27.02.16

Oscars 2016 - Wer wird gewinnen, wer soll gewinnen?

So, das Oscarfieber steigt, und wir sind mittendrin. Hasst oder liebt uns dafür, aber dieses Jahr wird es, trotz aller Favoriten, ein spannendes Jahr, das einige potentielle Überraschungen oder Kopf an Kopf Rennen mit sich bringt.
Grund für uns, zu schauen, wer unserer Ansicht nach den Goldjungen mit nach Hause nimmt, und wer ihn, vielleicht davon abweichend, verdient hat!
© 2016 Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Die 88. Academy Awards bergen einigen Sprengstoff. Die #OscarsSoWhite Beschwerden gehen in die zweite Runde. Nur führt diesmal nicht Neil Patrick Harris als Host durch die Show, sondern Chris Rock. Und der hat eine spitze Zunge, wenn es um Rassismus in Hollywood geht, wie er zuletzt 2012 bei der Ankündigung zum besten Animationsfilm bewies, wo er mit Bezug auf seine Rolle in MADAGASCAR und Eddie Murphys Rolle in SHREK so schön feststellte: „In der Welt der Animationsfilme kann man alles sein, was man will. Bist du eine fette Frau, kannst du eine schlanke Prinzessin spielen. Bist du ein kleiner Schwächling, kannst du einen riesenhaften Gladiator spielen. Wenn du ein Weißer bist, kannst du ein arabischer Prinz sein. Und wenn du ein Schwarzer bist, kannst du einen Esel oder ein Zebra spielen.“

Bereits 2005 gab Chris Rock als Host den Oscars jede Menge frisches Blut, nachdem die Show zuletzt über eine Dekade lang abwechselnd von Whoopie Goldberg, Billy Crystal und Steve Martin präsentiert worden war und die Zuschauer immer weiter schwanden. Rock sorgte bereits im Vorfeld für einige Skandale, etwa, indem er kurz nach seiner Ernennung zum Host den Oscar heftig kritisierte: „Der Humor kommt viel zu kurz und es sind nicht besonders viele Schwarze beteiligt. Wieso sollte ich das also gucken? Wegen der Kleider? Ehrlich, kein heterosexueller Mann, der nicht in der Unterhaltungsbranche arbeitet, guckt die Oscars. Kein einziger.“
Am Ende präsentierten sich die Oscars von 2005 unter Rocks Leitung als die bislang letzte wirklich sehenswerte Show. Wir haben also jede Menge Hoffnung, dass Rock, der sein Konzept nach der Bekanntgabe der überwiegend weißen Nominierten noch einmal umgeschrieben hat, auch dieses Jahr den Pfeffer ins Kodak Theater bringt, den die Show so dringend nötig hat.

Anders als die letzten beiden Jahre, wo in nahezu jeder Kategorie ein haushoher Favorit feststand, der auch beinahe ausnahmslos abgeräumt hat, zeigt sich die Nominiertenliste dieses Jahr ein wenig spannender. Das liegt vor allem daran, das in den meisten Fällen durchweg herausragende Leistungen nominiert wurden, die allesamt einen Preis verdient hätten. Wir wagen dennoch eine Prognose, und stellen für jede Kategorie unseren Favoriten vor, sowie, wer den Preis unserer Ansicht nach verdient hätte.

Bester Film


Wird gewinnen: THE REVENANT

Soll gewinnen: THE BIG SHORT oder RAUM

Eine unglaublich spannende Liste! BRIDGE OF SPIES, BROOKLYN und THE MARTIAN laufen hier dieses Jahr nur auf der Außenbahn mit und gehören vermutlich noch am wenigsten in die Runde.
Sollte MAD MAX: FURY ROAD den Preis mitnehmen, wäre das eine mittelschwere Sensation, aber es wäre immerhin denkbar.
Die restlichen Filme, THE REVENANT, RAUM, SPOTLIGHT, und THE BIG SHORT liegen jedoch nahezu gleichauf. Jeder der Filme ist auf seine Art ein Meisterwerk, und grundsätzlich ist keiner davon als klarer Favorit auszumachen: THE REVENANT überzeugte bei den Directors Awards, SPOTLIGHT bei den Actors Awards und THE BIG SHORT bei den Producer Awards.
Dennoch war THE REVENANT nicht nur der größte finanzielle Erfolg aus der Reihe, sondern er hat auch bei jedem großen Preis abgeräumt. Aktuell scheint er also der Juryliebling zu sein, auch wenn die Kritiken weniger begeistert waren als bei SPOTLIGHT, THE BIG SHORT oder RAUM. Sollte er gewinnen, wäre er allerdings der erste Beste Film, der im gleichen Jahr nicht mal eine Drehbuchnominierung erhalten hat!
Auch wenn wir THE REVENANT lieben, waren für uns persönlich THE BIG SHORT und RAUM am Ende jedoch die besseren Filme. THE BIG SHORT, weil er die Grenzen des gewohnten Filmemachens gesprengt hat, und RAUM, weil er mit so geringen Mitteln und so viel Cleverness eines der berührendsten emotionalen Erlebnisse des Jahres auf die Leinwand gebracht hat.


