Edward Montgomery „Monty“ Clift ist einer dieser
unsterblichen, sensiblen Hollywoodstars, die viel zu jung starben. Gerade einmal 45 Jahre alt wurde der erste Star des Method Actings.
33 Jahre davon stand er auf Bühnen und vor Kameras, erschuf
Klassiker und Helden, die nie welche sein wollten. Sein eigenes Leben war ganz
und gar nicht heldenhaft, gezeichnet von Tragödien und Abhängigkeiten und dem
tiefen Geheimnis seiner Homosexualität. Sein Leben war aber auch gekennzeichnet
von der unendlichen Liebe zu Freunden wie Elizabeth Taylor und Marlon Brando.
Mit nur 16 Filmen schreibt er Filmgeschichte und wird zu
einem der prägendsten Schauspieler des neuen, modernen Kinos.
Quelle: DVD "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig" © 20th Century Fox |
Biancas Blick
Montgomery Clift arbeitet zu einer Zeit, in der Schauspieler
bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen haben: schön sein und begehrlich – das ist
Clift wahrlich. Aber auch verfügbar für das andere Geschlecht. Das wird Clift nie.
Und schließlich zerbricht er an dieser Lebenslüge.
Edward Montgomery Clift wird gemeinsam mit seiner
Zwillingsschwester Ethel am 17. Oktober 1920 in Omaha, Nebraska geboren. Sein Vater
ist einflussreicher Banker, seine Mutter die mutmaßliche Enkeltochter von
Abraham Lincolns Kabinettsabgeordneten Montgomery Blair.
Der vermutete Status seiner Mutter als Enkelkind eines hohen
Politkers der Sezessionszeit und das Geld des Vaters sorgen dafür, dass
Montgomery und seine Geschwister (Ein Jahr vor ihm wurde noch sein Bruder
William Brooks Clift, Jr. geboren) zutiefst aristokratisch erzogen werden. Die
Mutter selbst und Privatlehrer unterrichten die Kinder zu Hause, in Amerika und
Europa, sie lernen Französisch, Deutsch und Italienisch. Erst als Jugendliche
kommen sie auf eine öffentliche Schule, wo Montgomery immer hinterherhinkt.
Früh übt sich ...
Und so geht der sensible, dauerkranke Junge schon bald einen
anderen, ganz eigenen Weg: Mit 15 zieht er nach New York und ergattert kleine
Rollen am Broadway. Seine erste in dem Stück Fly Away Home.
In There Shall Be No Night sorgt er als Sohn für Furore. Er
spielt neben den Größen Alfred Lunt und Lynn Fontane, mit denen er sich auch
anfreundet. Er ist gerade mal 20 Jahre alt und gilt als einer der wichtigsten Hoffnungsträger
des amerikanischen Theaters.
Er ist ein harter und gewissenhafter Arbeiter, bereitet sich
stets akribisch auf seine Rollen vor, versucht viel und bietet improvisatorisch
eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten an.
Dabei kreiert er einen neuen Schauspielstil: er agiert
minimalistisch, macht die kleinen Gesten zu großen emotionalen Aussagen. Das
ist neu. Das ist innovativ.
Doch er ist schon früh geprägt von Unsicherheiten und scheut
den großen Publicityrummel.
Der sensible Held erblickt das Licht der Leinwand
1946, mit 26 Jahren, spielt er seine erste Filmrolle in RED
RIVER. Kein geringerer als John Wayne ist sein Partner, damals bereits einer
der berühmtesten Filmstars Hollywoods.
Und Montgomery Clift kann in der Rolle seines Ziehsohnes
bestehen. Und wie! Smart, zurückhaltend, sensibel und einfühlsam stellt er einen
kongenialen Gegenpart zur aufbrausenden Figur Waynes dar. Eine Rolle, die Clift
sein ganzes künstlerisches Schaffen über begleiten wird.
Clift wehrt sich (vergeblich) gegen das versöhnliche Ende
des Films, wird auch nie müde, das später immer wieder zu betonen. Er zeigt
früh, dass er zu einem nicht bereit ist: sich stillschweigend zu unterwerfen.
Er sagt, was er denkt, selbst wenn er die Umstände nicht ändern kann.
Das Finale von RED RIVER enthält eine Kampfszene, vor der
Clift, eher schmächtig gebaut, enormen Respekt hat. Wird man ihm diese Szene
abnehmen? Er trainiert hart (was ihm für die Rolle des Pruitt in VERDAMMT IN
ALLE EWIGKEIT noch entgegenkommen wird) und ihm gelingt eine beeindruckende
finale Konfrontation.
