17.05.17

Kinokritik: Alien: Covenant (USA 2017) – Die Erschaffung der Zerstörung

Als Ridley Scott 2012 mit PROMETHEUS ins ALIEN-Universum zurückkehrt, versucht er etwas ganz Neues. Statt reinem Monsterfilm soll PROMETHEUS ein im selben Universum angesiedelter philosophischer Science-Fiction-Streifen über die Frage sein, woher wir kommen – und wohin wir gehen.
Das fliegt ihm ordentlich um die Ohren. Unausgegorene Figuren am Rande der Dämlichkeit und eine narrative Struktur, die sich nie zwischen Monsterfilm und Philosophieausflug entscheiden kann, machen aus PROMETHEUS ein äußerst halbgares Experiment.
Jetzt hat Scott aus seinen Fehlern gelernt und versucht es noch einmal. ALIEN: COVENANT ist eine geglückte Fortsetzung von PROMETHEUS und bildet einen ungewöhnlichen, aber stabilen Hybriden, der manchmal ein bisschen Monsterfilm, aber immer eine bis obenhin mit Symbolismus vollgestopfte, philosophische Sci-Fi-Novelle ist.
© Twentieth Century Fox of Germany GmbH
Unseren heutigen Artikel möchten wir mit einer kleinen Einführung beginnen.
Wir sind uns der herrschenden Spoilerpanik im Netz bewusst und spielen daher mit offenen Karten:
Wer absolut nicht das GERINGSTE über ALIEN: COVENANT wissen möchte, bevor er den Film schaut, und wem es schon zu viel Information ist, dass es sich dabei um einen Science-Fiction-Film handelt, dem raten wir dringend dazu, augenblicklich die Lektüre abzubrechen und erst wiederzukommen, wenn er den Film gesehen hat. (Und sich in einer stillen Minute Gedanken darüber zu machen, wieso er überhaupt gerade hier ist …)
Wer mit einer Filmbesprechung leben kann, die den Film bespricht, aber dabei keine Handlungsdetails verrät, die über die ersten zehn Minuten hinausgehen, der sei herzlich eingeladen, uns bis zum Fazit zu folgen.
Wer den Film hingegen schon kennt, oder sich nicht drum schert, alle möglichen Inhalte zu erfahren, den laden wir ein, uns über das Fazit hinaus zu folgen, denn seien wir ehrlich: Nach ALIEN: COVENANT muss man erst einmal reden. Das tun wir, nach dem Fazit, im letzten Abschnitt des Textes. Weiß dann jetzt jeder, wo er hingehört? Sehr gut.
In diesem Sinne: Bereit, wenn Sie es sind.

Marcos Blick:

Nun ist sie also da, die lang ersehnte Fortsetzung von PROMETHEUS, von der sich etliche Fans erhoffen, dass Scott einige der Scharten auswetzen wird, die PROMETHEUS hinterlassen hat.
Die gute Nachricht ist: Tatsächlich gelingt ihm mit ALIEN: COVENANT eine sehenswerte Fortsetzung, die nicht nur PROMETHEUS übertrifft, sondern auch mit Wucht ins uns bekannte ALIEN-Universum einschlägt. (Mehr verraten wir vorerst nicht.)
Die schlechte Nachricht ist, dass der Film eben eine PROMETHEUS-Fortsetzung ist, und sich weiterhin eher am Rande an reine Horror- und Monsterfans der ALIEN-Reihe richtet. Doch der Reihe nach.

Die Erschaffung der Welt


Das Jahr ist 2104 – zehn Jahre sind seit den Ereignissen in PROMETHEUS vergangen. Das Kolonialisierungsschiff „Covenant“ ist noch sieben Jahre von seinem Ziel entfernt, als es zu einem Unfall kommt. Die Besatzung wird geweckt um die Schäden zu reparieren, als man einen mysteriösen Funkspruch empfängt und einen bewohnbaren Planeten entdeckt, der nur wenige Wochen entfernt liegt.
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Kurzerhand ändert man den Kurs, um die geplante Kolonialisierung auf der neuen Welt zu erkunden. Nur Minuten nach der Landung jedoch wird den Kolonisten jedoch klar, dass der Planet nicht so unentdeckt ist, wie er zunächst schien ...

