Oberbösewicht Hans Gruber steht vor den Geiseln in einem der
oberen Stockwerke des Nakatomi Towers. Er hält eine Ansprache, während einer
seiner Männer bewaffnet im Hintergrund steht. Von ihm unbemerkt, erreicht ein
Fahrstuhl das Stockwerk. Das „Bing“ und die öffnenden Türen erregen seine
Aufmerksamkeit. Er dreht sich um – und erschreckt. Im Fahrstuhl sitzt einer der
anderen Geiselnehmer auf einem Stuhl – tot.
Hans Gruber mustert die Leiche mit trocken abschätzendem
Blick. Sie trägt eine Weihnachtsmütze. Auf den Pullover ist eine Nachricht
geschrieben: „Now I have a machine gun“. Gruber zieht das Kleidungsstück nach
unten und findet den Rest der Nachricht:
Weihnachten ist der bedeutendste Feiertag in der
christlichen Welt. So ist es nicht verwunderlich, dass deren Filmwelt sich
immer wieder dieser drei magischen Tage am Jahresende annimmt. Mal tut sie das
biblisch wie in BEN HUR, mal moralisch wie in IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN?, mal
märchenhaft wie in DAS WUNDER VON MANHATTAN. Weihnachtsfilme haben einen
positiven Ton, erzählen von Liebe, vom Miteinander, von Familie und Frieden.
Im Herbst 1988 hingegen wagt ein kleiner Film etwas nie Dagewesenes: Statt in Liebe und Lametta versenkt er Weihnachten in einem
Kugelhagel und Explosionen!
Nichts währt ewig
Die Geschichte von STIRB LANGSAM beginnt mit Frank Sinatra.
1966 erscheint der Roman DER DETEKTIV von Roderick Thorp, aus
dem 1968 der gleichnamige Film hervorgeht,
in dem Frank Sinatra als Polizist Joe Leland den Mord an einem Homosexuellen aufklären
muss.
1975 sieht Thorp den Film FLAMMENDES INFERNO, der ihn zu
einer eigenen Geschichte inspiriert: zu einer Geschichte, in der ein Mann von
bewaffneten Gangstern durch ein Gebäude gejagt wird. 1979 erscheint die Fortsetzung
zu „Der Detektiv“: „Nothing Lasts Forever“, in der ein deutlich gealterter Joe
Leland seine Tochter Stephanie Gennaro am Weihnachtsabend im Hochhaus eines
Ölkonzerns in Los Angeles besucht. Während der Weihnachtsfeier kapern deutsche
Terroristen das Gebäude, um Geschäfte des Konzerns mit der chilenischen
Militärjunta aufzudecken.
Nur von einem einzelnen Los Angeles-Streifenpolizisten unterstützt,
der vor dem Haus Posten bezieht, nimmt Joe Leland im abgeriegelten Gebäude den
Kampf mit den Terroristen und um das Leben seiner Tochter auf!
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Schließlich kursiert der Stoff eine ganze Weile in
Hollywood. So richtig mag sich keiner an die Thematik heranwagen. John
McTiernan wird der Stoff einige Male angeboten, er lehnt jedoch wiederholt ab,
weil er einen mühsamen Dreh fürchtet. Erst Ende der Achtziger findet sich alles
zusammen. Und zwar die Crème de la Crème des damaligen Actionkinos.
Die Top-Elite und der Komiker
Der Erfolg, der STIRB LANGSAM beschieden ist, kommt nicht
von ungefähr. Die Achtziger sind das Jahrzehnt, das den Actionfilm in Hollywood
definiert. Zwei der maßgeblichen Figuren dieses Aufstiegs arbeiten auch an der
Verfilmung von Thorps Roman mit.
An erster Stelle ist das Drehbuchautor Steven E. de Souza.
De Souza beginnt seine Karriere 1973 mit einem kurzen Film,
den er auch selbst inszeniert. Ab 1977 arbeitet er viel fürs Fernsehen und
schreibt Drehbücher für einige der populärsten Fernsehserien, darunter DER
SECHS MILLIONEN DOLLAR MANN, DIE SIEBEN MILLIONEN DOLLAR FRAU und KNIGHT RIDER.
