21.04.17

Kinokritik: The Founder (USA 2016) – Einmal Big Mac ohne Moral

Jemand hier, der McDonald's nicht kennt? Falls ja, wird sich das mit diesem Film ändern.
Allen anderen bietet sich hier ein durchaus unterhaltsamer Abriss darüber, wie aus einer winzigen Burgerbratbude am Rande der Wüste das größte Fast-Food-Imperium der Welt wurde.
Das ist interessant erzählt und herausragend gespielt, filmisch jedoch etwas trocken und moralisch nicht sehr appetitlich im Abgang.
© Splendid / Tobis
– Spoilerwarnung –
Eigentlich weiß doch jeder, wer in dem Film gewinnt. Für die wenigen, die es allerdings nicht wissen, oder die meinen, sie könnten im Film vielleicht eine Überraschung erleben, hier eine kurze Spoilerwarnung: Wir verraten recht offen, wie der Kampf zwischen Ray Kroc und den McDonald-Brüdern ausgeht. Seid also gewarnt!

Marcos Blick:

THE FOUNDER ist ein zweischneidiges Schwert, was sich anhand einer simplen Beobachtung belegen lässt. Die Weinstein Company, die für sieben Millionen Dollar die Vertriebsrechte an THE FOUNDER erwirbt, kann sich einfach nicht entscheiden, wann sie ihn herausbringen soll. Man ist überzeugt, hier einen echten Oscarkandidaten im Programm zu haben, weshalb er ursprünglich Ende November 2016 in den US-Kinos erscheinen soll.
Schließlich zieht man den Termin vor, auf Anfang August, um zu beweisen, dass auch ein Oscar-Film im Sommer erfolgreich sein kann. Am Ende jedoch setzt man wieder alles auf die Oscarkarte, beschert dem Film einen begrenzten Release im Dezember (womit er für die Oscars in Betracht kommt), und auf einen landesweiten US-Start Ende Januar, kurz nach Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen. Das Problem dabei: THE FOUNDER erhält keine einzige Nominierung oder andere Erwähnung – weder bei den Oscars, noch bei bei sonst einer nennenswerten Preisverleihung.
© Splendid / Tobis
Das gibt das Biopic, nahezu perfekt wieder: THE FOUNDER wartet mit allem auf, was man gemeinhin als preisverdächtig erachtet: eine wahre Geschichte, großes Drama, Einblicke in historische Abläufe, ein bisschen Aufklärung, und eine Hauptfigur, die sich nicht am strahlend heldenhaften Ende des Moralsprektrums aufhält. All das verquirlt THE FOUNDER zu einem lehrreichen, interessanten und durchaus sehenswerten Film. Allerdings gelingt es ihm zu keiner Zeit, wirklich ungewöhnlich oder herausragend zu sein.

Angesichts des Themas bietet sich eine weitere Analogie an: THE FOUNDER erinnert an McDonald's selbst. Der ganze Prunk, die schicken Bilder und das Marketing versprechen einem ein edles Mahl, das sich am Ende als durchaus annehmbar entpuppt, aber eben auch durchweg alltäglich daherkommt. Und kaum verlässt man den Laden, bleibt ein wenig Bauchdrücken und das unangenehme Gefühl, dass man gerade etwas zu sich genommen hat, dem etwas entscheidendes fehlt: Substanz.

