28.09.15

Retrospektive: Jugendrebellion im Kino - Das Erbe des James Dean

Jugend – Kino – Rebellion. Drei Begriffe, die spätestens seit 1955 untrennbar miteinander verbunden sind. Schon immer sind Kino und Film ein Spiegel der Gesellschaft, eine Zeitkapsel sozialer Werte und Normen. Doch spätestens mit James Deans verzweifeltem Auftritt in … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN wird das Kino auch zum Megaphon der Jugend. Zu ihrer Stimme und ihrem Werkzeug auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
Im zweiten Teil unseres James Dean gewidmeten Monats werfen wir einen kurzen Blick auf den Film als Ausdruck der rebellischen Jugend.
Quelle: DVD "Uhrwerk Orange" © Warner Home Video
Film ist, natürlich, vieles. Keine Einzeldeutung wird dem Film oder dem Kino gerecht. Unterhaltung, Kunst, Business, Bildung, Verarbeitung, Information, Propaganda, Eskapismus, Aussage, Ausdruck, Statement , Schaustück– jedem Film wohnen einer oder mehrere dieser Begriffe inne.
Dennoch verändert sich 1955 etwas. Denn bis dahin ist Kino viel stärker in den Bereichen Unterhaltung, Business, „Traumfabrik“ und - mit einigen Klassikern - der Bildung vertreten. Welche Funktion Filme deutlich seltener einnehmen – ausgenommen natürlich die Propagandawerke des Zweiten Weltkriegs – sind die des Vehikels für ein Lebensgefühl. Noch dazu für ein rebellisches. Kino versucht in der Regel, Skandal und ein Aufbegehren gegen die Gesellschaft zu vermeiden, denn beides ist am Ende schlecht fürs Geschäft.

Mit … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN wagt das Kino den großen Aufstand. Es klagt Eltern an, es klagt die Gesellschaft an, es stellt den Status Quo in Frage und gibt einer breiten, bisher kaum hörbaren Bevölkerungsschicht eine Stimme. Das ist neu, großartig, und macht den Film nicht nur zu einem Klassiker, sondern auch zum Startschuss einer neuen Funktion des Kinos: Es wird zu einem weiteren Mittel der Jugend, sich von der Elterngeneration zu lösen.

Form und Inhalt der Rebellion im Film


Diese Loslösung der Jugend ist das Triebrad unseres sozialen Fortschritts. Psychologisch ist man sich einig, dass Jugendliche sich, nach einer Kindheit in Abhängigkeit und Nachahmung, in der Jugend möglichst weit von ihren Eltern entfernen müssen, um ihre eigene Identität zu finden. Das geschieht im Kleinen wie im Großen, und jede neue Generation verändert die Gesellschaft, aus der sie kommt.
Diese „rebellischen Aufstände“ der Jugend finden auch schon immer in der Kunst statt, etwa in der Malerei (wir nennen das heute „Epochen“), in der Literatur (wir nennen das heute „Gattungen“) und natürlich in der Musik. Musik ist, spätestens seit Aufkommen der modernen Aufnahmetechniken, die erste und vorderste Ausdrucksform, mit der Jugendliche sich von ihren Eltern distanzieren: Jazz, Rock'n'Roll, Punk, Grunge, Techno, Justin Bieber und Miley Cyrus – sie alle werden groß, weil die Eltern sie ablehnen, was sie für die Kinder um so verführerischer macht.

Filme aber müssen sich diese Funktion erst verdienen und nach 1955 ihre Nische finden. Interessant dabei ist, dass Filme die Rebellion der Jugend auf zwei Arten unterstützen.
Quelle: DVD "Der Frühstücksclub" © Universal Pictures Germany
Die erste Art sind dabei Filme, deren Form die Loslösung der Jugend unterstützen. Das meint all die Filme, die Jugendliche so lieben, weil ihre Eltern sich dabei die Haare raufen: A CLOCKWORK ORANGE, THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE, MEET THE FEEBLES, BRAINDEAD, GESICHTER DES TODES, FIGHT CLUB, PULP FICTION oder EMMANUELLE zum Beispiel. Es ist kein Zufall, dass vor allem Gewalt- und Horrorfilme bei Jugendlichen so beliebt sind. Filme, in denen die üblichen Regeln nichts gelten und in denen die Anarchie gefeiert wird und häufig die Jugend triumphiert. Die erfolgreiche Missachtung und Loslösung von Regeln ist ja genau das, was die Rebellion der Jugend auszeichnet.

