Seit einer Woche begeistert MAD MAX: FURY ROAD das Publikum.
Die Resonanz ist überwältigend, und auch wir haben uns nach Sichtung des
Films begeistert geäußert. Und noch immer halten wir ihn für unbedingt sehenswert.
Dabei haben wir uns damals schon gefragt: Wieso eigentlich?
FURY ROAD ist ein Phänomen. Zuschauer und Kritiker
gleichermaßen lieben den Film, dabei ist der Tenor eindeutig: „Ja, klar, keine
Handlung, aber egal, super Film!“ Dabei ist das „zu flache Handlung!“-Argument
für gewöhnlich das, mit dem Actionfilme abgestraft werden, und dessentwegen das
Genre bis heute mit den Kritikern kämpft und „Actionfans“ in weiten Kreisen
immer ein wenig belächelt werden.
Wie kommt es nun, dass ein Film, der noch die letzten Reste
von Sinn, Handlung und Figurenzeichnung über die Leitplanke wirft und sich
ausschließlich auf die Action konzentriert, derartige Jubelstürme auslöst?
Wir bemühen uns um einen Erklärungsversuch.
Der beste schlechte Film des Jahres
Um das vorweg zu nehmen: MAD MAX: FURY ROAD ist ein Monster
von einem Film! Kaum ein Zuschauer kommt anders als berauscht, geflasht und, in
der Regel, begeistert aus dem Kinosaal. Und ja, auch wir fanden den Film
herausragend.
Dabei ist das ziemlich erstaunlich. Denn schaut man dem
brachialen Actionspektakel erstmal unter die Haube, erkennt man, dass dort
ziemlich wenig los ist.
Haben wir es hier mit einem modernen Film zu tun, der am DIRTY
DANCING-Fieber erkrankt ist? Ein schlechter Film, der einen so
empfindlichen Nerv trifft, dass er die Massen fasziniert?
Aber selbst wenn er die Massen fasziniert: Wenigstens hatte
DIRTY DANCING den Anstand, den Kritikern sauer aufzustoßen. Wieso tut FURY ROAD
das nicht?
Seit dem Start des Films wird vor allem ein Mantra der Kritiker
und Feuilletonisten regelmäßig wiederholt: „Ja, der Film hat keine Story. Scheiß
drauf, er macht Laune, weil die Action furios ist!“
Auch wenn diese Einschätzung gerechtfertigt (und korrekt)
ist, erweist sie sich dennoch als problematisch, weil sie in gewisser Weise
unfair ist! Actionfilme ohne Handlung gibt es spätestens seit die Cannon Films
uns in den Achtzigern mit Werken wie
MISSING IN ACTION oder AMERICAN NINJA weiszumachen versucht haben, dass
die Form vor dem Inhalt kommt.
Actionfilme ohne Handlung sind in der Regel ein Garant für
Negativkritiken, was soweit geht, dass erst zum letzten Jahreswechsel der
Streifen JOHN WICK allenthalben gelobt wurde, weil er tatsächlich sowas
ähnliches wie „tiefe Figuren“ aufweist.
FURY ROAD hat, dazu später mehr, nichtmal das! Trotzdem wird
ihm seine inhaltliche Belanglosigkeit und Beliebigkeit nicht nur von allen
Seiten nachgesehen, sondern der Streifen beinahe dafür gelobt. Was ist also das
Geheimnis der absurden Endzeitposse?
Der Taschenspielertrick
Dass man FURY ROAD seine Seichtheit nachsieht, liegt vor
allem an einem kleinen, und sehr smarten, Taschenspielertrick:
Die meisten von der Kritik gescholtenen Actionfilme kranken am
„gewollt und nicht gekonnt“-Syndrom. Im Glauben, dass das zu einem guten Film
dazugehöre, versuchen sie, ihre Figuren mit Tiefe auszustatten, mit einem
Hintergrund, vielleicht sogar mit einer Entwicklung.