RED RIVER avanciert zum Kassenschlager, als er, erst zwei
Jahre später, in den Kinos anläuft und Clift wird umschwärmt wie nie zuvor.
Waren es in New York nur die theaterbegeisterten Teenager, sind nun die
Kinogänger hinzugekommen, die vor seiner New Yorker Wohnung campieren, um einen
Blick auf ihren Schwarm zu erhaschen. Für den zurückhaltenden Clift
befremdlich.
Zudem fühlt er sich nicht zu den weiblichen Fans hingezogen –
der endgültige Beginn der langen inneren Zerrissenheit, an der er nur 20 Jahre
später zerbrechen wird.
Quelle: DVD "Red River" © 20th Century Fox |
In DIE GEZEICHNETEN spielt Clift einen amerikanischen
Soldaten, dem ein elternloses Kind zuläuft. Er beschließt, das Kind mit in die
USA zu nehmen und sich darum zu kümmern. Der Film beleuchtet anhand dieser
Geschichte den realen Hintergrund Hunderter Kriegswaisen in den befreiten und
besetzten Zonen Europas und die Arbeit der Organisationen, die sich um diese
Kinder kümmern. Das Ergebnis ist ein feinfühliges Drama über die Suche nach
Verantwortung und leugnen derselben. Wieder gibt Clift den sympathischen,
sensiblen Helden, der über sich selbst hinauswächst und doch erkennen muss,
dass andere Lösungen vielleicht die besseren sind.
DIE GEZEICHNETEN kann den Erfolg von Clifts Erstling nicht übertreffen,
ist aber ein großer Achtungserfolg bei der Kritik. Ivan Jandl, der den Jungen
Karl spielt, erhält einen Spezia-Oscar für seine sensible Darstellung.
Mit zwei Filmen, die innerhalb eines Jahres in die Kinos
kommen, etabliert sich Clift als „Upcoming Star“.
Selbstbewusst ohne Durchsetzungsvermögen
1949 dreht er DIE ERBIN an der Seite von Olivia de
Havilland. Die Zusammenarbeit ist wenig kollegial. De Havilland braucht diesen
Film zur Wiederbelebung ihrer Karriere und lässt Clift wenig Raum zum Spielen.
Der Film ist die Verarbeitung von Henry James‘ Roman „Washington Square“. Regie
führt William Wyler.
Es kommt wie es kommen muss: Obwohl Clift spielt, als gäbe
es kein Morgen und den Zuschauer, seiner Rolle entsprechend, stets im
Ungewissen über die Absichten seiner Figur lässt, kommt er gegen de Havilland
nicht an. Mit „bebendem Busen“, wie er es schildert, zieht sie die Aufmerksamkeit
der Zuschauer auf sich. Sie weigert sich, Clift entgegenzuspielen und nimmt den
Regisseur ganz für sich in Anspruch.
De Havilland schwingt sich zum Star des Films auf und nimmt
zu Recht den Oscar mit nach Hause.
Clift ist am Ende von seiner gezeigten Performance im Film so
enttäuscht, dass er die Premiere vorzeitig verlässt.
Das ist deshalb so tragisch, weil Clift selbst stets
kollegial darum bemüht ist, seine Partner zu unterstützen, um ihnen die
bestmögliche Darstellung zu ermöglichen. Seine Trainings- und Probeeinheiten
mit Elizabeth Taylor und Frank Sinatra sind legendär.
1950 bekommt er ein sensationelles Angebot, eine Rolle, die
eigens für ihn geschrieben wird: die des Joe Gillis in SUNSET BOULEVARD. Doch
Clift lehnt die Rolle ab. Sie liegt ihm zu sehr an seinem wahren Ich, denn auch
er datet zu dieser Zeit vornehmlich ältere Frauen.
Stattdessen dreht er THE BIG LIFT, ein wenig guter und kaum
erinnerungswürdiger Film. Es wird sein erster Flop.
Quelle: DVD "Red River" © 20th Century Fox |
Er erschafft den Männertyp, der James Dean gerade mal knapp
fünf Jahre später in den Olymp heben
wird, als Montgomery Clift ein zu hohes Risiko für die Studios geworden ist.
Dean wird gefeiert und angebetet, wird zum Symbolträger
einer ganzen Generation.
