Da ist er also, Til Schweigers
Kino-Tatort TSCHILLER: OFF DUTY. Nach vier eher durchwachsenen
Fernsehauftritten des beinharten LKA-Agenten Nick Tschiller sind wir
mit gedämpften Erwartungen ins Kino marschiert, nur um
festzustellen: Der Film ist erstaunlich gut. Wäre da nicht …
Man muss es einfach irgendwann aus dem Weg räumen, also fangen wir am besten damit an: Til Schweiger hat ein Ego-Problem. Damit meinen wir, dass es Deutschlands aktuell erfolgreichstem Filmemacher immer wieder misslingt, sich und seine Person ausreichend von seinen Filmen zu trennen. Infolgedessen gelingt es auch dem Publikum nicht mehr. Wie in der Politik, wo schon mal eine unbescholtene Regionalpartei für die Sünden eines Bundespolitikers abgestraft wird, gerät auch ein Schweiger Film schnell in die Kritik dafür, dass man ein Problem mit Schweigers öffentlichem Auftritten als Person hat.
Insofern darf Schweiger sich rühmen,
mit internationalen Topstars wie etwa Tom Cruise auf einer Stufe zu
stehen, der nicht nur immer wieder sehenswerte Filme hervorbringt,
sondern sich darüber hinaus auch immer wieder als veritabler
Schauspieler erweist. Wäre da nicht Cruises Persönlichkeit, die
vielen Zuschauern die Galle auf seine Filme hochkommen lässt.
Nun soll das Schweigers Imageproblem nicht
entschuldigen. Ihm gelingt es ja ganz hervorragend, anzuecken und ja,
wir sind auch nicht immer die größten Fans seiner öffentlichen
Ego-Ausbrüche und seiner offenkundigen Probleme, mit Kritik
umzugehen.
Aber: All das macht aus TSCHILLER: OFF
DUTY keinen schlechteren Film. Besprechen wir ihn also möglichst
werkimmanent.
The Good
Wir sagten es schon: Wir hatten unsere
Probleme mit den Fernseh-TATORTEN rund um Nick Tschiller. Dabei ging
es gar nicht so sehr darum, dass es sich eher um Actionfilme als um
„klassische“ TATORTE handelt, sondern vor allem darum, dass wir
sie für enorm unübersichtlich halten. Wir haben das gesamte
Geflecht um Tschiller, Informanten, übergelaufene Partner und seinen
Kampf gegen den kurdischen Gangsterboss Firat Astan nur mit Mühe
verstanden. Immer wirkte es so, als hätten Schweiger, Regisseur
Christian Alvart und Autor Christoph Darnstädt mit ihren 4x90 Minuten zu wenig
Zeit, um die Geschichte kohärent zu erzählen. Hinzu kamen schwere
akustische Probleme. Insbesondere der letzte Teil, „Fegefeuer“,
der bemüht war, ein Psychoduell zwischen den Kontrahenten Tschiller
und Astan zu inszenieren, krankte oft daran, dass man die Figuren
schlicht nicht verstand. Zu dumpf, zu leise, zu schnell, zu
genuschelt waren die Dialoge aufgenommen.
TSCHILLER: OFF DUTY wirkt da deutlich
logischer und verständlicher. In seinen 140 Minuten knallt er eine Story auf den Tisch, die zwar von den vier Fernsehepisoden
angestoßen wird, sich aber schließlich eigenständig genug
entwickelt, sowie durchgehend schlüssig und über die meiste Strecke auch
gut verständlich ist.
