01.09.14

Porträt: Der Tausendsassa Keanu Reeves - 50 Jahre flexible Spielfreude und erfolgreiche Talentlosigkeit

„Ein Star zu sein hat etwas Surreales. Es ist verhältnismäßig einfach, sich selbst als Schauspieler zu kritisieren. Dann aber kommen die Kritiker und kritisieren dich. Du kannst mit ihnen einer Meinung sein oder nicht, letztendlich fällt das Publikum das Urteil über dich.“
Keanu Reeves' bislang letzter Film: 47 RONIN wird vom Studio fallengelassen und erscheint im unbeliebten Januar-Slot, der Resterampe für misserfolgversprechende Blockbusterprojekte.
 
Quelle: Blu Ray "47 Ronin" © Universal Pictures Home Entertainment

Biancas Blick:

Das Publikum meint es gut mit Keanu Reeves. Im Gegensatz zu den Kritikern, die dem Schauspieler (nicht zu Unrecht) oft sein untalentiertes, hölzernes Spiel vorwerfen.
Doch Keanu Reeves ist und bleibt ein Phänomen und eine Konstante im Filmgeschäft. Ein Star, der Ende der 80er aufsteigt, die 90er hindurch leuchtet und erst Ende der 2000er zu flackern beginnt, aber nicht erlischt.
In seinen nun 50 Lebensjahren prägt er das moderne Kino wie kaum ein anderer. Er spielt in Blockbustern ebenso mit wie in wunderbaren Indie-Projekten. Er zieht Filme an Land, die das jeweilige Genre revolutionieren. Man kann Keanu Reeves nicht vorwerfen, immer brillant gespielt zu haben, ihm aber auch nicht absprechen, stets ambitioniert geblieben zu sein.

Die späten 80er Jahre entpuppen sich als Zeit der Jungen Wilden Hollywoods. Repräsentierte das „Brat Pack“ noch die poppig-punkige Jugendkultur, steigen zum Wechsel in die 90er die Grungestars der Szene empor: Die Kinoelfe Winona Ryder, der Rebell Christian Slater, der coole Johnny Depp, der Herzensbrecher Rob Lowe, das Genie River Phoenix, die kühle Bridget Fonda, das Talent Robert Downey Jr., der schöne Matt Dillon, die intellektuelle Samantha Mathis und viele mehr. Und der etwas zottelige Keanu Reeves.
Die meisten von ihnen werden noch in den 90ern wieder verglühen und von der Bildfläche verschwinden. Sie bleiben ihrem Image verhaftet und schaffen es nicht, sich dem wandelnden Zeitgeist anzupassen. Als der lässige Grunge-Stil altert und unmodisch wird, verlieren sie ihren Hintergrund. Das Kino verändert sich, wird technisierter, der Cyberpunk blüht mehr und mehr auf und schließlich der visuelle Effektstil. Es werden andere Frauen- und Männerfiguren gesucht. Die coole Pose, die Selbstdarstellung reicht für eine Rollengestaltung nicht mehr aus.
Mit Angelina Jolie, Brad Pitt, Ewan McGregor, Leonardo DiCaprio, Jared Leto und Claire Danes stehen die Nachfolger bereits in den Startlöchern und lösen die „alte“ Garde bald ab.

Keanu Reeves ist einer der wenigen, denen es gelingt, bis in die 2000er hinein Bestand zu haben, die Entwicklung des Kinos mitzugestalten und den Fans mehr zu bieten als lässiges Kaugummikauen zu akustischen Gitarrenriffs.
Wer je einen Film mit Keanu Reeves gesehen hat weiß, dass dieser unbeirrbare Erfolg nicht mit seinem eher dünnen Schauspieltalent zu erklären ist.
Was aber liegt seiner fast beispiellosen Karriere dann zugrunde?

