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10.12.17

Deadly Games (F 1989) – Der Weihnachtskultfilm den keiner kennt

„Es gibt diesen Moment in der Kindheit, wenn das Kind anfängt Fragen zu stellen, über die Existenz der Vorstellungskraft, von Wundern und des Todes. Das alles analysiere ich, jedoch auf dem Wege der 'Unterhaltung', denn wenn ich ins Kino gehe, will ich nicht gelangweilt werden. Man kann den Film einfach als das nehmen was er ist, als einen packenden Thriller, aber um ehrlich zu sein, gibt es unter der Oberfläche viele Themen und Ideen, die weit stärker als reine Unterhaltung sind.“
- René Manzor
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Marcos Blick:

Kaum ein Etikett für Filme ist derartig ausgefranst und verwaschen wie „Kultfilm“. Und doch beschreibt kein anderer Begriff besser, was DEADLY GAMES, der französische Weihnachtsthriller von 1989, heute ist – und der darüber hinaus einen ganz fantastischen, märchenhaften Weihnachtsfilm für Teenager darstellt!
Seinen Kultcharakter verteidigt DEADLY GAMES durch zwei simple Tatsachen: Erstens, dass ihn, bis heute, kaum jemand kennt, und zweitens, dass jeder, der ihn kennt, das sehr bedauerlich und komplett unverständlich findet, weil hier schlicht einer der besten europäischen Genrefilme seiner Zeit ein Schattendasein fristet. Düster und märchenhaft, witzig und brutal, hoffnungsvoll und doch ein Abgesang auf die kindliche Unschuld.

Als der Film 1990 erscheint und das Publikum auf diversen Fantasy-Filmfesten und dem weltweiten Videomarkt begeistert, fallen vor allem zwei Titel, mit denen der französische Thriller verglichen wird: KEVIN – ALLEIN ZU HAUS und STIRB LANGSAM. Und mit beiden kann er es locker aufnehmen!

Scheiße, den Weihnachtsmann gibt’s echt


DEADLY GAMES erhält nie eine offizielle Kinoauswertung, sondern läuft auf einigen französischen Festivals, bevor er auf Video und im Kabelfernsehen erscheint. Entsprechend problematisch erweist es sich, dem Film einen einheitlichen Titel zuzuordnen. Dem Originaltitel, 36-15 CODE PÈRE NOËL und dessen Übersetzung DIAL CODE SANTA CLAUS, steht in Spanien der Titel GAME OVER gegenüber, in Italien UN MINUTO A MEZZANOTTE. Auf dem internationalen Markt erscheint er unter dem Titel DEADLY GAMES, so auch in Deutschland, wo er die üblichen, bedauerlicherweise wechselnden Nebentitel erhält: Unter DEADLY GAMES – STILLE NACHT, TÖDLICHE NACHT erscheint er im November 1990 auf Video, bei seiner Erstausstrahlung auf Premiere im Jahr 1991 heißt er plötzlich: DEADLY GAMES – ALLEIN GEGEN DEN WEIHNACHTSMANN.
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Wie er nun auch heißen mag: DEADLY GAMES erzählt von dem 9-jährigen Thomas, der mit seiner Mutter und seinem uralten, halbblinden „Opi“ in einem gigantischen Anwesen nahe Paris lebt. Thomas' Figur stellt die wunderbare Gratwanderung eines Kindes auf der Schwelle zum Erwachsenwerden dar: hochintelligent und analytisch programmiert Thomas bereits Computerprogramme, bastelt an Autos rum, und gestaltet schon mal das Anwesen um.
Gleichzeitig wird er von geradezu bewundernswerter kindlicher Naivität getrieben: Er huldigt den Helden des US-Actionfilms der Achtziger und glaubt ohne den geringsten Zweifel an den Weihnachtsmann.