Auslöser ist Tschillers Tochter Lenny,
die auf eigene Faust nach Istanbul reist, um den Mörder ihrer
Mutter, eben Firat Astan, zu erschießen. Das Ganze läuft schief und
sie gerät in die Fänge des türkischen Geheimdienstagenten Süleyman
Seker. Der versucht, sich in die russische Unterwelt einzukaufen und
transportiert Tschillers Tochter mit einer Horde Sexsklavinnen direkt nach
Moskau ab. Zu dem Zeitpunkt ist Nick Tschiller aber längst in
Istanbul und sucht mit gewohnter Härte nach seiner verschwundenen
Tochter …
© Warner Bros. Pictures Germany |
Natürlich wirft die Story nicht mit Kreativität oder neuen Ideen um sich. Konnte VICTORIA letztes Jahr dank seiner Perspektive und seiner One-Take Idee noch frischen Wind ins Genre des Actionthrillers bringen, wandelt TSCHILLER: OFF DUTY auf deutlich klassischeren Pfaden. Doch das macht er wirklich gut. Die Story wartet mit erfrischenden Wendungen auf, von denen einige überraschender kommen als andere und erweitert sich im Laufe der Handlung immer mehr zu einem Verschwörungsthriller unter Gangsterbossen. Die Dynamik zwischen Protagonist Tschiller und Antagonist Seker spitzt sich spürbar und meist sinnvoll immer weiter zu, wodurch die Geschichte bei allen internationalen Verwicklungen und Verschwörungen zunehmend dichter und persönlicher wird. Kurz gesagt: Die Geschichte ist trotz einiger kleiner Längen wirklich packend und unterhaltsam.
Dass Christian Alvart ein
hervorragender Actionregisseur ist, hat er bereits mit seinem
Durchbruch ANTIKÖRPER bewiesen, auch wenn der Vergleich zwischen den
Fernseh-Tschillers und TSCHILLER: OFF DUTY den Verdacht nahelegt,
dass er einfach mehr Raum, oder mehr Budget, braucht, um wirklich gut zu erzählen.
TSCHILLER: OFF DUTY ist darüber hinaus klasse fotografiert (samt
warmer und kalter Farbfilter in Istanbul respektive Moskau) und
bemüht sich immer wieder, seine beiden Spielstädten mit hübschen
Panoramaaufnahmen zu einem weiteren Hauptdarsteller zu stilisieren. Einzige Kritik: Die
Kampfszenen sind möglicherweise ein wenig unübersichtlich im Schnitt,
was aber auch auch nur persönliche Neigung sein kann.
Überhaupt hält sich TSCHILLER: OFF
DUTY mit "reiner" Action angenehm zurück. Natürlich gibt es auch hier
ordentlich Schlägereien, Schießereien und In-die-Luft-Jagereien,
doch geraten diese niemals zum Selbstzweck, und vor allem beherrschen
sie nicht den Film sondern werden durchweg an narrativ sinnvollen Punkten
eingesetzt.
Immer wieder überkommt einen das
Gefühl, die eine oder andere Sequenz schon einmal in einem anderen
Film gesehen zu haben, und die Grundhandlung erinnert wohl nicht
umsonst an Liam Neesons Klassiker TAKEN – wir haben all diese
Anspielungen einfach als Hommage gewertet und uns drüber gefreut.
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Im Grunde sind so gut wie alle Darsteller
sehenswert. Alyona Konstantinova, die als sympathische
Bordsteinschwalbe Dasha leider die einzig nennenswerte weibliche
Rolle in dem Film hat, fällt dabei mit einem frischen Gesicht –
das einem fortwährend bekannt vorkommt – und viel Spielfreude
besonders auf.
Als absoluter Showstealer des Films
erweist sich jedoch wieder einmal Fahri Yardim als Tschillers
sichtlich überforderter Sidekick Yalcin Gümer. Yardim (mit dem ich,
wenn mir eine persönliche Anekdote erlaubt sei, einst im Studium
aufgrund seiner Laissez-faire Einstellung wiederholt
aneinandergeraten bin! Ich bin sehr froh, dass er das Studium zu
Gunsten der Schauspielerei aufgegeben hat!) reißt einfach jede Szene
an sich, die ihn nach vorne lässt. Knackig, witzig und smart ist es
Gümers moralische Witzelei im Gegenpol zu Tschillers eher triebgesteuertem
Racheengel, der aus TSCHILLER: OFF DUTY eine gut funktionierende
Buddy-Komödie klassischer Schule macht. Es wird Zeit, dass jemand Yardim mal ein paar Hauptrollen auf den Leib schreibt.