Beste Regie


Wird gewinnen: Alejandro G. Inarritu

Soll gewinnen: George Miller

Zusammen mit den Besten Dokumentarfilmen die vielleicht spannendste Kategorie des Jahres. Hier müssen wir beinahe aufs Raten zurückgreifen, denn ehrlich gesagt: Alle fünf Kandidaten haben den Preis verdient. Wir wissen nicht, wann diese Kategorie zuletzt dermaßen ausgeglichen war, dass jeder Nominierte absolut preiswürdig ist.
Inarritu liegt unserer Ansicht nach ein Nasenhärchen weiter vorne, nicht zuletzt, weil er bereits die Preise der Directors Guild und den BAFTA gewonnen hat. Aber wie gesagt: Möglich wäre hier alles.

Wünschen würden wir den Preis jedoch George Miller. Auch wenn wir uns tief vor den Leistungen der anderen drei verneigen, und den Oscar ebenso Adam McKay (THE BIG SHORT), Tom McCarthy (SPOTLIGHT) und Lenny Abrahamson (RAUM) gönnen würden, ist es der Wahnsinn, was George Miller mit siebzig Jahren aus seinem gut vierzig Jahre alten MAD MAX-Franchise noch herausgeholt hat. In diesem Alter noch einen so kompromisslosen Genrefilm zu drehen, der voll und ganz den Nerv der Jugend trifft, ist eine Leistung, die einfach gewürdigt werden muss.

Bester Hauptdarsteller


Wird gewinnen: Leonardo DiCaprio

Soll gewinnen: Leonardo DiCaprio

In dieser Kategorie erwartet uns dieses Jahr auf jeden Fall eine Sensation. DiCaprio ist zum ersten Mal in seiner Karriere absoluter Topfavorit. 25 Mal wurde er bereits für seine Rolle in THE REVENANT ausgezeichnet, darunter ausnahmslos alle großen Preise: Die SAG-Awards, der BAFTA, der Golden Globe.
Sollte DiCaprio tatsächlich nicht gewinnen, wäre das ebenfalls eine kleine Sensation und würde vermutlich für einen öffentlichen Aufschrei der Academy gegenüber führen.
Hinzu kommt, dass die Konkurrenz dieses Jahr eher schwach ist. Matt Damon, Eddie Redmayne und Michael Fassbender waren allesamt solide, kamen aber nicht an die Leistung ihrer beiden Konkurrenten heran. DiCaprios Hauptrivale ist nämlich Bryan Cranston für seine Darstellung des herrlich verschrobenen Autors Dalton Trumbo in TRUMBO. Cranston hat ohne jeden Zweifel einen Oscar verdient, und wir könnten mit der Entscheidung leben. Dennoch wünschen wir DiCaprio den Preis.
Auch wenn viele Kritiker die Meinung vertreten, er habe schon bessere Rollen gespielt und sei dafür leer ausgegangen, oder bemängeln, dass mit einer Würdigung DiCaprios nur wieder der Schauspieler gewinnt, der für seine Rolle körperlich am meisten gelitten hat, sehen wir das anders.
© Twentieth Century Fox
DiCaprio gibt selbst an, ihn habe an THE REVENANT gereizt, dass er kaum Dialog habe, und das macht seine Leistung so enorm. Er trägt einen zweieinhalbstündigen Film, mit knapp zehn Dialogzeilen, die meiste Zeit ohne Anspielpartner, und ganz und gar allein, und lässt einen als Zuschauer durchgängig mitleiden, packt und fesselt einen, mit nichts als purem körperlichem Spiel. Das mag nicht so plakativ sein, wie etwa seine Darstellung in THE WOLF OF WALL STREET, doch für uns bleibt es tatsächlich und auch außerhalb der harschen Drehbedingungen die beste Leistung des Jahres.