Und so plant er für diesen Heiligabend einen großen Coup: Er will den Weihnachtsmann auf Video bannen und persönlich überraschen – als Beweis, dass es ihn gibt. Davon bringen ihn auch die Warnungen seiner Mutter nicht ab, die an diesem Abend lange arbeiten muss: „Wenn der Weihnachtsmann mitbekommt, dass du ihn siehst, verwandelt er sich in ein Ungeheuer“, versucht sie ihn von seinem Plan abzubringen.
Doch Thomas zieht sein Vorhaben durch. Was er nicht weiß: Durch einen technischen Defekt in einem öffentlichen Informationsnetz ist er in das Visier eines mörderischen und unberechenbaren Fremden geraten, der sich als Weihnachtsmann verkleidet, und sich um Mitternacht durch Thomas' Kamin abseilt. Als der vermeintliche Weihnachtsmann sich äußerst brutal an Thomas' Hund vergeht, der den Einbrecher stellen will, und darüber hinaus noch „Opi“ bedroht, wird dem Jungen klar, dass er einen riesigen Fehler begangen hat – und der Weihnachtsmann sich in ein Monster verwandelt hat.
Was folgt, ist ein derbes, mitunter brutales Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem undurchsichtigen Psychopathen und dem neunjährigen Thomas, der glaubt, sich mit all seiner Cleverness und diversen Spielzeugen gegen den wildgewordenen Weihnachtsmann zur Wehr zu setzen …


Der Kokon der Kindheit


Einer der Aspekte, der DEADLY GAMES seinerzeit das Genick bricht ist der, dass er ein französischer Film ist. 1989 und 1990 ist das französische Kino für existenzielle Dramen bekannt, nicht für Genrefilme. Heute hat sich das geändert, und Frankreich ist, spätestens seit HIGH TENSION und MARTYRS für hammerharte und teilweise düstere Slasherkost geachtet. Auch aktuelle Genrefilme wie etwa RAW sind aus Frankreich erwartbar geworden.
Ende der Achtziger jedoch ist sehenswerte Genrekost aus Frankreich unvorstellbar. Die Internationale Speerspitze des (zumindest teilweise) französischen Kinos tragen 1990 Titel wie CINEMA PARADISO, DER BÄR, IM RAUSCH DER TIEFE, CHRONIK EINES ANGEKÜNDIGTEN TODES oder DAS LEBEN IST EIN LANGER, RUHIGER FLUSS.
Niemand rechnet mit einem sinnvollen französischen Film, in dem ein Kind sich eine Schlacht mit dem Weihnachtsmann liefert und dabei das amerikanische Actionkino kopiert. Und so wird der Streifen vom internationalen Kinomarkt mit kompletter Missachtung gestraft.
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Dabei hätte man Regisseur und Autor René Manzor durchaus auf dem Radar haben können. Schon 1986 sorgt der in Frankreich für Aufsehen, als er, gerade 25-jährig, für die Verfilmung seines Debüts REISE IN DIE UNENDLICHKEIT die Unterstützung von Alain Delon erhält. Das fantastische, effektreiche Drama um einen Vater, der dem Tod mit seinen Zeichnungen die Zeit vertreiben soll, damit dieser seinen Sohn nicht holt, wird in den kunstbesonnenen Kinos von Paris ignoriert, entwickelt sich jedoch in der Provinz zu einem echten Hit.
REISE IN DIE UNENDLICHKEIT gilt 1986 als der erste gute französische Fantasyfilm überhaupt und weckt jede Menge Hoffnungen.

Autor und Regisseur René Manzor erhält daraufhin Hunderte Briefe von begeisterten Zuschauern, die ihm erzählen, wie viel Sinn der Film ihrem Leben wieder gegeben habe; die ein Kind verloren hätten, und ebenfalls daran glaubten, noch mit ihm kommunizieren zu können.
Es sind diese Briefe, die Manzor dazu bringen, über das Wesen der Kindheit nachzudenken und über den großen Konflikt der Kindheit: Das unaufhaltsame Erwachsenwerden, das gleichzeitig den Tod des Kindes mit sich bringt. „Ich war mir meiner eigenen Kindheit völlig bewusst. Ich wusste, dass ich etwas Wunderbares erlebe, und dass es irgendwann enden wird. Als der große Wechsel dann kam, fühlte ich mich wie der Kokon eines Menschen, der mir fremd war, in den ich mich erst verwandelte, der sich von mir ernährte, und der jeden Tag ein Stück mehr von mir aufnahm um zu wachsen. Es war ein Kampf auf Leben und Tod zwischen mir und meinem erwachsenen Ich. Und diesen Kampf wollte ich in DEADLY GAMES wiedergeben. Es ist also ganz natürlich, dass der Film eine fantastische Note hat.“