Bereits mit seinem ersten Kinofilm schreibt er 1982
Geschichte: Sein Script für NUR 48 STUNDEN wird nicht nur ein Megaerfolg,
sondern begründet neben Eddie Murphys Kinokarriere (Der Film ist das Kinodebüt
des SATURDAY NIGHT LIVE Komikers!) auch das Genre des Cop-Buddy-Movies!
Die in NUR 48 STUNDEN angerührte Mischung aus
unterschiedlichen Charakteren, teilweise derbem Humor und knallhartem
Kriminalfall, die de Souza aus populären Fernsehserien übernommen hat, wird zu
einer der größten Erfolgsmischungen der Achtziger und reicht von LETHAL WEAPON
über RED HEAT bis zu TANGO & CASH, AUF DIE HARTE TOUR, MEIN PARTNER MIT DER
KALTEN SCHNAUZE und THE LAST BOY SCOUT. Selbst neure Filme wie RUSH HOUR,
TRAINING DAY oder Guy Ritchies SHERLOCK HOLMES funktionieren nach den
Mechanismen, die de Souza 1982 festgelegt hat.
Mit seinen folgenden Filmen PHANTOM COMMANDO und RUNNING MAN
verhilft er Arnold Schwarzenegger, seinen Ruhm als Actionikone aufzubauen.
Daneben gelingt es ihm sogar, mit dem Film JUMPIN‘ JACK
FLASH der als Komikerin bekannten Whoopie Goldberg, die im Jahr zuvor eine
Oscarnominierung für ihr Drama DIE FARBE LILA einheimsen konne, als Actionstar
zu etablieren.
Nun bekommt de Souza, einer der ikonischsten Actionautoren
seiner Dekade, den Auftrag, ein Drehbuch zu verfassen, in dem ein Mann in einem
Hochhaus gegen eine Bande von Terroristen kämpft.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
John McTiernan gibt erst 1986 mit dem noch etwas steifen
Mysterythriller NOMADS sein Debüt ab, inszeniert aber schon ein Jahr später
einen Klassiker: Mit PREDATOR stellt er die Vergnügungspark-Variante von ALIEN
auf die Beine – und inszeniert Arnold Schwarzenegger wie kaum ein anderer als
unzerstörbaren Helden.
Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Schwarzenegger
wird John McTiernan mit der Regie für PHANTOM COMMANDO 2 betraut. Das Projekt
zerschlägt sich allerdings, als Schwarzenegger nicht erneut in die Rolle des
John Matrix schlüpfen will.
So werden die Vorbereitungen umgemünzt, und endlich das
Projekt „Nothing Lasts Forever“ gestartet.
Obwohl er erst zwei Filme gedreht hatte, scheint McTiernan
eine gute Wahl zu sein. Er besitzt ein gutes Gespür dafür, männliche,
testosterontriefende Filme zu inszenieren, bei denen sich zynische Sprüche (Man
erinnere sich an das fulminante „Ich hab keine Zeit zu bluten!“ aus PREDATOR)
mit eisenharter Action abwechseln – und die darüber hinaus mit wenigen Mitteln
enormen Suspense erzeugen. Das beweist er später mit seinen Filmen JAGD AUF
ROTER OKTOBER und DER 13. KRIEGER sowie STIRB LANGSAM 2 erneut..
Es ist wenig verwunderlich, welchen Topstar sich Autor und
Regisseur an erster Stelle auserkoren haben, um die Terroristen durch ihr
Hochhaus zu jagen: Beide wünschen sich niemand anderen als Arnold
Schwarzenegger in der Hauptrolle, zumal er ja für PHANTOM KOMMANDO 2 ohnehin
vorgesehen war.
Doch erneut zeigt Schwarzenegger kein Interesse.
Bevor es überhaupt darum gehen kann, wer John McClane spielt,
müssen die Produzenten ohnehin erst eine andere Vertragsleiche wegschaffen!