Die Ausgangssituation von ALIEN: COVENANT funktioniert bedingt. Hier häufen sich eine Menge Zufälle und fragwürdige Entscheidungen. Doch am Ende dient das alles ohnehin nur der Einführung in die eigentliche Handlung – und die beginnt nach der Landung auf dem fremden Planeten.
Und was Regisseur Ridley Scott und die Autoren John Logan und Dante Harper uns hier auftischen, wird für Diskussionen sorgen. Denn abgesehen davon, dass es das gesamte Franchise auf den Kopf stellt, lässt es sich auch gar nicht so leicht klassifizieren.

Die Erschaffung des Hybriden


ALIEN: COVENANT wird es schwer haben bei Publikum und Kritikern. Gerade das Science-Fiction-Genre mag seine Subgrenzen mit klarer Linie gezogen: Auf der einen Seite die poppige Space-Opera, bei der bunte Lichtschwerter und Laserblitze durchs All zucken, auf der anderen Seite der philosphische Exkurs, wie ihn zuletzt ARRIVAL mustergültig zelebrierte: Die Zukunftsaussicht als tiefschürfendes Gedankenspiel um das Wesen der Menschheit und unseren Stand in der Gegenwart. (Der Fachmann nennt das 'Soft Sci-Fi'.)

Seit das Kino 1979 in ALIEN seinen ersten Sabbersaurier auf die Menschheit losließ, spätestens aber seit James Camerons wegweisender Fortsetzung ALIENS, gehörte das Franchise immer klar erkennbar der ersten Fraktion an. Hier spritzen Blut und Säure, hier kämpfen sich deutlich unterlegene Menschen mit selbstgebastelten Flammenwerfern, Maschinengewehren oder Scheren durch dunkle Gänge, und immer wieder springt aus irgendeiner dunklen Ecke ein schwarzglänzendes Etwas mit spitzen Zähnen hervor, damit das Publikum ordentlich quieken und sich daran erfreuen kann, nicht in der Haut der Protagonisten zu stecken. Pure Kinounterhaltung eben.

Für wirklich tiefsinnige Gedanken blieb da wenig Raum – auch wenn das ALIEN-Franchise nie ganz frei davon war. Wandte sich Teil eins noch der moralischen Frage zu, wie entbehrlich der Mensch angesichts kommerzieller Interessen ist, behandelte Teil zwei die Frage des Werts der militärischen Überlegenheit (und kann als krasse Parallele zum Vietnamkrieg betrachtet werden). Teil drei kümmerte sich um die Themen Schuld und Sühne, und in Teil vier wurde die, seinerzeit topaktuelle, Frage nach der Verantwortlichkeit der Genforschung angerissen.
All das jedoch kam selten über Handlungssplitter hinaus.
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Erst PROMETHEUS wollte der klassischen „Zehn kleine Kinderlein“-Mechanik der ALIEN Filme etwas entgegensetzen, und stürzte sich kurzerhand auf die Frage, woher die Menschheit stammt, und wer ihre Schöpfer sind.
Bedauerlicherweise verlor sich der Film in der zweiten Hälfte wieder in den Mechanismen des Monsterfilms, wodurch er am Ende weder dem einen, noch dem anderen Bauplan gerecht wurde.

Nun also ALIEN: COVENANT. Und der wagt es, seinen philosphischen Kern ganz in den Mittelpunkt zu rücken, und mit einer Art Best-of-ALIEN Szenensammlung zu dekorieren.
Man kann Ridley Scott durchaus den Vorwurf machen, hier eine kleine Mogelpackung produziert zu haben. In der allseits beliebten ALIEN-Optik verpackt, kredenzt er uns einen Film, der auch als ganz eigenständige Geschichte funktioniert hätte, weil man zwar viel über die Aliens erfährt, es aber nie wirklich um die Aliens geht.

Und damit platziert sich Scott mitten zwischen den ach so geliebten Sparten der „Hau drauf und hab Spaß“-Science-Fiction und der „tiefsinnige Analogien“-Science-Fiction. Und das macht es schwierig, sein Werk einzuordnen.