Leider sind die Autoren solcher Streifen in der Regel nur
mäßig talentiert. So kommen am Ende nur Figuren heraus, die nichts als klischeehafte
Abziehbilder sind.
© Warner Bros. |
Das Ergebnis sind Actionfilme mit klischeehaften Figuren,
die schlecht gespielt werden. Und das empfindet man als Zuschauer – und
Kritiker – als unzureichend und unangenehm. Noch dazu kommt das Gefühl auf, die
Macher hätten mehr Wert auf die Action als auf die Figuren gelegt.
FURY ROAD nun umgeht das Problem, indem er einfach jegliche
Handlung und Figurentiefe fallenlässt, nicht einmal anbietet. Statt „gewollt
und nicht gekonnt“ einfach ein „wir wollen gar nicht!“, getreu dem Motto: Was
wir nicht im Film haben, können wir auch nicht schlecht machen!
Man muss nicht lange überlegen um zu erkennen, dass man als
Autor in einem Film wie FURY ROAD unmöglich eine sinnvolle Handlung einflechten
könnte, die irgendetwas anderes wäre als vollkommen lächerlich. Man stelle sich
nur mal vor: Eine Liebesgeschichte zwischen Max und Furiosa? Ein
Handlungsstrang, in dem Immortan Joe und sein Sohn über ihr Dasein sinnieren? Jede
„Handlung“, jeder „Inhalt“ in FURY ROAD würde den Film der Lächerlichkeit
preisgeben. Also wäht man den cleveren Weg, und weicht der Gefahr ganz aus.
Motivationsclash
Dasselbe gilt übrigens für die Figuren, die in FURY ROAD
nicht einmal vorhanden sind!
Keine einzige der Figuren besitzt irgendeine Tiefe,
keinerlei Charakter oder Eigenschaften. Alles, was der Film seinen Figuren
gibt, ist ein Motiv:
Vom Bösewicht Immortan Joe erfahren wir nur, dass er seine
Brüter zurückhaben will – mehr Charaktertiefe wird ihm nicht zugestanden. Weder
wer er ist, woher er kommt, wieso er so ist wie er ist – selbst, warum er seine Brüter unbedingt
wiederhaben will, (oder was er mit all der Muttermilch macht) ist eher spekulativ. Immerhin klingt hier ein Charakterzug
durch, der äußerst besitzergreifend wirkt.
Auch über die „Guten“ im Film erfährt man quasi nichts. Von
den entführten Brüter-Frauen erfährt man stellenweise nicht einmal die Namen,
geschweige denn irgendwelche Details.
Und was wissen wir über Furiosa? Sie wurde als Kind entführt,
sah ihre Mutter sterben, und will nun mit den Brüterinnen zurück in jenen
ominösen „grünen Ort“. Viel mehr Nennenswertes als das wird über ihre Figur
niemals erwähnt.
Der wankelmütige War Boy Nux, der sich verblüffenderweise
noch als tiefgründigste Figur erweist, besitzt weder Vergangenheit, noch
Zukunft. Sein Leben ist darauf ausgerichtet, sich im Kampf auf der Straße
aufzuopfern. Zwar wechselt er gelegentlich das Objekt, für das er sich
aufopfern will, aber mehr als das wird ihm auch nicht zugestanden.
Und Max, der im Film – wie überall erkannt wird – ohnehin
überflüssig ist (und damit zur Figur des Gyrocpter-Piloten aus MAD MAX II – DER VOLLSTRECKER verkommt), wird, wie er selbst zu Beginn des Films sagt, nur noch
auf einen Instinkt reduziert: Überleben.
Aber auch die Abwesenheit von Charakteren in FURY ROAD
arbeitet dem Film entgegen. Wo keine Charaktere sind, können keine Klischees
oder Abziehbilder entstehen. Und wie wollte man in einem Film wie FURY ROAD irgendwelche
anderen Charaktere als Klischees und Abziehbilder einbauen? Das würde wieder
einer Handlung bedürfen, die den Film wieder lächerlich macht.