Als Frank Sinatra sich 1968 für die Rolle des Joe Leland zur
Verfügung stellt, lässt er sich vertraglich zusichern, bei eventuellen
Fortsetzungen erneut in die Rolle des New Yorker Polizisten schlüpfen zu
dürfen. Da STIRB LANGSAM in seiner frühen Phase noch als direkte Umsetzung des
Romans konzipiert ist, müssen die Produzenten die Rolle zunächst Sinatra
anbieten. Der ist mittlerweile allerdings bereits 73 und lehnt, wenig
verwunderlich, dankend ab. Erst im Anschluss wird die Story soweit abgeändert,
dass sie nicht mehr als direkte Fortsetzung von DER DETEKTIV erkennbar ist. An
diesem Punkt wird sie als PHANTOM KOMMANDO 2 aufgebaut, und erst nach Arnies
Absage endgültig zu einem eigenständigen Franchise aufgebaut.
So beginnt die lange Suche nach einem geeigneten
Hauptdarsteller. Und dafür wühlt man im reichhaltigen Fundus der Achtziger
Actionstars. Nachdem klar ist, dass der Film ohne Schwarzenegger auskommen muss,
lehnt Nick Nolte die Rolle als Erster ab. Es folgen Sylvester Stallone, Burt
Reynolds, Harrison Ford, Mel Gibson und sogar Richard Gere.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Im Laufe der Vorbereitungen bekommt John McTiernan ein immer
klareres Bild davon, was für einen Film er eigentlich drehen will. Er will
keinen schweren, militärischen Actionkracher drehen, wie sie Mode sind, sondern
einen leichten, unterhaltsamen Sommerblockbuster.
Eine seiner fundamentalen Änderungen liegt darin, dass er
aus den politisch motivierten Terroristen simple Bankräuber macht. Und statt
eines muskelbepackten Superhelden schwebt ihm mit einem Mal etwas ganz anderes
vor, eine ganz neue Art von Actionheld: Der smarte, clevere aber durchaus
verletzliche Actionheld. Jemand, der die Bösewichte nicht mit bloßen Händen
durch die Luft wirft oder mit einem einzelnen Revolver ganze Armeen ausschaltet,
sondern ein eher bodenständiger Typ, der statt mit Muskelkraft lieber mit
Zähigkeit und Überlebenswillen glänzt!
Das verlangte nach einem anderen Typ Schauspieler. Hätten
sie Schwarzenegger oder Stallone gecastet, hätte der ganze Kinosaal gewusst,
wie der Film endet: Mit 1.000 toten Terroristen und einem grinsenden Helden
ohne jede Schramme.
McTiernan sucht einen Darsteller, der frei von dem Nimbus
der Unbesiegbarkeit ist. Jemand, bei dem die Zuschauer glauben können, dass er
der Situation im Grunde nicht gewachsen ist, und der an seinen Aufgaben wachsen
muss. Jemand, um den sie zittern können!
Er beginnt, sich in den Reihen bekannter Komiker umzuschauen
und stößt schließlich auf einen jungen Schauspieler, der neben einer riesen
Portion Witz vor allem Charme und ein verschmitztes Lächeln mitbringt: Bruce
Willis!
Willis ist vor allem in winzigen Nebenrollen im Fernsehen
aufgetreten, bevor ihm 1985 der große Coup gelingt. In der humorvollen, sich
selbst nicht ernst nehmenden Detektivserie DAS MODEL UND DER SCHNÜFFLER (die in
vielen Belangen ihrer Zeit um 20 Jahre voraus ist!) begeistert er Woche für
Woche die Zuschauer. Willis‘ Kinoerfahrung beschränkt sich hingegen auf zwei
Kinokomödien von Komödienlegende Blake Edwards, von denen nur eine leidlich
erfolgreich ist: BLIND DATE.
Nun wird ihm die Figur eines Actionhelden angeboten. Anfangs
unschlüssig, sagt Willis schließlich zu, nicht wissend, dass er damit den
wichtigsten Film seiner Karriere drehen wird!
