30.11.14

Stirb Langsam (USA 1988)

Oberbösewicht Hans Gruber steht vor den Geiseln in einem der oberen Stockwerke des Nakatomi Towers. Er hält eine Ansprache, während einer seiner Männer bewaffnet im Hintergrund steht. Von ihm unbemerkt, erreicht ein Fahrstuhl das Stockwerk. Das „Bing“ und die öffnenden Türen erregen seine Aufmerksamkeit. Er dreht sich um – und erschreckt. Im Fahrstuhl sitzt einer der anderen Geiselnehmer auf einem Stuhl – tot.
Hans Gruber mustert die Leiche mit trocken abschätzendem Blick. Sie trägt eine Weihnachtsmütze. Auf den Pullover ist eine Nachricht geschrieben: „Now I have a machine gun“. Gruber zieht das Kleidungsstück nach unten und findet den Rest der Nachricht:
„Ho – Ho – Ho“
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Marcos Blick:
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Weihnachten ist der bedeutendste Feiertag in der christlichen Welt. So ist es nicht verwunderlich, dass deren Filmwelt sich immer wieder dieser drei magischen Tage am Jahresende annimmt. Mal tut sie das biblisch wie in BEN HUR, mal moralisch wie in IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN?, mal märchenhaft wie in DAS WUNDER VON MANHATTAN. Weihnachtsfilme haben einen positiven Ton, erzählen von Liebe, vom Miteinander, von Familie und Frieden.

Im Herbst 1988 hingegen wagt ein kleiner Film etwas nie Dagewesenes: Statt in Liebe und Lametta versenkt er Weihnachten in einem Kugelhagel und Explosionen!

Nichts währt ewig


Die Geschichte von STIRB LANGSAM beginnt mit Frank Sinatra.
1966 erscheint der Roman DER DETEKTIV von Roderick Thorp, aus dem  1968 der gleichnamige Film hervorgeht, in dem Frank Sinatra als Polizist Joe Leland den Mord an einem Homosexuellen aufklären muss.
1975 sieht Thorp den Film FLAMMENDES INFERNO, der ihn zu einer eigenen Geschichte inspiriert: zu einer Geschichte, in der ein Mann von bewaffneten Gangstern durch ein Gebäude gejagt wird. 1979 erscheint die Fortsetzung zu „Der Detektiv“: „Nothing Lasts Forever“, in der ein deutlich gealterter Joe Leland seine Tochter Stephanie Gennaro am Weihnachtsabend im Hochhaus eines Ölkonzerns in Los Angeles besucht. Während der Weihnachtsfeier kapern deutsche Terroristen das Gebäude, um Geschäfte des Konzerns mit der chilenischen Militärjunta aufzudecken.
Nur von einem einzelnen Los Angeles-Streifenpolizisten unterstützt, der vor dem Haus Posten bezieht, nimmt Joe Leland im abgeriegelten Gebäude den Kampf mit den Terroristen und um das Leben seiner Tochter auf!
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Der Stoff erregt augenblicklich Aufmerksamkeit in Hollywood. Allen voran ist Clint Eastwood daran interessiert, den Roman mit sich selbst in der Hauptrolle in den frühen Achtzigern auf die Leinwand zu bringen.
Schließlich kursiert der Stoff eine ganze Weile in Hollywood. So richtig mag sich keiner an die Thematik heranwagen. John McTiernan wird der Stoff einige Male angeboten, er lehnt jedoch wiederholt ab, weil er einen mühsamen Dreh fürchtet. Erst Ende der Achtziger findet sich alles zusammen. Und zwar die Crème de la Crème des damaligen Actionkinos.

Die Top-Elite und der Komiker


Der Erfolg, der STIRB LANGSAM beschieden ist, kommt nicht von ungefähr. Die Achtziger sind das Jahrzehnt, das den Actionfilm in Hollywood definiert. Zwei der maßgeblichen Figuren dieses Aufstiegs arbeiten auch an der Verfilmung von Thorps Roman mit.

