ARRIVAL
ist ein Film voll großer Fragen. Welche Macht besitzt Sprache?
Welche Gefahren? Welche Grenzen ziehen unsere Sprachen über die
Welt? Und wie hoch ist der Preis, diese Grenzen zu überwinden?
Denis
Villeneuves Ankunft der Außerirdischen gelingt das Glanzstück,
einen Thriller um das Wesen der Sprache herum zu stricken, und damit
ein Highlight des Kinojahres – spannend, clever und
vielschichtig, tiefgründig und berührend zugleich. Und ein
erschreckend aktueller Beitrag zur ewigen Weltlage.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
- Spoilerwarnung -
Wir haben uns bemüht, möglichst spoilerfrei über ARRIVAL zu berichten, und können verkünden, das uns das auch gelungen ist. Dennoch sprechen wir einige Themen und Aspekte des Films an, die empfindsamere Gemüter gleichwohl als 'Spoiler' werten könnten.
Falls ihr euch nicht sicher seid - kommt gerne nach dem Kinobesuch wieder, den ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen solltet. Wir warten solange hier.
Falls ihr euch nicht sicher seid - kommt gerne nach dem Kinobesuch wieder, den ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen solltet. Wir warten solange hier.
Denis Villeneuves Filme machen es den
Zuschauern nie leicht. PRISONERS, ein knallhartes Entführungsdrama,
das gekonnt die Perspektive wechselt, ENEMY, ein auf mehreren Ebenen
spielendes Beziehungsdrama und zuletzt SICARIO, ein mexikanischer
Drogenthriller, der die Zuschauer ebenso passiv und unwissend lässt
wie die Hauptfigur. Immer ist er in seinen Werken innovativ und
zugleich provokativ, inszeniert er doch Stoffe, die mehrdimensional
und gegen die üblichen filmischen Konventionen gebürstet sind. Und
allein mit dieser Herangehensweise spaltet er die Kinozuschauer –
jedes Mal. Nun legt er dem Zuschauer mit ARRIVAL einen vielschichtigen
und philosophischen Diskurs über Sprache und Kommunikation vor, den
er in einen Alien-Science-Fiction-Thriller bettet. Auch das wird
spalten. Zum Glück.
ARRIVAL wurde bereits vor seinem
Kinostart als Meisterwerk gefeiert. Als neu und anders. Der Trailer
schraubte zur Jahresmitte 2016 die Erwartungen ins Unermessliche,
suggerierte er doch einen Alienthriller, der die Kommunikation in den
Mittelpunkt stellt und weniger den Kampf gegen die
Außerirdischen.
Eine Linguistin als moderne Superheldin. Kann das
funktionieren?
Und wie!
Die Ankunft
Die
Linguistikprofessorin Dr. Louise Banks hat gerade ihre Tochter
verloren und scheint noch immer mit dem Verlust zu kämpfen, als sich
alles verändert. Ohne Vorwarnung erreichen zwölf Raumschiffe die Erde,
eines davon auch auf dem Gebiet der USA. Es dauert nicht lange, und
das US-Militär erbittet die Hilfe der renommierten Linguistin
Banks, die selbst mehrere Sprachen beherrscht. Ihre Aufgabe: Kontakt
mit den Neuankömmlingen aufnehmen, ihre Sprache analysieren und eine
Möglichkeit zur Kommunikation eröffnen.
Zweifelnd nimmt Dr.
Banks den Auftrag an und begleitet Colonel Weber und den
theoretischen Physiker Ian Donolly nach Montana. Mühsam und
kleinschrittig nehmen Wissenschaftler weltweit Kontakt zu den
„Heptapoden“ getauften Aliens auf und tauschen zu Beginn ihre
geringen Ergebnisse detailliert untereinanander aus.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Vier Wochen lang arbeiten Banks und
Donolly eng mit ihren zwei, „Abbott“ und „Costello“ getauften
Besuchern zusammen und tatsächlich gelingt es ihnen, ein Gespräch
in Gang zu bringen. Dann aber entschlüsseln sie eine Nachricht der
Aliens, die das fragile Gleichgewicht ins Wanken bringt und die
Staaten der Welt in den Alarmzustand versetzt. Die weltweite
Zusammenarbeit bricht zusammen, und während die Menschheit beginnt,
sich für einen Präventivschlag gegen die undurchsichtigen Aliens zu
rüsten, erhält Louise Banks im verzweifelten Versuch, die
Katastrophe zu verhindern, Hilfe von unerwarteter Seite ...