Beste Hauptdarstellerin


Wird gewinnen: Brie Larson

Soll gewinnen: Brie Larson

Ein bisschen landen wir hier wieder in der Kritik, der DiCaprio sich ausgesetzt sieht. So hat Brie Larson sich vor den Dreharbeiten zu RAUM sechs Monate nicht der Sonne ausgesetzt, um einen entsprechend blassen Teint für den Film zu haben.
Auch Larson geht als klare Favoritin ins Rennen. Wie DiCaprio hat sie bisher alle großen Preise abgeräumt: SAG-Awards, Golden Globe, BAFTA, und unzählige andere.
Auch hier ist die Konkurrenz eher schwächelnd. Jennifer Lawrence als Mop-Erfinderin in JOY wurde wohl nur aus Gewohnheit nominiert, Cate Blanchett in CAROL vielleicht ebenso. Saoirse Ronan liefert in BROOKLYN eine wunderbare Darstellung ab, bleibt aber hinter den beiden Favoritinnen zurück.
© Universal Pictures Germany GmbH

Denn neben Brie Larson konnte nur noch Charlotte Rampling wirklich überzeugen. Der Altstar ist ebenfalls längst überfällig für einen Oscar, und dies ist ihre erste Nominierung. Sie könnte als Überraschungssiegerin aus dem Rennen gehen, und hätte den Preis ganz klar verdient.
Dennoch hat uns Brie Larson in RAUM einfach noch mehr begeistert. Die Figur muss unglaublich schwer zu spielen gewesen sein, was auch deutlich wird, wenn Larson erklärt, wie viel Mühe und Leid ihr die Vorbereitung eingebracht hat, und das Ergebnis ist einfach herzzerreißend. Für uns die klare Favoritin, die für ein echtes Meisterwerk den Oscar verdient hat.

Bester Nebendarsteller


Wird gewinnen: Sylvester Stallone

Soll gewinnen: Sylvester Stallone

Der erste Skandal dieser Kategorie ist, dass Jacob Tremblay nicht einmal nominiert ist. Für uns war die schauspielerische Leistung des mittlerweile Zehnjährigen in RAUM nämlich die eigentlich beste des Jahres, und der junge Tremblay konnte auch bereits eine Menge Nominierungen und Preise dafür abräumen.
Aber er ist nun einmal nicht dabei, also müssen wir mit dem leben, was wir haben, und da gibt es für uns dieses Jahr kein Vorbeikommen an Sylvester Stallone.
Auch wenn es viel Kritik gibt, er spiele seit vierzig Jahren dieselbe Rolle, ändert das nichts daran, dass er sie in CREED einfach dermaßen sensationell gut spielt, dass es uns ebenfalls das Herz zerrissen hat. Rocky Balboa bleibt Stallones Paraderolle. Für viele junge Filmfans mag die Vorstellung, dass Stallone einen Oscar verdient, absurd sein, doch schon für seinen Durchbruch, ROCKY von 1977, war er zwei Mal nominiert. Trotz all des Mülls, den er in der Zwischenzeit abgeliefert hat, der immer wieder auch von wenigen Highlights gesprenkelt wurde (etwa COPLAND) beweist er in weiten Abständen immer wieder, dass irgendwo in diesem Action-Altstar ein irre guter Schauspieler steckt. Zumindest, wenn es um den Italian Stallion geht.
© Warner Bros. Pictures
Es ist zwar ironisch, dass der einzige Weiße in einem schwarzen Film wie CREED Chancen auf einen Oscar hat, doch tatsächlich fanden wir die restlichen Leistungen im Film nicht überragend.
Viel Konkurrenz hat Stallone ebenfalls nicht. Christian Bale ist toll in THE BIG SHORT, reicht aber an Stallones Leistung nicht ran. Ein kleiner Überraschungssieg wäre bei Mark Rylance möglich, der für seine Rolle in BRIDGE OF SPIES bereits etliche Preise gewonnen hat. Mark Ruffalo und Tom Hardy sehen wir trotz guter Leistungen leider viel zu weit außen auf dem Gelände, um wirklich etwas zu bewegen.