An erster Stelle ist das Drehbuchautor Steven E. de Souza.
De Souza beginnt seine Karriere 1973 mit einem kurzen Film, den er auch selbst inszeniert. Ab 1977 arbeitet er viel fürs Fernsehen und schreibt Drehbücher für einige der populärsten Fernsehserien, darunter DER SECHS MILLIONEN DOLLAR MANN, DIE SIEBEN MILLIONEN DOLLAR FRAU und KNIGHT RIDER.
Bereits mit seinem ersten Kinofilm schreibt er 1982 Geschichte: Sein Script für NUR 48 STUNDEN wird nicht nur ein Megaerfolg, sondern begründet neben Eddie Murphys Kinokarriere (Der Film ist das Kinodebüt des SATURDAY NIGHT LIVE Komikers!) auch das Genre des Cop-Buddy-Movies!
Die in NUR 48 STUNDEN angerührte Mischung aus unterschiedlichen Charakteren, teilweise derbem Humor und knallhartem Kriminalfall, die de Souza aus populären Fernsehserien übernommen hat, wird zu einer der größten Erfolgsmischungen der Achtziger und reicht von LETHAL WEAPON über RED HEAT bis zu TANGO & CASH, AUF DIE HARTE TOUR, MEIN PARTNER MIT DER KALTEN SCHNAUZE und THE LAST BOY SCOUT. Selbst neure Filme wie RUSH HOUR, TRAINING DAY oder Guy Ritchies SHERLOCK HOLMES funktionieren nach den Mechanismen, die de Souza 1982 festgelegt hat.

Mit seinen folgenden Filmen PHANTOM COMMANDO und RUNNING MAN verhilft er Arnold Schwarzenegger, seinen Ruhm als Actionikone aufzubauen.
Daneben gelingt es ihm sogar, mit dem Film JUMPIN‘ JACK FLASH der als Komikerin bekannten Whoopie Goldberg, die im Jahr zuvor eine Oscarnominierung für ihr Drama DIE FARBE LILA einheimsen konne, als Actionstar zu etablieren.
Nun bekommt de Souza, einer der ikonischsten Actionautoren seiner Dekade, den Auftrag, ein Drehbuch zu verfassen, in dem ein Mann in einem Hochhaus gegen eine Bande von Terroristen kämpft.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Unterstützung erhält er dabei von einer anderen Ikone des Achtziger Actionkinos.
John McTiernan gibt erst 1986 mit dem noch etwas steifen Mysterythriller NOMADS sein Debüt ab, inszeniert aber schon ein Jahr später einen Klassiker: Mit PREDATOR stellt er die Vergnügungspark-Variante von ALIEN auf die Beine – und inszeniert Arnold Schwarzenegger wie kaum ein anderer als unzerstörbaren Helden.
Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Schwarzenegger wird John McTiernan mit der Regie für PHANTOM COMMANDO 2 betraut. Das Projekt zerschlägt sich allerdings, als Schwarzenegger nicht erneut in die Rolle des John Matrix schlüpfen will.
So werden die Vorbereitungen umgemünzt, und endlich das Projekt „Nothing Lasts Forever“ gestartet.
Obwohl er erst zwei Filme gedreht hatte, scheint McTiernan eine gute Wahl zu sein. Er besitzt ein gutes Gespür dafür, männliche, testosterontriefende Filme zu inszenieren, bei denen sich zynische Sprüche (Man erinnere sich an das fulminante „Ich hab keine Zeit zu bluten!“ aus PREDATOR) mit eisenharter Action abwechseln – und die darüber hinaus mit wenigen Mitteln enormen Suspense erzeugen. Das beweist er später mit seinen Filmen JAGD AUF ROTER OKTOBER und DER 13. KRIEGER sowie STIRB LANGSAM 2 erneut..

Es ist wenig verwunderlich, welchen Topstar sich Autor und Regisseur an erster Stelle auserkoren haben, um die Terroristen durch ihr Hochhaus zu jagen: Beide wünschen sich niemand anderen als Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle, zumal er ja für PHANTOM KOMMANDO 2 ohnehin vorgesehen war.
Doch erneut zeigt Schwarzenegger kein Interesse.