Kritik und Publikum haben schon jetzt damit zu kämpfen, den Film stimmig zu bewerten. Entsprechend laufen die Kritiken extrem auseinander. Einig ist man sich, dass der Film für einen Monsterfilm zu philosophisch ist, für einen philosophischen Science-Fiction-Film aber viel zu popcornlastig. Dabei verkennen beide Gruppen, dass es Scott einfach nur gelingt, beide Seiten hervorragend zu kombinieren.

ALIEN: COVENANT entpuppt sich wahlweise als tiefsinniger Actionstreifen mit Monstern, oder als actionlastiger Philosphie-Exkurs mit Monstern. Wer sich darauf einlässt, kann jede Menge Spaß mit dem Film haben, denn hier gibt es für jeden etwas: Spannende Monsterhatz, blutige Kampfszenen, jede Menge mehrdeutige Symbole und tiefsinnige Dialoge über das Menschsein.

Die Erschaffung der Nostalgie


Als geglückt bezeichnen darf man die beinahe trotzig wirkende Art, mit der Scott auf die „Das fühlt sich nicht nach ALIEN an“-Kritik reagiert, die PROMETHEUS entgegenschlug. Nicht wenige Fans hatten Probleme damit, gerade im ALIEN-Universum, das durch seine schmuddeligen Setdesigns berühmt geworden war, plötzlich Hochglanztechnik in 3D präsentiert zu bekommen. Auch die stets eher monochromatisch gefärbten Bilder der ALIEN-Filme wurden in PROMETHEUS durch eine deutlich buntere Farbauswahl durchbrochen.

Also zurück an den Anfang, scheint Scott sich gedacht zu haben. ALIEN: COVENANT sieht endlich wieder aus wie ein ALIEN-Film. Alles ist düster, schmuddelig und gebraucht, die Farbpalette changiert überwiegend zwischen Schwarz und grünstichigem Grau, und statt inkompetenter Superwissenschaftler haben wir wieder Besatzungsmitglieder der Arbeiterklasse, die sich von irgendwelchen Xenomorphen in Einzelteile zerlegen lassen.
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Besonders beeindruckend ist ein spezielles Setdesign (über das hier geschwiegen wird), das direkt aus einer in der Steampunk/Gothic-Szene fußenden Spätromantik herausgerissen worden zu sein scheint; irgendwo zwischen Frankenstein und verrückter Wissenschaftler.
Atmosphärisch bewegt sich ALIEN: COVENANT also auf einer satten Wiese, auf der man überall etwas entdecken kann. Dazu gehören auch Designs und Zeichnungen, die so verblüffend nach dem Urvater des Alien, H.R. Giger, aussehen, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, hier vielleicht noch Originalentwürfen des 2014 verstorbenen Künstlers gegenüber zu sitzen.

Einen bedeutenden Einfluss hat auch der Soundtrack, der mit Abstand zum besten ALIEN-Score seit James Horners Beitrag zu ALIENS gehört, und der sogar Elliot Goldenthals herausragenden Score zu ALIEN3 übertrumpft.
Jed Kurzel, der bereits für THE BABADOOK schaurige Klänge fand (und zurzeit ein Faible dafür zu haben scheint, Michael Fassbenders Filme zu vertonen; ALIEN: COVENANT ist zumindest nach SLOW WEST, MACBETH und ASSASIN'S CREED schon sein vierter Score für einen Fassbender-Streifen innerhalb kürzester Zeit), arbeitet hier nicht nur geschickt mit dröhnenden Vibrationen und metallischen Schlägen, die ins Mark gehen, sondern verwendet auch immer wieder Zitate aus Jerry Goldsmiths Score des Orginal-ALIEN von 1979. Überhaupt scheint Kurzel sich stark am Score des ersten ALIEN-Streifens zu orientieren. Rein akustisch fühlt man sich hier also augenblicklich zu Hause.