Beste Nebendarstellerin


Wird gewinnen: Alicia Vikander oder Kate Winslet

Soll gewinnen: Jennifer Jason Leigh

Eine weitere spannende Kategorie. Top Favoritin ist Alicia Vikander für ihr sensationelles Spiel in THE DANISH GIRL, und Himmel, wir sind voll dafür! Für uns war das mit Abstand die beste Leistung, die wir dieses Jahr gesehen haben, und bei allen Schwächen, die THE DANISH GIRL hatte, hat Vikander ihn nahezu im Alleingang zu unserem Top-Film 2015 gemacht. Schon direkt nach dem Kinobesuch im Oktober hatten wir den Wunsch, dass Vikander doch dafür bitte den Oscar mitnehmen soll, und so freut es uns, dass sie aktuell als Favoritin ins Rennen geht.
Für sie spricht auch, dass sie letztes Jahr viel Staub in Hollywood aufgewirbelt hat, mit gleich mehreren guten Rollen (etwa in EX_MACHINA), und dass ihre Rolle im Grunde die Hauptrolle war, und mit Abstand die bewegendste des ganzen Kinojahres. Die Academy wird vermutlich all das belohnen wollen, zumal es voraussichtlich der einzige Oscar für THE DANISH GIRL bleiben wird.
Kleines statistisches Funfact: Vikander konnte den Critics Choice Award und den SAG-Award für ihre Rolle einstreichen. Bis auf eine Ausnahme (Kathy Bates in MIT ALLER MACHT) hat bisher jede Schauspielerin, die diese beiden Preise bekam, auch den Oscar mitgenommen.
© Universal Pictures
Kate Winslet gilt jedoch als beinahe ebenbürtige Mitfavoritin. Verständlich, immerhin konnte sie für ihre Rolle in STEVE JOBS den BAFTA und den Golden Globe einheimsen. Auch sie liefert eine sagenhafte Show in STEVE JOBS ab, und hat es dabei deutlich schwerer, sich durchzusetzen. Mit 40 Jahren ist sie zudem beinahe die „alte Dame“ in dieser Kategorie, was ihr unter Umständen ebenfalls einen kleinen Sympathiebonus zutragen kann.
Die restlichen Nominierten haben kaum Chancen: Rooney Mara bleibt in CAROL zu blass und Rachel McAdams konnte mit SPOTLIGHT der Award Season nicht ihren Stempel aufdrücken.
Für uns ein kleiner Wunschkandidat ist Jennifer Jason Leigh. Zum einen liefert sie eine hervorragende Leistung in THE HATEFUL EIGHT ab, die uns erst beim zweiten Mal richtig ins Auge fiel, weil der Film sie in den Hintergrund stellt, zum anderen ist sie ebenfalls längst überfällig für den Preis. Ihre Verdienste als Charakterdarstellerin sind nicht zu zählen, und wir würden ihr den Oscar von Herzen wünschen. Die Chancen stehen dieses Jahr jedoch denkbar schlecht.

Bester abendfüllender Dokumentarfilm


Wird gewinnen: AMY 

Soll gewinnen: AMY oder WHAT HAPPENED, MISS SIMONE?

Eine sagenhaft starke Kategorie. Neben der Regie vielleicht die stärkste des Jahres. Jeder Film auf der Liste hätte den Preis verdient. Erneut eine Kategorie, die keine Verlierer kennt, und bei der wir mit jedem Gewinner leben können.
WINTER ON FIRE: UKRAINE'S FIGHT FOR FREEDOM hat es vermutlich noch am schwersten, und auch THE LOOK OF SILENCE scheint uns zu sperrig zu sein. CARTEL LAND liefert einen packenden Einblick in ein sehr amerikanisches Thema, das die Academy möglicherweise noch begeistern könnte.
Doch spätestens seit 2013 TWENTY FEET FROM STARDOM den Topfavoriten THE ACT OF KILLING ausstechen konnte ist klar: Musikdokus sind und bleiben der Renner bei den Oscars und räumen fast immer ab. Und dieses Jahr gibt es gleich zwei davon.