Der wissenschaftliche Kern
Die
Grundgeschichte, die ARRIVAL uns erzählt, ist weder neu noch
sonderlich originell. Aliens landen auf der Erde, und die Menschheit
reagiert mit Misstrauen und getreu dem Motto „Der beste Gegenschlag
ist der Erstschlag“. Nur ein einsamer Alienversteher ist bemüht,
den Frieden zu wahren.
Was
ARRIVAL deutlich und angenehm von den Vorgängern abhebt, ist seine
strikte Fokussierung auf die linguistische Prämisse. Regisseur
Villeneuve und Autor Eric Heisserer nutzen die spannungsgeladene Rahmenhandlung
als Vehikel für einen tiefenphilosophischen Exkurs in das Wesen von
Sprache und Kommunikation. Wie funktioniert Sprache? Welche Mittel
bietet sie, und welche Schwächen liegen ihr zugrunde? Der Weg zum
Erfolg führt in ARRIVAL weder über militärische Macht, noch über
Heldenmut oder Intelligenz, sondern immer und zu jeder Zeit über die
Fähigkeit, Sprache als das zu erkennen, was sie ist: ein fragiles,
subjektives Gebilde, das unsere Welt gestaltet.
In
einer zunächst unscheinbaren Szene wird dabei einer der Hauptpunkte
des Films angesprochen: Linguistischer Relativismus, auf Deutsch (und
im Film) auch als Sapir-Whorf-Hypothese bezeichnet.
Die
Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass die Muttersprache eines Menschen,
ihr Vokabular und ihre Grammatik, die Art und Weise prägt, wie der
Mensch denkt und die Welt wahrnimmt. Dementsprechend gäbe es in jeder Sprache
Gedanken, die von einem anderen Menschen, der diese Sprache nicht
beherrscht, nicht geteilt werden könnten. Manchen Freunden dieser
Hypothese erscheint das als Beweis dafür, dass man einen Text
niemals in seiner Gänze in eine fremde Sprache übertragen könne,
da manche Gedanken in einer anderen Sprache nicht auszudrücken seien
(man nennt das linguistischen Determinismus). Doch das führt an
dieser Stelle zu weit.
Bedeutsam
ist hier vor allem das, was die Forschung das „linguistische
Relativitätsprinzip“ nennt. Vereinfacht ausgedrückt besagt
dieses, dass nicht alle Menschen gleich denken, und die Welt nicht
gleich wahrnehmen, sondern dass Sprache und Denken sich gegenseitig
beeinflussen. Vor allem in der Muttersprache, jedoch auch beim
erlernen einer neuen Sprache verändert sich die Form des Denkens und
der Wahrnehmung der Welt.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
ARRIVAL setzt diesen etwas spröden, theoretischen
Ansatz angenehm subtil und überraschend verständlich ins Zentrum
seiner Geschichte und erweitert ihn zu einer geradezu phantastischen
Theorie.
Wie
schon in ENEMY gelingt es Villeneuve somit, einen Thriller um eine
philosophisch-geisteswissenschaftliche Theorie herum aufzubauen.
Etwas ähnliches versuchte zuletzt bereits INTERSTELLAR, dem das
jedoch nicht annähernd so gut glückt wie ARRIVAL – wohl auch,
weil Nolans Werk sich überhebt, und seine eigene Prämisse aus den
Augen verliert. ARRIVAL hingegen bleibt seinem linguistischen
Schwerpunkt durchgängig treu – und verpasst es doch nicht, jede
Menge weiterer sozialer und gesellschaftspolitischer Themen
anzusprechen.