So erklärt sich auch, dass Manzor dem Film eine sehr kindliche, beinahe magische visuelle Perspektive gibt. Er baut das Anwesen in einem Studio nach, wo er Wände entfernen kann, da er extreme Kamerawinkel sucht, um die Perspektive des Kindes einzufangen. Vieles wirkt schief, von unten gefilmt, überlebensgroß. Dafür nutzt Manzor auch „Trompe-l'oeil“-Konstruktionen, Bilder und Bauten also, die eine künstliche, räumliche Tiefe erschaffen. So wirkt das Set größer und bedrohlicher. „Für mich ist das ein Film über Angst, echte Angst, die Angst vor der Dunkelheit, die einen nie verlässt, nicht einmal, wenn man erwachsen wird. Als Kinder haben wir alle die Monster gesehen, die im Dunkeln lauerten, auf dem Stuhl, über dem unsere Kleidung hing. Das habe ich benutzt. Der Film gruselt einen nie mit Gewalt oder Blut. Deshalb wirkt die Angst so real.“

Tatsächlich gelingt ihm hier, für seine Zeit, ein kleines Meisterstück. Da der Film fast nie die Perspektive des Jungen verlässt, gewinnt alles eine irgendwie magische Aura. Außerdem wird einem schnell klar, dass der eigentliche Konflikt nicht zwischen Thomas und dem brutalen Weihnachtsmann liegt, sondern in Thomas selbst. Der Junge findet sich von Angesicht zu Angesicht mit seiner größten Liebe wieder, dem Weihnachtsmann, und muss mit dem Glauben leben, er selbst habe das Ungeheuer in Santa geweckt.
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Wie aber reagiert man als Neunjähriger, der sich unerwartet einem vermeintlichen Freund stellen muss, den man selbst in ein Monster verwandelt hat?
Es gelingt Manzor tatsächlich, den Konflikt des Erwachsenwerdens, den Verlust des Glaubens und der kindlichen Unschuld in magische Bilder und einen durchaus spannenden Thriller zu kleiden, der heutzutage wohl unter dem Label „Home Invasion“ einzuordnen wäre.

Thomas – allein zu Haus


Seine erste Aufführung hat DEADLY GAMES im März 1989 auf einem Festival für Kinder- und Jugendfilme. Erst fast zwei Jahre später startet in den USA der Weihnachtshit KEVIN – ALLEIN ZU HAUS. Manzor wittert ein Plagiat seiner Idee. Und wenn man vom unterschiedlichen Ton beider Filme absieht, sind die Parallelen unübersehbar. Doch hat die Arbeit und die Idee für KEVIN – ALLEIN ZU HAUS bereits etliche Jahre vor Filmstart begonnen, sodass ein Plagiat kaum nachzuweisen ist, und es vermutlich schlicht ähnliche Ideen waren, die zufällig zeitgleich realisiert wurden.
Manzor droht dennoch mit einer Klage, die er allerdings, so scheint es, nie umsetzt.