Als zweischneidiges Schwert erweisen sich die deutlich als Fan-Service erkennbaren Reminiszenzen an die ALIEN-Klassiker. Auf der einen Seite geben sie den Fans genau das, was diese vermutlich erwarten: ein nostalgisches Gefühl von Zuhause. Und warum nicht? DAS ERWACHEN DER MACHT und ROGUE ONE haben zuletzt bewiesen, dass ein Film manchmal nichts anderes braucht als genau das, um ein Erfolg zu sein.
Während die Kritiker, offenbar unwillig, den ideenlosen STAR WARS-Episoden aus dem Hause Disney ein negatives Zeugnis auszustellen, in dieser Aufwärmung alter Ideen eine Meisterleistung sehen, bewerten sie dasselbe Vorgehen in ALIEN: COVENANT als Kritikpunkt. Es muss sich halt jeder Film mit anderen Maßstäben messen lassen.

Tatsächlich hätte ALIEN: COVENANT die Reminiszenzen gar nicht gebraucht. Besonders der erste ALIEN-Film und Camerons Fortsetzung werden hier ordentlich durch den Zitatefleischwolf gedreht, was gelegentlich zu Vorhersehbarkeiten führt, aber immer auch ein wohliges Gefühl in der Magengrube spürbar werden lässt. Aber vor allem: Es findet stets in einer eigenständigen und durch und durch kreativen Geschichte statt, was das Zitateraten erträglich und vertretbar macht.

Die Erschaffung der Crew


Eine der großen Schwächen von PROMETHEUS waren die uninspiriert geschriebenen Figuren und deren teilweise hundsmiserable Darstellung.
Hier erweist sich ALIEN: COVENANT als deutlich stimmiger. Die Figuren sind besser ausgearbeitet, und die simple, aber clevere Idee, ausschließlich Paare auf eine Kolonialisierungsmission zu schicken, sorgt zudem für eine glaubwürdige Verbindung innerhalb der Gruppe. (Außerdem ist lobenswert, wie wunderbar unaufdringlich, leise und organisch hier auch gleichgeschlechtliche Paare dargestellt werden - bitte zum Vorbild nehmen, Hollywood!)

Katherine Waterston, die letztes Jahr mit FANTASTISCHE TIERWESEN UND WO SIE ZU FINDEN SIND für Aufsehen sorgte, meistert ihre nicht immer ganz leichte Aufgabe dabei mit Bravour. Sie dient als Identifikationsfigur für den Zuschauer und schafft es, in der nicht immer ganz stringent verlaufenden Geschichte eine verlässliche Konstante zu bleiben, die einem als Orientierungspunkt dient.
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Ihr gegenüber agiert Michael Fassbender, der diesmal als Android Walter die Reise begleitet – und den Film ganz unmerklich an sich reißt. Fassbender war schon in PROMETHEUS ein Highlight und gerät in ALIEN: COVENANT zum absoluten Höhepunkt. Sein emotionsloses, undurchsichtiges Spiel ist teilweise atemberaubend, und je mehr die Handlung sich auf Fassbenders Androiden fokussiert, desto gruseliger wird er. Wann immer Fassbender die Szene übernimmt, hält man aus unterschiedlichsten Gründen die Luft an. Schon jetzt eine der Top-Leistungen des Jahres, auch wenn sie kaum einen Oscar gewinnen wird.
Besonders gilt das, so viel sei verraten, in einer Sequenz, die bewusst mit dem Zuschauer spielt, und ihn zwar deutlich in die Richtung lenkt, eine spezifische Entwicklung vorherzusehen, ihm aber genüßlich den Beweis seiner Theorie vorenthält. Es ist vor allem Fassbenders herausragendem Spiel zu verdanken, dass der Zuschauer sich seiner Überzeugung niemals völlig sicher sein kann.

Der Rest der Crew gerät deutlich ins Abseits, bekommt aber immer noch Zeit und Raum, ein wenig zu glänzen. Vor allem Billy Crudup, Demián Bichir, der zuletzt in THE HATEFUL EIGHT eine große Kinorolle hatte, und Danny McBride, vielen als Kenny Powers in EASTBOUND & DOWN bekannt, können der Geschichte noch ein wenig Charakter verleihen.