Die zweite Art von Filmen meint solche, deren Inhalt sich um die Rebellion der Jugend dreht. Wie eben in … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN. Diese Filme sind nicht so sehr schockierend, stattdessen sprechen sie etwas in den Jugendlichen an. Sie sind kein Mittel der Rebellion, sondern eine Stimme der Rebellion. Irgendwie, irgendwo, finden Jugendliche sich in diesen Filmen wieder. Sie sehen darin ihre eigenen Gedanken, Ängste, Sorgen und Gefühle wiedergegeben und blicken in den Spiegel des Erwachsenwerdens.


Die Klassiker der Jugendrebellion


Wir möchten heute einige Filme dieser zweiten Kategorie näher betrachten, weil diese in direkter Abstammung zu … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN stehen, und zu dem, was James Dean damals verkörperte: Das Spiegelbild einer Jugend, und ihren Aufstand gegen die alte Generation.

… DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN (USA 1955)

Wir bereits erwähnt stellt dieser Film eine Art Startschuss dar. Er ist zwar nicht der erste Film, der sich mit der Problematik von Jugendlichen beschäftigt, allerdings ist er der erste, der ihren Standpunkt einnimmt. In allen Vorläufern sind problematische Jugendliche eben das: ein Problem. In … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN werden sie erstmals zur Folge, zum Symptom eines ganz anderen Problems: der Eltern.
Hier findet sich eine ganze Generation Jugendlicher wieder, die im Sumpf ihrer von Wohlstand ertränkten, vom Krieg traumatisierten Eltern aufgewachsen sind, und die - vielleicht als eine der ersten Generationen überhaupt - einen Mangel an Vorbildern beklagen muss. Ironischerweise wird mit James Dean, oder seiner Figur des Jim Stark, ausgerechnet einer der Ihren zu ihrem Vorbild.

DIE HALBSTARKEN (D 1956)

Auch wenn der Film heute immer ein wenig als „Deutscher Klon“ von … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN abgetan wird, ist er eigentlich viel mehr als das. Als der Film 1956 in die deutschen Kinos kommt, gibt auch er der damaligen Jugend erstmals eine Projektionsfläche. Das deutsche Nachkriegskino wird von Heimat- und Heile-Welt-Filmen überschwemmt. Realismus ist nach der noch frischen Wirklichkeit des Zweiten Weltkriegs nach wie vor kein allzu gefragtes Kulturgut. Dass DIE HALBSTARKEN sich bemüht, ein realistisches Bild der deutschen Nachkriegsjugend zu zeichnen, spricht daher Bände. Der Journalist Will Tremper ist für die Erzählung und das Drehbuch tief in die Jugendsubkultur abgetaucht und bringt sie originalgetreu auf die Leinwand. Selbst die Jugendsprache mit Begriffen wie „Backfisch“ findet hier eine korrekte Anwendung.
Quelle: DVD "Die Halbstarken" © STUDIOCANAL
Den Jugendlichen gefällt es. Sie fühlen sich von der verbrecherischen Bande im Film derartig gut vertreten und motiviert, dass es nach den Vorführungen regelmäßig zu Randalen und Belästigungen in den Kinos kommt.
1996 produziert Bernd Eichinger ein TV-Remake des Films mit Til Schweiger, der deutlich aufzeigt, dass DIE HALBSTARKEN eben nur ein Spiegelbild einer Generation sein konnte. Statt wie das Original die Jugend zu zelebrieren, feiert das Remake die Zeit, in der er spielt. Für die Zuschauer der Neunziger bietet er damit keinerlei Projektionsfläche mehr und wird zur reinen Hommage an ein Jahrzehnt, die die Zuschauer allerdings kalt lässt. 

