Bob hat Feierabend. Er säubert die Bar, schließt ab, und spaziert in einer kalten Winternacht durchs schwach erleuchtete Brooklyn. Ein Abend wie jeder andere für den Barkeeper.
Da hört er aus der Mülltonne, an der er vorbeikommt, ein Geräusch. Winselt dort etwas? Zögerlich hebt er den Deckel - und findet einen Hundewelpen, der neugierig zu ihm aufschaut.
Als er das Tier aufnimmt, beginnt die Reise in die wundersam brutale Welt von Cousin Marv's Drop Bar!
© 2014 Twentieth Century Fox |
Roman, Kurzgeschichte oder doch ein Drehbuch?
Der amerikanische Schriftsteller Dennis Lehane, Filmfreunden
bekannt für seine Romanvorlagen zu SHUTTER ISLAND, MYSTIC RIVER und GONE BABY
GONE, plant zunächst, einen Roman zu schreiben, der „Animal Rescue“ heißen soll.
Während seiner Konzeption merkt er aber, dass der Stoff sich als Kurzgeschichte
besser eignet, denn er kommt nie über das erste Kapitel hinaus.
Die Produktionsfirma Chernin Entertainment (PLANET DER AFFEN:
PREVOLUTION) wird auf die Kurzgeschichte aufmerksam und erahnt einen passenden
Stoff für einen atmosphärischen Milieu-Thriller. Sie fragt direkt bei Lehane an,
ob er sich eine Drehbuchfassung von Bobs Geschichte um einen kleinen Hund und
das große Geld vorstellen könne. Lehane ist zunächst überrascht, jedoch schnell
überzeugt und beginnt, aus der Story sein erstes Drehbuch zu spinnen.
Er selbst sagt dazu, dass es der einzige Stoff war, der ihm
nie wirklich aus dem Kopf ging. Er sei von Anfang an von der Idee der
Einsamkeit fasziniert gewesen, die der Geschichte innewohnt. „Wir sprechen kaum
davon, wie verheerend Einsamkeit sein kann. Ich glaube, dass die Einsamkeit
mehr Menschen tötet als Krebs. Also fing ich mit einer Idee an – mit Bob, einem
Kerl, der ganz besonders einsam ist.“
In der Kurzgeschichte („Animal
Rescue“ ist hier in Gänze zu lesen) kommt Marv, James Gandolfinis Figur,
nur am Rande vor. Erst in der Drehbuchentwicklung und der Ausarbeitung der Grundidee, verletzte Menschen zu zeigen,
„die versuchen, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen“, wächst die Rolle
von Marv zu einem entscheidenden Handlungsträger.
Als Lehane dann erfährt, dass James Gandolfini die Rolle übernimmt,
schreibt er ihm zusätzliche Dialoge ins Drehbuch. Lehane verehrt Gandolfini und
dessen Figur weitere Konturen zu verleihen ist ihm „eine echte Freude“.
2010 arbeitet Lehane noch allein an der ersten
Drehbuchfassung, im Feinschliff stößt Produzent Mike Larocca hinzu, der einige
Storyelemente hinzufügt, um der Geschichte mehr Tiefgang zu verleihen.
Obwohl THE DROP ein waschechter Gangsterfilm ist, handelt er
weniger von Verbrechen und Mord, sondern von Menschen, die auf der Jagd nach
etwas sind, „das schon im Rückspiegel verschwindet. Die alles versuchen, wieder
das zu werden, was sie längst nicht mehr sind.“
Lehane gelingt mit seinem Drehbuch eine gelungene Mischung
aus Thriller und Milieustudie.
Regisseur Roskam mit James Gandolfini. Der liefert in seinem letzten Film noch einmal eine großartige, anrührende Leistung. © 2014 Twentieth Century Fox |
Dreh eines Regiedebütanten
Dem Belgier Michaël R. Roskam öffnen sich mit der Oscarnominierung
als Bester Ausländischer Film für seinen Erstling RUNDSKOP direkt die Türen
nach Hollywood.