Teamarbeit
Eines der
wichtigsten Themen neben der linguistischen Arbeit ist dann auch die
internationale Zusammenarbeit. Die Raumschiffe landen an 12 Orten auf
der ganzen Welt und zwingen die Wissenschaftler verschiedener
Staaten somit zur Kooperation. In Videokonferenzen tauschen sich die
einzelnen Staaten aus und versuchen im Kollektiv, die Sprache und die
Motivation der Außerirdischen zu ergründen. Zwar sind es letztlich
wieder die USA, die den Code knacken, doch gelingt es ihnen nur mit
internationaler Hilfe, etwa dem Sudan oder Russland, das Gesamträtsel
zu lösen, und auch der konkrete letzte Schritt zum Abschluss der
Unternehmung obliegt diesmal nicht dem amerikanischen Heldenmut.
Ein
kleiner Wermutstropfen sei hier angemerkt: Die Relevanz der globalen
und internationalen Zusammenarbeit kommt leider wenig subtil daher.
Immer wieder erinnert Dr. Banks ihre vor allem militärischen
Kollegen deutlich an die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit.
Und
auch von ganz anderer Stelle wird dieser Punkt vehement
eingefordert.
Kommunikation
Anders als in
anderen Alienfilmen steht hier nicht der Kampf im Mittelpunkt,
sondern die Kommunikation. Wo andere Filme sich mit Außerirdischen
aus der Affäre ziehen, die telepathisch kommunizieren oder die
Sprache der Menschheit in Sekundenschnelle erlernen, gerät hier
gerade die Unfähigkeit zur Kommunikation zur globalen Gefahr. Um den
vermeintlichen Gegner einschätzen zu können, muss man ihn verstehen
lernen, und das gelingt nur mittels Sprache.
Diesen sonst meist so schmählich
übergangenen Punkt stellt ARRIVAL ins Zentrum. Die linguistische
Feinarbeit, die bei dem kleinsten gemeinsamen Nenner beginnt, wird
nachvollziehbar und mundgerecht dargeboten. Für Freunde oder
Experten der Linguistik mag das noch zu grobkörnig, vielleicht
vereinfacht dargestellt sein, für themenfremde Zuschauer hingegen (also wohl den Großteil)
ist der Film zwar fordernd, aber immer nachvollziehbar. ARRIVAL folgt den
Wissenschaftlern beim Aufbau einer lexikalischen Begriffsliste und
zeigt die Hürden der Kommunikation gut verständlich auf. Das
Lexikon wächst innerhalb von vier Wochen auf eine stattliche, vor
allem eine brauchbare Größe, so dass eine simple Verständigung
möglich wird. Wer sich einmal vier Wochen in einem fremden Land
intensiv mit der Sprache auseinandergesetzt hat, mag das
nachvollziehen können.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Das Thema „Kommunikation“
bildet aber nicht nur ein exemplarisches Fundament der Geschichte,
sondern schwebt über der gesamten Handlung und durchdringt sie bis
in die kleinsten Nebenschauplätze. Es geht hier nicht nur um die
Kommunikation zwischen Banks und den Aliens. Es geht um die
Kommunikation der Menschen untereinander, innerhalb der globalen Welt,
die zwischenstaatliche Kommunikation, die fremdartige mit den
Außerirdischen, aber auch die Schwierigkeiten des Austauschs im
privaten und familiären Bereich.
Immer wieder werden uns alle
möglichen Kommunikationsformen vorgestellt.
So ist es auch kein Zufall, dass Ian die beiden Aliens, mit denen er arbeitet, Abbott und Costello tauft, bezieht er sich doch damit auf den bekanntesten Sketch der beiden Komiker, der heute als der weltweit berühmteste und populärste Sketch überhaupt zum Thema missglückte Kommunikation gilt: "Who's on first", in dem Costello einem immer frustrierter werdenden Abbott zu erklären versucht, dass der Baseballspieler auf dem ersten Mal Who heisst, während What auf dem zweiten und I don't know auf dem dritten steht. Noch komplexer wird es, als Why im Außenfeld und Tomorrow als Pitcher auftreten. Das sprachliche (leider nicht ins Deutsche übertragbare) Musterstück ist noch heute, nach gut achtzig Jahren, überaus brillant und sehenswert.
