonen in der zweiten Filmhälfte agieren zwar auf Furiosas Schiene, und weiß sich zu wehren, doch was steht am Ende des Films? Die Unterwerfung des Patriarchats durch das Matriarchat. Das ist kein Feminismus, das ist ein Geschlechtertausch in der Herschaftsebene. Clevererweise spart der Film aus, ob und wie die „Frauen“ nun herrschen – womöglich führen sie die völlige Gleichberechtigung ein, wir wissen es nicht. Doch das, was der Film zeigt, ist lediglich das, was weltweit viele (hauptsächlich männliche!) Gegner des Feminismus dem Feminismus vorwerfen: Dass er die Männer verdrängen, unterdrücken und Frauen in die herrschende Position rücken wolle.

Das stimmt schlicht nicht, denn das Ziel des Feminismus ist eine Gleichstellung, keine männliche Unterwerfung. Wenn FURY ROAD also eine Unterwerfung des Patriarchats schildert, und von einer Gleichstellung konnte der Film nun wirklich wenig schildern, dann ist das kein Grundzug des Feminismus‘. Wenn es das wäre, wäre MAD MAX III – JENSEITS DER DONNERKUPPEL ein Meisterwerk des Feminismus‘, immerhin triumphiert hier die weibliche Aunt Entitity am Ende als Herrscherin von Bartertown über die männlichen Master und Blaster. Nichts anderes bietet FURY ROAD!
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Die Antagonisten zu Männern zu machen und die Protagonisten zu Frauen, und die Frauen am Ende siegen zu lassen, ist noch keine feministische Aussage, es ist lediglich eine weitere, simple und kategorische Trennung in einem von klaren Linien durchzogenen Film. Genausogut hätte der Film die „Bösen“ rote Hüte tragen lassen können und die „Guten“ blaue.
Manchmal braucht Film klare Linien, selbst wenn sie nicht logisch sind. Niemand hinterfragt, dass aus der Beziehung zwischen Kermit und Piggy alle weiblichen Kinder Schweine, alle männlichen Kinder Frösche sind.

Auch FURY ROAD kategorisiert schlicht die „Helden“ als weiblich, die „Schurken“ als männlich, aber da der Film nicht einmal Charaktere besitzt, kann er auch keine weiblichen Charaktere besitzen. Jede einzelne weibliche Figur im Film könnte problemlos gegen einen Mann ersetzt werden (und andersherum ebenso!) – was die Figuren vollkommen geschlechtsneutral macht.
Die Geschlechtlichkeit der Figuren ist lediglich ein äußeres Merkmal, wie die Schweine und Frösche in den Muppets Filmen, und sagt nichts über die Figuren aus. Wie will man mit geschlechtsneutralen Figuren ein feministisches Zeichen setzen?
Und, wie gesagt: Die einzigen Figuren, die nicht gegen das andere Geschlecht ausgetauscht werden könnten, werden auf ihren Status als milchgebende Gebärmaschinen reduziert – was alles ist, aber nicht feminismusfreundlich.
So bleibt nur die Feststellung, dass FURY ROAD das Geschlecht seiner Figuren im Grunde herzlich egal ist. Das ist zwar nicht feministisch, aber immerhin auch nicht sexistisch, und ja durchaus gleichberechtigt.

Natürlich schießt eine solche Interpretation des Films deutlich über das Ziel hinaus!
FURY ROAD besitzt keine Tiefe, will es auch gar nicht, aber es will sie vortäuschen. Wie die Oberfläche noch der flachesten Pfütze den endlosen Himmel widerspiegelt, versucht FURY ROAD mit Oberflächlichkeiten Tiefe vorzutäuschen. Aus der simplen, aussagelosen Tatsache, alle Helden zu Frauen und alle Schurken zu Männern zu machen, simuliert FURY ROAD eine feministische Aussage – in einem Film, der sich ausschließlich auf Oberflächlichkeiten beschränkt kann man auch nicht mehr erwarten. Denn wie gesagt: Hätte man eine echte Aussage in den Film einbauen wollen, hätte er eine handlung und echter Charaktere bedurft, und beides hätte den Film lächerlich gemacht.

Als kleiner Zusatzgedanke stellt sich auch die Frage: Wie konnte eine Frau wie Furiosa in einer von Alphamännchen beherrschten Welt überhaupt in ihren Status gelangen? Das ist nicht nur inkonsequent und innerhalb der Filmwelt unlogisch, sondern legt auch den Schluss nahe, dass sie dafür eben ihre Weiblichkeit aufgegeben haben muss. Ob nur zum Schein oder real bleibt der Fantasie überlassen, aber im Falle von Furiosa deuten alle Anzeichen eher darauf hin, dass sie eine durch und durch unweibliche Figur ist, deren Geschlecht sich ebenfalls auf das äußere Erscheinungsbild beschränkt. Innere weibliche Werte sind an ihr jedenfalls keine zu finden.