GRAUSAME GESCHICHTEN ÜBER DIE JUGEND (JP 1960)

Wie in japanischen Filmen üblich, ist hier nichts so, wie es scheint. Regisseur und Autor Nagisa Ōshima nutzt sein von der Nouvelle Vague inspiriertes, brutales Meisterwerk für die unvermeidliche Verbindung zwischen Jugend und Politik.
Damit gibt er dem ganzen Land Japans eine Stimme, das sich 1960 noch immer wie ein bevormundeter Jugendlicher fühlt: Das einst stolze und mächtige Land steht seit Kriegsende unter der strengen Fuchtel der amerikanischen Besatzer, die das Land gnadenlos verwestlichen. Jegliche „alte Generation“ wird aufgelöst und das ganze Land neu konstruiert. Die Japaner haben auch 15 Jahre nach ihrer Kapitulation – im besten Jugendalter also – noch Schwierigkeiten, sich an ihr neues, unterdrücktes Leben zu gewöhnen.

1960 wird zum großen Verdruss der Bevölkerung auch noch der „Sicherheitspakt“ zwischen Japan und den USA erneuert. Eine Selbstständigkeit steht also in weiter Ferne.
GRAUSAME GESCHICHTEN ÜBER DIE JUGEND erzählt von einem jugendlichen Pärchen, das ältere, wohlhabende Herren erpresst und seine Wut und ihren Frust an ihnen auslässt. Die Gefühle, die das Volk nicht ausleben kann, dürfen die Filmfiguren stellvertretend erleben.
Ōshima setzt hier also den Zorn der Jugend mit dem Zorn der japanischen Bevölkerung gleich. Eine ganze Nation als unterdrückte Teenager – einen größeren Wirkungsbereich findet kein anderer Film auf unserer Liste.

A CLOCKWORK ORANGE (GB 1971)

UHRWERK ORANGE, wie der Film nach Anthony Burgess' Roman auf deutsch heißt, ist einer der sperrigsten Vertreter der filmischen Jugendrebellion, und zugleich einer der einflussreichsten, da er sich die Jugend, die er vertritt, einfach selbst erschafft: die Punker.
Ungewöhnlich ist zunächst, dass der Film nicht von einer „alten“ und einer „neuen“ Generation handelt, sondern eher kreisförmig die Frage danach stellt: Wer erschafft die Gesellschaft, und wer rebelliert gegen sie?
Auch wenn der Film gängige Probleme anspricht, etwa die für Erwachsene rätselhafte Jugendsprache, wird Gewalt zum dominanten Rebellionswerkzeug der Jugend. Das auf Herumlungern, Gewalt und „Drogen“ konzentrierte Leben von Alex und seinen „Droogs“, sowie ihre scheinbare Emotionslosigkeit gerät hier zum rebellischen Fokus. Der Film nimmt dabei keine klare Perspektive ein, denn er spart an Motivationen. In die Welt der jugendlichen Rebellen erhält man nur oberflächlichen Einblick, in die der ratlosen Eltern und der Gesellschaft jedoch auch.
Quelle: DVD "Uhrwerk Orange" © Warner Home Video
Der Film löst nach Erscheinen enorme Diskussionen über Gewaltverherrlichung aus. Auch wenn er heutzutage äußerst zahm wirkt (Die FSK Freigabe wurde mittlerweile von 18 auf 16 runtergesetzt), bietet er 1971 selten gesehene, scheinbar sinnlose Gewaltakte. Die Jugendlichen im Film sind komplett triebgesteuert, anarchisch und scheinen keinerlei Moral oder andere innere Regelfunktionen zu besitzen. Damit bieten sie eher ein Schreckensbild einer Jugend statt ein Spiegelbild.