Womöglich seine Kindheit und Jugend, die ihn eine Affinität zu zerrissenen Figuren entwickeln lässt. Oder seine Rollenauswahl, die keinerlei Grenzen oder Regelmäßigkeiten erkennen lässt. Oder aber die Tatsache, dass er sich nie auf ein Image festlegt und sich mit jedem Film wandelt.
In einer Zeit, als sein Stern beinahe versunken wäre, ist es tatsächlich THE MATRIX, der ihm noch einmal den Schub gibt, den er für weitere zehn Jahre nutzen kann.
Aber schauen wir noch einmal an den Anfang.

Der Zerrissene


Keanu Reeves‘ Mutter ist gebürtige Engländerin, sein Vater stammt aus Hawaii. Seine Großmutter ist chinesischer Herkunft. Weitere Wurzeln sind irisch und portugiesisch.
Später sagt Reeves über seine Großmutter und deren Einfluß auf ihn: „Sie war chinesischer Herkunft, also war alles, was mich umgab, chinesisch geprägt: die Möbel, das Essen und die Kunst.“
Gerade zu Beginn seiner Karriere wird oft und viel über seine Herkunft spekuliert, was sowohl an seinem ungewöhnlichen Namen als auch an seinem exotischen Aussehen liegt. Das macht ihn anders, das macht ihn spannend und interessant für Produzenten und Caster.

Nachdem Keanu Reeves am 2. September 1964 in Beirut das Licht der Welt erblickt – seine Mutter arbeitet zu diesem Zeitpunkt dort – siedelt seine Familie kurz nach Australien über, um sich schließlich in New York niederzulassen.
Der Vater verlässt die Familie und Reeves' Mutter heiratet den Regisseur Paul Aaron. Damit verbunden ist ein weiterer Umzug, diesmal nach Kanada. Allerdings hält die Ehe nur sechs Monate. Später heiratet sie den Promoter Robert Miller. Nachdem auch diese Ehe scheitert, heiratet sie den Friseur und Journalisten Jack Bond, doch auch diese Zweisamkeit hält nur wenige Jahre.
Keanus frühe Kindheit und Jugend zeigen eine gewisse Unbeständigkeit und Zerrissenheit. Gut möglich, dass daher seine Verbundenheit zu Filmstoffen mit gebrochenen oder entwurzelten Protagonisten rührt, die ihn seine gesamte Filmkarriere hindurch begleiten werden.

Der Querulant


Seine Schulzeit verbringt Keanu in Kanada. Doch er ist ein schwieriger Schüler, eckt oft an, ist undiszipliniert und respektlos. Vier Mal muss er innerhalb von fünf Jahren die Schule wechseln. Er rebelliert, lehnt sich gegen starre Muster und Verhaltensregeln auf. Immer und immer wieder. Möglicherweise liegt das auch in seiner Dyslexie begründet, einer Lese- und Rechtschreibschwäche, die ihm den Unterricht ungleich erschwert und damals, Ende der 70er, noch nicht adäquat eingeordnet oder behandelt werden kann.
Er spielt Eishockey und tut das mit Leidenschaft. Sport liegt ihm mehr als Wissenschaft, und so kniet er sich in diese Disziplin und erntet großen Erfolg. Sein Spitzname wird „Die Mauer“ – undurchlässig für jeden Gegner. Noch hat er den Traum, einmal für Kanada in der Nationalmannschaft zu spielen, als eine Knieverletzung ihm jede Hoffnung zunichte macht.
Bunt ist das Dasein und granatenstark: Keanu Reeves als flippiger Teenager in BILL & TED'S VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT. Volle Kanne, Hoschi!

Quelle: DVD "Billd & Ted's verrückte Reise durch die Zeit" © STUDIOCANAL
An seiner letzten Schule, diesmal einer „alternativen“, findet er einen passenden Ersatz: Er verfolgt den Schauspielunterricht dort mit demselben Ehrgeiz wie zuvor das Eishockeyspielen. Fortan will er nur noch eins: Schauspieler werden!
Obwohl er den Unterricht genießt, reicht es nicht, und er wird auch dieser Schule verwiesen. Später sagt er dazu: „Ich war offensichtlich nicht die am besten geölte Maschine dort in der Schule.“
So beendet er mit 17 die Schule ohne Abschluß. Und auch das Schauspieler werden gestaltet sich als schwierig.
Zunächst arbeitet er als Schlittschuhschleifer, Koch und Manager einer Pizza-Pasta-Bude, bevor er die ersten Rollen im Fernsehen und im Theater ergattert.
Mag er in Dingen, die ihn nicht interessieren, auch noch so undiszipliniert sein, in seinem Vorhaben Schauspieler zu werden zeigt Keanu von Anbeginn an Hartnäckigkeit, Disziplin und Professionalität.