Clift, der dieses Image ins Leben ruft und formt, wird
vergessen.
Die Wandlung beginnt ...
Anfang der 50er Jahre wandelt Montgomery Clift sich spürbar.
Zum einen stehen seine größten Rollen bevor, zum anderen beginnt er sich selbst
mehr und mehr zu verlieren.
Er versucht, seine Homosexualität zu verbergen, aus Angst, damit
könne er seine Karriere beenden. Vor allem aber aus Furcht, er könne die
Menschen in seinem Umfeld enttäuschen.
So behält er seine Neigung für sich und und versucht die Traurigkeit
und die aufkommenden Depressionen mit Alkohol zu betäuben. Er denkt gar nicht
daran ein Scheinleben zu führen wie es zum Beispiel Rock Hudson mit seiner
Alibi-Ehe tut.
Clift führt sein heimliches Leben abseits der Boulevardpresse.
Er beginnt zu trinken. Zunächst noch in Maßen und
kontrollierbar, aber schon zwei, drei Jahre später entgleitet ihm die Kontrolle
über seinen Alkoholkonsum und macht ihn zu einem Sicherheitsrisiko für jeden
Film, in dem er auftritt.
Die Abwärtsspirale beginnt.
Das erfundene Glück
1950 spielt er die Rolle, die ihn endgültig zum Topstar
macht: als George Eastman in EIN PLATZ AN DER SONNE neben Elizabeth Taylor, die
mit dieser Rolle ihre Karriere als ehemaliger Kinderstar endgültig ad acta
legt.
Es ist die dramatische Verarbeitung des Romans „An american tragedy“,
der in dieser Zeit auf allen Bestsellerlisten des Landes zu finden ist.
Elizabeth Taylor hat Respekt vor ihrer Rolle der Angela
Vickers, die viele emotionale Höhepunkte von ihr fordert. Clift reagiert mit
den Worten „Ist das nicht dieser Kinderstar?“, als er von der Besetzung Taylors
für seine Partnerin hört.
Aus diesen gegenseitigen Zweifeln aber entsteht eine der
tiefsten und innigsten Freundschaften in den von Dramen überschatteten Leben
beider Stars. Clift protegiert Taylor während der Dreharbeiten wo er nur kann,
denn er erkennt ihren Hunger nach besseren, ernsteren Rollen und ihre Hingabe
an die Schauspielerei.
Er probt den Text mit ihr, experimentiert, hinterfragt und
beleuchtet ihre Rolle und Motivation und verhilft Taylor dadurch zu einer der
besten Leistungen die sie jemals auf die Leinwand bringt. Es sind Lehrstunden, von
denen sie im Laufe ihrer Karriere noch oft zehren wird.
Quelle: DVD "Ein Platz an der Sonne" © 1951 Paramount Pictures |
EIN PLATZ AN DER SONNE, ein böses Drama über Amerika und
seine Gesellschaft, wird zu einem Straßenfeger. Clift erhält seine erste
Oscarnominierung.
Charlie Chaplin sagt über den Streifen, er sei der beste
Film, der jemals in Amerika gedreht worden sei!
Bei insgesamt neun Oscarnominierungen erhält der Film sechs
Preise. Zahlreiche Filmszenen werden noch heute zitiert, sei es Taylors Satz
„Tell it Mama“ oder Raymond Burrs Schlag mit einem Paddel im Gerichtssaal.
Mit Elizabeth Taylor wird Clift noch zwei Mal drehen - und
in beiden Filmen wird sein einstiger Zögling ihn weit überstrahlen.
Die coole Hoffnung braust davon
Spätestens jetzt gibt es zwei männliche Sterne am Himmel des
neuen, vom Method-Acting geprägten Schauspielstils. Neben Montgomery Clift
setzt sich Marlon Brando immer mehr als Star durch. Clift wird in den folgenden
Jahrzehnten zunehmend vergessen werden, doch Brandos Stern leuchtet bis zu
Jahrtausendwende.
Dabei wird Brando nie müde, zu betonen, dass er (wie James
Dean) viel von seinem Stil bei „Monty“ abgeschaut hat. Clift sei sein Vorbild
gewesen, er und dessen neuartiger zurückhaltender Stil auf der Bühne und vor
der Kamera hätten ihn geprägt und zu dem Schauspieler gemacht, der er sei. Er
hätte Clift auf der Bühne gesehen und stets bewundert. In einer Zeit, in der
Brando gerade mal 20 Jahre alt und noch ein Niemand war.
