Du erschaffst dir einen
Käfig, basierend auf der Wahrheit und deinem Sinn für die Facetten
des Charakters, die die Geschichte erzählen. Wenn du deinen Job gut
machst, was ich zu verschiedenen Zeiten meines Lebens mit wechselndem
Erfolg geschafft habe, kannst du dich innerhalb dieses Käfigs
ziemlich frei bewegen.
Biancas Blick:
Sean Penn ist Schauspieler,
Drehbuchautor, Regisseur – und nicht zuletzt politischer Aktivist,
ein Kritiker des amerikanischen Systems, der Starmaschinerie
Hollywoods und der Glorifizierung ihrer Berühmtheiten und
Filmemacher.
Der vielseitige Mime, vielleicht einer der vielseitigsten überhaupt, sagt, was er
denkt, handelt kompromisslos und geht seinen künstlerischen Weg seit
nunmehr 33 Jahren fernab ausgetretener Pfade.
Sein Schaffen ist vielschichtig und
sensibel, geachtet, bewundert und vielfach ausgezeichnet. Sein Spiel
veränderte sich stetig, wurde nuancierter und machte ihm zu einem
der besten Schauspieler weltweit.
Wer ist „Sean De Niro“?
Geboren wird Sean Penn 1960 in
Kalifornien, ein Bundesstaat der USA, den er heute äußerst
kritisch betrachtet. Sein Zitat über Kalifornien
beschreibt Penns Charakter ziemlich gut, denn Schönfärberei gibt es
bei ihm nicht: „Ich wuchs in einem Land auf, welches an einer auf
Furcht basierten Religion Gefallen findet, an einer korrupten
Regierung und an einer komplett weißen Bevölkerung, die auf
gestohlenem Land lebt, für welches sie gemordet haben, und das sie
von Generation zu Generation weiterreichen.“
Sein Vater, Leo Penn, ist Schauspieler
und Regisseur, so dass Seans Weg früh vorgeschrieben scheint. Seine
Großeltern väterlicherseits sind jüdische und russische
Emigranten, geflohen aus ihren Heimatländern, ein Umstand, der Penns
politische Sicht möglicherweise beeinflusst hat, mütterlicherseits
fließt irisches und italienisches Blut in Penns Adern.
Sein Bruder Chris Penn wird ebenfalls
Schauspieler, wenn auch eher ein Star der zweiten Reihe (etwa in
RESERVOIR DOGS), der höchstens in B-Movies weiter nach vorne rückt.
Mit ihm verbindet Sean ein inniges Verhältnis, Chris stirbt jedoch
2006 an einer Herzgefäßvergrößerung. (Der Drogen nicht abgeneigte
Chris Penn nahm in den 90ern enorm an Gewicht zu, eine möglicherweise
tödliche Kombination.)
Sean Penns Begründung Schauspieler zu
werden beschränkt sich auf einen Satz: „Ich bin wegen Robert de
Niro Schauspieler geworden.“
Quelle: DVD "Wir sind keine Engel" © Paramount Home Entertainment |
Sein Debüt am Theater gibt er in dem
Stück "Heartland", wofür er großen Zuspruch und gute Kritiken
erntet. Hollywood wird aufmerksam und ermöglicht dem 20-jährigen
Penn sein Filmdebüt in DIE KADETTEN VON BUNKER HILL an der Seite des
damals noch unbekannten Tom Cruise und des gerade frisch
oscarprämierten Timothy Hutton.
Der Film, der die Idealisierung des
Miltärs durchaus kritisch betrachtet, wird ein großer Erfolg, die
Kritiken überschlagen sich ob der grandiosen Schauspielleistungen
von Hutton, Cruise und vor allem Sean Penn.
In diesem ersten großen Kinofilm wird
eines über Sean Penn bereits sehr deutlich: Er bereitet sich
akribisch auf seine Rollen vor, und zwar so detailliert, dass er ab
1981 den Spitznamen „Sean De Niro“ erhält, in Anlehnung an
Robert De Niro, der für seine Akribie in der Rollenarbeit bereits
Berühmtheit erlangt hat.