Dennoch wird Hollywood auf den Filmemacher aufmerksam und holt ihn zu sich – wenn auch nur für Fernsehen. Als Regisseur inszeniert er einzelne Episoden von DER HITCHHIKER (einer Art TWILIGHT ZONE, um einen Anhalter herumgestrickt; die Serie lief in Deutschland nur Anfang der Neunziger kurz nachts auf Pro 7) und von DIE ABENTEUER DES JUNGEN INDIANA JONES. Als Autor arbeitet er zudem am Drehbuch von HIGHLANDER III mit.
1994 inszeniert er mit Lukas Haas den Fernsehfilm WARRIOR SPIRIT, eine Abenteuergeschichte um einen jungen Amerikaner und einen amerikanischen Ureinwohner. Doch der große Durchbruch gelingt ihm nie, und schließlich kehrt er nach Frankreich zurück.
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Dort dreht er fleißig weiter Filme und Fernsehserien, bis heute häufig mit einer fantastischen Note. 2004 inszeniert er mit DÉDALES – WÜRFEL UM DEIN LEBEN einen sehenswerten Mystery-Thriller. 2007 übernimmt er außerdem die kreative Leitung der langjährigen Krimireihe LE JUGE EST UNE FEMME, die er deutlich ummodelt. Doch trotz der visuellen und narrativen Kraft, die in DEADLY GAMES ein großes Talent spürbar machen, gelingt ihm nie der ganz große Wurf.


Stumme Stars und blendende Tricks


Was DEADLY GAMES jedoch neben der Regie und der virtuosen Kamera sehenswert macht, sind die Leistungen der Schauspieler, allen voran Alain Musy als Thomas und Patrick Floersheim als, nun, „Weihnachtsmann“.
Floersheim beginnt 1966, mit 22 Jahren, am Theater zu spielen. In Frankreich wird er vor allem in Komödien bekannt. International tritt er kaum in Erscheinung – er hat eine kleine Rolle in JAMES BOND – MOONRAKER und in Roman Polanskis FRANTIC. Umso bekannter ist den Franzosen seine Stimme: Floersheim synchronisiert nahezu alle Filme von Michael Douglas, Robin Williams und Jeff Bridges, dazu kommen Ed Harris, Dustin Hoffman, Mel Gibson (in MAD MAX II), Martin Sheen, Kurt Russell, Christopher Walken, Willem Dafoe, James Belushi und Chris Cooper. Außerdem hat er, neben etlichen Rollen in Film und Fernsehen, noch Radioauftritte und spricht eine Anzahl von Dokumentationen für den Sender France 5.
Eine der bekanntesten Stimmen Frankreichs stirbt am 4. März 2016, kurz vor ihrem 72. Geburtstag, an Krebs.
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Floersheims Leistung in DEADLY GAMES allein ist die Sichtung wert und bleibt lange im Gedächtnis. Sein namenloser „Weihnachtsmann“ gehört zur Spitze der Schurken im Horror- und Thrillerbereich. Ja, hier findet sich ein lupenreiner Psychopath, der ohne große Reue, oder ohne groß darüber nachzudenken, Menschen tötet. Doch trotz der Gefährlichkeit und Bösartigkeit der Figur verleiht Floersheim ihr immer wieder eine unglaubliche Zerbrechlichkeit und, was noch stärker wiegt, naive Unschuld. Der Schurke in DEADLY GAMES ist, wie der Held, Opfer von Fantasie, Freude und Hoffnung. In Gebaren und Motivation oft selbst noch ein Kind, stellt der Antagonist hier das perfekte Spiegelbild des 9-jährigen Thomas dar: beide lieben es zu spielen, beide wollen anderen eine Freude machen und Gutes tun, und beide wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, wenn ihre kindliche Unschuld mit der Brutalität der Umwelt kollidiert. Der große Unterschied beider Figuren liegt darin, wie sie mit diesem inneren Konflikt umgehen.

Floersheims Weihnachtsmann bleibt aufgrund seiner unvereinbar widersprüchlichen Charaktereigenschaften auch nach fast 30 Jahren noch in Erinnerung und eine schillernde Figur im Thrillergenre.

Der damals 10-jährige Alain Musy legt jedoch ebenfalls eine erstaunliche Leistung hin. Nicht nur verleiht er seinem Thomas Witz und Verve (und einen prachtvollen Vokuhila!), sondern vor allem in den Sequenzen, in denen er den Actionhelden der Achtziger huldigt, trumpft er mit großem, komödiantischem Talent auf. Darüber hinaus überzeugt er auch in den (zugegeben seltenen) dramatischen Momenten.
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Doch eine Schauspielkarriere legt Musy nicht hin: Nur drei Filme dreht der Junge – alle unter der Regie von René Manzor. Schon in dessen Debüt, REISE IN DIE UNENDLICHKEIT, spielt Musy überzeugend den Sohn von Alain Delon. In WARRIOR SPIRIT spielt er schließlich den „Indianerfreund“ von Lukas Haas.
Dass Musy so selten auftritt, liegt vermutlich daran, dass es ihn nicht zur Schauspielerei zieht. Dass er ausschließlich mit René Manzor dreht, hat hingegen einen anderen Grund: Alain Musy ist Manzors Sohn.