Die beiden freunden sich an, als Brando für The Truckline
Café und Monty für The Searching Wind auf der Bühne stehen. Als sie eines Tages
in New York gemeinsam auf ein Motorrad steigen und davonbrausen, sagt einer der
anwesenden Produzenten lapidar: „Da fährt sie hin, die junge Hoffnung
Hollywoods. Wenn jetzt etwas geschieht, stirbt sie auf einen Schlag ...“
Marlon Brando wird einer der längsten und nachhaltigsten Freunde Clifts.
Marlon Brando wird einer der längsten und nachhaltigsten Freunde Clifts.
Und auch er wird, wie Elizabeth Taylor, versuchen, ihn von
seinen Dämonen zu befreien und zu retten. Auch er wird dabei scheitern.
Zenit im Abstieg
1952 dreht Clift mit Alfred Hitchcock dessen mittelmäßigen, etwas
unschlüssigen Thriller ICH BEICHTE. Clift ist zu diesem Zeitpunkt bereits
schwerer Alkoholiker, was bekannt ist und die Studios zittern lässt. Doch noch
schafft er es, während der Dreharbeiten nicht zu trinken und liefert in diesem
Film eine beeindruckende Performance als hin- und hergerissener Priester ab,
der um einen Mord weiß, aber an seiner Schweigepflicht festhält, selbst als der
Verdacht allmählich auf ihn fällt.
Das Werk ist unlogisch und nicht ganz nachvollziehbar oder
glaubwürdig, die Kritik zieht darüber her. Einig ist sie sich aber über die
Tatsache, dass Montgomery Clift eine bestechend gute Darstellung liefert und
den Film damit knapp über den Durchschnitt hievt.
Dann folgt, während seines eigenen, immer rasanteren
Abstiegs, der Film, der Clifts beruflichen Höhepunkt markiert und ihn unsterblich
macht: Zinnemanns VERDAMMT
IN ALLE EWIGKEIT.
Clift liest das Buch und will nur eines: die Rolle des
Pruitt, koste es was es wolle. Er bettelt, er bettelt noch mehr und er
überzeugt! Er bekommt die begehrteste Rolle der frühen 50er Jahre und erntet damit
seine zweite Oscarnominierung!
Mittlerweile ist sein Alkoholkonsum unkontrollierbar
geworden, was ihn beinahe die Rolle kostet. Seine Saufgelage mit
Sinatra während der Dreharbeiten sind legendär, und doch liefert er eine
wunderbare Vorstellung ab. Er spielt den zerrissenen Soldaten Pruitt, der nur
eines will: seiner Kompanie dienen. Doch er wird schikaniert, als er sich weigert
zu boxen, da er einem Gegner einst durch einen Schlag das Augenlicht nahm. Er
bleibt sich treu und erträgt die Schikanen. Als Pearl Harbor bombadiert wird,
steht er vor der Herausforderung, sich für oder gegen seine Kompanie zu
entscheiden.
Frank Sinatra spielt Angelo Maggio, einen von Pruitts
wenigen Freunden. Sinatra ist unsicher. Er weiß, dass das seine Chance zu einem
Comeback ist und bittet Clift um Hilfe. Und wie zuvor bei Taylor probt Clift
mit Sinatra und protegiert ihn in jeder freien Minute. Sinatra bekommt den
Oscar – vollkommen zu Recht. Clift selbst geht erneut leer aus. Sinatra dankt
Clift öffentlich, bekundet in mehreren Interviews, dass er seinen Oscar Clift
zu verdanken habe.
Weitere Stars in diesem Klassiker sind Deborah Kerr, Burt
Lancaster, Donna Reed, Ernest Borgnine und Jack Warden.
Bei dreizehn Oscarnominierungen erhält der Film acht Preise!
Montgomery Clift vertieft für diese Rolle sein Boxtraining
(wird aber letztlich doch gedoubelt) und lernt Trompete spielen. Sein Trompetensolo zu
Maggios Tod geht in die Filmgeschichte ein.
Quelle: Blu Ray "Verdammt in alle Ewigkeit" © 1953, renewed 1981 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved |
Die Gaffer im Kinosaal
Bis sein nächster Film in die Kinos kommt, vergehen vier Jahre.
Es ist die Verfilmung IM LAND DES REGENBAUMS nach dem
gleichnamigen Roman.