Quelle: DVD "Die Kadetten von Bunker Hill" © Twentieth Century Fox |
Der „Bad Boy“ vom Dienst
Mit der Kultkomödie FAST TIMES AT
RIDGEMONT HIGH (der Klassiker, immerhin Amy Heckerlings (Regie) und
Cameron Crowes (Romanvorlage, Drehbuch) Einstieg in die Filmwelt,
wird mit dem zeitgenössischen Verleihtitel ICH GLAUB' ICH STEH' IM
WALD abgestraft) bedient Penn das jugendliche Publikum, das zu Beginn
der 80er Jahre derartige Teenie-Dramödien verschlingt. Durch
Klassiker wie BREAKFAST CLUB, ST. ELMOS FIRE und FAST TIMES AT
RIDGEMONT HIGH entsteht ein jährliches Ritual von High-School
Filmen, das einer ganzen Horde von Jungstars den Weg ebnet.
(Besonders Amy Heckerling und Cameron Crowe schaffen es, das Genre
bis in die frühen 2000er weiter zu bedienen und wenigstens drei
Generationen von Teenagern aus dem Herzen zu sprechen.)
Nach einem Auftritt als Soldat und Pennäler dreht Penn 1982 mit BAD BOYS den Film, der sein Image in den nächsten Jahren festlegen soll, der ihn aber ebenso an die Spitze der „Jungstars“ spült. Das harte Knastdrama besticht durch Penns nuanciertes Spiel und ist heute längst ein Klassiker seines Genres.
In jener Zeit lernt er die „Queen of Pop“ kennen und lieben: Madonna. Sie heiraten 1985, und lodern in einer stürmischen und kurzen Ehe. Penns schlechtes Verhältnis zur Presse und den Paparazzi festigt sich in jenen Jahren und lässt ihn ein ums andere Mal ausrasten und die Nerven verlieren – ein gefundenes Fressen für die Presse, die ihren Fotografen-prügelnden „Bad Boy“ feiert und für Jahre am Leben hält.
Nach einem Auftritt als Soldat und Pennäler dreht Penn 1982 mit BAD BOYS den Film, der sein Image in den nächsten Jahren festlegen soll, der ihn aber ebenso an die Spitze der „Jungstars“ spült. Das harte Knastdrama besticht durch Penns nuanciertes Spiel und ist heute längst ein Klassiker seines Genres.
In jener Zeit lernt er die „Queen of Pop“ kennen und lieben: Madonna. Sie heiraten 1985, und lodern in einer stürmischen und kurzen Ehe. Penns schlechtes Verhältnis zur Presse und den Paparazzi festigt sich in jenen Jahren und lässt ihn ein ums andere Mal ausrasten und die Nerven verlieren – ein gefundenes Fressen für die Presse, die ihren Fotografen-prügelnden „Bad Boy“ feiert und für Jahre am Leben hält.
Heute sagt Penn über seine Ehe mit
Madonna: “Sie war auf dem Weg, der größte Star der Welt zu
werden. Und ich wollte einfach nur meine Filme machen und mich
verstecken. Mich verfolgten eine Menge innerer Dämonen und ich
wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mit ihnen umzugehen. Ich hab mich
weitaus schlechter benommen als sie, also kann ich heute nicht mit
dem Finger auf sie zeigen und ihr die Schuld geben.“
Quelle: DVD "Ich glaub' ich steh' im Wald" © Sony Pictures Home Entertainment |
Als der Erfolg vorüberzieht ...
1986 folgt ein Kino-Experiment, das
grandios scheitert: Die Zusammenarbeit zwischen Penn und Madonna soll
der Sängerin helfen, ihrer stockende Filmkarriere auf die Sprünge zu
helfen. Der Film floppt komplett und gilt als einer der wenigen
„Schandflecken“ in Penns Laufbahn.
Die britische Abenteuer-Komödie spielt
einen Bruchteil des Budgets ein und wird fünf Mal für die Goldene
Himbeere nominiert – selbst Sean Penn, der sich gerade zuvor als
Charakterschauspieler empfohlen hat, erntet eine Nominierung.