Für einige scheint das jedoch auch eine Motivation zu sein: In England kommt es zu vermeintlichen Nachahmungstaten und Kubrick lässt den Film kurz nach Erscheinen und nach Drohungen gegen seine Familie in England aus dem Verleih nehmen. Erst siebenundzwanzig Jahre später, nach Kubricks Tod 1999, wird das Verbot aufgehoben.
Da hat sich der Film jedoch längst durchgesetzt, denn eine ganze Jugendgeneration, besonders in England und Deutschland, ist von dem gewaltbereiten, der Gesellschaft ins Gesicht rotzenden, anarchischen Attitüde des Films begeistert. Aus der Fangemeinde entwickelt sich eine ganz eigene Jugendkultur – vielleicht die drastischste von allen: Der Punk. Dessen Aufstieg in den Siebzigern ist der Gegenschlag der Jugend gegen die gesamte Gesellschaft. Ein Feuerwerk der Anarchie, ja ein Versuch, die Anarchie als Lebens- und Gesellschaftsform zu etablieren. In diesen Kreisen wird A CLOCKWORK ORANGE zum Kultfilm, zum Vorbild und Spiegelbild gleichermaßen. Die Jugendkultur, die der Film erschaffen hat, fühlt sich davon am ehesten wiedergegeben.
Das macht A CLOCKWORK ORANGE zum vielleicht einflussreichsten und wuchtigsten Film dieser Liste.

EIS AM STIEL (IL 1978)

Auch Liebe und Sexualität sind ein entscheidender Punkt, in dem Jugendliche sich von ihren Eltern lösen müssen, und kein Film hat den Konflikt der Generationen so einfühlsam und smart auf die Leinwand gebracht wie das israelische Drama von 1978.
Quelle: DVD "Eis am Stiel" © Universum Film GmbH
Jugendliche erhalten keine Gebrauchsanleitung für ihre ersten Gefühle, und Erwachsene sind da weder eine Hilfe noch ein Vorbild, wie der Film eindringlich zeigt. Auch er spielt in den späten Fünfzigerjahren und handelt von dem jungen Benny, der seine erste Verliebtheit kaum ertragen kann. Ihm gegenüber stehen die Erwachsenen, für die Liebe und Sex aus Gewohnheit, gegenseitiger Missachtung, Fremdgehen und Prostitution bestehen. Auch sein älterer Freund Momo, bereits tiefer im Erwachsensein verwurzelt als Benny, hat für die Zartheit der Liebe nichts mehr übrig. In dieser Welt, in der das Erwachsensein mit verrohten Liebesgefühlen gleichgesetzt wird, ist Bennys Beharren auf Romantik und Zärtlichkeit eine ganz eigene Form der Rebellion.
Auch wenn der Film durchaus als Komödie angelegt ist, ist es dennoch bedauerlich, dass die Reihe im Anschluss vor allem von deutschen Produzenten immer mehr zum Fummelklamauk runtergenudelt wird. So ist der erste Teil als sensibles Jugenddrama heute kaum noch im Bewusstsein.

THE OUTSIDERS (USA 1983)