MGM versucht mit dieser, in der Zeit nach dem Bürgerkrieg
angesiedelten Geschichte, den Erfolg von VOM WINDE VERWEHT zu übertreffen. Das
Studio engagiert neben Elizabeth Taylor auch Eva Marie Saint, die für ihre
Rolle in DIE FAUST IM NACKEN den Oscar erhalten hat. Der Mann, der zwischen
diesen beiden Frauen steht, wird von Montgomery Clift verkörpert.
Clift ist zu diesem Zeitpunkt 36 und spielt am Beginn des
Films einen 18-Jährigen! Er zweifelt, hat Angst, trinkt mehr als je zuvor.
Die erste Klappe fällt und Clift versucht, sein Bestes zu
geben. Elizabeth Taylor aber, die seine wahnsinnig werdende Ehefrau gibt,
spielt ihn an die Wand. (Und holt sich schließlich eine weitere Oscarnominierung
ab!)
In den ersten Tagen der Dreharbeiten geben Elizabeth Taylor
und ihr Mann Mike Todd eine kleine Party bei sich. Clift will zunächst nicht
hingehen. Er ist müde und möchte seinen Chauffeur nicht wecken. Da Taylors Haus nicht
weit entfernt von seinem liegt, entschließt er sich schließlich, selbst zu
fahren.
Alle Beteiligten an diesem schicksalhaften Abend bestätigen,
dass Clift nicht sonderlich viel getrunken habe. Ob er Tabletten oder andere Drogen genommen hat,
lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, aber Clift verlässt die Party früh
und steigt in seinen Wagen.
Kurz darauf verlässt ein weiterer Gast die Party, kommt aber
wenige Minuten später zurück und ruft um Hilfe. Er hat als erster die
Unfallstelle erreicht. Elizabeth Taylor eilt zum Unfallort und findet einen
blutüberströmten Clift vor, der zu ersticken droht. Sie greift ihm in den Mund
und zieht ihm die Zunge aus dem Hals, rettet ihm damit das Leben. Den Rest
ihres eigenen Lebens wird sie bei der Schilderung dieser Nacht in Tränen
ausbrechen.
Die Dreharbeiten werden unterbrochen, Clift trägt zahlreiche
Brüche davon, vor allem aber schwere Schnittwunden im Gesicht.
Er hat das Einzige verloren, was ihn noch attraktiv für
Produzenten gemacht hat: sein Aussehen.
Und er weiß es.
Obwohl Clift noch unter starken Schmerzen leidet und seine Heilung
nicht abgeschlossen ist, wird er vom Studio vertraglich gezwungen, IM LAND DES
REGENBAUMS zu beenden – und zwar schnell. Zeit ist schließlich Geld.
Er kehrt ans Set zurück, wird vornehmlich von der nicht
entstellten Seite gefilmt und ist auf Alkohol, Schmerztabletten und
Beruhigungsmittel angewiesen, um die anstrengenden Dreharbeiten durchzustehen.
Diesmal ist es Elizabeth Taylor, die ihn unterstützt und ihm hilft, die Takes
zu schaffen.
Der Film kommt 1957 in die Kinos und wird ein großer Erfolg –
wenn vielleicht auch aus den falschen Gründen. Der spektakuläre Unfall während
der Dreharbeiten lockt viele Zuschauer an, die neugierig sind: Sie veranstalten
ein trauriges Unterhaltungsspiel, ob sie erkennen, welche Szenen vor und welche
nach dem Unfall gedreht wurden, ob sie den unbeschadeten oder den entstellten
Clift vor sich sehen.
IM LAND DES REGENBAUMS erhält vier Oscarnominierungen und
spielt das Doppelte seiner Produktionskosten ein. Ein zweites VOM WINDE VERWEHT
wird es allerdings bei Weitem nicht. Clift zeigt eine bemühte, aber keine gute
Darstellung. Zu glasig ist sein Blick, zu ängstlich wirkt er.
Epilog eines angekündigten Todes
Clifts noch folgende Filme sind gute Werke, allerdings
inzwischen trotz seiner Teilnahme, nicht mehr deswegen.
In DIE JUNGEN LÖWEN agiert er endlich in einem Film mit
seinem Freund Marlon Brando, wenngleich sie keine gemeinsamen Szenen haben.
Brando kümmert sich um Clift, versucht ihn zu einer Therapie zu überreden, kann
aber nicht zu Clift vordringen.