AMY hat dabei die Nase vorn: Ein junges, talentiertes Mädchen, das sich zu Tode drogt. Verschwendetes Talent ist etwas, das die Academy schnell begeistert. Noch dazu eine Engländerin, so dass es nicht vor der eigenen Haustür geschehen ist.
Ein Sieg für WHAT HAPPENED, MISS SIMONE? würde da mehr Eigenkritik zeigen, denn in dem Porträt der Sängerin und Bürgerrechtlerin kommen die USA nicht gut weg.
Alles in allem ist die Situation ein wenig bedauerlich – vier Dokus, die sich mit Themen beschäftigen, die ein ganzes Land veränderten, und am Ende gewinnt die etwas überlange Geschichte einer Sängerin, die die Finger nicht von den Drogen lassen konnte.
Spannende Kategorie, aber ein wenig nachdenklich lässt sie uns zurück.

Bester Animationsfilm


Wird gewinnen: ALLES STEHT KOPF 

Soll gewinnen: ALLES STEHT KOPF

Die sicherste Kategorie des ganzen Abends! Erst ein einziges Mal hat ein Stop-Motion Film gewonnen, und noch nie ein nicht-englischsprachiger Animationsfilm, und erst ein einziges Mal ging Pixar bei einer Nominierung leer aus. Mittlerweile sitzt so gut wie jeder Pixar-Mitarbeiter in der Academy. Zudem haben Pixar dieses Jahr den besten Film ihrer Karriere vorgelegt.
Quelle: Blu Ray "Alles steht Kopf" © Walt Disney Home Entertainment
Der ebenfalls hervorragende ANOMALISA läuft als kleiner Geheim- oder Wunschfavorit, hat aber maximal Außenseiterchancen.
Für uns geht das aber auch in Ordnung, denn ALLES STEHT KOPF ist und bleibt generell ein Meisterwerk und einer der besten Filme des Jahres, der selbst in der Königsdisziplin eine Nominierung verdient gehabt hätte. Jedenfalls noch eher als THE MARTIAN.

Bester ausländischer Film


Wird gewinnen: SON OF SAUL, evtl. MUSTANG

Soll gewinnen: ???

Schande über uns, wir haben bisher keinen einzigen der hier nominierten Filme gesehen, von daher geben wir keinen persönlichen Liebling an. SON OF SAUL geht als Topfavorit ins Rennen, und hat gefühlt bisher alles abgeräumt, was es abzuräumen gab.
Auf den letzten Metern wurde das ungarische KZ-Drama allerdings von einem französischen Jugendfilm eingeholt. MUSTANG (hier gerade am Donnerstag angelaufen) hat zuletzt jede Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen und könnte den Favoriten unter Umständen auf der Zielgeraden noch überholen.

Beste Kamera


Wird gewinnen: THE REVENANT

Soll gewinnen: THE HATEFUL EIGHT

Eine weitere Kategorie mit Sensationspotential. Sollte Favorit Emanuel Lubezki tatsächlich den Preis einheimsen, wäre er der erste Kameramann, der drei Jahre in Folge den Oscar mitnimmt, zuletzt für GRAVITY und BIRDMAN. Seine Kameraarbeit in THE REVENANT ist makellos und grandios und wird ihm vermutlich den Preis bescheren. Doch genau aus diesem Grunde sind wir ein wenig dagegen.
An Lubezkis Brillanz haben wir uns mittlerweile irgendwie gewöhnt, und so großartig seine Plansequenzen auch sind, sehen wir wenig Weiterentwicklung darin.
© Universum Film GmbH & Co. KG
Für uns hat damit Robert Richardson in THE HATEFUL EIGHT die beste Leistung des Jahres erbracht. Immerhin hat er ein seit fünfzig Jahren totes Kamerasystem wieder zum Leben erweckt und unter denkbar ungünstigen Bedingungen eingesetzt. Noch dazu hat er in Tarantinos Rachewestern wirklich tolle Bilder gezaubert. Für uns der klare Favorit dieses Jahr. Wir sind gespannt, ob die Academy das am Ende ebenso sieht.
Die restlichen Kandidaten, CAROL, MAD MAX: FURY ROAD und SICARIO haben zwar solide bis großartige Arbeit geleistet, und Roger Deakins ist ebenfalls längst überfällig, doch sie alle konnten im Vergleich zu ihren zwei exzentrischen Kollegen keine klare Duftmarke setzen.