Produzent Larocca ist begeistert von Roskams Erstling und
sofort überzeugt, dass der Belgier als Regisseur perfekt zu THE DROP passt. In RUNDSKOP
sieht er ein unglaublich starkes Regiedebüt, „die Art wie er sein Ensemble
geführt hat, zeigte gleich, wie gut er mit Schauspielern umzugehen versteht.“
Da das Drehbuch zu THE DROP komplexe Figuren zeichnet, brauchte der Film einen
Regisseur, „der das Beste aus Schauspielern herausholen kann.“
Roskam, der sehr gründlich überlegt, welches Skript er für
seinen Hollywood-Einstand umsetzen will, ist sofort Feuer und Flamme, als THE
DROP auf seinem Schreibtisch landet. Wie Larocca richtig erkannt hat,
faszinieren Roskam ausgefeilte Figuren, die sich deutlich entwickeln, und davon
bietet THE DROP mehr als genug.
Roskam trifft sich für Gespräche über die Handlung mit Autor
Lehane. Während sie über den Katholizismus und den religiösen Aspekt des Films
sinnieren, kommen sie überein, dass THE DROP ein urbanes Märchen werden soll,
„düster und mit viel Subtext“.
Lehane lässt zwischen den Zeilen viel Freiraum, um dem Regisseur
Raum zum Atmen zu geben, anstatt ihn in ein zu enges Korsett zu schnüren.
Obwohl die Story in Brooklyn spielt und den ursprünglichen,
noch nicht von der Gentrifizierung erfassten Teil des Viertels ideal
widerspiegelt, ist die Besetzung eine fast rein europäische: Tom Hardy (zuletzt mit NO TURNING BACK im Kino, für den wir ein kurzes Porträt des Shootingstars erstellt haben) ist
Engländer, Noomi Rapace ist Schwedin mit spanischen Wurzeln, Matthias
Schoenaerts ist wie auch der Regisseur Roskam Belgier. Nur James Gandolfini ist
Amerikaner, allerdings mit italienischen Wurzeln.
The Drop Bar
Die Idee, eine Bar zum Schlüsselort des Geschehens zu
machen, kommt Lehane, als er sich eingehend mit dem organisierten Verbrechen
auseinandersetzt. Ob seine Recherchen der Realität tatsächlich entsprechen,
kann (oder mag) Lehane allerdings nicht mit Sicherheit sagen.
Er entdeckt schließlich irgendwann, dass die Mafia einst
beschlossen hatte, ihr Geld aus Wettgeschäften aus Sicherheitsgründen an einem
Ort zu bündeln. Sie hofften, das Geld so besser unter Kontrolle zu haben und für
den Fall eines Überfalls den Dieb schneller ausfindig zu machen.
Sofort kreiert Lehane die „Drop Bar“, das Zentrum seiner
Geschichte. Die illegalen Wettgelder werden dort unter der Ladentheke
abgegeben, um es vor dem Zugriff staatlicher Stellen zu schützen.
Aus dieser heraus entwickelt Lehane schließlich seine
düstere Geschichte über Einsamkeit und die Unfähigkeit, loszulassen!
Auf den Hund gekommen
Doch neben der Dropbar gibt es noch einen zweiten zentralen
Punkt der Geschichte. Ohne den Hund Rocco, den Bob in einer Mülltonne findet,
wären weder der Film, noch die Kurzgeschichte je entstanden.
Hündchen Rocco dient als Katalysator der Handlung, indem er
Bob anstachelt, seiner Einsamkeit zu entkommen und wieder mehr ins Leben zu
treten.
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Das sei zwingend gewesen, sagt Produzent Jenno Topping. „Die
Rasse des Pitbull wird häufig falsch eingeschätzt wird“, und genau davon
erzählt THE DROP – von Figuren, die immer wieder von ihrer Umgebung (aber auch
von den Zuschauern) falsch eingeschätzt werden.
Die Schwierigkeit besteht darin, nicht nur einen kleinen
Pitbull zu finden, der kameratauglich ist, sondern drei, da die Hunde für den
Dreh zu schnell wachsen. Einen elfwöchigen Hund zu trainieren, gezielte Dinge
vor der Kamera zu tun, sei außerdem sehr schwierig, sagt Hundetrainerin Kim
Krafsky. Zwar muss der Filmhund Rocco nicht viel können, außer ein kleiner Hund
zu sein, aber zumindest ein Treppenabsieg steht im Drehbuch.
Dass sich besonders Tom Hardy in seinen kaltschnäuzigen
Partner verguckte, zeigen kleine „Behind the Scenes“-Aufnahmen.
Am Ende gelingt Lehane und Roskam tatsächlich eine fast märchenhafte
Erkundung einer Handvoll einsamer Menschen, die sich im Wirkungskreis der Drop
Bar finden.