Auch wenn Musy der Schauspielerei schließlich den Rücken kehrt, bleibt er der Branche treu – und gleichzeitig der Figur des Thomas: Denn heute arbeitet Alain Musy unter dem Namen Alain Lalanne als Special Effekts Leiter.
Seinen ersten Einsatz hat er auch hier für seinen Vater – in DÉDALES – WÜRFEL UM DEIN LEBEN. Bald jedoch finden sich sein Name und seine Effektfirmen unter echten Hochkarätern: THE DARK KNIGHT, AVATAR, GRAVITY, EDGE OF TOMORROW, CINDERELLA, SAN ANDREAS, THE REVENANT oder zuletzt AMERICAN GODS. Auch für das anstehende Remake der Serie VERLOREN IM WELTRAUM ist bereits fest gebucht.

Brigitte Fossey, die eine Nebenrolle als Thomas' Mutter spielt, ist vermutlich der größte Name des Films. Der ehemalige Kinderstar steht seinerzeit seit fast vierzig Jahren auf der Bühne (inzwischen seit fast siebzig!) und hat bereits zwei Nominierungen für den César ergattert, doch ihre, bis heute, bekannteste Rolle spielt sie Anfang der Achtziger als Mutter von Sophie Marceau in dem Klassiker LA BOUM.

Der Weihnachtsklassiker, der keiner ist


Thriller, Gruselfilme und Actionstreifen, die mit Weihnachten verknüpft sind, gibt es viele, nicht zuletzt STIRB LANGSAM, GREMLINS und TÖDLICHE WEIHNACHTEN.
Doch DEADLY GAMES ist mehr als ein Thriller zur Weihnachtszeit. Vielleicht ist er sogar einer der grundsätzlichen Weihnachtsfilme überhaupt, beschäftigt er sich doch als einer der wenigen mit der Frage: Was geschieht mit Kindern, wenn sie zu alt werden, um an den Weihnachtsmann zu glauben? Wie nimmt ein Kind Abschied vom Weihnachtsmann – und damit gleichzeitig von seiner Kindheit?

Diese Frage ist der treibende Motor des Thrillerplots von DEADLY GAMES. Und seine Antwort darauf macht ihn zu einem der ungewöhnlichsten Vertreter dieses Genres. Ein Film, der vieles unter einen Hut bringt: Märchen, Kinderhoffnungen, Spannung und Thrill.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor, der den Weihnachtsflair des Films ausmacht, ist sein Soundtrack, vor allem das Titellied „Merry Christmas“. Das Stück, das drei Mal während des Films und schließlich über dem Abspann läuft, wird von René Manzors Bruder (und Musiker) Jean-Félix Lalanne komponiert und getextet. Auch er orientiert sich an dem Thema des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen. Eingesungen wird es, überaus passend, von Bonnie Tyler. Auch wenn der Song in Frankreich „nur“ auf Platz 100 der Charts kommt, ist er heutzutage vermutlich bekannter als der Film, aus dem er stammt.
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Natürlich ist DEADLY GAMES nicht perfekt. Er leidet hier und dort an Logiklöchern oder an Plotholes. Doch das macht er mit einer grandiosen Kameraarbeit und sehenswerten Schauspielleistungen wieder wett.
Dennoch merkt man ihm seine dreißig Jahre an.
Da wäre zum einen Thomas' Faszination von Actionhelden. Immer wieder wird in dem Zusammenhang RAMBO zitiert, was jedoch zu kurz greift. Wenn Thomas sich mit Kriegsbemalung schmückt und mit Spielzeugwaffen durch den heimischen Topffarn-Dschungel schleicht, dann zitiert das Dutzende Actionfilme, mit denen Hollywood das Trauma Vietnam aufgearbeitet hat – von RAMBO über PREDATOR bis zu MISSING IN ACTION.