Der Debütant


Mit 15 Jahren steht Reeves als Mercutio in Romeo Und Julia auf einer kanadischen Theaterbühne.
Sein Fernsehdebüt gibt er Anfang der 80er in Werbespots und der Serie HANGIN‘ IN. Zusätzlich spielt er in dem Kurzfilm ONE STEP AWAY und steht in Toronto als Wolfboy auf der Bühne.
1984 wird er Korrespondent beim kanadischen Jugendfernsehprogramm GOING GREAT.
Der Anfang ist schwer und steinig und erfordert Flexibilität.
Diese frühe Periode zeigt aber auch das, was Reeves später auszeichnen wird: Er ist auf keinen Typ festgelegt. Er spielt alles und bereitet sich auf jede Rolle akribisch vor. Er besitzt Spielfreude, ist äußerst ambitioniert und entwickelt sich stetig weiter.
Im Kino ist er neben Rob Lowe erstmalig in einem Eishockeyfilm zu sehen. YOUNGBLOOD heißt das Werk, wird aber ein nur mäßiger Erfolg.

Nach diesem Dreh packt Reeves seine sieben Sachen und fährt nach Los Angeles.
Paul Aaron, sein Stiefvater, besorgt ihm einen Manager und ebnet ihm den Weg in den Film. Erwin Stoff, Reeves erster Manager, wird zudem auch viele seiner späteren Filme produzieren.
Den ersten Kritikererfolg landet Reeves 1986 mit dem Film DAS MESSER AM UFER. Der Film behandelt eine Gruppe Jugendlicher, die durch einen Mord gesprengt wird und beleuchtet, was der Mord mit der Psyche der einzelnen Jugendlichen macht.
Von da an spielt Reeves in mehreren, auf Jugendliche ausgerichteten Filmen mit.

Der Aufsteiger


Zwei Jahre später wird einer dieser Jugendfilme ein überraschender Erfolg und verhilft Reeves zum Durchbruch: BILL UND TED‘S VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT, eine flippige Mischung aus Highschool-Klamotte und Zeitreisekomödie, in der er einen tumben aber liebenswürdigen Rockmusiker und High-School Versager spielt (also tatsächlich quasi sich selbst). Von da an wird er auf den „schrägen Typen“ festgelegt, ein Image, das er ein paar Jahre bedient. Er spielt die schräge Figur unter anderem in EINE WAHNSINNSFAMILIE, JULIA UND IHRE LIEBHABER und ICH LIEBE DICH ZU TODE. Ein letztes Mal gibt er den Typ 1991 für die Fortsetzung BILL UND TED'S VERRÜCKTE REISE IN DIE ZUKUNFT.

1988 allerdings bricht er bereits mit seinem Leinwandimage, um in der Verfilmung GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN an der Seite von John Malkovich, Glenn Close und Michelle Pfeiffer zu spielen. Der Film begeistert die Kritiker, wird ein kommerzieller Erfolg und beschert Reeves durchaus wohlwollende Kritiken. (Jüngere Filmfans kennen die Geschichte vermutlich als EISKALTE ENGEL!)
Zu diesem Zeitpunkt beginnt der innerliche Rollenfachwechsel, den er in den frühen 90ern abschließt: Reeves hat keine Lust mehr, schräge Teenagerrollen zu spielen. Er will mehr!
Fahrstühle, Busse, U-Bahnen - SPEED ist klare Anti-Werbung für sämtliche Fortbewegungsmittel, aber einer der erfolgreichsten Actionkracher der 90er.