Marcos Blick:
Mit THE DROP erscheint ein Film, der sich rühmen kann, das
letzte Werk des populären Schauspielers James Gandolfini zu sein. Auch wenn die
Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass THE DROP vor allem dafür Erwähnung findet,
ist er darüber hinaus allerdings auch eine ungewöhnlich gute Gangsterballade!
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A History of Violence
Gangster sind Teil des Kinos seit die Bilder ihre ersten,
holperigen Schritte tun.
Einer der ersten bedeutenden Gangsterfilme (nicht aber der erste) ist D.W. Griffiths THE
MUSKETEERS OF PIG ALLEY von 1912. Deutschland erforscht 1922 mit Fritz Langs DR. MABUSE das Genre. Und
ebenfalls unter deutscher Beteiligung erscheint 1927 Josef von Sternbergs
UNTERWELT, der heute als erster moderner Gangsterfilm gilt – und als erster die
Perspektive der Gangster einnimmt.
Mit dem Aufkommen des Tonfilms gerät der Gangsterfilm zum
populärsten Kinogenre neben dem Western. Und wie der Western ist der
Gangsterfilm stark ritualisiert und formalisiert. Häufig orientieren sie sich
an Detektivgeschichten von Dashiell Hammet, dessen Klassiker DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL
und DER MALTESER FALKE immer wieder verfilmt werden. („Der gläserne Schlüssel“ liefert
die Vorlage für wenigstens sechs Filme, Radioshows und Fernsehfilme, darunter
Klassiker wie YOJIMBO oder die Gangsterballade MILLER’S CROSSING der Coen
Brüder.)
Andere wichtige Autoren der sogenannten „Hard Boiled“-Schule
sind Carroll John Daly, Raymond Chandler oder Mickey Spillane.
Damals allerdings sind die Gangster in der Regel noch platte
Charaktere, die nur eine Aufgabe haben: Das Gesetz brechen. Einfach, weil
Gangster das tun. Die Konflikte entspannen sich aus diesem Gesetzesbruch. Im
Zentrum der Handlung stehen für gewöhnlich Privatdetektive oder harte Cops, die
selbst immer wieder die Grenze zur Illegalität überschreiten.
Häufig werden zeitgenössische politische Entwicklungen, vor
allem die im Amerika der 1930er um sich greifende Korruption hoher Beamter und
Politiker, in die Geschichte eingewoben, oder reale, spektakuläre Kriminalfälle
und echte Größen der Unterwelt wie etwa John Dillinger oder Al Capone.
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Im Laufe der Zeit werden die offenen Anklagen versteckter.
Die Kritik wird in Metaphern und Bildern verschlüsselt, und der Gangsterfilm
zum politischen Instrument Hollywoods.
Bedeutend ist, dass in den Frühwerken des Gangsterepos stets
das Miteinander zwischen Kriminellen und Polizei im Vordergrund steht. Man trifft
sich auf Augenhöhe, meist auf der falschen Seite des Gesetzes.
Ein Angebot geht um die Welt
Bald verkommen Gangsterfilme zur klischeebeladenen Zelebrierung
von Gewalt und Outlaw-Dasein. Brutale Filme wie BONNIE UND CLYDE werden
tatsächlich zum Höhepunkt des Genres.
Das ändert sich schlagartig, als das Gangsterepos in den
frühen Siebzigern wieder erfolgreich – und völlig neu erfunden wird. DER PATE
ist da!
Die Verfilmung von Mario Puzos Bestseller legt völlig neue
Regeln für das Gangsterepos fest. Die erste davon lautet: Es geht allein um das
Leben innerhalb der Verbrecherkreise.
Der Zweikampf mit Polizisten oder Detektiven spielt keinerlei Rolle mehr, denn
nun geht es um die großen Fische am oberen Ende der Hierarchie.
Ebensowenig geht es in den Filmen darum, ob ein Gangster für
ein Verbrechen geschnappt wird. Es geht um die internen Vorgänge des
organisierten Verbrechens, besonders der Mafia oder Cosa Nostra.