Clift hat inzwischen eine Sekretärin eingestellt, die sich
um ihn kümmert. Da Clift oft, wenn er betrunken ist, einfach umfällt, braucht er
helfende Hände, die ihn versorgen und ins Bett bringen. Er ist stark
abgemagert, trifft sich in seinem Haus mit Männern, pflegt sogar langjährige
Beziehungen. All das will organisiert werden, wozu er selbst aber nicht mehr in
der Lage ist. Er ist kaum noch zurechnungsfähig.
In PLÖTZLICH IM LETZTEN SOMMER steht er ein letztes Mal mit
Elizabeth Taylor vor der Kamera. Und wieder ist sie es, die sich zu Recht die
Oscarnominierung holt. Regisseur Joseph L. Mankiewicz schikaniert den
mittlerweilen hilflosen und vollkommen überforderten Clift, wo es nur geht und
zieht damit den Unwillen von Katherine Hepburn und Elizabeth Taylor auf sich,
die sogar drohen, den Film nicht zu beenden. Das Resultat ist ein zitternder
und unsicher aufspielender Clift, ein hohles Echo der einstigen,
vielversprechenden Legende.
In John Hustons Meisterwerk THE MISFITS sind es Marilyn
Monroe, Eli Wallach und Clarke Gable, die mit ihren Darstellungen für Furore
sorgen, nicht Montgomery Clift, der kaum auffällt, das Ensemble beinahe mit
sich hinabzieht.
Einen letzten, und seinen beinahe größten, Glanzpunkt kann Clift 1961 in dem Klassiker DAS
URTEIL VON NÜRNBERG setzen. In seiner knapp viertelstündigen Aussage mit Richard Widmark und Maximilian Schell spielt er so anrührend und verletzlich, dass es Zuschauern, die um
seinen wirklichen Schmerz wissen, das Herz zerreißt! Der Lohn: seine vierte und
letzte Oscarnominierung – doch er wird wieder leer ausgehen.
Er dreht noch die vollkommen unbedeutenden Filme FREUD und LAUTLOSE
WAFFEN. Der letzte ist bereits eine französische Produktion, die in Deutschland
gedreht wird – für Hollywood ist Clift nicht mehr tragbar. Die Premiere seines
letzten Films wird er nicht mehr erleben.
Quelle: DVD "Das Urteil von Nürnberg" © 20th Century Fox |
Auch seine engsten Freunde haben sich mittlerweile von ihm
zurückgezogen – sie können es nicht ertragen, ihm bei seinem endgültigen Zerfall
zuzuschauen.
So lebt er, vereinsamt und allein, mit seinem Privatsekretär
wieder in New York. Am Abend des 22. Juli 1966 liegt Clift schwach und erschöpft
im Bett. Sein Sekretär weist ihn noch darauf hin, dass an diesem Abend THE MISFITS im
Fernsehen läuft und fragt, ob Clift ihn sehen wolle. „Auf keinen Fall!“, betont
Clift. Es ist ihr letztes Gespräch.
Am nächsten Morgen findet der Sekretär den Schauspieler leblos in seinem
Bett. Als Todesursache wird Herzinfarkt angegeben.
Brando sagt später über seine Freundschaft zu Clift:
„Eigentlich hätten wir Rivalen sein müssen. Zu diesem Zeitpunkt war ich ein
aufstrebender Schauspieler, stets bemüht, das Beste zu geben und er war bereits
ein sehr guter Schauspieler. Aber ich fühlte mich nie als sein Rivale, im
Gegenteil. Alles, an das ich zurückdenke ist, dass er einfach ein guter Freund
war, dem ein tragisches Schicksal bevorstand.“
Montgomery Clift bleibt einer der prägendsten und besten Schauspieler des neuen Hollywoods, in Erinnerung bleibt er aber auch als tragischer Mensch, der seinen Selbstzerfall wie kein Zweiter vor aller Augen fünfzehn Jahre lang zelebriert und seinen letzten, traurigen Erfolg feiert, als sein Körper seinen Süchten, von denen er nicht loskommen mag, und der Unvereinbarkeit seiner Gefühle und seiner Zeit endlich nicht mehr standhalten kann.
Montgomery Clift bleibt einer der prägendsten und besten Schauspieler des neuen Hollywoods, in Erinnerung bleibt er aber auch als tragischer Mensch, der seinen Selbstzerfall wie kein Zweiter vor aller Augen fünfzehn Jahre lang zelebriert und seinen letzten, traurigen Erfolg feiert, als sein Körper seinen Süchten, von denen er nicht loskommen mag, und der Unvereinbarkeit seiner Gefühle und seiner Zeit endlich nicht mehr standhalten kann.