Der edle Schurke
Eine weitere wichtige Entdeckung macht McTiernan ein Jahr
zuvor, als ihm einfach kein passender Bösewicht in die Finger kommen will.
In einer Theateraufführung von GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
stößt er auf einen jungen Engländer, der den bösen Vicomte Sébastian de Valmont
mit genau der edlen Bösartigkeit spielt, der Giftigkeit, die direkt unter der
Oberfläche seines charmanten, humorvollen Äußeren liegt, die ihm für seinen Schurken
Hans Gruber vorschwebt.
Alan Rickman hat bisher keinerlei Kinoerfahrung. Er hat viel
Fernsehen gedreht, vor allem aber Theater, und wird dank STIRB LANGSAM
ebenfalls direkt zum Star.
Rickman kann, neben Willis, als eine der größten
Entdeckungen des Films gelten. Bis heute gibt es kaum einen besseren Bösewicht,
der so kompromisslos zwischen humorvoll und abgrundtief böse balanciert. Obwohl
er bereits in STIRB LANGSAM tief aus seinem Fundus greifen darf, wird Alan Rickmans
große Stunde als Bösewicht erst einige Jahre später schlagen. In ROBIN HOOD –
KÖNIG DER DIEBE spielt er mit dem Sheriff von Nottingham einen der
großartigsten, abstoßendsten und gleichzeitig witzigsten Bösewichte der
Filmgeschichte. Dem jüngeren Publikum ist Rickmans Talent zu wunderbaren
Bösewichten mit Sicherheit aus den HARRY POTTER Filmen bekannt, in denen er den
undurchschaubaren Severus Snape spielt.
Erstaunlich ist auch, dass William Atherton in STIRB LANGSAM erneut in die Rolle des Schmierlappens schlüpft! Nach seinem erfolgreichen Auftritt als Bösewicht in GHOSTBUSTERS klagte er lange darüber, dass er auf offener Straße beschimpft und bespuckt wurde, nur um in seiner Rolle als skrupelloser Journalist erneut in dieselbe Kerbe zu hauen.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Erstaunlich ist auch, dass William Atherton in STIRB LANGSAM erneut in die Rolle des Schmierlappens schlüpft! Nach seinem erfolgreichen Auftritt als Bösewicht in GHOSTBUSTERS klagte er lange darüber, dass er auf offener Straße beschimpft und bespuckt wurde, nur um in seiner Rolle als skrupelloser Journalist erneut in dieselbe Kerbe zu hauen.
Heimliche Stars
Für Aufsehen sorgt, dass von dem großzügigen Budget von 28
Millionen Dollar ganze 5 Millionen an Bruce Willis gehen sollen. Derart hohe
Gagen sind seinerzeit für Top-Stars wie Dustin Hoffman reserviert, nicht für
kaum bekannte Newcomer, die auch noch außerhalb ihres gewohnten
Wirkungsbereichs agieren. Die Produzenten des Films erklären die Gage damit,
dass Willis den ganzen Film schließlich tragen würde.
Dem produzierenden Studio, der 20th Century Fox wird
hingegen mulmig. Der Film ist als Sommerblockbuster geplant und nun sitzen sie
auf einem mäßig bekannten Komiker als Zugpferd fest. Die Werbekampagnen sparen
Willis‘ Konterfei daher vollständig aus. Man glaubt nicht, dass ein eher für
seine albernen Zoteleien bekannter Komiker die Zuschauer in einen Actionfilm
zieht. Stattdessen rückt man das eigene neue Headquarter in den Mittelpunkt!
Der heimliche Star des Films ist das kurz vor Drehbeginn
fertiggestellte und noch nicht vollständig eingerichtete Fox Plaza Hochhaus,
das als Naktomi Tower herhält – die neue, noch unbezogene Firmenzentrale der
20th Century Fox!
Auch in späteren 20th Century Fox Filmen wie SPEED, FIGHT
CLUB oder AIRHEADS wird der Turm immer wieder als Kulisse genutzt.