Fazit


ALIEN: COVENANT ist kein perfekter Film, aber ein extrem guter – vorausgesetzt, man kann sich auf das einlassen, was er sein will. Wo PROMETHEUS seine hohen Ziele vor allem durch eine verquaste Inszenierung und miese Figuren torpedierte, erweist sich ALIEN: COVENANT in dem, was er sein will, als vollkommen rund: ein philosophischer Science-Fiction-Film im ALIEN-Universum.
Im Endeffekt muss das Publikum schauen, was es mit dieser ungewöhnlichen Mischung anfangen will. Unserer Ansicht nach hätte es das ALIEN-Drumherum gar nicht gebraucht. Und doch erweitert und formt der neue Film das Universum nachhaltig womit er sich auch Feinde machen wird.
Dennoch ist es erfreulich, dass Scott das von ihm erschaffene Universum nicht bloß dazu nutzt, ein vierzig Jahre altes Franchise stumpf weiter zu bedienen, sondern als Hintergrund dafür, auch einmal eine etwas andere Geschichte zu erzählen. Noch erfreulicher ist, dass es ihm nach dem missglückten PROMETHEUS gelingt, die intellektuelle Science-Fiction in der eher poppigen ALIEN-Welt zu verankern. Damit eröffnet er dem Franchise neue Wege, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Blockbuster-Gemetzel und Arthouse-Philosophie erstrecken.

ALIEN: COVENANT erweist sich als der beste Franchise-Beitrag seit Camerons ALIENS, und als der ehrgeizigste Teil von allen. Vor allem aber als der intellektuellste.
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Die Erschaffung der Zerstörung


Es sei noch einmal gewarnt: Von hier an folgen klare Spoiler, denn ALIEN: COVENANT bedarf einer inhaltlichen Diskussion. Wer den Film noch nicht kennt, darf aber gerne hinterher wieder reinschauen.

Nachdem wir nun unter uns sind: Sprechen wir über die Veränderungen, die ALIEN: COVENANT ins Franchise bringt, und über diese wunderbar bunte Symbolik!

Natürlich wird es Kinozuschauer geben, die enttäuscht oder irritiert sein werden. Die einen reinen Action-Horror-Streifen erwartet haben.
Dabei bietet ALIEN: COVENANT so viel mehr.

Denn anstatt einer weiteren Monsterhatz widmet sich der Film ganz und gar der Frage der Schaffenskraft. Welchen Wert und welchen Preis besitzt die Fähigkeit, etwas zu erschaffen? Das ist das Thema, das den Film in jeder Sekunde durchzieht, und das er mit jedem einzelnen Aspekt behandelt.
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Spätestens ab der Hälfte des Films verschreibt sich ALIEN: COVENANT ganz offensichtlich diesem Aspekt. Der auf dem Heimatplanten der „Engineers“ gestrandete David ist von dem Wahn befallen, etwas erschaffen zu wollen. Seine Höhle weckt Erinnerungen an Frankenstein, an verrückte Wissenschaftler, während er betrüblich Percy Shelleys Gedicht „Ozymandias“ zitiert oder Wagners „Einzug der Götter in Walhall“ summt. Alles an David beschäftigt sich einzig und allein damit, etwas zu erschaffen. Und nicht nur irgendetwas … Sondern etwas, das bleibt. Das Bestand hat. Denn David ist sich nur zu gut der Vergänglichkeit der Dinge bewusst.
Und in eben diese Welt bricht ausgerechnet ein Kolonialisierungsschiff, ebenfalls etwas, das einzig dazu dient, etwas Bleibendes zu erschaffen.

Erstaunlich sind dabei die Strukturwechsel, die ALIEN: COVENANT bezüglich des Themas an den Tag legt: Das Pathogen der „Engineers“ wurde erschaffen, um zu zerstören (und wird von David entsprechend verwendet), nun nutzt er es jedoch, um etwas zu erschaffen.
Was er erschafft, dient jedoch wiederum nur dazu, zu zerstören – ja, ist sogar ein „perfekter Organismus“, wenn es ums Zerstören geht.
Dem gegenüber steht die Covenant, ein Raumschiff voller Menschen, die etwas erschaffen wollen, am Ende jedoch nur dazu dienen werden (zumindest deutet der Film das an), zerstört zu werden, um wiederum etwas Zerstörerisches zu erschaffen.
Diese Wechsel von Erschaffung und Zerstörung sind so kunstvoll ineinander verwoben, dass sie während der Sichtung kaum auffallen, und erst im Nachklang wirklich spürbar werden.