Die Achtziger sind das Jahrzehnt, das am stärksten Bezug auf die 50er und 60er Jahre nimmt, beide Jahrzehnte erleben in dieser Zeit beinahe eine Renaissance. Vermutlich, weil jetzt all die Regisseure und Autoren den Weg ins Kino finden, die in dieser Zeit aufgewachsen sind.
1983 inszeniert Francis Ford Coppola gleich zwei Jugendramen, von denen eines eine klare Hommage an die 60er Jahre ist und in Form und Inhalt klare Reminiszenzen an … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN aufweist.
Im Zentrum des Klassikers THE OUTSIDERS stehen zwei rivalisierende Banden, von denen jede auf ihre Art gegen die Gesellschaft aufbegehrt. Dabei kommen sie sich schnell und dramatisch in die Quere. Es geht um die Aufrechterhaltung von Moral und Menschlichkeit innerhalb der Gruppe.
Und es geht um eine Freundschaft zwischen zwei Jugendlichen, die sich über die Regeln der Gruppe hinwegsetzen. Das Finden eines Seelenverwandten, eines Freundes, der die Sensibiltät und die Einsamkeit ebenso teilt. Ein Freund, der das Leben anderer höher einschätzt als das eigene und somit eine Alternative zur Gewalt innerhalb der Gruppe bietet.
Quelle: DVD "Die Outsiders" © STUDIOCANAL
Das Ende des Films ist am deutlichsten angelehnt an das Ende von ... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN, denn so scheint der vermeintliche Unfall eher ein Selbstmord zu sein, da das Alleinsein innerhalb der Gruppe keine Perspektive zu bieten scheint.
Spannend ist dabei, dass der Film gleichzeitig wie ein Nachsatz zu … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN wirkt. Denn im Klassiker von 1955 hat das Tun der Figuren keine sichtbaren Konsequenzen. Obwohl zwei Menschen sterben, werden die Konsequenzen dieser Taten größtenteils ausgespart, der Film bleibt ganz beim Innenleben der Figuren.
THE OUTSIDERS nun konzentriert sich vor allem auf die Konsequenzen der Taten, nicht für die Personen selbst, sondern für ihre Zugehörigkeit in der Gruppe. Er wirkt damit deutlich realistischer als der etwas ätherische … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN.

DER FRÜHSTÜCKSCLUB (USA 1985)

DER FRÜHSTÜCKSCLUB ist vermutlich der bedeutsamste aller hier genannten Filme, weil er die dichteste Essenz enthält. Zumindest ist er für das Genre der Jugendrebellionsfilme deutlich höher einzuschätzen als … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN.
Fünf Jugendliche, fünf Archetypen dessen, was ein Jugendlicher 1984 sein konnte – eine Prinzessin, ein Sportfreak, ein Streber, ein Rebell und eine Verrückte –, verbringen einen gemeinsamen Samstag beim Nachsitzen. Fünf Jugendliche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, die im normalen Leben niemals irgendeinen Kontakt miteinander haben würden, erfahren plötzlich, dass sie trotz ihrer Unterschiedlichkeit alle gleich sind – sie alle lehnen sich gegen ihre Eltern auf.

DER FRÜHSTÜCKSCLUB ist neben … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN der einzige Film, der direkt auf den Konflikt zwischen Eltern und Jugendlichen abzielt. Der Film lotet die Formen des Widerstands gegen die Eltern aus. Und wie … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN spricht er die Ängste der Jugendlichen direkt und explizit aus: „Wenn du erwachsen wirst, stirbt dein Herz“ oder „Mein Gott, werden wir etwa wie unsere Eltern?“ sind einige der vielen, vielen Kernsätze des Films.
Was die Rebellion der Jugend betrifft, gibt es keinen besseren, pointierteren und klassischeren Film als DER FRÜHSTÜCKSCLUB, denn all die Ängste, all die Mechanismen, all die Vorurteile, welche die Basis des Films bilden, sind noch heute das Fundament der Gefühle Jugendlicher. Die Archetypen mögen sich geändert haben, aber die Beweggründe haben es nicht.

FERRIS MACHT BLAU (USA 1986)

Wenn es einen Film gibt, der „Spaß“ zum Mittel der Rebellion macht, dann ist es FERRIS MACHT BLAU! Auch er entstammt der Feder und Regie von John Hughes, dem vermutlich größten filmischen Genie der Jugendrebellion, ein Idol, wie es James Dean noch überstrahlen würde – wenn er seine rebellischen Filme nicht immer mit fremden Gesichtern geschmückt hätte.
Quelle: DVD "Ferris macht blau" © Paramount Home Entertaiment
In diesem Fall ist es das Gesicht von Matthew Broderick, der mit Ferris Bueller tatsächlich das Achtziger Pendant zu James Deans Jim Stark darstellt: Er ist die coolste Sau von allen und inspiriert eine ganze Generation Jugendlicher, ihm nachzueifern.
Hatte Hughes sich ein Jahr zuvor noch dem Eltern-Kinder Konflikt gewidmet und dabei tief philosophische Töne angeschlagen, frönt er nun dem Hedonismus der Jugend: „Das Leben geht ziemlich schnell vorbei. Wenn ihr nicht ab und zu anhaltet und euch umseht, könntet ihr es verpassen“, drückt Ferris die Prämisse des Films – und die große Sorge der Jugend aus.