Bevor es überhaupt darum gehen kann, wer John McClane spielt, müssen die Produzenten ohnehin erst eine andere Vertragsleiche wegschaffen!
Als Frank Sinatra sich 1968 für die Rolle des Joe Leland zur Verfügung stellt, lässt er sich vertraglich zusichern, bei eventuellen Fortsetzungen erneut in die Rolle des New Yorker Polizisten schlüpfen zu dürfen. Da STIRB LANGSAM in seiner frühen Phase noch als direkte Umsetzung des Romans konzipiert ist, müssen die Produzenten die Rolle zunächst Sinatra anbieten. Der ist mittlerweile allerdings bereits 73 und lehnt, wenig verwunderlich, dankend ab. Erst im Anschluss wird die Story soweit abgeändert, dass sie nicht mehr als direkte Fortsetzung von DER DETEKTIV erkennbar ist. An diesem Punkt wird sie als PHANTOM KOMMANDO 2 aufgebaut, und erst nach Arnies Absage endgültig zu einem eigenständigen Franchise aufgebaut.

So beginnt die lange Suche nach einem geeigneten Hauptdarsteller. Und dafür wühlt man im reichhaltigen Fundus der Achtziger Actionstars. Nachdem klar ist, dass der Film ohne Schwarzenegger auskommen muss, lehnt Nick Nolte die Rolle als Erster ab. Es folgen Sylvester Stallone, Burt Reynolds, Harrison Ford, Mel Gibson und sogar Richard Gere.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Schließlich entscheidet man sich für eine ganz andere Herangehensweise.
Im Laufe der Vorbereitungen bekommt John McTiernan ein immer klareres Bild davon, was für einen Film er eigentlich drehen will. Er will keinen schweren, militärischen Actionkracher drehen, wie sie Mode sind, sondern einen leichten, unterhaltsamen Sommerblockbuster.
Eine seiner fundamentalen Änderungen liegt darin, dass er aus den politisch motivierten Terroristen simple Bankräuber macht. Und statt eines muskelbepackten Superhelden schwebt ihm mit einem Mal etwas ganz anderes vor, eine ganz neue Art von Actionheld: Der smarte, clevere aber durchaus verletzliche Actionheld. Jemand, der die Bösewichte nicht mit bloßen Händen durch die Luft wirft oder mit einem einzelnen Revolver ganze Armeen ausschaltet, sondern ein eher bodenständiger Typ, der statt mit Muskelkraft lieber mit Zähigkeit und Überlebenswillen glänzt!
Das verlangte nach einem anderen Typ Schauspieler. Hätten sie Schwarzenegger oder Stallone gecastet, hätte der ganze Kinosaal gewusst, wie der Film endet: Mit 1.000 toten Terroristen und einem grinsenden Helden ohne jede Schramme.

McTiernan sucht einen Darsteller, der frei von dem Nimbus der Unbesiegbarkeit ist. Jemand, bei dem die Zuschauer glauben können, dass er der Situation im Grunde nicht gewachsen ist, und der an seinen Aufgaben wachsen muss. Jemand, um den sie zittern können!
Er beginnt, sich in den Reihen bekannter Komiker umzuschauen und stößt schließlich auf einen jungen Schauspieler, der neben einer riesen Portion Witz vor allem Charme und ein verschmitztes Lächeln mitbringt: Bruce Willis!

Willis ist vor allem in winzigen Nebenrollen im Fernsehen aufgetreten, bevor ihm 1985 der große Coup gelingt. In der humorvollen, sich selbst nicht ernst nehmenden Detektivserie DAS MODEL UND DER SCHNÜFFLER (die in vielen Belangen ihrer Zeit um 20 Jahre voraus ist!) begeistert er Woche für Woche die Zuschauer. Willis‘ Kinoerfahrung beschränkt sich hingegen auf zwei Kinokomödien von Komödienlegende Blake Edwards, von denen nur eine leidlich erfolgreich ist: BLIND DATE.
Nun wird ihm die Figur eines Actionhelden angeboten. Anfangs unschlüssig, sagt Willis schließlich zu, nicht wissend, dass er damit den wichtigsten Film seiner Karriere drehen wird!