FURY ROAD ist die komplette Antithese von allem, was jemals
irgendwo irgendein Dozent oder Lehrer über das Schreiben von Geschichten
gelehrt hat. Nach allen Regeln(!) der Kunst ist es ein wirklich schlechter
Film, der sich nicht mal die Mühe macht, Handlung oder Figuren aufzubauen.
Der Film müsste von den Kritikern also zerfetzt werden.
Weshalb aber wird er das nicht?
Weil FURY ROAD sich mit diesem Trick schlanker macht: Wo
keine Handlung und keine Charaktere sind, können auch keine kritisiert werden.
Alles was den Kritikern bleibt, ist die bloße Feststellung, dass Handlung und
Charaktere nicht vorhanden sind – und man somit das bewerten muss, was der Film
mitbringt.
Und das ist reine, unverschnittene Action!
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Und irgendwo hier setzt die Begeisterung der Massen und der
Kritiker ein.
Effekte aus der Urzeit
Vor gut 40 Jahren, als STAR WARS in die Kinos kam, änderte
sich etwas an der Wahrnehmung von Filmen: die Effekte wurden ein Teil des
Erlebnisses. Sie erweiterten nicht nur die Möglichkeiten der Filmemacher,
sondern wurden zum Wesen eines Films.
Spätestens mit JURASSIC PARK und dem Siegeszug der CGI gerieten
die Effekte mehr und mehr zur vierten Macht in Filmen, neben Figur, Handlung
und Konflikt. Die Qualität der Effekte entschied im gleichen Maß darüber mit,
wie ein Film empfunden wurde, wie die Figuren oder die darstellerischen Leistungen.
Das erklärt auch, weshalb ältere Filme, mit aus heutiger Sicht „billigen“
Effekten, heute eine ganz andere emotionale Wirkung erzielen als zum Zeitpunkt
ihrer Erstaufführung (und häufig eine weitaus schlechtere).
Irgendwann aber gerieten Effekte zum Selbstzweck. Die
Zuschauer verloren den Respekt vor den Effekten, denn auch wenn auf der
Leinwand alles möglich war – man war sich bewusst, dass die Leistung von ein
paar pickeligen Brillenträgern (oder wie auch immer das Klischee lauten mag) in
einem Computerraum zusammengebastelt worden waren. Und mittlerweile, wo
Nachbearbeitung beinahe zum Alltag der Filmzuschauer gehört, ist das weder
Magie, noch eine große Kunst, sondern vermeintlich simples Handwerk!
Nur noch die größten Leistungen, wie zuletzt etwa der Tiger
in LIFE OF PI, nötigen den Zuschauern Respekt und Bewunderung ab. Ein Film wie
die neueste HOBBIT-Trilogie, in der die gesamte Leistung einer Gruppe
Computergeeks übertragen worden zu sein scheint, wirkt heute nicht mehr bewundernswert.
Ganz anders hingegen FURY ROAD! Das Marketing tat gut daran,
die Handgemachtheit der Stunts und Crashs in den Mittelpunkt der Vermarktung zu
stellen statt der Figuren. (Witzigerweise geschah 1982 dasselbe mit MADMAX II, für den statt des noch unbekannten Mel Gibson die Stunts zum
Zentrum des Marketings wurden!)
Denn auf einmal wirkt jeder Crash, jeder Überschlag, wieder wie
pure Magie! Wie haben die das gemacht? Wahnsinn! Da saß wirklich jemand drin?
Wie konnten die das timen? Warum ist da nichts passiert?