All the Gold in California


Die Handlung von THE FOUNDER, so interessant und lehrreich sie auch ist, dürfte heutzutage nur noch wenig Sprengkraft besitzen. Der Film erzählt von Ray Kroc, herausragend gespielt von Michael Keaton (der die Rolle übernimmt, nachdem Tom Hanks ablehnt). Kroc düst Mitte der Fünfziger als Handelsvertreter durch Amerikas Mittleren Westen. Zwar hegt der Mann große Ambitionen, hat aber einfach kein Glück. Immer wieder scheitern seine Ideen vom großen Geschäft, von Ruhm und Reichtum. Bis er durch Zufall auf ein winziges Drive-In-Restaurant im kalifornischen San Bernadino stößt, in dem zwei Brüder eine revolutionäre Idee verwirklicht haben: Hamburger vom Fließband. Die Namen der zwei: Mac und Dick McDonald.
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Kroc ist von dem Konzept des McDonald's so fasziniert, dass er den beiden einen Franchisevertrag abringt, der es ihm erlaubt, landesweit weitere Filialen mit dem revolutionären Konzept der beiden zu eröffnen. Die Brüder bestehen allerdings darauf, dass sie in allen Filialen das letzte Wort haben, wenn es um Abläufe, Zutaten und das Menüangebot geht. Und es wird schnell klar, welche Philosophie die beiden dabei vertreten: absolut keine Abweichungen vom Konzept.
Was als guter Deal beginnt, entwickelt sich für den ehrgeizigen Ray Kroc bald zum Problem: Der Unternehmer findet immer neue Ansätze, um den Umsatz seiner Franchisekette zu erhöhen, doch die Brüder lehnen jede Innovation rundheraus ab. Schließlich kommt es zum offenen Kampf zwischen Kroc und den Brüdern, in denen das idealistische Familienkonzept der McDonalds und Ray Krocs Wunsch nach einem globalen Multimillionen-Dollar-Konzern wuchtig aneinandergeraten.

Ordinary Riches


Um das noch einmal zu wiederholen: THE FOUNDER ist kein schlechter Film.
Wer unseren Blog kennt, weiß, dass wir uns gerne die Mühe machen, historische Hintergründe zu derartigen Filmen aufzubereiten. Nun, in diesem Fall hat uns der Film sämtliche Arbeit abgenommen. In etwas weniger als zwei Stunden erzählt THE FOUNDER lückenlos (und nur mit geringen, historischen Ungenauigkeiten), wie es dazu kam, dass Ray Kroc aus einer kleinen Familien-Burgerbraterei einen der größten Konzerne der Welt geschaffen hat. Für jeden, der etwas darüber erfahren will, ist der Streifen daher Gold wert. Zumal er das sehr unterhaltsam tut, und man sich tatsächlich keine Sekunde langweilt. Manchmal sogar ganz ungewollt. So erinnerte ich mich bei der Diskussion um die „Goldenen Bögen“ an eine der besten Dialoge aus Eddie Murphys DER PRINZ AUS ZAMUNDA, in dem die McDonald's-Bögen ebenfalls zum Gesprächsgegenstand geraten.

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Dennoch hat der Film ein Problem an ganz anderer Front: Er ist furchtbar konventionell! Denn die Grundgeschichte, um die es hier geht, ist denkbar simpel. Vor allem ist sie nicht besonders spannend, denn seien wir ehrlich: Wer nicht weiß, wie der Film endet, war in seinem Leben noch in keiner Einkaufsstraße. Es gibt einen triftigen Grund, weshalb Filme, die ähnliche Geschichten erzählen, sich so viel Mühe geben, wenigstens auf künstlerischer Ebene zu überzeugen. THE WOLF OF WALL STREET oder THE BIG SHORT wären zwei aktuelle Beispiele für Filme, die ihre im Kern trockene Geschichte mit bunten, filmischen Ideen aufzupeppen versuchen. THE FOUNDER hingegen kommt daher wie ein Fernsehfilm aus den Achtzigern: streng chronologisch, sauber, aufgeräumt. Ungewöhnliche Ideen, oder den Willen, die sich erwartbar dahinstreckende Story mit irgendwelchen Kniffen aufzulockern, sucht man vergebens.

Sympathy for the Devil


Hinzu kommt der zweite Problempunkt des Films, in dem er beinahe zu wenig konventionell ist. Denn als Kinogänger ist es nicht direkt üblich, einen Film zu gucken, in welchem der „Schurke“ gewinnt, und die moralisch sauberen „Helden“ am Ende geschlagen und vergessen im Staub liegen. Dem Film gelingt es einfach nicht, auf einer moralisch befriedigenden Note zu enden – weder hat man das Gefühl, dass Ray Kroc sich einen Pyrrhussieg erkämpft, noch, dass ihm sonst irgendwie poetische Gerechtigkeit widerfährt. Und obwohl man durchaus Sympathien für Kroc hegt, gelingt es am Ende weder dem Script, noch Michael Keaton, dass man die Figur wirklich mag. Dafür sind Krocs Handlungen in der zweiten Filmhälfte schlichtweg zu egoistisch.