Der edle Schurke


Eine weitere wichtige Entdeckung macht McTiernan ein Jahr zuvor, als ihm einfach kein passender Bösewicht in die Finger kommen will.
In einer Theateraufführung von GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN stößt er auf einen jungen Engländer, der den bösen Vicomte Sébastian de Valmont mit genau der edlen Bösartigkeit spielt, der Giftigkeit, die direkt unter der Oberfläche seines charmanten, humorvollen Äußeren liegt, die ihm für seinen Schurken Hans Gruber vorschwebt.
Alan Rickman hat bisher keinerlei Kinoerfahrung. Er hat viel Fernsehen gedreht, vor allem aber Theater, und wird dank STIRB LANGSAM ebenfalls direkt zum Star.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Rickman kann, neben Willis, als eine der größten Entdeckungen des Films gelten. Bis heute gibt es kaum einen besseren Bösewicht, der so kompromisslos zwischen humorvoll und abgrundtief böse balanciert. Obwohl er bereits in STIRB LANGSAM tief aus seinem Fundus greifen darf, wird Alan Rickmans große Stunde als Bösewicht erst einige Jahre später schlagen. In ROBIN HOOD – KÖNIG DER DIEBE spielt er mit dem Sheriff von Nottingham einen der großartigsten, abstoßendsten und gleichzeitig witzigsten Bösewichte der Filmgeschichte. Dem jüngeren Publikum ist Rickmans Talent zu wunderbaren Bösewichten mit Sicherheit aus den HARRY POTTER Filmen bekannt, in denen er den undurchschaubaren Severus Snape spielt.

Erstaunlich ist auch, dass William Atherton in STIRB LANGSAM erneut in die Rolle des Schmierlappens schlüpft! Nach seinem erfolgreichen Auftritt als Bösewicht in GHOSTBUSTERS klagte er lange darüber, dass er auf offener Straße beschimpft und bespuckt wurde, nur um in seiner Rolle als skrupelloser Journalist erneut in dieselbe Kerbe zu hauen.

Heimliche Stars


Für Aufsehen sorgt, dass von dem großzügigen Budget von 28 Millionen Dollar ganze 5 Millionen an Bruce Willis gehen sollen. Derart hohe Gagen sind seinerzeit für Top-Stars wie Dustin Hoffman reserviert, nicht für kaum bekannte Newcomer, die auch noch außerhalb ihres gewohnten Wirkungsbereichs agieren. Die Produzenten des Films erklären die Gage damit, dass Willis den ganzen Film schließlich tragen würde.
Dem produzierenden Studio, der 20th Century Fox wird hingegen mulmig. Der Film ist als Sommerblockbuster geplant und nun sitzen sie auf einem mäßig bekannten Komiker als Zugpferd fest. Die Werbekampagnen sparen Willis‘ Konterfei daher vollständig aus. Man glaubt nicht, dass ein eher für seine albernen Zoteleien bekannter  Komiker die Zuschauer in einen Actionfilm zieht. Stattdessen rückt man das eigene neue Headquarter in den Mittelpunkt!

Der heimliche Star des Films ist das kurz vor Drehbeginn fertiggestellte und noch nicht vollständig eingerichtete Fox Plaza Hochhaus, das als Naktomi Tower herhält – die neue, noch unbezogene Firmenzentrale der 20th Century Fox!
Auch in späteren 20th Century Fox Filmen wie SPEED, FIGHT CLUB oder AIRHEADS wird der Turm immer wieder als Kulisse genutzt.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Wer einmal in L.A. ist: Das Fox Plaza findet sich in 2121 Avenue of the Stars, Century City, Los Angeles. Aufgrund des hohen Touristenaufkommens sind Außenaufnahmen auf dem Gelände mittlerweile allerdings verboten!