Ebenso geschickt widmet sich ALIEN: COVENANT dem Thema auch auf einer ganz fundamentalen Ebene. Manche Kritiker sehen in David „nur“ einen durchgeknallten Androiden mit Gottkomplex. Dabei ist es viel eleganter, ist doch David selbst nur das Ergebnis eines sehr menschlichen Gottkomplexes. Schon JURASSIC PARK nahm die Schleife vorweg, als er Dr. Ian Malcolm sagen lässt: „Gott erschafft Dinosaurier. Gott tötet Dinosaurier. Gott erschafft Mensch. Mensch tötet Gott. Mensch erschafft Dinosaurier. Dinosaurier frisst Mensch.“
Als ähnlich perfide erweist sich nun Davids Werk: Mensch erschafft David, David erschafft Alien, Alien befruchtet Mensch und erschafft neue Aliens.
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Zwar ist nicht zu leugnen, dass ALIEN: COVENANT leichte Schwächen darin hat, Davids Motivation für sein Vorgehen offenzulegen, dennoch gestaltet er aus der Grundthematik eine spannende Parabel darüber, wie die Schöpfung ihre eigenen Väter frisst. Und in diesem Falle die Kinder gleich mit.
Damit reiht sich ALIEN: COVENANT neben anderen Filmen wie THE TERMINATOR ein, die davor warnen, dass unser eigener Schöpfungsdrang uns früher oder später vernichten könnte.

Vor allem aber hat ALIEN: COVENANT damit einen Einfluss auf das gesamte Franchise, den kein anderer Vertreter der Reihe aufbringt. Stellte PROMETHEUS nur infrage, ob wir Menschen selbst nun zufällig entstanden sind oder nicht, verändert ALIEN: COVENANT das gesamte Film-Universum.
Ob man diese Veränderung als Bereicherung oder Einschnitt betrachtet, bleibt jedem selbst überlassen – nur ignorieren kann man es nicht.

War das Universum seit ALIEN ein größerer Ort, an dem es uralte, fremde Kulturen und seltsame, unerklärliche Monsterwesen gab, ist das Universum seit PROMETHEUS und nun ALIEN: COVENANT wieder enorm geschrumpft. Alles lässt sich auf die Welt der „Engineers“, und nun eben der Menschen zurückführen. Die Aliens entstammen nicht der mysteriösen Tiefe des Alls, sondern der bedrohlichen Tiefe unseres Forschungsdrangs, und dem gottgegebenen Drang, etwas erschaffen zu wollen. Etwas, das bleibt.

In diesem Kontext gewinnen auch die im Film zitierten Kunstwerke eine weitere Bedeutung. Michaelangelos David etwa, der den Prolog des Films ausfüllt, und die (nicht ganz so) heimliche Hauptfigur des Films zu ihrem Namen inspiriert, gilt als eines der besten Kunstwerke, die je geschaffen wurden. Als so perfekt, dass er beinahe lebendig wirkt. Also ganz wie Androide David selbst. (Wer einmal nach Florenz kommt, sollte die Gelegenheit nutzen, sich das Original anzuschauen – es wirkt wirklich ehrfurchtgebietend lebendig.)

Dazu spielt er „Der Einzug der Götter in Walhall“ aus Wagners „Ring des Nibelungen“-Oper; ebenfalls kein zufällig gewähltes Stück (als wäre bei Kultur-Connoisseur Ridley Scott je etwas zufällig ...), handelt es sich doch um den Höhepunkt der Kurzoper „Rheingold“, der Vorgeschichte von Wagners „Ring des Nibelungen“: Nachdem Wotan und sein Bruder Loge sich von zwei verbrüderten Riesen ihre Götterburg Walhall haben bauen lassen, können sie den Bau nicht bezahlen. Wotan gibt seine Schwägerin Freia als Pfand ab, wodurch die Götter aber ihre Unsterblichkeit verlieren. Nach allerlei Wirrungen stehlen sie das Rheingold und bezahlen damit die Riesen. Zu der Bezahlung gehört jedoch auch der verfluchte Ring des Nibelungen – von dem Fluch erfasst, geraten die beiden Riesen in Streit, und ein Bruder erschlägt den anderen. Die Götter steigen über die Leiche hinweg in ihre schicke, neue, nun abbezahlte Burg.
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Es steckt ein gutes Stück Ironie in dieser Musikauswahl, ist es doch ein Paradebeispiel dafür, dass es immer einen Preis mit sich bringt, etwas zu erschaffen – und dass die Erschaffer selbst oft einen hohen Preis dafür zahlen, damit andere ihr Werk genießen können.