Natürlich muss ein Film kein Happy End haben. Und wenn ein Film wie THE FOUNDER versucht, historische Tatsachen darzulegen, und in der Realität gewinnen nun einmal meist die Menschen ohne Moral, ist dieser Ausgang nicht direkt überraschend. Und dennoch ist er unbefriedigend.
Erneut fällt einem der Vergleich zu WOLF OF WALL STREET und THE BIG SHORT ein. Beide Filme erzählen von moralisch verwerflichen Menschen und Systemen, in beiden Fällen gewinnt der „Schurke“ am Ende, und doch kommt man als Zuschauer moralisch befriedigter aus dem Kinosaal. Im Falle von THE WOLF OF WALL STREET wohl deshalb, weil Jordan Belfort wenigstens ein bisschen auf die Schnauze fällt. Und auch in THE BIG SHORT bekommen die Banken wenigstens teilweise ihr Fett weg. In beiden Fällen mögen die Folgen weder schwer noch langwierig gewesen sein, aber im Rahmen des Films gab es poetische Gerechtigkeit.
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Selbst Gordon Gekko wird am Ende von WALL STREET anstandshalber wenigstens verhaftet. Und Autor Robert Siegel gibt als zwei Inspirationen für sein Drehbuch zu THE FOUNDER zusätzlich noch die modernen Klassiker THE SOCIAL NETWORK und THERE WILL BE BLOOD an. Beide erzählen ebenfalls von ehrgeizigen Erfolgsmenschen, die für Karriere und Reichtum über Leichen gehen, und denen Moral nichts zählt, und in beiden Fällen kommen sie erfolgreich davon. Und doch gelingt es beiden Filmen, den Preis aufzuzeigen, den diese Figuren am Ende für ihre Gier zahlen, so dass man tatsächlich so etwas wie Mitgefühl für sie entwickeln kann.

THE FOUNDER jedoch zeigt einen Ray Kroc, der seine „Gier ist gut!“-Attitüde bis zum Schluss propagiert und zur „Strafe“ reich und berühmt wird, die Frau bekommt, und sein Leben in Saus und Braus verbringt. Abspann.
Da hilft auch der Versuch des Films nicht, am Ende noch einmal darauf hinzuweisen, dass die bedauernswerten McDonald-Brüder auch nach dem Ende der Geschichte noch ordentlich auf die Nase bekommen haben.
Als moralischer Ausklang eines Spielfilms ist das nicht unproblematisch und man verlässt den Kinosaal dementsprechend vornehmlich frustriert, erzürnt, und mit der Lust, dem nächsten McDonald's-Filialleiter seinen Erdbeershake in die Unterhose zu schütten.

Hungry Heart


Allerdings zeugt das auch davon, dass es THE FOUNDER durchaus gelingt, Gefühle beim Zuschauer zu wecken. Und zwar keine kleinen. Das verdankt er vor allem dem tollen Spiel der drei Hauptakteure. Michael Keaton als paddelig-arschiger Ray Kroc legt eine Leistung hin, die tatsächlich einige Nominierungen wert gewesen wäre. Sein Hunger nach mehr ist es, der den Film spürbar antreibt.
Aber vor allem John Carroll Lynch als Mac McDonald und Nick Offerman als Dick McDonald drücken dem Film ihren Stempel auf und verleihen ihm das Herz, welches das Ende so unangenehm nachfühlbar macht.
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Es zahlt sich aus, den Film um drei eingefleischte Charakterdarsteller herum aufzubauen (auch wenn Nick Offerman dank seiner Rolle in PARKS AND RECREATION vor allem als Komiker bekannt geworden ist). Beide sind erfahrene Theaterschauspieler, was man dem Film deutlich anmerkt. Carroll Lynch etwa lernt das gesamte Drehbuch zu THE FOUNDER auswendig, und behandelt den Dreh tatsächlich wie eine Theateraufführung.