Quelle: DVD "Speed" © 20th Century Fox Home Entertainment. All Rights reserved.
Und er bekommt eine der besten Rollen seiner Karriere! In MY PRIVATE IDAHO an der Seite von River Phoenix, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet. Für das Außenseiterdrama mimen die beiden ein Paar Stricher, die versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen. Berührend und ein Geheimtipp des Indiekinos Anfang der 90er.
Doch Reeves lässt sich gar nicht erst in die Ecke des sensiblen jungen Mannes auf der Suche nach sich selbst oder des Indie-Softies drängen! Bereits sein nächster Film fundamentiert ihn als aufsteigenden Star und zeigt ihn von einer ganz neuen Seite: GEFÄHRLICHE BRANDUNG von Kathryn Bigelow ist nicht nur das gelungene Comeback von Patrick Swayze, sondern auch Reeves Debüt als Actionstar und gilt bis heute als einer der besten Actionfilme überhaupt – obwohl er mittlerweile eine dicke 90er Patina mit sich herumschleppt.

Der Star


Mit GEFÄHRLICHE BRANDUNG wird Reeves zum Superstar, dem Hollywood zu Füßen liegt. Und Paula Abdul. In deren Video zum Schmusesong "Rush Rush" spielt er seinerzeit in einer Kurzversion von ... DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN den Helden.
Zwar ist sein Spiel limitiert, doch er hat Charme, Ausstrahlung und trifft eine gute Rollenauswahl. Die Frauen umschwärmen ihn, die Teenies beten ihn an.
Mit DRACULA von Francis Ford Coppola oder VIEL LÄRM UM NICHTS von Kenneth Brannagh – der Reeves erstmalig als Bösewicht inszeniert – festigt er seinen Ruf und steigt mit LITTLE BUDDHA von Bernardo Bertolucci sogar in die Höhen des epischen Kunstkinos auf.
Im Independent-Streifen EVEN COWGIRLS GET THE BLUES steht er ein drittes und letztes Mal neben seinem Freund River Phoenix vor der Kamera und beweist endgültig das enorme Rollenspektrum, das er umfasst: Mainstream, Blockbuster, Shakespeare, Epos, Indiefilm. Reeves macht zu diesem Zeitpunkt einfach alles richtig. Alle seine Filme werden zu erfolgreichen Streifen, sowohl bei Kritikern als auch bei ihrem jeweiligen Publikum.
Für LITTLE BUDDHA erhält er überwiegend gute Kritiken für seine zurückhaltende Darstellung als Siddartha in der Erzählung der Ursprungsgeschichte des Buddhismus. Er hungert sich monatelang Kilos ab und trainiert wie ein Besessener, um dem asketischen Vorbild nahe zu kommen. Insgesamt wird der Film eher kritisch aufgenommen. Roger Ebert vergleicht das Werk mit dem Besuch einer buddhistischen Sonntagsschule.
Vom Indiedrama EVEN COWGIRLS GET THE BLUES gehts zurück zur Mainstream-Action – und einem seiner größten Erfolge!

Mit Jan de Bonts SPEED haucht Reeves dem Actiongenre neuen Wind ein. Der Film wird ein weltweiter Megahit und macht Reeves und Sandra Bullock auf einen Schlag zu Hollywoods Topstars! Für die Fortsetzung bietet man ihm 11 Millionen Dollar – das seinerzeit höchste Gagengebot aller Zeiten. Doch Reeves behält sein Händchen für kluge Rollen und lehnt dankend ab. SPEED 2 – CRUISE CONTROL wird einer der bittersten Flops und meistgehassten Streifen der Filmgeschichte!

Reeves zieht sich kurzzeitig aus dem Filmgeschäft zurück um mit seiner Band zu touren und in Manitoba als Hamlet auf der Bühne zu stehen. Roger Lewis, ein bekannter Theaterkritiker, bescheinigt ihm ein sensibles Spiel und kommt zum Schluss: „Er ist Hamlet“.