Ein Vorbild – und eine Erleichterung


MAD MAX: FURY ROAD bleibt ein Phänomen: Eine inhaltsleere Blendshow, einer der inhaltlich schlechtesten Filme aller Zeiten, der beweist, dass gutes, drehtechnisches Handwerk manchmal einfach ausreicht, und die Zuschauer sich nach mehr Handarbeit sehnen in einer Welt, in der sie zur Seltenheit verkommen ist. Ein Film, der sich vor allem Respekt verdient hat, weil er kompromisslos ist – in der Erfindung seiner fiktiven Welt, aber auch in seiner sparsamen Umsetzung.

Wir bezweifeln, dass der Film einen bleibenden Eindruck hinterlässt. So sehr er im Augenblick auch begeistert und fesselt – um ein Klassiker zu werden, um in die Annalen der Filmgeschichte einzugehen, bedarf es mehr. Es bedarf einem Einschlag auf die Filmlandschaft. Aber womit sollte FURY ROAD das bieten? Handlung und Charaktere prägen höchstens durch ihre Abwesenheit. Allein die Stuntschlacht sucht im Augenblick Ihresgleichen, aber reicht das, um ein Klassiker zu werden?
Wahrscheinlicher ist, dass der Film in einigen Jahren nur noch wenig Erwähnung finden wird. Was einerseits bedauerlich, andererseits erleichternd ist.
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Bedauerlich deshalb, weil FURY ROAD ein Meilenstein werden könnte! Ein Zeichen an die Filmemacher, dass das Publikum genug hat von seelenlosen CGI-Massakern, die jede Fantasie ohne große Mühe am Computer Wirklichkeit werden lassen. Die Menschen wissen es zu würdigen, wenn man kreativ, mit Spucke und Klebeband an die Verwirklichung der filmischen Fantasiewelten herangeht! Wir wünschen uns, dass wieder mehr Filme diesen Weg gehen, dass Handarbeit wieder einen größeren Stellenwert in den Effektschmieden erhält. Nicht weil wir es müssten, sondern weil wir es können! Weil es dem Film jenen Mehrwert verleiht, der in keiner Studio-Kalkulation auftaucht. FURY ROAD beweist das mit sagenhafter Wucht!

Auf der anderen Seite erleichternd, weil das Lob der Zuschauer und Kritiker an FURY ROAD nicht wirklich fair ist! Das Wesen von Geschichten, vor allem von Filmen, liegt im Abenteuer, die Kämpfe von Figuren und Charakteren mitzuerleben! Jeden Tag mühen sich dort draußen Autoren und Regisseure ab, uns zerrissene Figuren, mutige Feiglinge und feige Helden zu präsentieren, uns packende Geschichten mit überraschenden Handlungen miterleben zu lassen. Mühen sich Schauspieler ab, uns die innersten und verborgensten Gefühle ihrer Figuren deutlich zu machen, um uns mitleiden, mitlachen, mittrauern und mithoffen zu lassen.
Die Kunst des Geschichtenerzählens, die Kunst, tiefe, dreidimensionale Charaktere zu erschaffen, ist eine schwierige. Dass ein Film wie FURY ROAD diesen Schritt einfach überspringt und sich allein auf visuelle Schauwerte verlässt, ist vollkommen legitim. Dass er für diesen Trick, für diese kleine Schummelei, auch noch gelobt wird, dass er als „Bester Actionfilm des Jahres/Jahrzehnts/Jahrhunderts/aller Zeiten“ bezeichnet wird, ist unfair all den Actionfilmen gegenüber, die eben versuchen, Handlung, Figuren und sinnvolle Action unter einen Hut zu bringen. Und viele von ihnen schaffen es - selbst zu dem Preis, dass mal zehn Minuten nichts explodiert.
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Auch wenn FURY ROAD eine der besten Actionsequenzen der Welt aufweist, die zufällig den ganzen Film hindurch andauert, und als solches ein Brett von einem Actionfilm ist, ist er eben nicht mehr als das: eine sehr, sehr lange Sequenz! Ihn zum „besten Actionfilm“ zu küren ist unfair all jenen Filmen gegenüber, die ebenfalls hervorragende Actionsequenzen mit hervorragenden Handlungen und Figurenzeichnungen verbinden – wie es etwa HEAT oder THE DARK KNIGHT geschafft haben. Und darin sehen wir auch Actionklassiker, „gute“ Actionfilme, die neben der Actionsequenz auch eine Actionhandlung aufweisen. Alles andere ist nur THE RAID, der ebenfalls umwerfende Action bietet, und diese immerhin mit einem Anflug von Figurenzeichnung ausstattet.

Wir sind gespannt, wohin der nächste MAD MAX führen wird, der bereits in Planung ist, und ob es ihm gelingt, neben einer packenden Actionkakophonie auch eine spannende, mitreißende und clevere Handlung zu präsentieren. Wünschen würden wir es uns. Und bis dahin – genießen wir den Spaß und den Rausch, den FURY ROAD bietet.

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