Zusammengefasst lässt sich loben:
TSCHILLER: OFF DUTY ist kein Film, der Preise gewinnen wird, doch für
das, was er sein will, nämlich ein packender Actionthriller, ist er
hervorragend gemacht und sollte allen Genrefans Freude bereiten.
The Bad
Was natürlich nicht bedeutet, dass wir
nichts zu meckern hätten.
Der Hauptmakel des Films ist, dass er
einfach viel zu lang ist! Auch wenn er viel Raum braucht um seine
Geschichte zu erzählen, gibt es immer wieder Sequenzen, die am Ende
keinerlei weitere Bedeutung für die Handlung haben. Insbesondere die erste,
in Istanbul spielende Hälfte des Films hätte man getrost kürzen
können, ohne dem Film viel Substanz zu nehmen. Hier finden sich
Nebenerzählstränge, die nie wieder aufgegriffen werden, und vor
allem die ausufernde Sequenz in einem türkischen Gefängnis bringt
keinerlei Mehrwert für die Grundhandlung.
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Ebenfalls problematisch ist natürlich,
dass TSCHILLER: OFF DUTY eine kleine Mogelpackung ist: Das Marketing
erwähnt nur zu gerne, dass es sich um einen Kino-Tatort handele. Und zwar den
ersten seit Götz Georges Schimanski-Ausflügen mit ZAHN UM ZAHN und
ZABOU, die immerhin 30 Jahre her sind. Doch genau das ist TSCHILLER:
OFF DUTY nicht. Auch wenn wir keine großen TATORT-Freunde sind und
ohnehin die Ansicht vertreten, dass der deutsche Kultkrimi sich für
jeden Fan durch etwas anderes definiert, sind wir uns ganz sicher:
Nichts davon wird sich im Kinofilm finden. Mit Ausnahme der
angedeuteten Sozialkritik vielleicht.
TSCHILLER: OFF DUTY ist eher ein
Spin-off, ein guter Actionthriller mit einigen Figuren, die bereits
aus dem Tatort-Universum bekannt sind. Mehr aber auch nicht. Reine
TATORT-Fans werden also enttäuscht sein.
Bedauerlich ist vor allem auch, dass der
Film so wenig Neues in sein Genre bringt. Das ist nun klagen auf hohem
Niveau, denn überhaupt erst einmal einen international
konkurrenzfähigen Actionthriller zu produzieren, ist ja bereits eine
bemerkenswerte Leistung, dennoch wäre es schön gewesen, ein paar Tropen weniger
auf der Leinwand zu erleben. Vor allem bedauern wir, dass die Welt
hier rein männlich ist. Frauen dienen lediglich als Stripperinnen,
als Prostituierte, als Damsel in Distress oder als Verführungsopfer
für die Helden. Gerade hier hätte der Film vor seinem
TATORT-Hintergrund besser arbeiten können.
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Und abschließend: Echte Logiklöcher
halten sich in TSCHILLER: OFF DUTY glücklicherweise in Grenzen, gerade, wenn
man bedenkt, dass man hier einen Actionthriller schaut, die ohnehin jede Logik dem epochalen Bild unterordnen. Und es ist ja gut
möglich, dass in Russland noch nach Sonnenuntergang in großem Stil
Felder gemäht werden. Aber über eine Szene kommen wir einfach nicht
hinweg: Warum nimmt Tschiller nicht einfach die Tür? Oder hat er sie schlicht verfehlt? Wir wissen es nicht.
The Ugly
Im Grunde ist es erfreulich, dass wir
verhältnismäßig wenig zu nörgeln haben, was TSCHILLER: OFF DUTY
betrifft, aber Kritik muss sein, wo Kritik angemessen ist.