Nach seiner Auszeit versucht er sich erneut an neuartigen Figuren, doch diesmal greift er daneben. Das extrem schmalzige, ungelenke Rührstück DEM HIMMEL SO NAH wird sein erster voller Flop bei Zuschauern und Kritikern. Selbst seine Fans bleiben lieber zu Hause. Auch JOHNNY MNEMONIC, die erste Verfilmung einer William Gibson Geschichte im seinerzeit populären Hacker- und Cyberpunk Genre, fällt durch. Zwar ist an Reeves Darstellung wenig auszusetzen, doch der Film will in keiner Hinsicht funktionieren, vermutlich weil das Studio ihn kurz vor Release noch heftig umschneidet. Reeves erntet zwei Nominierungen als schlechtester Hauptdarsteller 1995.
Cooler Film und doch ein Flop: JOHNNY MNEMONIC will William Gibsons Cyberspace cool und hip präsentieren, krankt aber an fahriger Story und zu hohem Trashfaktor.

Quelle: DVD "Vernetzt - Johnny Mnemonic" © 1995 ANM (1991) XXXIII Limited Partnership. All Rights
Reserved.
1997 folgt mit IM AUFTRAG DES TEUFELS ein sehr erfolgreicher Mystery-Thriller an der Seite von Al Pacino und Charlize Theron, die mit diesem Film ihre Karriere begründet. Es ist ein mutiger Zug von Reeves, sich trotz mittelmäßigem Talent neben eine Legende wie Al Pacino auf die Leinwand zu stellen. Tatsächlich kommt er gegen Pacinos teuflisches Spiel nicht eine Sekunde an, aber er schafft es, sich nach zwei veritablen Flops wieder zu etablieren.
Die Frage nach Erfolg soll allerdings bald nicht mehr sein Problem sein. Denn 1999 folgt der Film, der Keanu Reeves zum bestbezahlten Star Hollywoods macht und das Action-Genre bis ins Mark erschüttert!

The Matrix


Nachdem Will Smith, Nicolas Cage, Leonardo DiCaprio und Tom Cruise nicht willens oder frei sind, erhält Keanu Reeves die Rolle des Revoluzzers Neo im bahnbrechenden THE MATRIX. Keanu Reeves trainiert fast ein halbes Jahr, um die Kampfszenen so anregend auf die Leinwand zu bringen, wie es den Regisseuren vorschwebt. Dabei beginnt sein Training direkt nach einer Hals-OP, so dass er fast durchgehend eine Halsstütze tragen muss.
Dafür nimmt er sich die Freiheit, den süffisanten Bruce-Lee-Nasenstubser zu improvisieren, als er Morpheus herausfordert.
Sein zweiter Versuch, nach JOHNNY MNEMONIC, irgendwie was mit Cyberspace zu verfilmen, wird dabei deutlich erfolgreicher.
An den drei Matrix-Teilen verdient Reeves 70 Millionen Dollar! 50 Millionen gibt er - laut Legende - der Make Up und Special Effects Crew mit den Worten: „Geld war nie das, was mich wirklich interessiert hat. Ich kann von dem, was ich verdient habe, die nächsten paar Jahrhunderte leben.“

Der Trauernde


1993 stirbt sein Freund River Phoenix an einer Überdosis Drogen. Ein Verlust, der Keanu Reeves schwer erschüttert und den er erst nach Jahren verarbeitet.
Später sagt er: “Man kann Hollywood nicht dafür verantwortlich machen, was mit River geschehen ist. Jugendliche überall auf der Welt nehmen Drogen. River hatte seine eigenen Probleme, die ich allerdings nicht mit der Presse diskutiere, es ist einfach zu persönlich. River hatte eine selbstzerstörerische Seite in seiner Persönlichkeit. Er war zornig und verletzt, weil er seit seinem Ruhm niemals ein eigenes Leben aufbauen konnte. Er konnte nicht damit umgehen, ein Privatleben zu führen und gleichzeitig auf dem Cover jeder Zeitschrift zu sein.” Und: „Er war ein beeindruckender Künstler und eine seltene Art Mensch. Ich vermisse ihn jeden Tag.“

1999 verliert er seine Tochter, die einen Monat vor dem errechneten Termin tot geboren wird. Die Ehe mit Jennifer Syme übersteht diesen Verlust nicht, das Paar wird geschieden.
Zwei Jahre später stirbt auch Jennifer Syme bei einem Autounfall. Reeves zieht sich zurück und trauert.