Hughes trifft erneut einen Nerv, denn tatsächlich fällt es als Jugendlicher oft schwer, einfach mal locker zu lassen und Spaß zu haben. Dieser Grundangst stellt Hughes den tiefenentspannten, bis zur Haarspitze selbstbewussten Ferris Bueller entgegen (ein absolutes Novum! Nur selten werden durch und durch selbstbewusste Teenager zum Star eines Films über Jugendrebellion), der einfach mal die Schule schwänzt und mit seinem besten Freund und seiner Freundin einen drauf macht – und dabei genügend erlebt, dass es für eine ganze Jugend reicht.
Angeheizt wird der Wert dieses Tages noch durch seine Feststellung, dass es der letzte schöne Tag sei, im letzten Jahr der High School, bevor das Leben so richtig losgeht. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Hughes verdichtet hier das Leben eines Jugendlichen auf die Türschwelle zum Erwachsenwerden. Auf den letzten schönen Tag als Jugendlicher. Seine Figuren wissen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Ihnen bleibt nur noch die bevorstehende Düsternis eines Lebens als Erwachsener. Hier wird der Spaß, die „Sause“ zum Mittel der Rebellion: Während die Eltern schuften, der Rektor die Regeln einzuhalten versucht, und die missgünstige Schwester darauf beharrt, dass ihr Bruder sich endlich wie ein Erwachsener zu benehmen hat, dreht Ferris allen eine lange Nase und nimmt das Leben nochmal leicht – solange er noch kann.

HEATHERS (USA 1989)

HEATHERS kracht in die Filmwelt wie ein Paukenschlag und entpuppt sich als rotzige Grunge-Schwester des poppigen Jugendfilms. Wenn ein Film die Jugend der Neunziger einleitet, dann dieser. Nachdem Jugendliche im Film jahrzehntelang bedeutungsschwer gehadert, gewütet und sich vergnügt haben, dürfen sie der Welt nun den desinteressierten Mittelfinger zeigen. Da ist es kein Zufall, dass die von Christian Slater gespielte, bitterböse Anti-Version von James Dean ausgerechnet "J.D." heisst.

HEATHERS wirkt generell wie das dunkle Gegenstück aus dem Spiegeluniversum von John Hughes' gefühlsduseligen Teenyfilmen. Hier respektieren die Jugendlichen nichts und niemanden, am allerwenigsten sich selbst. Sie begehren gegen ausnahmslos alles auf, vor allem gegen die eigenen Gruppenstrukturen. Hatten sich die unterschiedlichen Jugendkulturen in DER FRÜHSTÜCKSCLUB noch mit Gesprächen und Gefühlsduseleien auf ihre Gemeinsamkeiten besonnen, schleudern sie sich in HEATHERS Crocketschläger und brennende Dynamitstangen um die Ohren. Ein wichtiger Film, der die Weichen für eine ganze Generation legt: Wer in den Neunzigern „cool“ sein will, dem musste alles egal sein, inklusive der eigenen Peer-Group und im Zweifelsfalle das eigene Leben.
Quelle: DVD "Heathers" © Alive - Vertrieb und Marketing
So ganz hat sich die Jugendkultur bis heute nicht von dieser Scheißegal-Haltung – in HEATHERS nimmt sie ihren filmischen Ursprung. Der Streifen prägt damit so gut wie jeden Jugendfilm der Neunziger: Ein bisschen Mir-doch-egal Mentalität muss anschließend einfach sein, sonst wirkt ein Filme spießig oder Achtziger-verkitscht.