Johns Strapazen


Die Dreharbeiten finden, zur Thematik passend, von Anfang November 1987 bis März 1988 statt – und entwickeln sich für Bruce Willis zur doppelten Strapaze!
Vor allem da der Fernsehstar parallel noch täglich für DAS MODEL UND DER SCHNÜFFLER vor der Kamera steht, dreht er abends nach Drehschluss an STIRB LANGSAM – was der Grund dafür ist, dass der Film zügig in die Nacht wechselt und sämtliche Außenaufnahmen im Dunkeln spielen.
Mit einer ähnlichen Doppelbelastung wurde drei Jahre zuvor bereits Michael J. Fox zum Star, der neben seinen täglichen Drehtagen zur Sitcom FAMILIENBANDE abends und am Wochenende die Hauptrolle in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT übernahm.

Trotzdem wird der Dreh zu STIRB LANGSAM von schier endlosen Pannen und Improvisationen bestimmt. Letztere erweisen sich allerdings immer wieder als Grund für einige der einprägsamsten Szenen des Films.
So entsteht McClanes markanter (und schmerzhaft aussehender) Sturz in den Luftschacht vor allem dadurch, dass der Stuntman den ersten Lüftungsschacht, an dem er sich hätte festklammern sollen, verfehlt und stattdessen hektisch den nächsten packt.
Auch die Szene, in der McClane und Gruber sich erstmalig begegnen wird erst eingefügt, als während der Vorbereitungen herauskommt, dass der Brite Alan Rickman einen recht passablen amerikanischen Akzent imitieren kann.
Die Szene wird darüber hinaus nicht geprobt, um die Anspannung der Figuren besser zeigen zu können.
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Und ebenfalls „improvisiert“ ist Rickmans verblüffter Gesichtsausdruck, als er an der Außenseite des Hauses hinabstürzt: Für die Szene stürzt Rickman 23 Meter tief auf ein Luftkissen. Der Stuntman, der den eingeschüchterten Rickman über dem Abgrund hält, kündigt an, bis drei zu zählen – und lässt bereits bei zwei los.

Dafür haben beide Schauspieler mit dem Wunsch des Regisseurs zu kämpfen, dem Film das zu verleihen, was McTiernan „Ultra-Realismus“ nennt.
Dazu gehört, dass er besonders kräftige und laute Platzpatronen verwendet, deren Mündungsfeuer und Lautstärke weit über das damalige Maß in Actionfilmen hinausgeht. So müssen sämtliche Platzpatronen per Hand gefertigt werden – und sind am Ende so wirkungsvoll, dass sie mit den Requisitenwaffen (übrigens echte Waffen, die auf Platzpatronen umgestellt wurden) nicht mehr funktionieren. Und selbst als die Technik endlich mitspielt, versagt der Mensch!
Alan Rickman kann die lauten, grellen Patronen nicht abfeuern, ohne das Gesicht abzuwenden und die Augen zu schließen, was im Schnitt mühsam bearbeitet werden muss. Und Bruce Willis erleidet, als er seine Waffe unter dem Tisch abfeuert, um dem darauf stehenden Gangster zu erschießen, bleibende Hörschäden.
Etliche Szenen müssen umgemodelt werden, als Rickman sich am ersten Drehtag das Knie verletzt, und es eine Woche lang nicht belasten darf.
Allerdings wird die gesamte Drehzeit hinweg ohnehin immer wieder improvisiert, da das Drehbuch immer wieder verändert und angepasst wird, um die Spannung des Films aufrechtzuerhalten – John McTiernan soll also recht behalten, dass der Film schwierig zu drehen sein würde.