Quelle: DVD "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig" © 20th Century Fox |
Der Autorin ist ein grosses Lob zu zollen für dieses wunderbare Porträt, Monty bleibt unvergessen!
AntwortenLöschenVielen, vielen Dank für das Lob. Montgomery Clift ist der Wegbereiter vieler ihm nachfolgender Stars wie James Dean und Marlon Brando. Ihn in seinen leider sehr wenigen Filmen zu sehen ist bis heute ein Quell der Freude. Umso schmerzlicher ist sein Verfall, den man ebenfalls anhand seiner letzten Filme beobachten kann. Monty aber ist und bleibt ein grandioser Schauspiel-Revoluzzer. Es war uns eine Freude, ihm ein ausführliches und vielschichtiges Porträt widmen zu können.
LöschenJa, toller Artikel! Danke!
Löschendie szene, im nürnberger prozess,bricht mir auch immer das herz.mir laufen die tränen übers gesicht. was für ein grandioser schauspieler. in all,seinen filmen!
AntwortenLöschenDa stimmen wir zu und uns geht es bis heute noch immer so.
LöschenEine der besten Filmszenen überhaupt.
Montgomery Clift war ein Vollblutschauspieler, der immer versuchte, das Wesen der Figur zu ergründen und auf die Leinwand zu bringen.
Dieses Porträt ist wunderbar. Es stellt Monty dar wie er war. Schade nur, dass die nötige Anerkennung nicht so durchgedrungen ist wie er es verdient hätte. Umso wichtiger ist dieses Portät, vielen Dank!
AntwortenLöschenVielen Dank für das tolle Lob.
LöschenWir sind sehr große Fans und wollten Clift durch das Porträt wieder ein bisschen ins Bewusstsein der Menschen bringen.
Ich glaube, monty clift ging es nicht so sehr um Auszeichnungen. Er wollte nur authentisch rüberkommen, dafür hat er alles gegeben. Leider hatte er mit zu vielen Dämonen zu kämpfen. Ich sehe mir immer mal wieder Filme von ihm an und bin froh, dass ich diesen wunderbaren Schauspieler durch Zufall in Red River das erste mal gesehen habe.
LöschenEin interessanter Blog. Die Einschätzung zum Film "the big lift" teile ich übrigens nicht unbedingt. Hier ist meine Besprechung zu genau diesem Film http://framat.de/big-lift-1950
AntwortenLöschenWas haltet ihr von einem Artikel/Portrait zu/über Robert Ryan? Der hat viele gute Filme gemacht und scheint doch relativ vergessen zu sein. http://framat.de/film-the-set-up-1949
Grüße aus Berlin nach Hamburg.
Seine Darstellung in Misfits als "kaum auffallend" zu bezeichnen ist nicht richtig. Er spielt das was er muss und kann und zieht die anderen mit seiner Darstellung keineswegs hinunter. Man denke nur an die Szene in der Telefonzelle oder im Hinterhof der Bar, auf den Knien von MM. Ängstlich voller Selbstzweifel und innerzlich zerrissen. Er befreit die Pferde, was ihn für MM noch zum wahren Helden des Films macht!
AntwortenLöschenIn dem Porträt habe ich mich auf die Leistung bezogen, die Montgomery Clift in seiner gesamten Karriere zu zeigen imstande war. Er war ein so großartiger und sensibler Schauspieler, der mehr hätte zeigen können, wenn es ihm zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere möglich gewesen wäre. Ich habe alle Filme gesehen und finde seine Leistung stets fantastisch, ja, herausragend, doch in MISFITS ist es nicht er, der den Film adelt. Zum ersten Mal sind es für mich alle um ihn herum. Das heißt nicht, dass er schlecht spielt. Er spielt solide, doch gerade Monroe ist überraged und auch Gable und Wallach sind für mich feiner im Spiel. Und somit ist es tatsächlich der erste Film (abgesehen von DAS LAND DES REGENBAUMS, durch den er sich eher durchkämpft,sicherlich bedingt durch seine noch nicht ausgeheilten Verletzungen und den schweren Medikamenten und dem Alkoholmissbrauch), in dem er durch seine Alkoholabhängigkeit und dem damit einhergehenden jahrelangen Zerfall, nicht herausragend spielt. Berührende Szenen gibt es wohl, da gebe ich dir Recht, doch das Spiel in Gänze hat mich nicht mehr in der Weise wie sonst überzeugt. Es ist eher das solide Abliefern einer durchschnittlichen Leistung, wobei mein Jammern tatsächlich auf hohem Niveau stattfindet.