Bester Filmschnitt


Wird gewinnen: THE BIG SHORT

Soll gewinnen: MAD MAX: FURY ROAD

Hier gibt es ein spannendes Kopf an Kopf Rennen. Beide Filme leisten Enormes im Schnitt, THE BIG SHORT fällt dabei noch stärker auf, weil der Film durch die Art des Schnitts immer wieder in die Form des Erzählens eingreift, weshalb er als Topfavorit gilt.
Leider haben wir einige üble Anschlussfehler ausgemacht, weshalb wir den zwar etwas simpleren, aber eben auch saubereren Schnitt in MAD MAX: FURY ROAD vorziehen.

Bestes Make Up and Hairstyling


Wird gewinnen: THE REVENANT

Soll gewinnen: THE REVENANT

Die Kategorie ist mit 3 Nominierten ein bisschen kleiner, und niemand spricht wirklich über DER HUNDERTJÄHRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND.
MAD MAX: FURY ROAD liefert tolle Masken, doch uns haben die Wunden, die wilden Frisuren, und das „Eis im Bart“ in THE REVENANT deutlich stärker leiden lassen. Fünf Stunden saß DiCaprio täglich in der Maske, und man sieht es auch. Hier wurde sagenhafte Arbeit geleistet, die für uns den Oscar mehr als verdient hat. Die Chancen stehen aber Fifty/Fifty.

Beste Ausstattung


Wird gewinnen: MAD MAX: FURY ROAD

Soll gewinnen: BRIDGE OF SPIES

Sehr schwere Kategorie. Alle Nominierten waren herausragend. Uns gefiel BRIDGE OF SPIES hier noch am besten, weil die Ausstattung der Hauptgrund dafür war, dass man in den Film hineingezogen wurde. Die Academy wird aber am Ende die fantasievollen Autokreationen aus MAD MAX: FURY ROAD ehren, und auch damit können wir leben.

Beste Filmmusik


Wird gewinnen: Ennio Morricone

Soll gewinnen: Ennio Morricone

Eine sehr frustierende Kategorie. Ennio Morricone hat bislang noch keinen Oscar gewonnen und wird wohl so schnell auch keine Chance mehr bekommen. Damit gilt er als Topfavorit. Die Academy wird ihn ziemlich sicher auszeichnen, und Himmel, es wird auch Zeit, deshalb stehen wir voll dahinter.
© Universum Film GmbH & Co. KG

Frustrierend ist es dennoch, denn ehrlich gesagt: Morricones Soundtrack zu THE HATEFUL EIGHT ist leider ziemlich blass und repetitiv, und beileibe nicht sein bester. Ein typischer Fall von „Richtiger Gewinner, falscher Film“.
Jóhann Jóhannsons Soundtrack von SICARIO war für uns das einzig Gute an dem Film und hätte den Preis vermutlich deutlich mehr verdient. Hier könnte es eine Überraschung geben, und auch John Williams werden geringe Chancen eingeräumt, wir halten die Sache mit Morricone aber für sicher.

Bestes Sound Editing


Wird gewinnen: MAD MAX: FURY ROAD

Soll gewinnen: MAD MAX: FURY ROAD

MAD MAX: FURY ROAD gilt hier als Topfavorit, und irgendwie zu Recht. Der Sound ist Bombe. Ebenfalls Chancen hat STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT, einfach, weil Science Fiction Filme immer beim Sound abräumen.

Bestes Sound Mixing


Wird gewinnen: STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT

Soll gewinnen: STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT

Hier pokern wir ein bisschen. Da MAD MAX: FURY ROAD und STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT relativ gleichauf liegen, könnte die Academy diese beiden ohnehin eng verwandten Preise auf beide Filme aufteilen.
Wir sind aber nicht zu stolz um zuzugeben, dass wir an dieser Stelle zum großen Teil raten.
Übrigens: In beiden Kategorien könnte THE REVENANT den zwei Favoriten die Show stehlen!