Noch im selben Jahr dreht Penn außerdem
den Vater-Sohn Thriller AUF KURZE DISTANZ (für den er den Track
"Live To Tell" seiner Frau Madonna in den Score hievt, der prompt auf Platz 1 der
Charts landet). Hier kommt es beinahe zu einer Zusammenarbeit mit
seinem Idol, denn eigentlich soll Robert De Niro die Rolle von Penns
Vater spielen, der lehnt das Angebot jedoch ab, da ihm die Figur zu
düster scheint.
Stattdessen übernimmt Christopher
Walken den Part und wird aufs unangenehmste mit Penns Leidenschaft
fürs Method Acting konfrontiert: Christopher Walken ist, nicht
zuletzt dank seiner Rolle in DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN, geradezu
neurotisch sicherheitssüchtig, wenn er mit Schusswaffen arbeitet.
Wann immer er mit einer Waffe hantiert, überprüft er sie direkt vor
der Szene selbst noch einmal und gibt sie anschließend nicht mehr
aus der Hand. Als für AUF KURZE DISTANZ die Szene ansteht, in der
Sean Penn ihm eine Waffe an den Kopf hält und ihn bedroht, hält er
es ebenso: er überprüft direkt vor Drehstart der Szene die Waffe
und überreicht sie ruhigen Gewissens seinem Partner Penn. Bevor der
Regisseur die Aufnahme starten kann, rennt Penn jedoch hinter die
Kulissen, ruft: „Gib mir die andere Pistole“, und dreht die
Einstellung damit. Walkens zutiefst verängstigter Gesichtsausdruck
im Film ist nicht einmal gespielt.
Quelle: DVD "Auf kurze Distanz" © Twentieth Century Fox |
Regisseur Dennis Hopper verhilft Penn
mit dessen Besetzung in COLORS – FARBEN DER GEWALT zu einem kleinen
schauspielerischen Comeback nach dem Flop von SHANGHAI SURPRISE und
seinen Ausrastern. An der Seite von Robert Duvall spielt er einen
jungen Polizisten, der mit den Gangs von Los Angeles nichts
anzufangen weiß und diese mit Gewalt und Willkür zur Räson zu
bringen versucht. Erst durch Duvalls Figur lernt er, dass manchmal
eher Ruhe zum Erfolg führt als ein Vorgehen als Heißsporn – welch passender Film
in diesen wilden Jahren des Sean Penn.
In jener Zeit, in der auch der
„Gangster-Rap“ aus Compton zur neuen Macht am Plattenhimmel wird,
sind die blutigen Bandenkriege in East L.A., die „Crips“ und die
„Bloods“, fast täglich in den Nachrichten und weltweit aktuelles
Thema. Hoppers Film ist also brandaktuell, und ihm stehen reale
Bandenmitglieder beratend zur Seite um Fragen zur Herangehensweise zu
klären. Zwei von ihnen werden noch während des Drehs erschossen.
Zwar dreht Penn 1989 den mit großem
Budget versehenen DIE VERDAMMTEN DES KRIEGES, das als Starvehikel und
Imagewandel für Michael J. Fox gedacht ist, der ins ernste Fach
wechseln möchte, Penn kann aber noch nicht an seine erfolgreichen
Zeiten anknüpfen. Der Film, der, wie auch der wesentlich bessere, im
selben Jahr gedrehte GEBOREN AM 4. JULI, die Aufarbeitung des
Vietnamkriegs thematisiert, wird kein Erfolg und gilt heute als einer
der schwächeren Vietnam-Filme.
Aufstieg in den Olymp
Ebenfalls 1989 kommt es endlich zur
Zusammenarbeit mit seinem großen Idol Robert De Niro, der sich in
WIR SIND KEINE ENGEL als Komödiant versucht. Der Film floppt
finanziell, doch beide Hauptdarsteller agieren mit solcher
Spielfreude, dass einfach Spaß bringt, ihnen zuzuschauen.
Mit CARLITO’S WAY gelingt Penn 1993,
nach acht Jahren und mit Minipli, endlich wieder die Rückkehr auf
die Erfolgsspur. Zwar spielt Charakterschauspieler Al Pacino die
Titelrolle, doch Sean Penn als problematischer Anwalt Kleinfeld
stiehlt ihm komplett die Show und wird zurecht Golden Globe nominiert
– schon für die Frisur. Das Duell der beiden Figuren gehört bis
heute zu den besten Konfrontationen, die das Gangster-Genre
hervorgebracht hat.