Dazu gehört auch, dieses Leben als ehrenvoll und
erstrebenswert darzustellen. Mafiagangster sind edel und reich, bewohnen
Villen, spielen Golf oder lungern auf ihren Jachten herum. Sie haben endlos
viele Frauen, die sie teuer einkleiden und feiern ausschweifende Partys. Die
Familie steht über allem, und wenn jemand ermordet wird, dann nur aus absoluter
Notwendigkeit oder verletztem Stolz. Die harte Arbeit machen die kleinen
Lichter, das Fußvolk auf der Straße, doch von diesem erzählen die Filme nicht.
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Amerikas Faszination für diese Form des Gangsterfilms ist
verständlich – auf gewisse Art symbolisiert es eine uramerikanische Form der
Aristokratie. Amerika, das sich stets etwas minderwertig fühlt, weil es keine
Könige und Prinzessinen in seiner Geschichte hat, aber gleichzeitig
Selfmademänner und Skrupellosigkeit verehrt, sieht in seinen (Film-)Gangstern
so etwas wie seinen ganz eigenen Adelsstand – reich, kultiviert, vornehm – und
die Bediensteten machen die Arbeit. Dementsprechend feiern sie diese Filme.
Die größten Dons
Einige Jahre floriert das Genre und gebärt echte Klassiker. Etwa
DER PATE II, der dazu noch zwei der größten Ikonen des modernen Gangsterfilms
in einem Streifen vereint: Al Pacino und Robert DeNiro. Pacino ist mit DER PATE
zum Star des Gangsterfilms geworden, und verkörpert das Genre wie kaum ein
anderer: SCARFACE, CARLITO’S WAY, DONNIE BRASCO und DER PATE III sind nur
einige Beispiele.
Während Pacino dabei stets den etwas dreckigen Gangster gibt,
spielt DeNiro den edlen, stets gut gekleideten Mafiagangster. Gemeinsam mit
Martin Scorsese erschafft er mit GOODFELLAS und CASINO
zwei der hochklassigsten Gangsterfilme der frühen Neunziger, die gleichzeitig
den Zenit des Mafiaepos‘ markieren. In eigener Regie schiebt DeNiro sogar noch
IN DEN STRAßEN DER BRONX nach. Aber auch andere Filme wie KING OF NEW YORK, DIE
VALACHI PAPIERE und natürlich Sergio Leones ES WAR EINMAL IN AMERIKA (erneut
mit DeNiro!) prägen das Image und den Erfolg der Gangsterstreifen.
Neben der Hochzeit des Genres bringen die Neunziger auch eine kleineVveränderung: Mit Filmen wie NEW JACK CITY oder BOYZ ‘N THE HOOD entwickelt das schwarze Hollywoodkino seine ganz eigenen Interpretationen des Gangsterfilms, bleibt der generellen Aussage aber treu: Gangster sind reich und cool und stürzen am Ende nur über ihre Unersättlichkeit, niemals aber über ihre Unmenschlichkeit!
Den krönenden Abschluss dieser goldenen Zeit des
Gangsterfilms liefert dann noch ein besonders Gipfeltreffen: in HEAT treten
Pacino und DeNiro erstmalig gemeinsam in einer Szene auf (In DER PATE II waren
ihre Rollen noch durch einige Jahrzehnte getrennt, da DeNiro Pacinos jungen Vater
spielt). Die
legendäre Diner-Szene, in der die Widersacher Pacino und DeNiro sich
gegenübersitzen wird zum langersehnten Aufeinandertreffen von Millionen
Kinofans in aller Welt!
Noch einmal mit Lehane
Mit HEAT kommt dann auch das Ende des monumentalen
Gangsterepos‘. Die Autoren wenden sich den alten Zeiten zu. Plötzlich wird es
wieder interessanter, statt der wohlhabenden, reichen Bosse die kleineren
Fische am unteren Ende der Nahrungskette zu zeigen. ROAD TO PERDITION, PUBLIC
ENEMIES, AMERICAN GANGSTER oder aktuell GANGSTER SQUAD zollen der
Prohibitionszeit und dem klassischen Gangsterfilm wieder Tribut. (Im Gegensatz
dazu verfrachtete Brian de Palmas DIE UNBESTECHLICHEN im Jahr 1987 den
klassischen Gangsterfilm visuell in die Achtziger und damit die Neuzeit, ebenso
wie die kunterbunte Comicverfilmung DICK TRACY (wieder einmal mit Al Pacino)
1990, während Scorseses GANGS OF NEW YORK das Genre eher um hundert Jahre in
die Vergangenheit zu schieben versucht.)