Wer einmal
in L.A. ist: Das Fox Plaza findet sich in 2121 Avenue of the Stars, Century
City, Los Angeles. Aufgrund des hohen Touristenaufkommens sind
Außenaufnahmen auf dem Gelände mittlerweile allerdings verboten!
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Johns Strapazen
Die Dreharbeiten finden, zur Thematik passend, von Anfang
November 1987 bis März 1988 statt – und entwickeln sich für Bruce Willis zur
doppelten Strapaze!
Vor allem da der Fernsehstar parallel noch täglich für DAS
MODEL UND DER SCHNÜFFLER vor der Kamera steht, dreht er abends nach Drehschluss
an STIRB LANGSAM – was der Grund dafür ist, dass der Film zügig in die Nacht
wechselt und sämtliche Außenaufnahmen im Dunkeln spielen.
Mit einer ähnlichen Doppelbelastung wurde drei Jahre zuvor
bereits Michael J. Fox zum Star, der neben seinen täglichen Drehtagen zur
Sitcom FAMILIENBANDE abends und am Wochenende die Hauptrolle in ZURÜCK IN DIE
ZUKUNFT übernahm.
Trotzdem wird der Dreh zu STIRB LANGSAM von schier endlosen
Pannen und Improvisationen bestimmt. Letztere erweisen sich allerdings immer
wieder als Grund für einige der einprägsamsten Szenen des Films.
So entsteht McClanes markanter (und schmerzhaft aussehender)
Sturz in den Luftschacht vor allem dadurch, dass der Stuntman den ersten
Lüftungsschacht, an dem er sich hätte festklammern sollen, verfehlt und
stattdessen hektisch den nächsten packt.
Auch die Szene, in der McClane und Gruber sich erstmalig begegnen
wird erst eingefügt, als während der Vorbereitungen herauskommt, dass der Brite
Alan Rickman einen recht passablen amerikanischen Akzent imitieren kann.
Die Szene wird darüber hinaus nicht geprobt, um die
Anspannung der Figuren besser zeigen zu können.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Dafür haben beide Schauspieler mit dem Wunsch des Regisseurs
zu kämpfen, dem Film das zu verleihen, was McTiernan „Ultra-Realismus“ nennt.
Dazu gehört, dass er besonders kräftige und laute
Platzpatronen verwendet, deren Mündungsfeuer und Lautstärke weit über das
damalige Maß in Actionfilmen hinausgeht. So müssen sämtliche Platzpatronen per
Hand gefertigt werden – und sind am Ende so wirkungsvoll, dass sie mit den Requisitenwaffen
(übrigens echte Waffen, die auf Platzpatronen umgestellt wurden) nicht mehr
funktionieren. Und selbst als die Technik endlich mitspielt, versagt der
Mensch!
Alan Rickman kann die lauten, grellen Patronen nicht
abfeuern, ohne das Gesicht abzuwenden und die Augen zu schließen, was im
Schnitt mühsam bearbeitet werden muss. Und Bruce Willis erleidet, als er seine
Waffe unter dem Tisch abfeuert, um dem darauf stehenden Gangster zu erschießen,
bleibende Hörschäden.
Etliche Szenen müssen umgemodelt werden, als Rickman sich am
ersten Drehtag das Knie verletzt, und es eine Woche lang nicht belasten darf.
Allerdings wird die gesamte Drehzeit hinweg ohnehin immer
wieder improvisiert, da das Drehbuch immer wieder verändert und angepasst wird,
um die Spannung des Films aufrechtzuerhalten – John McTiernan soll also recht
behalten, dass der Film schwierig zu drehen sein würde.
Die gigantische Explosion am Fuße des Fahrstuhlschachts wird
von außen dadurch ermöglicht, dass das Team nahezu jede einzelne Fotobirne (die
besonders starken!) in Los Angeles aufkauft und damit einen enormen Lichtblitz
erzeugt. Das Feuer der Explosion wird per Effekt auf das Gebäude gelegt. Viele
Explosionen und Feuergefechte dreht man allerdings im Original und
versorgt das nächtliche L.A. wochenlang mit weit sichtbaren Effekten.