In einer Welt, in der wir es gewohnt sind, dass jedes Bild
und jeder Ton nachbearbeitet und gefälscht sind, nötigt uns ein Film, der so
tiefgehend darauf verzichtet, höchsten Respekt ab! Statt des simplen Weges der
CGI zu gehen werden hier Köpfe zum Rauchen gebracht. Statt Vektorenrechnungen
digitaler Werte werden Flugberechnungen realer Autokörper vorgenommen, statt
Texturen werden hier Stahlnägel zusammengeschweißt.
FURY ROAD entpuppt sich als Anti-JURASSIC PARK. 1993 galten
die fotorealistischen Dinosaurer als Magie, als Wunderwerk der Technik, und kaum
ein Mensch konnte erahnen, wie das möglich gewesen war. Heute, 22 Jahre später,
gilt dasselbe Gefühl der handwerklichen Kunst, echte Autos spektakulär durch
die Luft fliegen zu lassen! Man bewundert die kreative und künstlerische
Leistung dahinter, weil sie längst kein bewusster Teil der aktuellen Kinokultur
mehr ist.
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Das Gesamtkunstwerk
Natürlich macht FURY ROAD noch mehr richtig und gut. Auch
ohne Charaktere, Dialoge oder Handlung hat man das Gefühl, in einer echten Welt
zu sein. (Auch wenn ich persönlich den E-Gitarristen für ein Stück zuviel des
Guten fand.) Das Worldbuilding in FURY ROAD, also das Gefühl, in einer echten,
atmenden Welt zu sein, die sich über das gezeigte Geschehen hinaus erstreckt,
ist großartig. Das kommt natürlich auch dadurch, dass die Figuren selbst ihre
Welt ernst nehmen, ganz gleich, wie skurril deren Elemente auch sein mögen.
Die Action ist nicht nur handwerklich gut gemacht, sondern
auch gut inszeniert, gut geschnitten, und einfach unglaublich kreativ! Es ist
nicht leicht, aus der Vorlage „Autojagd in der Wüste“ ein zweistündiges
Ideenfeuerwerk zu zünden. FURY ROAD gelingt das hervorragend. George Miller und
seinen Leuten fällt einfach immer wieder etwas ein – ein skurriles Fahrzeig,
eine packende Szene, eine clevere Jagdsequenz. Der Fiml wiederholt sich nicht,
der Film überrascht, und er lässt die Zuschauer immer wieder mit dem Gefühl
zurück, etwas völlig Neues zu erleben, dass es so auf der Leinwand noch nicht
gegeben hat.
Allerdings: Auch hier gilt wieder, dass die Ideen deutlich
intensiver wirken, weil sie real umgesetzt wurden! Auch andere Filme, allen
voran die FAST AND FURIOUS Reihe haben spektakuläre Ideen für ihre
Verfolgungsjagden. Das Problem dabei ist: mit CGI werden diese ohne allzu große
Probleme umgesetzt. FURY ROAD versucht, seine Ideen real umzusetzen – was sie
wuchtiger wirken lässt, und gleichzeitig den Respekt davor enorm erhöht. Sie „fühlen“
sich einfach besser an, wenn man weiß, dass sie nicht von einem
kaugummikauenden Grafiker am Schreibtisch gemalt worden sind, sondern mit
Schweiß und Blut in der Wüste inszeniert wurden.
Ein wichtiger Faktor ist natürlich das Ensemble – mit Tom
Hardy, Charlize Theron und Nicholas Hoult bringt der Film gleich drei große,
talentierte Namen mit, die selbst aus ihren nicht vorhandenen Rollen das
Maximum herausholen.
Bedenkt man, dass sie eine Frau spielt, über die man wenig
mehr weiß, als wohin sie fahren will, gelingt es Theron erstaunlich gut, Leben
auf die Leinwand zu bringen. Auch hier gilt: Mit einem weniger talentierten
Cast wäre FURY ROAD gnadenlos baden gegangen, weil man die Flachheit der
Figuren sofort gespürt hätte.