HEAVENLY CREATURES (NZ 1994)

Der vielleicht konsequenteste Vertreter seiner Gattung: Als zwei jugendliche Mädchen sich von ihrem Traumleben ausgegrenzt sehen, wählen sie die wohl bitterste Form der jugendlichen Auflehnung und Loslösung: Den Elternmord!
Peter Jacksons Drama nimmt auch deshalb so eine Sonderstellung ein, weil es möglicherweise der einzig bedeutsame Jugendrebellionsfilm ist, dessen Handlung auf wahren Tatsachen beruht. Es ist erstaunlich, dass diese letzte, konsequenteste Form des Widerstands gegen die Eltern keinem Autor für seine fiktive Geschichte eingefallen ist, sondern dass sie aus der Realität gezogen werden musste.
Einer der eindringlichsten Filme dieser Liste.

KIDS (USA 1995)

Vermutlich der krasseste Titel auf dieser Liste, und eine echte Ausnahme, weil es ihm gelingt, die erste, auf Schockierung der Eltern abzielende Art des Jugendfilms, und die zweite, auch inhaltlich von der Rebellion der Jugend erzählende Art, perfekt kombiniert.
Mit (damals) Laiendarstellern wie Cloe Sevigny und Rosario Dawson inszeniert Larry Clark das wütende Drehbuch von Harmony Korine. Nie zuvor (und selten danach) werden Teenager als derart perspektivlose Rotzlöffel porträtiert. Wo die Teenager in allen vorhergehenden Filmen eher hilflos waren und Vorbilder, Antworten, einen Plan oder wenigstens einen Zipfel von Spaß und Erleuchtung suchten, suhlen sich die verlorenen Kinder in KIDS wohlig in ihrem eigenen Dreck. Man füllt den Tag mit verprügelten Pennern, mit Alkohol, Drogen, Sex, Vergewaltigung und allem anderen, was einer Jugend ohne jede Perspektive den Tag verschönert.
Das perfide dabei: Mitte der Neunziger, noch immer im brandaktuellen Thema AIDS gefangen, wird allein diese Krankheit zum roten Faden der „Handlung“, und die Moral endet darin, dass zumindest einige der Jugendlichen ohnehin keine Zukunft haben, und jeder Versuch, erwachsen zu werden daher zwecklos ist.
Quelle: DVD "Kids" © Universum Film GmbH
Die Teenager in KIDS rebellieren aus vollen Rohren, doch sie tun es weder zielgerichtet noch mit einem nennenswerten Ergebnis – sinnloser, zynischer und bösartiger hat kaum ein anderer Film den Aufstand der Jugend je gezeigt.

HUNGER GAMES REIHE (USA 2012-2015)

Die HUNGER GAMES Reihe bietet den wohl modernsten Einblick in die Jugendrebellion. Sie gehört zu den wenigen Literaturverfilmungen und funktioniert vermutlich ein wenig anders, als die meisten anderen hier aufgeführten Filme. Dennoch erachten wir sie als gültig.
Auf den ersten Blick wird klar, wieso: Ein (erwachsenes) totalitäres Regime zwingt seine (jugendlichen) Bewohner, sich in tödlichen Arenakämpfen zu beweisen. Im Laufe der Handlung begehrt das (von der jugendlichen Katniss angeführte) Volk gegen das Regime auf und befreit sich. HUNGER GAMES bietet damit eine klare und saubere Metapher auf den jugendlichen Aufstand: Die Jugend verweigert sich den alteingesessenen Regeln und fegt, in diesem Falle mit Gewalt, die alte Generation fort, um eine neue aufzubauen.
Interessant ist dabei, wie sehr HUNGER GAMES den zeitlichen Ablauf umkehrt: Das „Erwachsene“ Regime beschreibt eine dystopische Zukunft. Die „jugendliche“ Revolte hingegen strebt die Rückkehr zum vergangenen „gegenwärtigen“ Status an. Hier sind die Jugendlichen der reaktionäre (und zugleich die Welt verändernde) Part.
An Suzanne Collins' Romanreihe wird schon an unzähligen anderen Stellen heruminterpretiert (die Romane bieten reichen Stoff für die Literaturwissenschaften), so dass wir es uns hier ersparen wollen, weisen aber auf die interessanten Mechanismen und Umkehrungen hin, die die Filme mit sich bringen. Und natürlich darauf, dass hier, anders als in vielen anderen Filmen, die Jugendlichen nicht innerlich rebellieren, sondern äußerlich.
Auch andere Filme, wie aktuell die MAZE RUNNER Reihe schlagen in diese Kerbe, in der die Welt der Erwachsenen als von Jugendlichen zu überwindende Dystopie dargestellt wird.
Es bleibt abzuwarten, ob sich hier ein neuer Trend etabliert, und Filme über Jugendrebellion in Zukunft öfter diesen Weg beschreiten.