Quelle: DVD "Carlito's Way" © Universal Pictures Germany GmbH |
Ein gelungenes Plädoyer für ein
Verständnis beider Seiten – der Opfer, aber auch der Täter.
Beide Darsteller werden oscarnominiert,
Susan Sarandon erhält die Trophäe.
Penn bleibt der Oscarverleihung jedoch
fern, denn nach all seinen Jahren in der Hollywoodmaschinerie
hat er gelernt, die
Academy zu verachten: „Das Grauen der Oscars liegt in dem, was
die Presse in den Monaten zuvor veranstaltet, um daraus eine
erfolgreiche Fernsehsendung zu machen. Wenn sie es allen Ernstes wie
einen Wettkampf im Armdrücken zwischen zwei Schauspielern wirken
lassen. Das wird wirklich armselig und macht es beschämend, es mit
einer Annahme der Einladung zu dieser Party noch zu würdigen.”
Erst Clint
Eastwood kann seinen Freund Penn 2004 zu einer Teilnahme
überreden, als sein Film MYSTIC RIVER und Sean Penn selbst nominiert
sind.
Zwischen Independent und Regie
Bereits 1991 erfüllt Sean Penn sich
seinen Wunsch, einmal selbst Regie zu führen.
Mit INDIAN RUNNER inszeniert er nach
eigenem Drehbuch einen kleinen Film um zwei ungleiche Brüder und
führt Viggo Mortensen und David Morse zu schauspielerischen
Höchstleistungen. Für sein Regiedebüt wird Penn in Locarno
ausgezeichnet.
Vier Jahre später versucht er sich
erneut an einem Film. In CROSSING GUARD, einem Rache-Drama, zu dem
Penn erneut das Drehbuch selbst schreibt, agieren Anjelica Huston,
Jack Nicholson und erneut David Morse mit Bestleistungen. Die
Kritiker und auch das Publikum hingegen nehmen den Film gemischt auf.
Quelle: DVD "Dead Man Walking" © Twentieth Century Fox |
Allmählich entdeckt Penn seine
Vorliebe für „schräge“ und außergewöhnliche Charaktere, die
er vortrefflich mit Leben zu füllen weiß, und mit denen er den
Zuschauer immer wieder staunend im Kinosessel Zeuge seines Spiels
werden lässt. Einen festen Typ, wiedererkennbare Manierismen oder
andere Markenzeichen sind - bis auf seine Stimme - bei ihm kaum auszumachen.
Die Regisseure reißen sich um Penn und
ab 1997 wird er einer der meistbeschäftigsten Schauspieler seiner Zeit. U-TURN, THE GAME, HURLYBURLY, DER SCHMALE GRAT, BEING JOHN
MALKOVICH, SWEET AND LOWDOWN (Oscarnominierung) und ICH BIN SAM
(Oscarnominierung – und eine tröstende Erwähnung in TROPIC
THUNDER: „Never go full retard!“), um nur einige seiner
prägnantesten Rollen zu nennen. 2001 reiht er sich sogar in eine breite Riege von populären Gaststars ein, als er in zwei Folgen der Erfolgs-Sitcom FRIENDS mitspielt.
Ebenfalls 2001 inszeniert er mit DAS VERSPRECHEN
die gleichnamige Dürrenmatt-Novelle für das US-Kino, hält sich
aber an das konsequente Ende der Vorlage und des bereits 1958
verfassten Drehbuchs Dürrenmatts (im Gegensatz zur deutsch-schweizerischen Verfilmung von 1958 mit Heinz Rühmann und
Gert Fröbe in den Hauptrollen).
Wieder spielt Jack Nicholson die
Hauptrolle, diesmal an der Seite von Robin Wright-Penn, und brilliert
in der Figur des fanatischen Inspektors auf der Suche nach einem
Kindermörder. Der Film wird von den Kritikern hochgelobt und Sean
Penn wird in Cannes als Bester Regisseur nominiert. Ein
Publikumsrenner wird das düstere Werk jedoch nicht.