Gelungene Kommunikation, gescheiterte
Kommunikation, schweigende und verbale Kommunikation, sie alle stehen in ARRIVAL
im Einklang und treiben die im Film dargestellte globale Geschichte
gleichzeitig mit Dr. Banks' ganz persönlichem Drama geschickt und
gekonnt voran.
Und manchmal ist es eben auch die Sprachlosigkeit
des Schmerzes und des Wissens, die zum kommunikativen Mittel
wird.
Wissen
Wissen bedeutet Macht, das wissen
die Wissenschaftler natürlich auch und so verwundert es wenig, dass
das erlangte Wissen auch als Machtinstrument gegen Kollegen dient.
Auch dieser Frage stellt sich ARRIVAL: Welche Verantwortung trägt
man als „Wissender“? Wann muss man Wissen teilen und welches
Wissen kann oder sollte ein Staat für sich behalten? Wann fördert
Wissen die Zusammenarbeit und wann blockiert es sie? In ARRIVAL
gestaltet sich dieses Thema als wunderbare Metapher zu allen
wissenschaftlichen Erkenntnissen der heutigen Zeit. Wissen wird nur
so lange geteilt, wie sich ein Vorteil daraus gewinnen lässt, und
zurückgehalten, wenn das einen vermeintlichen Nachteil ausgleicht.
Die Staaten beginnen gegeneinander zu arbeiten, Entscheidungen zu fällen, ohne die
Partner miteinzubeziehen und ohne ihre Beweggründe zu
erläutern.
Auch dieser Themenbereich findet in ARRIVAL auf zwei
Ebenen gleichzeitig statt, denn während die in Staaten aufgeteilte
Welt abwägen muss, welches Wissen sie teilt oder nicht, findet sich
Louise Banks ganz privat in derselben Situation wieder. Auch ihr
stellt sich das Problem, was sie mit dem eigenen Wissen, der eigenen
Erkenntnis anfängt, mit wem sie es teilt – und welchen Preis sie
dafür zahlt.
Wissen ist Fortschritt, und doch auch eine Waffe,
eine Macht, die schmerzhaft sein und das Leben für immer verändern
kann. Und manchmal kann es tröstender sein, Wissen für sich zu
behalten – oder es gar nicht erst zu besitzen. Denn mit Wissen
kommt immer auch Verantwortung.
Verantwortung
Auch
dieser Punkt wird in ARRIVAL parallel zum Wissen und der Teamarbeit angesprochen.
Ja, Wissen verlangt nach einem
verantwortungsvollen Umgang damit. Ist die Wissenschaft nicht
gezwungen, das Erlernte so in der Öffentlichkeit zu positionieren,
dass Kollegen oder auch die Menschheit Nutzen daraus ziehen können? Ist es
nicht eine der fundamentalsten Entscheidungen, auszuwählen, wann und
in welcher Form man Wissen zur Verfügung stellt?
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Die Frage
schwebt lange im Hintergrund mit. Immer wieder sieht man die
Konsequenzen, die der Entschluss, Wissen zurückzuhalten nach sich
zieht. Für Dr. Banks wird die Frage nach dieser Verantwortung zu
einer der wichtigsten überhaupt. Doch der Film ruht sich nicht
darauf aus, den Verschluss von Wissen anzusprechen. Nein, er zeigt
auch die nahezu unfassbaren Konsequenzen, die es mit sich bringen
kann, Wissen zu teilen, zu offenbaren – denn jedes offenbarte
Wissen verändert die Welt. Manchmal im Kleinen, manchmal jedoch bis
in den letzten Winkel, und ohne die Chance, in alte Verhältnisse
zurückzukehren.
Die Umsetzung
Mit
ARRIVAL liefert Denis Villeneuve sein bisheriges
Meisterwerk ab.
In klaren, kühlen Bildern zeigt er uns eine
Zusammenkunft mit dem Andersartigen, die uns zunächst sprachlos
macht. Dr. Banks wird zur Handlungsträgerin und nimmt uns mit auf
eine Reise, die gleichzeitig in eine fremde Welt und in ihr innerstes
Selbst führt.