Noch deutlicher wird diese Hommage, wenn Thomas an einer späteren Stelle seine Verletzung „versorgt“ – auf einen Gürtel beißt, und sich heroisch Jod auf einen Schnitt schmiert, bevor er sich aus einem Stuhl eine Schiene für das verletzte Bein baut.
Hier zeigt sich deutlich die vergangene Zeit: Als der Film 1990 läuft, wird das bereits als Hommage erkannt, doch sind die zitierten Filme seinerzeit noch viel zu präsent und tonangebend, als dass man das seltsam finden könnte. Heute, 30 Jahre später, ist diesen Szenen ihr satirisches, ja beinahe karikierendes Moment nicht mehr abzusprechen. (Ebenso wie Thomas' skurrile Frisur!)
Damit macht DEADLY GAMES im Laufe der Zeit eine seltsame Wandlung durch: Was einst liebevolles Zitat und Zeitgeist war, wirkt heute, als wolle sich der Film darüber lustig machen.

Ebenfalls veraltet wirkt der Film, wenn er eine Computertechnik als hochmodern zelebriert, die heute geradezu steinzeitlich wirkt. Thomas' „Videoarm“ (ein echtes, und äußerst populäres französisches Spielzeug der Achtziger) wirkt mittlerweile regelrecht albern.
Das gilt ebenso für den französischen Originaltitel: 36-15 CODE PÈRE NOËL bezieht sich auf ein altes französisches BTX System, ein Vorläufer des Internets. Unter der Ziffer 36-15 konnte man von zu Hause aus öffentliche Informationsseiten aufrufen, ähnlich einem frühen, elektronischen Branchenbuch.
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Eben dieses System ist es, mit dem Thomas versucht, den Weihnachtsmann zu kontaktieren – und durch einen technischen Fehler in Kontakt zu dem Namenlosen gerät, der ihn später am Abend besucht.

Ja, DEADLY GAMES zielt bewusst auf die amerikanischen Actionfilme und -thriller seiner Zeit, was es umso bedauerlicher macht, dass Amerika den Film nicht für sich entdeckt. Denn DEADLY GAMES braucht sich hinter der US-Konkurrenz nicht zu verstecken!

In Deutschland scheint man sich mit dem Genremix schwer zu tun. Auch hierzulande erwartet man aus Frankreich bedeutungsschwere Dramen, keine Thriller voller Popkulturzitate. Die deutsche Synchro gibt ihr Bestes, wirkt jedoch damals schon seltsam schief und unangemessen – ein Eindruck, der sich mittlerweile um 30 Jahre verstärkt hat.
Zwar gibt es 1990 eine recht frühe VHS-Auswertung (die ich ausgiebig abgenutzt habe!), doch bleibt es lange dabei. Nach der Erstausstrahlung 1991 auf Premiere läuft der Film nur noch zwei Mal im Fernsehen: Am Heiligabend 1994, und eine Woche vor Weihnachten 2000.
Es folgt keine weitere VHS-Version, und lange auch keine DVD. Wer, wie die meisten, seinen Videorekorder spätestens um 2005 herum also endgültig entsorgt, hat keinerlei Möglichkeit mehr, den Streifen zu sehen.

Doch das ändert sich endlich: Pünktlich zum Weihnachtsfest 2017 spendiert Camera Obscura Filmdistribution dem Kultfilm DEADLY GAMES endlich eine DVD- und Blu Ray Auswertung.
Neben der DVD und Blu Ray erscheint auch  eine 3-Disc-Compilation, die beides plus eine Bonusdisc enthält. Damit wird der Weihnachtskultfilm – der leider keiner ist – einem ganz neuen Publikum zugänglich – und den alten Fans. Und vielleicht erhält er nun auch den Platz in der Reihe heißgeliebter Weihnachtsfilme, den er verdient.
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