Penn hat, auch als Regisseur, seine
Nische gefunden. Er liebt Außenseiter-Dramen, Menschen, oft am Rande
der Gesellschaft, die sich entscheiden und die Konsequenzen ihres
Handelns ertragen müssen. Seine Filme sind nie „leichte“ Kost,
simple Unterhaltung oder pure Zerstreuung. Penn sträubt sich, es dem
Zuschauer emotional oder moralisch leicht zu machen. Das gilt zwar
auch für den Schauspieler Penn, aber mehr noch für den Regisseur.
Auf dem Zenit und kein bisschen angepasst
2003 folgt eines der bis heute besten
Dramen, das je die Leinwand erblickt. Clint Eastwood verfilmt David
Lehanes gleichnamigen Roman MYSTIC RIVER und dreht ein Racheepos,
das durch die entstehenden Konflikte, aber besonders durch die
grandiosen Leistungen der Schauspieler, nachhaltig im Gedächtnis
haften bleibt.
Sean Penns Figur eines rachedurstigen
Vaters geht neben Tim Robbins' Figur am meisten unter die Haut und
Penn wird zu Recht zum vierten Mal oscarnominiert und nimmt die
Trophäe diesmal, dank Eastwood, persönlich
entgegen.
Erneut kritisch in den Schlagzeilen
landet Penn , als er 2002 seinen
Beitrag für den Episodenfilm 11'09"01 – SEPTEMBER 11
präsentiert. Anders als die anderen Beiträge aus aller Welt klagt
er, ausgerechnet in seinem USA-Beitrag, die Anschläge nicht an,
zeigt keine gebrochenen Opfer der Anschläge, sondern widmet sich der
Hoffnung. Er inszeniert Ernest Borgnine als verwitweten Rentner, der, nach dem Zusammensturz der Türme, endlich wieder Licht in seiner
Wohnung erhält und dadurch neuen Lebensmut findet, wie auch die bis
dahin immer weiter welkende Blume seiner verstorbenen Frau. Das, sowie seine wiederholte und lautstarke Ablehnung der Kriege im Irak und
Afghanistan nimmt man ihm übel. Es kommt zum Eklat.
Penn sagt einen geplanten Film ab, der
ihm nach den Geschehnissen des 11. Septembers nicht mehr relevant
genug erscheint. „Ich wollte mir eine Atempause nehmen und
versuchen zu verstehen, worin unsere neue Verpflichtung besteht."
Quelle: DVD "Cheyenne - This must be the Place" © Euro Video Medien GmbH |
Ferner fügt er hinzu:
"Die Ereignisse dieses Tages, so
tragisch sie auch waren, schienen in überwältigendem Maße von den
Medien vereinnahmt worden zu sein. Und irgendwo in jedem von uns,
denke ich, ruht nicht nur die Anerkennung der Verluste und der
Bedeutung dieser furchtbaren Geschehnisse, sondern auch die Mutter,
die an diesem Tag ihren Sohn an einen betrunkenen Autofahrer verloren
hat, an eine Überdosis, eine Tochter durch einen Mord, einen Vater
an eine Krankheit.”
Sean Penn tritt in den folgenden Jahren
in 21 GRAMM, DIE DOLMETSCHRIN, TREE OF LIFE und DAS ERSTAUNLICHE
LEBEN DES WALTER MITTY auf.
Mit seiner Darstellung des
ersten amerikanischen Politikers, der als offen schwul lebender Mann
in ein öffentliches Amt gewählt wird, gewinnt er in MILK 2009 seinen
zweiten Oscar. Erneut holt er sich, diesmal unter Standing Ovations,
den Preis ab – die Laudatio hält sein Freund Robert De Niro. Penn
lässt sich die Chance nicht nehmen, in
seiner Dankesrede die seinerzeit brennend heiße Debatte um das
Verbot der Ehe für Alle zu kommentieren (Vor dem Oscar-Festsaal
haben sich damals unzählige Demonstranten gegen die
Gleichberechtigung Homosexueller versammelt) und für mehr
Menschenrechte zu werben.
In CHEYENNE – THIS MUST BE THE PLACE
porträtiert Penn in einer seiner berührendsten und besten
Leistungen überhaupt einen abgehalfterten und eigenbrötlerischen
Ex-Gothic-Punker auf der Suche nach sich selbst und seiner Herkunft und
setzt sich ein weiteres Denkmal.