Die bewahrte Jugend


Man erkennt also klare Gemeinsamkeiten, aber auch klare Unterschiede in den Filmen, die den Aufstand der Jugend zum Thema haben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie stets nur die Jugend ihres Augenblicks porträtieren können. Zwischen … DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN, DER FRÜHSTÜCKSCLUB und KIDS liegen Welten – oder eben einfach Jahrzehnte und Generationen.
Das ist etwas, das auch bleiben wird. Jede kommende Generation wird die alte schockieren, und immer werden die Filme kommen, die es kommentieren und dieser Generation ein Gesicht, eine Stimme geben.

Deutlich sichtbar ist auch, dass jeder Film einen anderen Schwerpunkt darauf legt, womit oder weswegen sich Jugendliche auflehnen. Manchmal gegen die Eltern, manchmal die Gesellschaft oder die Erwartungen. Manchmal wehren sie sich mit Gewalt, mit Trotz oder mit Spaß. Auch das entspricht der Vielseitigkeit des gesellschaftlichen Vorgangs, um den es hier geht.
Quelle: DVD "Heavenly Creatures" © Senator Home Entertainment
Ein Überblick wie dieser kann auch nicht komplett sein. Je nachdem, wie eng man die Maßstäbe anlegt, gibt es noch Dutzende, vielleicht Hunderte Filme, die sich mit dem Konflikt zwischen Jugend- und Elterngeneration beschäftigen. Von FREAKY FRIDAY (sowie sämtliche folgenden Körpertauschkomödien wie etwa BIG) über DIE GOONIES, AUF KURZE DISTANZ, WEST SIDE STORY, GREASE, oder BATTLE ROYALE (eigentlich der Vorläufer zu THE HUNGER GAMES) gibt es noch etliche Filme, die sich dem Thema Jugend widmen, und damit zwangsläufig auch dem Protest. Wer die Grenzen noch großzügiger steckt, könnte sogar Filme wie KEVIN ALLEIN ZU HAUS oder REQUIEM FOR A DREAM zu den Rebellionsfilmen zählen – immer dort, wo es zu Konflikten zwischen Alt und Jung, zwischen Jugend und Gesellschaft kommt, sind Spuren dessen enthalten, was mit James Dean einst begann.
Wir wollten uns hier auf die etwas deutlicheren Vertreter konzentrieren, und auf die, die in gewisser Weise etwas Neues oder Einzigartiges eingebracht haben.

Viele von uns, gerade die ältere Generation, vergessen schnell, wie gut es uns geht. Dass „wir“ als Gesellschaft über Kunstformen verfügen, die uns die Stimme der Jugend verständlich machen. Und die in den Filmen „von damals“ unsere eigenen Stimmen gut konserviert aufgezeichnet haben. Vielleicht tut es gut, dann und wann einmal hinzuhören, was die Jugend von einst zu sagen hatte, um die heutige besser zu verstehen und uns die eigene ein bisschen zu bewahren. Denn, wir wiederholen es gerne: Das Leben geht ziemlich schnell vorbei. Wenn ihr nicht ab und zu anhaltet und euch umseht, könntet ihr es verpassen.

(In unserem dritten Teil widmen wir uns wieder James Dean und den Folgen seines Todes persönlich!)

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