Die gigantische Explosion am Fuße des Fahrstuhlschachts wird von außen dadurch ermöglicht, dass das Team nahezu jede einzelne Fotobirne (die besonders starken!) in Los Angeles aufkauft und damit einen enormen Lichtblitz erzeugt. Das Feuer der Explosion wird per Effekt auf das Gebäude gelegt. Viele Explosionen und Feuergefechte dreht man allerdings im Original und versorgt das nächtliche L.A. wochenlang mit weit sichtbaren Effekten.

Und selbst die später zu einem der Markenzeichen der Serie (bzw. ihrer Bösewichter) geratene Musik muss John McTiernan erst durchboxen: Komponist Mark Kamen weigert sich, Beethovens „Ode an die Freude“ in einem Actionfilm zu verwenden. Er betrachtet das als Sakrileg und wird mit seiner Antwort an McTiernan zitiert: „Ich zerhackstücke dir gerne Wagner oder Strauss, aber warum Beethoven?“
Erst als McTiernan erklärt, dass er auf die Idee gekommen sei, weil Stanley Kubrick Beethovens „Ode an die Freude“ für die Ultra-Violence Szene in A CLOCKWORK ORANGE  verwendet. Dem Argument kann sich Kubrick Fan Kamen nicht verschließen.

Deutsche, Iren und die Welt


STIRB LANGSAM wird auf Anhieb zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres! In Amerika ist er der erfolgreichste Actionfilm des Jahres. (Unter den zehn erfolgreichsten Filmen 1988 finden sich neben RAIN MAN, STIRB LANGSAM und, so Gott will, COCKTAIL ausschließlich Komödien! Falls man COCKTAIL nicht dazu zählt!)
Weltweit spielt er 140 Millionen Dollar ein und revolutionierte, ja bestimmte das Actiongenre der Neunziger!
Denn so wie die Achtziger wieder und wieder die Erfolgsformel von NUR 48 STUNDEN kopierten, kopieren die Neunziger immer und immer wieder schamlos die Formel, die STIRB LANGSAM aufgestellt hat: Der zähe Einzelgänger, der auf eng(st)em Raum übermächtigen Gegnern ausgeliefert ist. Kaum ein Jahr vergeht ohne ein oder zwei solcher Filme: PASSAGIER 57 (Wesley Snipes/Flugzeug), ALARMSTUFE: ROT (Steven Seagal, Schiff), ALARMSTUFE: ROT 2 (Steven Seagal/Zug), TERMINAL RUSH (‚Rowdy‘ Roddy Piper/Staudamm), SUDDEN DEATH (Jean-Claude van Damme/Eishockeystadion), TOY SOLDIERS (Sean Astin/Internat), CLIFFHANGER (Sylvester Stallone/Berge), THE ROCK (Nicolas Cage/Alcatraz), AIR FORCE ONE (Harrison Ford/Flugzeug).
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox
Mit SKYSCRAPER wagt man sogar einen besonders dreisten Klon und „verlegt“ die Handlung in ein Hochhaus. Der Clou hier: Statt eines harten Kerls darf Playmate und Busenwunder Anna Nicole Smith böse Buben aus dem Weg räumen ...
Und noch 2013 wird mit OLYMPUS HAS FALLEN (Gerard Butler/Das weiße Haus) die alte Formel neu aufgebrüht.

Dabei kann keiner der Nachahmer ans Original heranreichen, was vor allem einem Umstand zu verdanken ist: Jeder der Filme sperrt die Terroristen oder Gangster mit einer unzerstörbaren Kampfmaschine ein! Was John McClane auszeichnet, ist seine Verletzlichkeit. Er genießt keine Kampfausbildung, ist kein Mörder oder Elitesoldat, sondern schlicht ein besorgter Ehemann und Vater, der immerhin weiß, wie man eine Pistole benutzt – und der Schneid besitzt. All die Snipes und van Dammes und Seagals sind hingegen stets superausgebildete Killer und Meistermörder.
Am ehesten kann noch Nicolas Cages überforderter Chemiker in THE ROCK die Massen begeistern. (Und seinerzeit ist Michael Bays Look sogar noch neu und frisch!)