Auch sonst ist der Film top besetzt, weiß allerdings nur selten etwas mit seinen Künstlern anzufangen. Laura Dern etwa ist völlig verschenkt und kommt kaum darüber hinaus, dann und wann traurig leidend an der Kamera vorbeizuschauen. Allerdings: Wenn sie einmal einen Auftritt bekommt, dann zeigt sie deutlich, was sie drauf hat. Schade, dass da nicht mehr kam.
Patrick Wilson ist aktuell ohnehin dauerbeschäftigt, und ein bisschen hat man das Gefühl, dass er seine Szenen hier auf einem Zwischenstopp zwischen zwei größeren Drehs absolviert hat. Nicht, weil er schlecht wäre, sondern weil seine Rolle so unbedeutend ist, dass er absolut nichts damit herausholen kann.
Einzig B.J. Novak und Linda Cardellini, beide eindeutig viel zu selten auf der Leinwand zu sehen, gelingt es, in ihren ebenfalls recht kleinen Rollen einen nennenswerten Eindruck zu hinterlassen.
Dennoch hat man immer wieder das Gefühl, dass viele der Nebenfiguren für die Handlung verzichtbar sind, weil ihr Eindruck und ihre Wirkung auf Rays Charakterzeichnung (sämtliche Nebenfiguren dienen allein Ray Krocs Charakterisierung) entweder viel zu klein ist, wie etwa in Patrick Wilsons Fall, oder aber weil es ihnen nur unzureichend gelingt, Ray Kroc irgendwie sympathisch wirken zu lassen, was wohl Laura Derns Funktion gewesen sein wird.
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Alles in allem liegen die größten Schwächen des Films in Robert Siegels etwas lahmem Drehbuch. Allerdings gelingt es John Lee Hancocks Regie auch nicht, dem Script irgendwie nachhaltig Würze zu verleihen.

Damit bleiben einzig die drei Hauptdarsteller, die dem Film etwas Leben einhauchen – im Endeffekt reicht das nur eben nicht, um einen Klassiker auf die Leinwand zu bringen.

Fazit


THE FOUNDER lohnt sich als Geschichtsstunde und als Einblick in die Geschichte von McDonald's. Man muss akzeptieren, dass hier am Ende „der Böse“ gewinnt, und vollkommen unversehrt als Sieger vom Platz geht, während die Sympathieträger schlichtweg zermalmt werden, was am Ende für ordentlich Magengrummeln sorgt.
Filmisch hingegen erwartet den Zuschauer äußerst konventionelle Hausmannskost.
So bleiben neben den lehrreichen Schilderungen der historischen Abläufe vor allem die drei Hauptfiguren in Erinnerung, die allesamt eine wirklich starke Leistung abliefern. Keatons Ray Kroc wirkt ab und an ein wenig überdreht, und man kann Keaton leicht glauben, wenn er erklärt, er habe sich bei der Gestaltung und Vorbereitung seiner Rolle an Klassikern wie GLENGARRY GLEN ROSS, Michael Douglas in WALL STREET, Tom Cruise in JERRY MAGUIRE oder Leonardo DiCaprio in THE WOLF OF WALL STREET orientiert. Leider gibt THE FOUNDER zu wenig her, als dass er mit seinem Auftritt als Ray Kroc einen ähnlich ikonische Eindruck in der Filmgeschichte hinterlassen könnte.

Ebenfalls lobenswert ist die Mühe, mit der man das McDonald's der Fünfziger wieder hat auferstehen lassen. Da heute keine der alten Filialen mehr existiert, wurden sie allesamt originalgetreu auf Parkplätzen nachgebaut.

Übrigens: Wenigstens eine kleine Niederlage verschweigt der Film! Ray Kroc war eng mit Walt Disney befreundet (den John Lee Hancock ausgerechnet mit Tom Hanks in SAVING MR. BANKS inszenierte), und versuchte immer wieder, ihn dazu zu überreden, ein McDonald's in Disneyland eröffnen zu dürfen. Doch daraus wurde nichts – einem Walt Disney war nicht mal Ray Kroc gewachsen.
© Splendid / Tobis

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