FURY ROAD gelingt ein unglaubliches Kunststück, indem es
sich in einem extrem winzigen Fenster maximal austobt: Ein wenig mehr Handlung
hätte ihn lächerlich gemacht, ein weniger talentierter Cast hätte ihn
unglaubwürdig gemacht, CGI-Effekte hätten ihn langweilig gemacht. FURY ROAD
findet genau die empfindliche Balance, bei der seine Schwächen nicht stören,
und seine Stärken maximal herausragen.
Die flachen Figuren ermöglichen darüber hinaus eine simple
Identifikation, so dass der Film, gemeinsam mit seinen kreativen Ideen und
seinem grandiosen Schnitt, unglaublich wuchtig und emotional wirkt. Obwohl die
Figuren keine Emotionen haben, lösen sie beim Zuschauer welche aus – auch das
ist eine Kunst!
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Ist er nun feministisch oder nur anti-sexistisch?
Ein anderes Lob, das der Film sich häufig anhören darf,
betrifft seine vermeintlich feministische Aussage. In den USA rufen einige
„Männerrechtler“, die gegen die Unterdrückung des Mannes durch den Feminismus
kämpfen (so etwas Skurriles könnte George Millers postapokalyptische Welt sich
nicht mal ausdenken!), sogar zum Boykott des Streifens auf, weil er
„feministische Propaganda in einem Männerfilm verstecke“.
Aber wie feministisch ist der Film denn nun?
Augenscheinlich wirkt er äußerst feministisch! Eine
weibliche Road Warriorin entführt dem bösen Patriarchen Immortan Joe seine als
Brutmaschinen gehaltenen Frauen, schließt sich einer kleinen gruppe
Wüstenamazonen an, und bekämpft Joe und seine ausschließlich männlichen „War
Boys“, um sie am Ende zu besiegen und das unterdrückte Volk zu befreien. Aber
ist das feministisch?
Feminismus hat nicht die Unterwerfung der Männer zum Ziel,
sondern die Gleichberechtigung beider Geschlechter. Dass beide Geschlechter, unabhängig ob Mann oder Frau, dieselben
Rechte, Löhne und Möglichkeiten haben. Davon ist in FURY ROAD allerdings nichts
zu spüren!
Furiosa, in einer Welt kahlgeschorener Männer anständig
kurzhaarig, behauptet sich mit männlicher Gewalt gegen einen Haufen Männer,
während der Rest der Frauen im Film auf ihren Status als Gebärmaschinen und
Milchgeber reduziert wird.
Die Handvoll Amazonen in der zweiten Filmhälfte agieren zwar
auf Furiosas Schiene, und weiß sich zu wehren, doch was steht am Ende des Films?
Die Unterwerfung des Patriarchats durch das Matriarchat. Das ist kein
Feminismus, das ist ein Geschlechtertausch in der Herschaftsebene.
Clevererweise spart der Film aus, ob und wie die „Frauen“ nun herrschen –
womöglich führen sie die völlige Gleichberechtigung ein, wir wissen es nicht.
Doch das, was der Film zeigt, ist lediglich das, was weltweit viele
(hauptsächlich männliche!) Gegner des Feminismus dem Feminismus vorwerfen: Dass
er die Männer verdrängen, unterdrücken und Frauen in die herrschende Position
rücken wolle.
Das stimmt schlicht nicht, denn das Ziel des Feminismus ist
eine Gleichstellung, keine männliche Unterwerfung. Wenn FURY ROAD also eine
Unterwerfung des Patriarchats schildert, und von einer Gleichstellung konnte
der Film nun wirklich wenig schildern, dann ist das kein Grundzug des
Feminismus‘. Wenn es das wäre, wäre MAD MAX III – JENSEITS DER DONNERKUPPEL ein
Meisterwerk des Feminismus‘, immerhin triumphiert hier die weibliche Aunt
Entitity am Ende als Herrscherin von Bartertown über die männlichen Master und
Blaster. Nichts anderes bietet FURY ROAD!