Die 2000er


Die 2000er zeichnen sich wieder durch mannigfaltige Rollenauswahl aus, durchzogen von den MATRIX-Fortsetzungen. In THE WATCHER darf er den Bösewicht spielen, in WAS DAS HERZ BEGEHRT Diane Keatons Verehrer und einen Arzt, mit CONSTANTINE landet er wieder einen Flop, ebenso mit DAS HAUS AM SEE, das ihn wieder mit Sandra Bullock zusammenbringt. Auch DER TAG AN DEM DIE ERDE STILLSTAND und 47 RONIN werden sensationelle Flops.
Die zweite Hälfte der 2000er bescheren Reeves den Abgesang als Superstar und lange Phasen der Pause, in denen er sich auf seine Band und andere Projekte konzentriert.
2013 liefert er mit MAN OF TAI CHI sein Regiedebüt ab, das in Cannes und Peking gezeigt wird. In Peking wird der Streifen, in dem Reeves auch die Hauptrolle spielt, ausgezeichnet.
Der Actionthriller JOHN WICK, an dessen Drehbuch Reeves mitgeschrieben hat, ist gerade in den Kinos gestartet, wird allerdings als guter Comebackversuch bewertet.

Daneben scheint Reeves sich künstlerisch im Kino nur noch bedingt wohl zu fühlen. Wie viele Kollegen strebt er ein Comeback im Fernsehen an. In der Miniserie RAIN soll er die Hauptrolle spielen.
Damit schließt sich sein Kreis zu denen, neben denen er groß geworden ist. Auch die „verlorenen“ Stars der 80er versuchen sich zurzeit im Fernsehen zu etablieren: Winona Ryder in SHOW ME A HERO, Christian Slater in MIND GAMES und Samantha Mathis in LAW AND ORDER: NEW YORK.
Quelle: DVD "Bram Stoker's Dracula" © 1992 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.
Es scheint, als sei sein Abstieg von der Kinoleinwand lediglich hinausgezögert. Vielleicht wird ihm doch die Tatsache zum Verhängnis, dass er, im Gegensatz zu einem Robert Downey Jr.  oder einem Johnny Depp über kein fundiertes Schauspieltalent verfügt. Er schafft es nicht, einen Film allein zu stemmen. All seine Erfolge brachten ein starkes Script und fähige Co-Stars mit. Keanu Reeves alleine, so scheint es, kann einen Film nicht zum Erfolg tragen. Doch genau das braucht ein beständiger Schauspieler. Und er braucht noch etwas: Entwicklung in seinem Schauspiel. Auch ein Brad Pitt oder Tom Cruise sind keine begnadeten Schauspieler, aber sie haben sich über die Jahre weiterentwickelt, ihr Können geschliffen und verfeinert und stemmen ihre Filme allein, oft mit einer guten Prise Selbstironie. Das fehlt Keanu Reeves, der sich zwar stets mit Leib und Seele seinen Projekten verschreibt, und stets an sich arbeitet, am Ende aber nicht genug mitzubringen scheint.
Möglicherweise sind Ambitionen und Perfektionismus, Spielfreude und Risikobereitschaft irgendwann nicht mehr ausreichend, um in der ersten Riege Bestand zu haben.

Aber vielleicht – vielleicht hat ihm der Erfolg auch einen Teil seines Hungers genommen. Für einen Mann, der immer die Herausforderung sucht, kann es schwierig sein, alles zu erreichen. Und in diesem Falle kann ein sinkender Stern auch einfach einer sein, der sich zufrieden und gemütlich zurückzieht.

Doch schreiben wir ihn lieber noch nicht ab. Keanu Reeves ist jung und hat einige Projekte in der Pipeline. Womöglich liegt der nächste, große Erfolg noch vor ihm ...

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