Und selbst die später zu einem der Markenzeichen der Serie
(bzw. ihrer Bösewichter) geratene Musik muss John McTiernan erst durchboxen:
Komponist Mark Kamen weigert sich, Beethovens „Ode an die Freude“ in einem
Actionfilm zu verwenden. Er betrachtet das als Sakrileg und wird mit seiner
Antwort an McTiernan zitiert: „Ich zerhackstücke dir gerne Wagner oder Strauss,
aber warum Beethoven?“
Erst als McTiernan erklärt, dass er auf die Idee gekommen
sei, weil Stanley Kubrick Beethovens „Ode an die Freude“ für die Ultra-Violence
Szene in A CLOCKWORK ORANGE verwendet. Dem
Argument kann sich Kubrick Fan Kamen nicht verschließen.
Deutsche, Iren und die Welt
STIRB LANGSAM wird auf Anhieb zu einem der erfolgreichsten
Filme des Jahres! In Amerika ist er der erfolgreichste Actionfilm des Jahres. (Unter
den zehn erfolgreichsten Filmen 1988 finden sich neben RAIN MAN, STIRB LANGSAM
und, so Gott will, COCKTAIL ausschließlich Komödien! Falls man COCKTAIL nicht
dazu zählt!)
Weltweit spielt er 140 Millionen Dollar ein und
revolutionierte, ja bestimmte das Actiongenre der Neunziger!
Denn so wie die Achtziger wieder und wieder die Erfolgsformel
von NUR 48 STUNDEN kopierten, kopieren die Neunziger immer und immer wieder
schamlos die Formel, die STIRB LANGSAM aufgestellt hat: Der zähe Einzelgänger,
der auf eng(st)em Raum übermächtigen Gegnern ausgeliefert ist. Kaum ein Jahr
vergeht ohne ein oder zwei solcher Filme: PASSAGIER 57 (Wesley
Snipes/Flugzeug), ALARMSTUFE: ROT (Steven Seagal, Schiff), ALARMSTUFE: ROT 2
(Steven Seagal/Zug), TERMINAL RUSH (‚Rowdy‘ Roddy Piper/Staudamm), SUDDEN DEATH
(Jean-Claude van Damme/Eishockeystadion), TOY SOLDIERS (Sean Astin/Internat),
CLIFFHANGER (Sylvester Stallone/Berge), THE ROCK (Nicolas Cage/Alcatraz), AIR
FORCE ONE (Harrison Ford/Flugzeug).
Mit SKYSCRAPER wagt man sogar einen besonders dreisten Klon
und „verlegt“ die Handlung in ein Hochhaus. Der Clou hier: Statt eines harten
Kerls darf Playmate und Busenwunder Anna Nicole Smith böse Buben aus dem Weg
räumen ...
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox |
Und noch 2013 wird mit OLYMPUS HAS FALLEN (Gerard Butler/Das
weiße Haus) die alte Formel neu aufgebrüht.
Dabei kann keiner der Nachahmer ans Original heranreichen,
was vor allem einem Umstand zu verdanken ist: Jeder der Filme sperrt die
Terroristen oder Gangster mit einer unzerstörbaren Kampfmaschine ein! Was John
McClane auszeichnet, ist seine Verletzlichkeit. Er genießt keine
Kampfausbildung, ist kein Mörder oder Elitesoldat, sondern schlicht ein
besorgter Ehemann und Vater, der immerhin weiß, wie man eine Pistole benutzt –
und der Schneid besitzt. All die Snipes und van Dammes und Seagals sind
hingegen stets superausgebildete Killer und Meistermörder.
Am ehesten kann noch Nicolas Cages überforderter Chemiker in
THE ROCK die Massen begeistern. (Und seinerzeit ist Michael Bays Look sogar
noch neu und frisch!)