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Manchmal braucht Film klare Linien, selbst wenn sie nicht
logisch sind. Niemand hinterfragt, dass aus der Beziehung zwischen Kermit und
Piggy alle weiblichen Kinder Schweine, alle männlichen Kinder Frösche sind.
Auch FURY ROAD kategorisiert schlicht die „Helden“ als
weiblich, die „Schurken“ als männlich, aber da der Film nicht einmal Charaktere
besitzt, kann er auch keine weiblichen Charaktere besitzen. Jede einzelne
weibliche Figur im Film könnte problemlos gegen einen Mann ersetzt werden (und
andersherum ebenso!) – was die Figuren vollkommen geschlechtsneutral macht.
Die Geschlechtlichkeit der Figuren ist lediglich ein äußeres
Merkmal, wie die Schweine und Frösche in den Muppets Filmen, und sagt nichts
über die Figuren aus. Wie will man mit geschlechtsneutralen Figuren ein
feministisches Zeichen setzen?
Und, wie gesagt: Die einzigen Figuren, die nicht gegen das
andere Geschlecht ausgetauscht werden könnten, werden auf ihren Status als
milchgebende Gebärmaschinen reduziert – was alles ist, aber nicht
feminismusfreundlich.
So bleibt nur die Feststellung, dass FURY ROAD das Geschlecht seiner Figuren im Grunde herzlich egal ist. Das ist zwar nicht feministisch, aber immerhin auch nicht sexistisch, und ja durchaus gleichberechtigt.
So bleibt nur die Feststellung, dass FURY ROAD das Geschlecht seiner Figuren im Grunde herzlich egal ist. Das ist zwar nicht feministisch, aber immerhin auch nicht sexistisch, und ja durchaus gleichberechtigt.
Natürlich schießt eine solche Interpretation des Films
deutlich über das Ziel hinaus!
FURY ROAD besitzt keine Tiefe, will es auch gar nicht, aber
es will sie vortäuschen. Wie die Oberfläche noch der flachesten Pfütze den
endlosen Himmel widerspiegelt, versucht FURY ROAD mit Oberflächlichkeiten Tiefe
vorzutäuschen. Aus der simplen, aussagelosen Tatsache, alle Helden zu Frauen
und alle Schurken zu Männern zu machen, simuliert FURY ROAD eine feministische
Aussage – in einem Film, der sich ausschließlich auf Oberflächlichkeiten
beschränkt kann man auch nicht mehr erwarten. Denn wie gesagt: Hätte man eine
echte Aussage in den Film einbauen wollen, hätte er eine handlung und echter
Charaktere bedurft, und beides hätte den Film lächerlich gemacht.
Als kleiner Zusatzgedanke stellt sich auch die Frage: Wie
konnte eine Frau wie Furiosa in einer von Alphamännchen beherrschten Welt überhaupt
in ihren Status gelangen? Das ist nicht nur inkonsequent und innerhalb der
Filmwelt unlogisch, sondern legt auch den Schluss nahe, dass sie dafür eben
ihre Weiblichkeit aufgegeben haben muss. Ob nur zum Schein oder real bleibt der
Fantasie überlassen, aber im Falle von Furiosa deuten alle Anzeichen eher
darauf hin, dass sie eine durch und durch unweibliche Figur ist, deren
Geschlecht sich ebenfalls auf das äußere Erscheinungsbild beschränkt. Innere
weibliche Werte sind an ihr jedenfalls keine zu finden.
Ein Vorbild – und eine Erleichterung
MAD MAX: FURY ROAD bleibt ein Phänomen: Eine inhaltsleere
Blendshow, einer der inhaltlich schlechtesten Filme aller Zeiten, der beweist,
dass gutes, drehtechnisches Handwerk manchmal einfach ausreicht, und die
Zuschauer sich nach mehr Handarbeit sehnen in einer Welt, in der sie zur
Seltenheit verkommen ist. Ein Film, der sich vor allem Respekt verdient hat,
weil er kompromisslos ist – in der Erfindung seiner fiktiven Welt, aber auch in
seiner sparsamen Umsetzung.