Beste visuelle Effekte


Wird gewinnen: STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT

Soll gewinnen: THE REVENANT

Eine weitere, sehr schwere Kategorie. Insgeheim gilt MAD MAX: FURY ROAD als Favorit, obwohl dieser so gut wie keine Spezialeffekte besitzt, und wenn, dann nicht besonders gute. Wir sind der Ansicht, dass in dieser Kategorie nicht das beste Stuntwork ausgezeichnet werden sollte, auch wenn es am Ende vielleicht so kommt.
STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT hat hier vor allem dadurch gute Chancen, dass er der einzige bunte Sci-Fi-Streifen ist, und weil es der wertvollste Award ist, für den er nominiert ist. Die Academy wird hier also vermutlich versuchen, den Film damit zu ehren, zumal STAR WARS hier auch traditionell gewinnt.
© Twentieth Century Fox
Für uns gehört der Preis aber eindeutig THE REVENANT. Nicht nur sind sämtliche Spezialeffekte aller anderen Filme eher Standard als überragend, vor allem sind sie nicht so packend eingebaut wie in THE REVENANT. Außerdem sind sie in THE REVENANT oftmals unsichtbar, was gute Effekte für uns auszeichnet. THE REVENANT hat zu Recht bereits bei den Special Effects Awards ordentlich abgeräumt. Die Bärenszene allein hätte den Preis verdient.
Nein, wir bleiben dabei: THE REVENANT soll diesen Award bekommen, doch alle drei Filme liegen so dicht gleichauf, dass unser Gewinnertipp am Ende eher ein Bauchgefühl ist.

Bestes Kostümdesign


Wird gewinnen: MAD MAX: FURY ROAD

Soll gewinnen: THE REVENANT

Meist gewinnen hier mittlerweile historische, klassische Filme, doch MAD MAX: FURY ROAD und THE REVENANT stechen dieses Jahr einfach zu deutlich hervor. Vermutlich sind die Kostüme in MAD MAX: FURY ROAD einfach schriller, so dass sie die Nase vorn haben. Uns haben sie auch gefallen, die düsteren, dreckigen Pelzklamotten in THE REVENANT haben uns allerdings schlicht und ergreifend noch eine Spur besser gefallen.

Bestes Originaldrehbuch


Wird gewinnen: SPOTLIGHT

Soll gewinnen: ALLES STEHT KOPF

Ebenfalls eine enorm starke Kategorie, bei der STRAIGHT OUTTA COMPTON als Überraschungssieger hervorgehen könnte, doch die besten Chancen hat SPOTLIGHT, der bislang jeden Preis in dieser Kategorie abgeräumt hat. Außerdem wäre das die Chance, Tom McCarthy dafür zu entschädigen, dass er nicht die beste Regie erhält.
Für uns das beste Drehbuch des Jahres war allerdings ALLES STEHT KOPF. Es war clever, frisch, originell und schafft es, ein unvorstellbar komplexes Thema humorvoll und herzerwärmend in einen bunten, cleveren Trickfilm umzusetzen. Ähnliches gilt für EX_MACHINA, aber ALLES STEHT KOPF hat uns einfach mehr Freude bereitet und den Oscar daher unserer Meinung nach mehr als verdient.

Bestes adaptiertes Drehbuch


Wird gewinnen: THE BIG SHORT

Soll gewinnen: THE BIG SHORT oder RAUM

Auch hier gilt, dass die Academy eventuell Lenny Abrahamson oder Adam McKay ein Trostpflaster für den nicht gegebenen Regieoscar zusprechen könnte.
Tatsache ist aber, dass THE BIG SHORT die beste Buchadaption seit – immer ist. Ein Sachbuch derartig frisch, originell, spritzig und grandios umzusetzen, daran darf die Academy nicht vorbeigehen, das muss einfach mit dem Oscar bedacht werden. Es gab dieses Jahr keine bessere Buchadaption.
Ein wenig wünschen würden wir den Oscar allerdings auch RAUM, der ein bezauberndes Drehbuch geschaffen hat, voll schöner Ideen und Figuren, und die Konstellationen des Romans zwar dezent umgestaltet, aber dabei durchaus aufgewertet hat. Für uns ebenfalls eine herausragende Leistung, und sollte THE BIG SHORT wirklich leer ausgehen, darf der Preis nur an RAUM gehen.
©Paramount Pictures
Das waren unsere Oscarprognosen 2016. Ein paar Kategorien haben wir ausgelassen, da wir dort ohnehin nur raten könnten, und das nutzt keinem von uns, richtig? (Wir drücken aber STUTTERER alle Daumen als bester Kurzfilm!)

Falls ihr Favoriten habt, teilt sie gerne mit uns. Ansonsten wünschen wir euch viel Spaß und Vergnügen beim Mitraten und den 88. Academy Awards.Wir hoffen, dass es so spannend wird, wie wir glauben. Am Montag sind wir klüger.

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