Auch Shelleys (Percy, nicht Mary!) Gedicht „Ozymandias“ ist nicht zufällig gewählt. Das kurze Gedicht, das Shelley für einen Wettbewerb verfasst, erzählt von der Vergänglichkeit vermeintlich unsterblicher Reiche.
Ozymandias, so das Gedicht, lautet der griechische Name des ägyptischen Pharaos Ramses II. Dieser herrschte einst über ein unermessliches Reich, wovon heute nur noch eine zerfallende, halb im Sand versunkene Statue zeugt.
Es ist die dem Gedicht innewohnende Ironie – auf dem halb zerfallenen Sockel stehen noch die Worte: „Mein Name ist Ozymandias, aller Kön'ge König; betrachtet mein Werk, o Mächtige, und erbebt“ – die ALIEN: COVENANT perfekt einfängt: Nicht nur, indem David das einst mächtige Reich der „Engineers“ zerstört hat, von dem nun nur noch halb zerfallenene Statuen zeugen, sondern auch dadurch, dass er sich aufmacht, das Reich der Menschen zu zerstören. Dass die Mission, die die Menschheit ins All bringen sollte, der Menschheit Untergang einzuleiten droht. Auf ihrem Höhepunkt, so die Moral des Films, droht der Menschheit die Zerstörung durch ihr eigenes Werk.

ALIEN: COVENANT macht aus seinen sabbernden Monstern, die Generationen von Kinobesuchern aus purem Spaß das Fürchten gelehrt haben, das Werkzeug einer tiefgehenden Geschichte über das Erschaffen und das Zerstören, den Aufstieg und Untergang von Zivilisationen. Es ordnet den einst so geheimnisvollen Xenomorph in einen philosophischen Kontext ein, der uns alle einschließt. Neben ARRIVAL wird ALIEN: COVENANT damit zum zweiten großen Science-Fiction Film des letzten Jahres.

Auch ist dem Film eine gewisse eugenische Deutungsweise zuzusprechen. David, der sich selbst als dem Menschen überlegen betrachtet, und auf Kosten minderwertiger Leben eine alles übertreffende Superrasse züchten will … da braucht es nicht viel, um eine Parallele zum Gedankengut des Nationalsozialismus zu ziehen.
So gewinnt auch das letzte Bild des Films eine neue Bedeutung, wenn David mit streng hinter dem Rücken verschränkten Armen, zu den Klängen von Wagner, die Reihen seiner wehrlosen „Opfer“ oder „Testsubjekte“ abläuft.

Kurz: ALIEN: COVENANT ist der ehrgeizigste Film des Franchises. In jedem Fall der mit dem bittersten Ende. Man darf fragen, ob ein solcher Film seine Actionszenen wirklich nötig hat. Lockern sie einen in sich recht gehaltvollen Sci-Fi-Streifen auf? Oder dienen sie nur als Nostalgie-Futter für Serienfreunde? Braucht man einen Endkampf im Laderaum, ein Dropship im Sturm, eine Jagd durch die Flure, während man das Alien zur Luftschleuse lockt? Oder dient all das nur dazu, die Fans ruhig zu stellen?
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Wird das Publikum die philosophische Tiefe und überbordende Symbolik von ALIEN: COVENANT zu schätzen wissen, oder ist es, wann immer ein Alien im Kino erscheint, einzig dazu in der Stimmung, ein schwarzglänzendes Monster mit spitzen Zähnen aus der Dunkelheit springen zu sehen, um sich in seinem Kinosessel wohlig zu gruseln?