Wir bezweifeln, dass der Film einen bleibenden Eindruck
hinterlässt. So sehr er im Augenblick auch begeistert und fesselt – um ein
Klassiker zu werden, um in die Annalen der Filmgeschichte einzugehen, bedarf es
mehr. Es bedarf einem Einschlag auf die Filmlandschaft. Aber womit sollte FURY
ROAD das bieten? Handlung und Charaktere prägen höchstens durch ihre
Abwesenheit. Allein die Stuntschlacht sucht im Augenblick Ihresgleichen, aber
reicht das, um ein Klassiker zu werden?
Wahrscheinlicher ist, dass der Film in einigen Jahren nur
noch wenig Erwähnung finden wird. Was einerseits bedauerlich, andererseits erleichternd
ist.
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Auf der anderen Seite erleichternd, weil das Lob der
Zuschauer und Kritiker an FURY ROAD nicht wirklich fair ist! Das Wesen von
Geschichten, vor allem von Filmen, liegt im Abenteuer, die Kämpfe von Figuren
und Charakteren mitzuerleben! Jeden Tag mühen sich dort draußen Autoren und
Regisseure ab, uns zerrissene Figuren, mutige Feiglinge und feige Helden zu
präsentieren, uns packende Geschichten mit überraschenden Handlungen miterleben
zu lassen. Mühen sich Schauspieler ab, uns die innersten und verborgensten
Gefühle ihrer Figuren deutlich zu machen, um uns mitleiden, mitlachen,
mittrauern und mithoffen zu lassen.
Die Kunst des Geschichtenerzählens,
die Kunst, tiefe, dreidimensionale Charaktere zu erschaffen, ist eine
schwierige. Dass ein Film wie FURY ROAD diesen Schritt einfach überspringt und
sich allein auf visuelle Schauwerte verlässt, ist vollkommen legitim. Dass er für
diesen Trick, für diese kleine Schummelei, auch noch gelobt wird, dass er als „Bester
Actionfilm des Jahres/Jahrzehnts/Jahrhunderts/aller Zeiten“ bezeichnet wird,
ist unfair all den Actionfilmen gegenüber, die eben versuchen, Handlung,
Figuren und sinnvolle Action unter
einen Hut zu bringen. Und viele von ihnen schaffen es - selbst zu dem Preis, dass mal zehn Minuten nichts explodiert.
Auch wenn FURY ROAD eine der besten Actionsequenzen der Welt
aufweist, die zufällig den ganzen Film hindurch andauert, und als solches ein Brett von einem Actionfilm ist, ist er eben nicht
mehr als das: eine sehr, sehr lange Sequenz! Ihn zum „besten Actionfilm“ zu küren ist unfair all
jenen Filmen gegenüber, die ebenfalls hervorragende Actionsequenzen mit
hervorragenden Handlungen und Figurenzeichnungen verbinden – wie es etwa HEAT oder
THE DARK KNIGHT geschafft haben. Und darin sehen wir auch
Actionklassiker, „gute“ Actionfilme, die neben der Actionsequenz auch eine
Actionhandlung aufweisen. Alles andere ist nur THE RAID, der ebenfalls umwerfende Action bietet, und diese immerhin mit einem Anflug von Figurenzeichnung ausstattet.
© Warner Bros. |
Wir sind gespannt, wohin der nächste MAD MAX führen wird,
der bereits in Planung ist, und ob es ihm gelingt, neben einer packenden Actionkakophonie auch eine
spannende, mitreißende und clevere Handlung zu präsentieren. Wünschen würden
wir es uns. Und bis dahin – genießen wir den Spaß und den Rausch, den FURY ROAD
bietet.
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