Die erste davon können wir sogar noch
relativieren. Til Schweiger selbst spielt – akzeptabel. An einigen
Stellen trägt der Film womöglich ein bisschen dick auf, wohl auch,
weil Schweiger Mühe hat, seine Oneliner so subtil und beiläufig
loszuwerden wie etwa sein Sidekick Yardim. Der Film beweist aber auch
wieder, dass Schweiger in Komödien einfach besser wirkt. Die etwas
luftigeren Szenen, wenn er etwa im Gefängnis Streit sucht, wirken
deutlich besser, als wenn er mit Zornesfalten auf der Stirn den
Rächer gibt. Das ist, wie gesagt, ausreichend, doch in den witzigen
Momenten entfaltet Schweiger deutlich mehr Charme und Wirkung.
Erfreulich ist, dass Til Schweiger sich
nie in den Vordergrund drängt. Auch wenn er der Star des Films und
die titelgebende Hauptfigur ist, lässt er allen anderen Figuren,
soweit sie denn ausreichend entwickelt sind, genügend Raum, sich zu
entfalten und zu glänzen. Wer also befürchtet, der Film gerate zum
Schweigerschen Egotrip, der sei beruhigt.
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In jedem Fall liefert sie in TSCHILLER:
OFF DUTY keine bessere Leistung ab als bisher, und immer noch ist sie
die Figur, die man rein akustisch am schlechtesten versteht (ohne
Häme: wir haben Luna Schweigers deutsche Sätze schlechter
verstanden als die der von schwerem Akzent verhangenen türkischen
Schauspieler…). Wir halten es von daher für einen cleveren
Schachzug, ihre Figur der Lenny Tschiller nur als Plot Device zu
nutzen und stark zu reduzieren. Länger als zehn oder zwanzig Minuten
taucht sie nicht auf und spricht die Hälfte ihrer Sätze in Englisch
– was zum einen besser verständlich ist, und zum anderen
untertitelt.
Fazit
TSCHILLER: OFF DUTY ist noch weniger
Tatort als die Fernsehepisoden um Nick Tschiller, da sollte man sich
keine Illusionen machen. Doch allen Problemen zum Trotz, die man mit
der Person Til Schweiger haben mag: Es ist ein gut gemachter und
sehenswerter Actionthriller. Er ist nicht perfekt, bewegt sich die
meiste Zeit auf altbekannten Pfaden und bringt nur wenig Neues in
sein Genre, kann sich aber stolz neben seinen Kollegen zeigen lassen
und ist deutlich besser als es etwa ein NON-STOP oder ein THE GUNMAN
zuletzt waren.
Der extra eingeführte Schurke Seker
erweist sich als wirkungsvoller Antagonist, mit dem Tschiller sich
eine immer persönlicher werdende Jagd nach seiner Tochter liefern
kann. Der internationale Cast bringt viel Authentizität ein, auch
wenn uns gute Frauenrollen fehlen, und Fahri Yardim als Tschillers
Sidekick Yalcin Gümer allein ist beinahe den Kinobesuch wert. Die
Story konzentriert sich lieber auf den Thriller als die Action, und
auch wenn der Film gute 30 Minuten zu lang ist, ist er nie wirklich
langweilig. Bekannte Schwächen, zu denen leider auch Luna Schweiger
gehört, werden auf ein Minimum reduziert, und Schweiger beweist zwar
wieder, dass er in komischen Momenten deutlich stärker ist, denn als
Actionheld, spielt den eisenharten, besorgten Vater aber gut genug,
und drängelt sich glücklicherweise auch nie in den Vordergrund.
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Für Fans von Actionthrillern, die
damit leben können, dass Til Schweiger überhaupt auftaucht, können
wir TSCHILLER: OFF DUTY bedenkenlos empfehlen.
Ich habe euch nominiert, schaut mal hier: http://www.filmophilie.de/2016/02/liebster-blog-award.html
AntwortenLöschenOh, dankeschön. Jetzt haben wir schon drei offene Nominierungen ... o.O Wir kommen zu nichts, geben aber unser Bestes, dass wir es noch schaffen. Jetzt lesen wir erstmal bei dir ... :D
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