Seine bisher letzte Regiearbeit legt er
2007 mit dem bewegenden INTO THE WILD ab. Das Aussteiger- und
Selbstfindungsdrama wartet mit einem großartigen Emile Hirsch und
einem einzigartigen Soundtrack auf, den Penns Freund Eddie Vedder
eigens für den Film komponiert. Episch, ruhig und konsequent
zeichnet der Film den Wunsch Christopher McCandless' nach, der aller
weltlichen Güter entsagt, um in Alaska Ruhe vor der Zivilisation zu
finden.
Die Süddeutsche Zeitung findet für
dieses Drama passende Worte:
„Erst im Finale wird plötzlich klar,
dass man einer Täuschung aufgesessen ist. Die Natur ist gar nicht
das Thema des Films, sie ist hier weder bedroht noch bedrohlich, und
in dem Kampf, der verhandelt wird, bleibt sie im Grunde neutral.
Nein, es geht um die Liebe. […] Und Sean Penn, der vielleicht
denselben Weg geht, nur schon ein paar Jahre länger, hat eine
Botschaft für diesen jungen Mann: Irgendwann kommt jeder dort an –
nur für die Rückkehr kann es dann zu spät sein.“
Das soziale Gewissen
Privat bleibt Penn stets unangepasst,
alle seine Ehen und Beziehungen scheitern. Seine engen Freundschaften in der Kunstwelt, die von Robert De Niro über Eddie Vedder, Madonna, Charlie Sheen, Mickey Rourke und David Byrne bis zu Charles Bukowski (für den Penn als Sargträger fungiert) reichen, zeigen, wie eng er seinen Beruf mit seinem Privatleben verwebt. Er ist stets ein Künstler,
der sich äußert und positioniert. Der etwas bewegen will: privat,
als Darsteller und Regisseur. Er spricht sich deutlich gegen den
dritten Golfkrieg und das Bush-Regime aus, unterstützt Kampagnen
gegen die Wal-, Hai- und Robbenjagd, kämpft immer wieder und überall
für die Unterdrückten, die Gleichberechtigung, das Recht jedes
Menschen auf ein Leben in Frieden und Selbstbestimmung.
Quelle: Blu Ray "The Gunman" © STUDIOCANAL |
Und er bleibt bis heute ambivalent. So
ist es um den Darsteller Sean Penn, mittlerweile 55, etwas ruhiger
geworden. 2015 überrascht er erneut, indem er sich neu erfindet: Er
spielt im Actionfilm THE GUNMAN, bei dem er auch am Drehbuch
mitwirkt, den richtig harten Hund. Die Kritiken sind gemischt, zu
fremd ist ihnen der „neue“ Penn, der hier statt „auf
Intellekt und Intensität auf Masse und Muskeln“ setzt. Der
Film floppt zudem an den Kinokassen.
Als Regisseur jedoch bleibt er sich treu: Im Augenblick beendet er die Arbeiten an seinem neuen Film THE LAST FACE. Die Geschichte: Die Leiterin einer internationalen Hilfseinrichtung und ein mit Hilfsgütern betreuter Arzt finden sich in Afrika in einem Hexenkessel aus Humanitärer Katastrophe und Bürgerkrieg wieder.
Wie bei wenigen Stars Hollywoods lässt
sich das Wesen Sean Penns an den Filmen ablesen, die er dreht, an den
Figuren, die er spielt, und an der Leidenschaft, mit der er sie immer
wieder füllt, um sich in seinem Käfig auszutoben.
Quelle: Blu Ray "Das Erstaunliche Leben des Walter Mitty" © Twentieth Century Fox |
Willkommen zurück aus der Sommerpause - und dann gleich wieder mit einem interessanten Portrait.
AntwortenLöschenOftmals hat man das Gefühl, dass Penn nicht ganz in die Top-Riege vorstoßen konnte - dabei hat er in so vielen tollen Filmen mitgespielt: Dead Man Walking, Carilto's Way, der schmale Grat, Mystic River und, und, und. Da dürfen gerne noch ein paar Filme folgen - auch als Regisseur: Into The Wild hat mich damals völlig gefangenen genommen!