Die Art, wie Villeneuve und Kameramann Bradford
Young das umsetzen, ist fast schon intim und macht die durchlebte
Emotionalität der Protagonistin für uns ebenso faszinierend wie
auch schmerzlich.
Villeneuve und Young
bezeichnen das, was sie versucht haben, als “schmutziges Sci-Fi”.
Villeneuve wollte, dass es sich anfühlte, “als würde das alles an einem
schlimmen Dienstagmorgen geschehen, wie damals, wenn man als Kind an
einem verregneten Tag im Schulbus saß und ins Träumen geriet,
während man durch die Scheiben in die Wolken schaute.”
Und
Villeneuve lässt sich Zeit, erzählt die Handlung in dem ihm eigenen
Tempo, kontrastiert die Arbeit mit den Aliens immer wieder mit Szenen
aus Banks glücklicherem Leben und lässt dem Zuschauer damit Raum,
das Gesehene und Gehörte einzuordnen und nachzuvollziehen – nicht
selten kommt es zu dem für Villeneuve so charakteristischen
„Sich-in-den-Bildern-verlieren“, das in unserem Kinozeitalter
viel zu selten geworden ist.
Zum dritten Mal nach PRISONERS und
SICARIO arbeitet Villeneuve mit dem isländischen Komponisten Jóhann
Jóhannsson zusammen. Der beginnt mit den Aufnahmen bereits vor
Drehbeginn, und schafft einen kraftvollen, fremdartigen und zugleich
beruhigenden Score, der die Faszination unterstreicht, die
vermeintliche Gefahr, sowie die beruhigende Erkenntnis, und der Regie und den Bildern ein kongenialer Partner wird.
Amy
Adams brilliert in der Rolle der Linguistin Louise Banks und spielt
so subtil, dass ihre zahlreichen Großaufnahmen eine
wahre Freude sind. Auch wenn Adams mit NOCTURNAL ANIMALS ein weiteres
heißes Eisen im Feuer hat, lehnen wir uns aus dem Fenster und
erklären, dass ihre Darstellung in ARRIVAL ihr einige Nominierungen
für Preisverleihungen einheimsen könnte. Wir würden uns jedenfalls
nicht wundern.
Jeremy Renner als Ian Donnelly agiert im
Hintergrund und schafft es mit seinem feinen differenzierten Spiel,
Adams im richtigen Maß zu unterstützen, ohne sich oder ihr
notwendigen Raum zu nehmen.
Diese beiden Protagonisten, und die
passende Chemie zwischen ihnen, tragen den Film und ermöglichen die
Charakterisierung zweier Menschen, die einander helfen, aus dem
wissenschaftlich nach innen gerichteten Blickwinkel auszubrechen und
sich dem Außen zu öffnen.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Regisseur Denis Villeneuve,
Drehbuchautor Eric Heisserer sowie der Produktionsdesigner Patrice
Vermette entwickeln für den Film eine eigene, funktionierende,
visuelle „Aliensprache“, eine sogenannte „Logogramm-Bibel“,
für die sie 100 verschiedene Logogramme als lexikalische Grundlage
entwickeln. 71 davon werden letztendlich im Film
verwendet.
Villeneuve ist es wichtig, dass die wissenschaftlichen
Bezüge auf einer korrekten Grundlage fußen und holt sich mit
Stephen Wolfram eine Koryphäe der interdisziplinären Wissenschaft
als Berater an die Seite, der ihm hilft, die wissenschaftlichen
Modelle und Bezeichnungen möglichst korrekt zu
halten.
Produktionsdesigner Vermette ist auch dafür
verantwortlich, dass die Raumschiffe niemals die Erde berühren. „Die
zwölf identischen Schiffe sollten durchs Universum reisen und ihre
Reise damit beenden, achteinhalb Meter über der Erde zu schweben, in
einem empfindlichen Gleichgewicht, und es so der Erdbevölkerung überlassen, den letzten Schritt zur Kontaktaufnahme zu tun.“
Elefanten,
Wale, Spinnen und Oktopusse sind die Ideengeber für die
Erschaffung der Aliens. Villeneuve möchte Wesen kreieren, die
einem enormen Unterwassertier gleichen. Sie sollen die Assoziation
eines surrealen Alptraums hervorrufen, die später, am Ende des Films
in die eines „Gevatter Tod“ übergeht.