STIRB LANGSAM wird zum Maßstab für „Männlichkeit“. Nicht nur
wegen McClanes stetig schmuddeliger werdendem Feinripp-Unterhemd. Die populäre
Sitcom FRIENDS etwa versucht, einen Running Gag daraus zu stricken, dass die
Jungs ihre Männerabende mit einer guten Partie STIRB LANGSAM veredeln. Und
besonders im osteuropäischen Raum wird der schwer zu übersetzende Originaltitel
DIE HARD häufig einfach nur dezent angepasst: „Stirb männlich“ oder „Stirb
richtig“ etwa.
Natürlich zieht auch Deutschland sich schnell das STIRB
LANGSAM Fieber zu – und wird doch wieder von der Synchro ausgebremst.
Das Problem ist, dass Ende der Achtziger der deutsche
Terrorismus und Die Rote Armee Fraktion noch immer brennend heiße Themen in
Deutschland sind. Wie sehr, sieht man daran, dass noch am 30. November 1989 der
Deutsche Bank Chef Alfred Herrhausen ein prominentes Opfer der deutschen
Attentäter wird – fast auf den Tag ein Jahr nach Kinostart von STIRB LANGSAM!
Man entscheidet sich daher aus Gründen der Diskretion, aus
den deutschen Terroristen etwas unbestimmtere Bösewichter zu kreieren. Statt
wie im Original eine feste Agenda zu haben, werden sie zu internationalen
Attentätern, die schlicht Geld wollen. Vage wird eine Verbindung zur irischen
IRA angedeutet. Die deutschen Namen der Figuren werden angepasst: Aus Hans
Gruber wird Jack Gruber, aus Heinrich wird Henry, aus Karl macht man Charlie. Als
McClane zwei der Namen aufschreibt, erklärt die deutsche Synchronstimme: „Euch
nenne ich Hans und Karl wie die bösen Riesen im Märchen.“ Problematisch wird
das erst, als der dritte Teil der Reihe 1995 wieder Bezug zum deutschen Ursprung
Hans Grubers nimmt ...
Aber auch im Original wird wenig Wert darauf gelegt, die Bösewichte
als „echte“ Deutsche darzustellen. Die Schauspieler werden allesamt nach Größe
und bedrohlichem Aussehen gecastet. Ein paar der Darsteller sind tatsächlich
Deutsche. Allerdings sind Alan Rickmans deutsche Dialogzeilen von derart kruder
Grammatik, dass man die Lieblosigkeit eines Satzes wie „Schieß dem Fenster!“
beinahe wieder bewundern kann.
Yippee-ki-yay, motherfucker!
Im Laufe der Jahre erarbeitet sich STIRB LANGSAM den Status
eines Klassikers und gilt immer wieder als einer der besten Actionfilme, und
sogar als einer der besten Weihnachtsfilme(!) aller Zeiten! Nun, ein gewisses
Maß an Weihnachtsgeist mag man zwischen den Zeilen tatsächlich entdecken. Immerhin
wird McClane im Film glücklich mit seiner Frau vereint. (Während das Buch ein
deutlich düstereres Ende anbringt!)
Dazu gehört auch, dass die Fortsetzungen einige Aspekte des
ersten Teils aufnehmen und zum Kult ausbauen! Darunter etwa die Catchphrase
„Yippe-ki-yay, motherfucker“, die in der Regel das Ende des Bösewichts
einleitet.
Ein weiteres wiederkehrendes Element der Reihe sind –
Fahrstühle. Die berühmte „Ho-Ho-Ho“ Szene des ersten Teils, ebenso wie die
berühmte „Ode an die Freude“ Fahrstuhlszene und natürlich der C4-Bürostuhl des
ersten Teils sorgen dafür, dass sämtliche Fortsetzungen wenigstens eine
markante Fahrstuhl- oder Fahrstuhlschachtszene mit sich bringen. Wer das nicht
glaubt, darf gerne nochmal nachschauen! Die Reihe ist ohnehin immer wieder eine
Neubetrachtung wert.
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