Gemeinsam ist all diesen Filmen, dass sie vor allem eine
Erinnerung und eine Hommage sind, an den alten, schmuddeligen Gangsterfilm, den
politisch kodierten Kommentar. Aber sie sind kein eigenständiger Kommentar, da
sie nicht mehr in unsere Zeit passen.
Und so entsteht schließlich eine neue Form von Gangsterfilm.
Eine Art „New Crime Wave“. Vorreiter
dafür sind die Verfilmungen von Elmore Leonard und James Ellroy. Als bereits
Quentin Tarantinos Smashhit PULP FICTION 1994 vormacht, wie cool und lässig
selbst die kleinsten Gangsterfische sein können, inspiriert er damit ein neues
Genre, das sich schließlich in den Leonard und Ellroy Verfilmungen austobt: OUT
OF SIGHT, JACKIE BROWN, L.A. CONFIDENTIAL, SCHNAPPT SHORTY und DIE SCHWARZE
DAHLIE. Coole, unterkühlte Gangsterfilme werden wieder angesagt, und fordern
den Schauspielern einiges ab: Die Figuren werden tiefer, gewinnen mehr Facetten
als je zuvor. Statt platter Charaktere sind Gangster nun plötzlich
psychologisch tief. Ihre Verbrechen haben nun plötzlich eine Motivation, die
über Bösartigkeit oder Gier hinausgeht.
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Dass Martin Scorsese sich weiterhin gekonnt in diesem Genre
ausleben kann, beweist er mit THE DEPARTED, der nahezu perfekt klassische und
topaktuelle Bedürfnisse des Gangsterfilms vereint. Und selbst
THE WOLF OF WALL STREET versucht, die edlen Gangsterfiguren aus CASINO oder
GOODFELLAS in die moderne Hochfinanz zu übertragen.
Doch Gangsterfilme sind inzwischen auch psychologische
Dramen. Vermutlich dienen deshalb so gerne die Romane von Dennis Lehane als
Vorlage, da Lehane es wie kaum ein anderer versteht, seine Kleingangster (die
in der Regel stets am äußersten Rand einer viel größeren Organisation stehen)
psychologisch vielschichtig und interessant zu zeichnen. Egal ob in GONE BABY
GONE, MYSTIC RIVER oder, wenn auch nicht direkt Gangsterfilm, SHUTTER ISLAND –
Lehanes Krimis sind packende Psychogramme vom Rande des organisierten
Verbrechens.
Auch andere Werke wie THE TOWN, AUGE UM AUGE, vor allem aber
aktuelle Fernsehserien wie BREAKING BAD, SONS OF ANARCHY oder THE SOPRANOS (als
Hommage an den klassischen Gangsterstreifen) zelebrieren die Randfiguren des
organisierten Verbrechens als psychologische Splitterfiguren.
Und eben das macht THE DROP zu einem der faszinierenderen
Gangsterfilme der letzten Jahre, weil er die Mischung aus packendem
Psychogramm und organisierter Kriminalität perfekt und extrem stimmungsvoll
inszeniert.
Im Handlungsmittelpunkt steht hier kein Verbrechen, sondern
die Figur des Bob Saginowski, nahezu perfekt gespielt von Tom Hardy. Das
Verbrechen dient lediglich als Anstoß für die Entfaltung und Entpuppung von
Bobs Charakter, die zwar den Film über kryptisch bleibt, jedoch immer wieder
kleine Hinweise auf sein Wesen liefert. Der Film erzählt diese Entwicklung der
zunächst unergründlichen Figur in all ihren Facetten so ruhig und gleichzeitig
so spannend, dass man den Blick kaum lösen mag.
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Auch James Gandolfini, der hier ein letztes Mal eine subtile
Meisterleistung abliefert, glänzt mit seiner Figur, die wie ein Best of der
Gangstergeschichte wirkt. Als Mischung aus Pacino, de Niro und Joe Pesci spielt
er den gescheiterten Gangster, der sich mit seinem Schicksal nicht abfinden
kann oder will.
Auch das ist ein Novum, denn für gewöhnlich erzählen
Gangsterfilme vom Aufstieg oder Höhepunkt eines Gangsters, der meist ein blutiges Ende findet. Ehemalige, an
den Rand gedrängte Gangster sind so rar, dass alleine das Gandolfinis letzte
Rolle weit aus dem Genremittelmaß heraushebt!
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