Mit ARRIVAL macht Villeneuve umso neugieriger darauf, was er 2017 mit BLADE RUNNER 2049 abliefert, mit dessen Produktion er direkt nach der Arbeit an ARRIVAL beginnt.
Mit ARRIVAL macht Villeneuve umso neugieriger darauf, was er 2017 mit BLADE RUNNER 2049 abliefert, mit dessen Produktion er direkt nach der Arbeit an ARRIVAL beginnt.
Die Vorlage
ARRIVAL basiert auf der Novelle „Story of Your
Life“, die Ted Chiang 1998 verfasst. Zunächst wird der Film wie
seine literarische Vorlage betitelt, doch als das Testpublikum sich
gegen den Titel ausspricht, wird er in ARRIVAL umbenannt. Zum einen,
da das Publikum mit dem Titel der Novelle ein romantisches Drama
assoziiert, weniger einen SciFi-Thriller, zum anderen aber auch, weil
sich der Drehbuchautor doch einige Abweichungen vom Original
erlaubt.
Ted Chiang gilt als einer der besten und
aufregendsten Science Fiction Autoren der letzten zwanzig Jahre.
Seine Geschichten verbinden große gedankliche wie erzählerische
Konsequenz mit einem hohen Grad von Emotionalität. So werden seine
Geschichten als Erlebnisse wahrgenommen, die man so schnell nicht
wieder vergisst. In den vergangenen zwanzig Jahren wurde er mit mehr
Literaturpreisen ausgezeichnet als irgendein vergleichbarer Autor.
Der (neue) deutsche Literaturpapst Denis Scheck
(„Druckfrisch“) bezeichnet ihn als „derzeit besten Verfasser von
Science-Fiction und Fantasy-Erzählungen“ und zählt ihn zum „erzählerisch Erstaunlichsten, intellektuell Aufregendsten und
ästhetisch Innovativsten“, was er in den letzten zehn Jahren
gelesen hat.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Die filmische Umsetzung hält sich in vielen
Teilen an die literarische Vorlage, nimmt sich aber zur Verdichtung
künstlerische Freiheiten, zum Beispiel in Bezug auf die Anzahl der
Raumschiffe. In der Vorlage erreichen weltweit 112 Schiffe die Erde,
und neun davon amerikanisches Gebiet. Der Film
reduziert die Anzahl auf 12.
Chiang
selbst sagt zur Verfilmung: “Ich halte dies für einen dieser
extrem seltenen Kandidaten, die sowohl ein guter Film als auch eine
gute Adaption sind. Und wenn man sich die anderen Fälle anschaut, in
denen eine Science-Fiction Geschichte adaptiert wurde, grenzt das an
ein Wunder.”
Doch
die Verfilmung findet lange keine Geldgeber.
Autor Eric Heisserer braucht Jahre, um
Chiangs komplexe, wissenschaftlich-emotionale Geschichte in ein
Exposé zu formen, und noch mehr Jahre, Produzenten davon zu
überzeugen. Die meisten halten die Idee für unverfilmbar. „Sobald
ich anfing, über den Film zu sprechen, habe ich nur noch
ausdruckslose Gesichter geerntet. Es ist eine weibliche Hauptrolle.