AntwortenLöschenEr ist und bleibt für mich einer der wichtigsten Wegbereiter der heutigen Schauspielkunst (noch vor Dean und Brando!), den ich sehr verehre und stets gern sehe.
Danke für dieses großartige Porträt von Monty. Mein erster Film mit ihm war Verdammt in alle Ewigkeit. Damals war ich ein junges Mädchen und er war schon lange nicht mehr unter uns. Auch wusste ich nichts von seinem privaten seelischen Kämpfen. Ich weiß noch als mich meine Eltern vom Kino abholten, habe ich geweint, weil ja das Ende so traurig war .... Ich habe danach jeden Film mit ihm gesehen und nicht nur einmal. Er war wunderbar ... dieses Gesicht, diese Verletzlichkeit in seinen Augen.... mit was für einer Intensität er spielte ... einer der Besten und für immer Unvergesslich !!
AntwortenLöschenVERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT ist und bleibt einer der größten und stilbildensten Filme der Filmgeschichte.
LöschenClift spielt mit einer für damalige Verhältnisse sehr seltene Intensität und Transparenz.
Auch wir haben seine Filme alle gesehen und die meisten mehrmals und mehrmals und mehrmals.
Unvergesslich - da stimmen wir von Herzen zu!
MISFITS ist im Übrigen ein sehr aktueller Film, der Parallelen zu neueren Werken aufweist, wie HELL OR HIGH WATER, CRAZY HEART, THREE BILLBOARDS..u.v.m
AntwortenLöschenMISFITS war stilprägend. Besonders für das Western-Genre.
LöschenClark Gable hatte damals das Drehbuch gelesen und wollte den Film erst gar nicht machen, weil er einen (typischen) Western erwartete, den er natürlich mit MISFITS nicht bekam.
MISFITS ist ein äußerst moderner Film, der mit seiner Ausweglosigkeit, seiner Suche nach dem Sinn, seinem Nihilismus, seinen gebrochenen Tabus, der Aufgabe von Normen und Werten, der ungewohnten Rollenbesetzungen, der Rauhheit und gleichzeitigen Verletzlichkeit und den Abgesang des klassischen Wilden Westend Maßstäbe für das Genre gesetzt hat, von denen die Western bis heute profitieren.
Genialer Schauspieler und Mensch!!!
AntwortenLöschenBeeindruckendes Portrait.
AntwortenLöschenWenn ich ihn sehe , denke ich immer , wie kann man so schön sein???? Liebe deine Filme immer noch sehr , die ich schon als Kind gesehen habe
AntwortenLöschenIch war in ihn verliebt, ein besonderer Mensch
AntwortenLöschenWarum muss man das Vermächtnis solch grandioser Schauspieler beschmutzen indem man auf deren Homosexualität herumreitet und diese ausschlachtet?
AntwortenLöschenWas hat das mit seiner genialen Schauspielweise zu tun, die uns glückliche Stunden beschert hat? Das hat kein Mensch verdient.
Das gleiche gilt für seinen Alkoholmissbrauch. Es sollte nur Gutes über ihn berichtet werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein sehr feinfühliger Mensch war, für den das Leben und die Mitmenschen nur unter Alkohol erträglich war. Diese Biographie sollte gelöscht oder dahingehend überarbeitet werden, dass Homosexualität und Alkohol entfernt werden. Er kann sich ja nicht mal gegen diese üblen Nachreden wehren. Handelt es sich da evtl. um Neider?
AntwortenLöschenVielen Dank für den guten Beitrag zu Montgomery Cloft. Der Schriftsteller Steve Erickson würdigt ihn in seinem tollen Roman "Zeroville" auf seine ganz besondere Art. Film- und Literaturfans sei das Buch wärmstens empfohlen.
AntwortenLöschenIch habe damals, vor dem Mauerbau -Verdammt in alle Ewigkeit - in Westberlin gesehen, insgesamt vier mal. Es war unglaublich. Die Darstellung von M.Clift
AntwortenLöschenhat mich tief beeindruckt. Heute -inzwischen 80 Jahre- habe ich noch das Programm- und denke voller Bewunderung an diesen genialen Schauspieler.