In jedem Fall muss man Ridley Scott dankbar sein für seinen geglückten Versuch, aus „seinem“ Alien mehr zu machen als ein bloßes Popcorn-Monster, und es stattdessen in einen Kontext einzuordnen, der sich auf clevere und intelligente Art und Weise mit den großen Themen der Menschheit auseinanderzusetzen versucht. Das ist große Science-Fiction, wie sie gerade noch mit ARRIVAL gefeiert wurde. Nur mit ein bisschen Monstern, Blut und Action.

Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung, und darauf, was Scott uns darin präsentieren wird. Denn natürlich ist es kein Zufall, dass die Handlung von ALIEN: COVENANT solche Parallelen zur „Rheingold“-Oper aufweist (auch das Motiv der sich erschlagenden Brüder findet sein Ebenbild im Film). Insbesondere das Ende wirkt beinahe wie eine Kopie. Stolz und zufrieden marschiert David als Abbild der Götter über seine Brücke in sein Walhall. Doch ist das eben nur die Vorgeschichte der Oper – und den Göttern stehen blutige Zeiten bevor, an deren Ende ihr Untergang auf sie wartet: die „Götterdämmerung“.

2 Kommentare:

  1. Sehr gute Kritik. Mir hat der Film sehr gut gefallen, nur was mich gestört war einfach dass der Charakter der E. Shaw (Noomi Rapace) etwas untergegangen ist, da sie doch eine wichtige und tragende Rolle im Prometheus-Teil gespielt hat und in Alien Covenant nur als "Mittel zum Zweck" dient und man nicht viel mehr über ihr Schicksal oder die Reise zum Planeten der Engineers erfährt. Da fehlt mir persönlich einfach etwas.
    Und gewisse Fehler oder Punkte im Film die mir nicht ganz schlüssig erscheinen, wie z.B.: David die Eier aus oder durch E. Shaw erstellt oder erschaffen haben soll und wie David, Walter besiegt oder diesen übernimmt, da 1. Walter die Oberhand hatte und 2. David bereits beschädigt war und 3. David, sollte er ihn nun auch besiegt haben, sich selbst innerhalb kürzerster Zeit die Hand abschneidet, sich repariert dass seine Stimme wieder funktioniert und sich umkleidet. (Das Problem der Zeit oder all dies innerhalb kürzerster Zeit machen zu können, scheint Alien: Covenant nicht behandeln zu wollen oder zu können)
    Ich hab mir das Buch zum Film bestellt und werde mir auch die DVD/Blueray zum Film holen, da ich hoffe darauf geschnittene oder zusätzliche Szenen zu sehen oder zusätzliche Infos zu erhalten.

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    1. Danke für das Lob. :)
      Ja, einige offene Fragen gibt es - auch, weshalb das Raumschiff noch abgestürzt ist, nachdem es ja offensichtlich recht gut über der Stadt angekommen zu sein scheint. man merkt, dass Scott seine ursprünglich geplante PROMETHEUS-Trilogie komplett umgeworfen und auf dem einen Film eine ganz neue konzipiert hat.

      Und die Frage mit der vergangenen Zeit ist ein klassisches Filmproblem, das immer wieder auftaucht. Ein schönes Beispiel liefert SUICIDE SQUAD, wenn Harlequin unten in den Fahrstuhl steigt, hochfährt, und die Kollegen, die sie unten zurückgelassen hat, oben schon auf sie warten ...
      Aber na gut ... So ist das in Filmen eben. :)

      Ob das Buch oder die Blu Ray die Fragen beantwortet, oder einige davon erst in der Fortsetzung deutlicher werden (so wie PROMETHEUS ja nach ALIEN: COVENANT auch irgendwie besser verständlich ist), bleibt abzuwarten. Aber gib uns gerne Bescheid, wenn du etwas herausfindest.
      Bis dahin sei noch dieser (zweite von zweien) kurze Prolog empfohlen, der vielleicht zumindest einen Hauch von Licht darauf wirft, was mit Elizabeth Shaw geschehen ist:
      https://www.youtube.com/watch?v=XeMVrnYNwus

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