STIRB LANGSAM wird zum Maßstab für „Männlichkeit“. Nicht nur wegen McClanes stetig schmuddeliger werdendem Feinripp-Unterhemd. Die populäre Sitcom FRIENDS etwa versucht, einen Running Gag daraus zu stricken, dass die Jungs ihre Männerabende mit einer guten Partie STIRB LANGSAM veredeln. Und besonders im osteuropäischen Raum wird der schwer zu übersetzende Originaltitel DIE HARD häufig einfach nur dezent angepasst: „Stirb männlich“ oder „Stirb richtig“ etwa.

Natürlich zieht auch Deutschland sich schnell das STIRB LANGSAM Fieber zu – und wird doch wieder von der Synchro ausgebremst.
Das Problem ist, dass Ende der Achtziger der deutsche Terrorismus und Die Rote Armee Fraktion noch immer brennend heiße Themen in Deutschland sind. Wie sehr, sieht man daran, dass noch am 30. November 1989 der Deutsche Bank Chef Alfred Herrhausen ein prominentes Opfer der deutschen Attentäter wird – fast auf den Tag ein Jahr nach Kinostart von STIRB LANGSAM!
Man entscheidet sich daher aus Gründen der Diskretion, aus den deutschen Terroristen etwas unbestimmtere Bösewichter zu kreieren. Statt wie im Original eine feste Agenda zu haben, werden sie zu internationalen Attentätern, die schlicht Geld wollen. Vage wird eine Verbindung zur irischen IRA angedeutet. Die deutschen Namen der Figuren werden angepasst: Aus Hans Gruber wird Jack Gruber, aus Heinrich wird Henry, aus Karl macht man Charlie. Als McClane zwei der Namen aufschreibt, erklärt die deutsche Synchronstimme: „Euch nenne ich Hans und Karl wie die bösen Riesen im Märchen.“ Problematisch wird das erst, als der dritte Teil der Reihe 1995 wieder Bezug zum deutschen Ursprung Hans Grubers nimmt ...

Aber auch im Original wird wenig Wert darauf gelegt, die Bösewichte als „echte“ Deutsche darzustellen. Die Schauspieler werden allesamt nach Größe und bedrohlichem Aussehen gecastet. Ein paar der Darsteller sind tatsächlich Deutsche. Allerdings sind Alan Rickmans deutsche Dialogzeilen von derart kruder Grammatik, dass man die Lieblosigkeit eines Satzes wie „Schieß dem Fenster!“ beinahe wieder bewundern kann.


Yippee-ki-yay, motherfucker!


Im Laufe der Jahre erarbeitet sich STIRB LANGSAM den Status eines Klassikers und gilt immer wieder als einer der besten Actionfilme, und sogar als einer der besten Weihnachtsfilme(!) aller Zeiten! Nun, ein gewisses Maß an Weihnachtsgeist mag man zwischen den Zeilen tatsächlich entdecken. Immerhin wird McClane im Film glücklich mit seiner Frau vereint. (Während das Buch ein deutlich düstereres Ende anbringt!)
Dazu gehört auch, dass die Fortsetzungen einige Aspekte des ersten Teils aufnehmen und zum Kult ausbauen! Darunter etwa die Catchphrase „Yippe-ki-yay, motherfucker“, die in der Regel das Ende des Bösewichts einleitet.
Ein weiteres wiederkehrendes Element der Reihe sind – Fahrstühle. Die berühmte „Ho-Ho-Ho“ Szene des ersten Teils, ebenso wie die berühmte „Ode an die Freude“ Fahrstuhlszene und natürlich der C4-Bürostuhl des ersten Teils sorgen dafür, dass sämtliche Fortsetzungen wenigstens eine markante Fahrstuhl- oder Fahrstuhlschachtszene mit sich bringen. Wer das nicht glaubt, darf gerne nochmal nachschauen! Die Reihe ist ohnehin immer wieder eine Neubetrachtung wert.

Frohe Weihnachten!
Quelle: DVD "Stirb Langsam" © 20th Century Fox

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