Es ist ein Science-Fiction Film ohne Franchiseoption, voller
intellektueller Konzepte. Sobald ich schließlich auf
linguistischen Relativismus zu sprechen kam, wurden ihre Augen
stumpf. Es hieß dann nur noch: 'Geben Sie uns das Glas Wasser zurück
und verschwinden Sie.'“
© Sony Pictures Releasing GmbH |
Als das kleine Independent Label 21
Laps zumindest Interesse bekundet und sich bemüht, größere Studios
zu überzeugen, geht Heisserer aufs Ganze. Ohne Garantie, es los zu
werden, will er das Script zu Ende schreiben. Doch dafür braucht er
die Erlaubnis von Ted Chiang. „Das war ein nervenaufreibender Pitch
für mich. Und ich hatte einige furchtbare Pitches. Ich hatte einen,
bei dem der Produzent während meiner Präsentation auf Klo ging um
zu pinkeln und mir sagte: 'Reden Sie ruhig weiter, ich kann Sie
hören'. Aber hier war ich echt nervös, mein Projekt über
Lautsprecher einem Mann zu präsentieren, dessen Arbeit ich
vergöttere, während ich verzweifelt versuche ihm klarzumachen, dass
ich so respektvoll wie möglich mit seinem Stoff umgehen würde, auch
wenn ich einige ziemlich große Änderungen machen müsste, damit er
als Film funktioniert.“
Heisserer macht aus Chiangs intimer,
intellektueller Novelle eine „Rettet den Planeten“-Geschichte,
inklusive einem in der Vorlage nicht vorkommenen Wettlauf gegen die
Zeit.
Schließlich landet das Script auf
Villeneuves Schreibtisch. Er trifft sich einige Male mit Heisserer,
bevor er für das Projekt zusagt, das ihm immer besser gefällt. Als
es gelingt, mit Amy Adams, Heisserers Wunschbesetzung, einen
zugkräftigen Namen auf die Castingliste zu bekommen, steigt auch
Paramount als Geldgeber ein, und das Projekt gewinnt an Fahrt.
Nachdem Mitte 2015 auch Jeremy Renner und Forest Whitaker als
Akteure feststehen, erhält der Film grünes Licht und geht in die
Produktion.
Die Metaebene
Die
Filme von Denis
Villeneuve geben dem Kinogänger stets die Chance, sie in mehrfacher
Hinsicht zu deuten. Am eindrucksvollsten gelingt ihm das in ENEMY,
doch auch ARRIVAL bietet vielerlei Deutungsmöglichkeiten.
Auf
einige der Punkte haben wir oben bereits hingewiesen.
Doch gerade
in der heutigen Zeit der Unruhen und der Angst vor dem Fremden bietet
der Film auch genau jene Metaebene zur Deutung an. Das Fremde, das
uns in Angst versetzt, die Sprache, die wir nicht verstehen und vor
allem das andersartige Denken, das mit der fremden Sprache verbunden
scheint; all das lässt uns angstvoll zurückweichen oder, viel zu
oft, aggressiv nach vorne stürmen.
Was aber wäre, wenn wir
neugierig bleiben? Uns erst ein Urteil über das Fremde erlauben,
wenn wir es besser kennengelernt haben? Es besser einschätzen
können? Was wäre, wenn wir frei von Vorurteilen agieren? Wenn wir
uns der fremden Sprache widmen, um die fremden Gedanken dahinter zu
unseren zu machen, statt mit unserer eigenen Sprache, ohne fundiertes Wissen,
unsere Urteile über das Fremde im Raum stehen zu lassen? Wenn wir
nicht sofort Rückschlüsse ziehen, und uns damit der Gefahr
aussetzen, eine Situation heraufzubeschwören, die nicht nur
potentiell, sondern ganz wirklich bedrohlich und zerstörend
gleichermaßen ist?
Zusammenarbeit. Verständigung. Die
Aneignung uns fremder Gedanken. Erst dadurch wird es möglich,
Lösungen zu entwickeln und alternative Handlungswege auszuprobieren,
die nicht einem einzelnen Staat, nicht einem einzelnen Sprachbereich zugute kommen,
sondern allen.
Miteinander statt gegeneinander.
Verständnisvoll
statt vorverurteilend.
In der Form, wie ARRIVAL diese
Botschaft präsentiert, liegt ihm auch auch eine zutiefst utopische
Weltvorstellung zugrunde.
© Sony Pictures Releasing GmbH |
wow
AntwortenLöschenSo eine feine, intelligente und gut geschriebene Kinokritik. Jeden Satz gerne gelesen.
AntwortenLöschenDankeschön! Das ist ein äußerst nettes Feedback! :)
Löschen